Auswahl nach Land
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2014
Nordseeküstenradweg / North Sea Cyle Route
Schottland, England
Weiter auf Südkurs: Von Aberdeen nach Hull
Samstag, 12.07.2014
Der letzte Tag vor der Abreise ist wie immer lang und anstrengend. In der vorangegangenen Nacht habe ich schlecht und wenig geschlafen, habe mir viele Gedanken gemacht über die Wochen, die nun vor mir liegen.
Um 07:30 frühstücken wir mit den Kindern, bevor dann 15 Stunden Dauer-Action vor mir liegen. Als "Zeugnisüberraschung" bekommen die Kinder von uns einen Shopping-Gutschein über 25 Pfund sowie einige NSCR-Logo-Aufkleber, welche ich "selbst gebastelt" und im Internet bestellt hatte. Zumindest der Gutschein löst Freude aus, ich glaube die Aufkleber sind ihnen eher egal…
Ansonsten wird gepackt, eingepackt, werden Räder in Kartons verfrachtet und so weiter und so fort. Ich bin froh, dass dies vorerst die letzte Tour ist, vor der vier Fahrräder flugfertig gemacht werden müssen. An Claudias Rad ist ein Pedal so festgegammelt, dass ich es nicht gelöst kriege. Ich radele extra zum Baumarkt, hole einen neuen Schlüssel, welcher dann aber leider nicht passt. Schließlich kann ein befreundteter Maschinenbauingenieur mit adäquatem Werkzeug helfen - namentlich einem ausreichend langen Hebel - Rettung in letzter Minute…
Ein Thema, welches bis zum heutigen Tag ungeklärt ist, ist die "Handyfrage". Mein Vorschlag war schon vor Wochen, in diesem Jahr mal smartphonefreien Urlaub zu machen. Außer unserer Jüngsten (13) sind auch alle einverstanden, nur sie lehnt das vehement ab. Wir überlegen, ob Freiwilligkeit eine Option ist, verwerfen die Idee aber wieder. Letztendlich mache ich dann aber doch eine klare Ansage, welche sogar noch einen kleinen Kompromiss darstellt: Claudia, die sich nebenbei als ehrenamtliche Betreuerin ein paar Euro dazuverdient, muss wegen der von ihr gesetzlich betreuten Patienten ohnehin ein Mobiltelefon mitnehmen. Dies soll dann auch das einzige Gerät sein. Die Kinder sollen dann gelegentlich begrenzte Nutzungszeit bekommen, wenn sich das mal anbieten sollte.
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Sonntag, 13.07.2014
Problemlos gelangen wir dank der Unterstützung durch meinen Schwiegervater nach Hamburg, voll ist es am Flughafen. Routiniert wie ich mittlerweile bin, habe ich bereits im Vorwege dafür gesorgt, dass wir vier Ein-Euro-Münzen parat haben, um die Wagen für den Transport unseres umfangreichen Gepäcks zu holen. Freundliche Worte des Abschieds und des Danks an Werner, dann stürzen wir uns ins Getümmel.
Am Sperrgutschalter müssen wir die Kartons, in denen die Räder stecken, alle noch einmal öffnen, da sie nicht durch den Scanner passen. Claudias Vehikel erweist sich darüber hinaus als deutlich zu schwer. Ohne das wuchtige Abus-Schloss ginge es, das wiederum darf aber nicht ins Handgepäck. Oh Mann, Scheißfliegerei… Bei dem Kontroll- und Wiegevorgang ist neben dem Scannerpersonal auch ein Mitarbeiter von British Airways zugegen. Nachdem letztgenannter sich von dem korrekten Zustand überzeugt hat, verschwindet er wieder. Kaum, dass er um die Ecke ist, meint der "Scanner-Mann", ich könne nun doch einfach das Schloss wieder mit in den Karton packen, noch mal würde das nicht gewogen werden. Zack, erledigt. Sehr netter Tipp!
Von Hamburg gelangen wir per Flugzeug über London nach Aberdeen
Pünktlich heben wir ab und schweben etwa eine Stunde später über London. Ich erhasche einen Blick auf die Themse und das Riesenrad "London Eye". Die Kinder kleben an der Scheibe, sind total begeistert, äußern dabei auch, dass sie es total unwirklich finden, dass da unter ihnen die britische Hauptstadt liegt.
Ich bin immer ein wenig erstaunt, warum ausgerechnet London so eine "magische Bedeutung" für die Kinder hat, sie hegen eine große Begeisterung für die Vorstellung, in halbwegs absehbarer Zeit die Stadt zu besuchen. In meiner Kindheit war das eher Paris oder vielleicht New York - aber London? Auf die Idee wäre ich niemals gekommen…
Etwa eineinhalb Stunden bleiben uns in Heathrow, um den Anschlussflug nach Aberdeen zu erwischen - Zeit genug, denke ich, doch schaffen wir es in diesem Orwellschen Überwachungsmonster fast noch, den Flieger zu verpassen. Claudias Handgepäck wird wegen einer kleinen Schere aus dem Verkehr gezogen. Das Personal ist völlig überlastet, es ist offensichtlich, dass es noch ewig dauern würde, bis Claudias Tasche zerpflückt wird. Nur noch wenige Minuten sind es, bis das Gate schließt, da wende ich mich an einen verantwortlichen Mitarbeiter, um den Vorgang etwas zu beschleunigen. Auf die allerletzte Minute schaffen wir es schließlich in den Flieger.
Abermals gibt es ein winziges Tütchen gesalzener Chips und einen Tee, dann geht es auch schon in den Landeanflug auf Aberdeen. Es ist etwa halb sechs Ortszeit, als die Boeing aufsetzt. Ganz cool, wieder hier zu sein!
Der Flughafen ist - vor allem im Vergleich zu Heathrow - klein und überschaubar, wir finden uns leicht zurecht und erkennen sogar einige Angestellte wieder, denen wir im Vorjahr bereits begegneten. Schnell tauchen am Gepäckband die vier "blauen Pakete" auf, jene mit Hilfe von Ikeataschen geschnürten Bündel, die unsere Packtaschen enthalten. Alle anderen Fluggäste nehmen ebenfalls ihr Gepäck in Empfang und dann stehen wir alleine da - die Tür, durch welche das Sperrgepäck normalerweise geliefert wird, bleibt verschlossen.
Als wir am Schalter nachfragen und die freundliche Angestellte ihren Computer befragt, erfahren wir, dass die Räder noch in London sind - na klasse!
Die Dame meint, wir könnten den Bus in die Stadt nehmen (wo ich in der Jugendherberge Zimmer reserviert habe) und man würde uns die Räder am Abend anliefern.
Wir überlegen kurz, ob wir warten, bis die Fahrräder den Flughafen Aberdeen erreichen, um dann von hier aus radelnd in die Innenstadt zu gelangen (worauf ich mich wirklich gefreut hatte), entscheiden uns dann aber doch für die Busvariante, auch wenn der Transport der großen blauen Gepäckpakete beschwerlich ist. Immerhin ist die Verbindung super: der Bus steht direkt vor der Tür, einmal kurz umsteigen, dann eine Haltestelle direkt vor der Herberge. Hoffen wir nun also, dass die Anlieferung heute wirklich klappt…
Schnell haben wir in der Jugendherberge eingecheckt - die Zimmer hatte ich wie gesagt bereits im Vorwege reserviert; für aberwitzige 136 Euro. Da es jedoch keinen halbwegs zentralen Campingplatz in Aberdeen gibt, haben wir uns für diese Variante entschieden. Während die Mädels in einem nahegelegenen Supermarkt einen Einkauf erledigen, sortiere ich im Treppenhaus das Gepäck, einen Großteil davon wollen wir direkt in der Gepäckaufbewahrung einlagern.
Im Speise- und Aufenthaltssaal essen wir dann zu Abend, bevor wir rechtzeitig zum Anpfiff des Fußball-WM-Finalspiels im TV-Raum sitzen: heute Abend spielt in Rio de Janeiro die deutsche Elf gegen die Auswahl aus Argentinien. Kaum hat das Spiel begonnen, da fährt ein Lieferwagen vor und bringt uns vier große Kartons - hurra!
Für mich ist es also vorbei mit dem Fußballschauen, wobei ich das durchaus verschmerze. Auf dem Vorplatz des Gebäudes kümmere ich mich um das Auspacken und die Montage, wobei mir Toni die meiste Zeit engagiert und motiviert hilft. Erfreut kann ich vermelden, dass alle vier Räder den Transport unbeschadet überstanden haben.
Als ich fertig bin, entsorge ich die Kartons in einem Container auf dem Hof, wobei das Zerkleinern der derben Pappen eine wirklich schweißtreibende Angelegenheit ist. Es ist dann möglich, die Fahrräder in einem abschließbaren Raum unterzustellen. Als die Aktion beendet ist, hat auch das Fußballspiel seinen Abschluss gefunden, wie man weiß, zur Zufriedenheit der deutschen Mannschaft und ihrer Fans.
Es folgt eine unruhige Nacht im Etagenbett in einem Schlafsaal. Na ja, dies ist günstigste verfügbare Unterkunft in der Stadt…
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Montag, 14.07.2014
Am Morgen stehe ich leider eine Stunde zu früh auf, da meine Augen mittlerweile so schlecht sind, dass ich die Fünf auf der Uhr für eine Sechs halte. Super, ich werde echt alt... Das bemerke ich auch erst, als ich bereits fertig geduscht habe. Nun denn, auch nicht so schlimm. Ich fläze mich auf ein Sofa im TV-Raum und bringe meine Tagebuchnotizen auf den neusten Stand. Als ich damit gerade fertig bin, so gegen acht Uhr, da tauchen dann die Mädels auf. Man bittet uns in ein winzig kleines Frühstückszimmer - hätte auch in irgendeiner Privatpension sein können - wo an einem Tisch vier Plätze für uns vorbereitet sind. Mit im Raum sind zwei Briten, deren Akzent so derbe ist, dass ich mich sehr konzentrieren muss, um sie zu verstehen. Somit findet dann auch nicht allzu viel Konversation statt, während wir das nette Frühstück einnehmen.
Wir räumen anschließend unsere sieben Sachen zusammen und lagern alles im Gepäckraum ein - denn bevor die große Nordseeküsten-Radfahrt beginnen wird, dürfen die Mädels noch einen kleinen Shopping-Ausflug in Aberdeens Innenstadt unternehmen. Von der Herberge bis dort ist es nicht weit, wir nehmen trotzdem die Fahrräder, die wir dann ganz in der Nähe der Primark-Filiale anschließen. Der Billig-Ramschladen ist der erste und von den Mädels heiß ersehnte Anlaufpunkt auf ihrer Einkaufsrunde. Claudia und ich unternehmen einen gemeinsamen Spaziergang in die schmucklose Gegend am Hafen und begeben uns dann wie verabredet eine Stunde später wieder zu Primark. Die Mädels sind natürlich noch lange nicht fertig. Und da ich weder mit "Shoppen" im allgemeinen noch mit Primark im speziellen etwas anfangen kann, klinke ich mich aus und unternehme eine kleine Fotoexkursion in die nahen Nebenstraßen. Ich entdecke eine Kirche mit einem verwitterten Friedhof, wo ein paar stimmungsvolle Aufnahmen entstehen.
Stadtbummel in Aberdeen
Abflussrohre an einer Hauswand - in dieser gekippten Aufnahme
ähneln sie der Flagge Schottlands
Unterwegs in den Straßen von Aberdeen
Kopflos in Aberdeen - auf einem kleinen Friedhof in der
Innenstadt entdecke ich diese Skulptur.
Bei der Post gebe ich für abartig viel Geld ein Paket auf, mit welchem ich das ganze, nun nicht mehr benötigte Verpackungsmaterial (Ikeataschen, Spanngurte etc.) nach Deutschland schicke. Als die Schalterbeamtin erkennt, dass wir Deutsche sind, ist die Begeisterung groß und sie gratuliert und überschwänglich zur gewonnenen Fußball-WM. "Thanks, yes, they did a good job!".
Dieses Phänomen wird uns in der nächsten Zeit noch manches Mal begegnen… Als ob wir etwas dafür könnten… Na ja, ist aber ja nett, in einem Land freundlich aufgenommen zu werden.
Am Abend unserer Ankunft in Aberdeen gewinnt die deutsche
Fußballmannschaft in Brasilien das WM-Finale gegen Argentinien.
Später geht es dann noch gemeinsam zur uns bereits vom Vorjahr bekannten Shopping-Mall am Hafen, wo ich Gaskartuschen erwerbe und wo die Damen eine Filiale des derzeit angesagten Labels "Hollister" ansteuern.
Gegen 14:00 sind wir wieder an der Jugendherberge - wäre das auch überstanden - und bereiten die Abfahrt vor.
Vorher müssen wir allerdings noch etwas essen. Die Kinder weihen dabei ihre soeben erworbenen Tieranzüge ein - Johanna ist plötzlich eine Giraffe, Toni ein Känguru. Das ist unglaublich albern, aber scheinbar irgendwie angesagt. Mehr als einmal in den kommenden Wochen werden wir auf den Campingplätzen Menschen, ja sogar Erwachsene, in derartigen Ganzkörpertieranzügen sehen. Seltsam, seltsam…
Noch einmal Pipi und dann beginnt pünktlich um 15:00 der achte Teilabschnitt unserer NSCR-Fahrt. Just in dem Moment setzt Regen ein, hurra! Wir orientieren uns auf nunmehr bekannten Wegen in Richtung Innenstadt und Hafen, wo wir bald auf die Beschilderung des Nordseeküstenradwegs stoßen. Der Niederschlag nimmt an Intensität zu, so dass wir uns bald unsere Regenkleidung überziehen. Das Profil ist leicht wellig. In der Kleinstadt Portlethen machen wir an einem Riesensupermarkt Halt, um unsere Proviantdepots zu füllen und vor allem auch, um heute Abend etwas zu essen zu haben. Wie üblich warte ich bei den Rädern, während die Mädels die Einkäufe erledigen. Es weht ein frischer Wind und ich bin völlig durchgefroren, als nach einer gefühlten Ewigkeit die drei Damen mit prall gefüllten Plastiktüten wieder auftauchen. Noch gut zwanzig Kilometer liegen vor uns, genügend Hügel, um sich wieder warm zu fahren. Gegen acht am Abend erreichen wir den Küstenort Stonehaven. Der Campingplatz ist dicht am Meer und recht adrett, die Menschen an der Rezeption sind so freundlich, die Kinder aus der Rechnung herauszunehmen, damit es für uns nicht so teuer wird.
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Dienstag, 15.07.2014
Ich bin bereits um sieben Uhr wach, es plagen mich heftige Kopfschmerzen, die mich noch bis weit in den Nachmittag hinein begleiten werden, unerfreulich. An Schlafen ist da nicht mehr zu denken und so schleiche ich mich aus dem Zelt, während die Mädels um mich herum noch tief und fest schlummern. Ich schnappe mir meine Kamera und unternehme an diesem herrlichen, sonnigen Sommermorgen einen Spaziergang an den nahen Steinstrand, mache Fotos, spaziere dann weiter in Richtung des kleinen Ortes Stonehaven.
Der kleine Küstenort Stonehaven
Wenn ich es dann mal schaffe, zu solch früher Stunde den Hintern aus dem Bett zu kriegen, dann ist das ja eigentlich jedes Mal ein Genuss! Ich atme kühle, frische Morgenluft, während langsam das Leben im Dorf erwacht. Vereinzelt sind nur ein paar Hundespaziergänger unterwegs. Die Sonne steht tief und blendet, hinter dem Ort erstreckt sich eine grasbewachsene Steilküste, die sehr schön anzusehen ist.
Zwei Stunden später bin ich wieder an den Zelten, genau zu der Zeit, da die Mädels gerade erwachen. Meine Älteste hat ausgeschlafen - dies zu tun war ihr erklärter Wunsch… Die Befürchtung war bereits, wir würden sie vor elf Uhr nicht aus dem Schlafsack kriegen, nachdem im vergangenen Jahr das Thema "Aufstehen und Ausschlafen" ja durchaus manchmal für etwas Unmut sorgte - nicht so in diesem Jahr, wie schön!
Wenige Kilometer südlich von Stonehaven besuchen wir
die Ruine der Felsenburg Dunnottar Castle
Um elf Uhr sind wir auf der Straße und erreichen bereits nach wenigen Kilometern die Burgruine Dunnottar Castle. Das verwegen erscheinende Bauwerk ziert auch das Titelblatt unserer Landkarte und ich muss sagen, ich habe mich ein wenig darauf gefreut, es zu besichtigen. Für umgerechnet knapp zwanzig Euro erwerben wir eine Familieneintrittskarte und erkunden lange und ausgiebig die exponiert auf einem Felsen im Meer befindlichen Ruinen. Wir sind uns einig, dass dieses alte Gemäuer nicht ganz so eindrucksvoll ist, wie einst Bohus Fästning im schwedischen Kungälv, vor allem, weil viele Bereiche abgesperrt und somit nicht zugängig sind und doch macht es Spaß, sich hier umzuschauen. Sich ein wenig dem morbiden Grusel ergeben, wenn man das schaurige Verließ ansieht oder wenn man versucht zu erahnen, wie sich dereinst an diesem Ort das Alltagsleben abspielte. Was könnten die alten Steine für Geschichten erzählen, hätten sie ein Gedächtnis!
Gegen drei Uhr setzen wir unsere Fahrt fort. Ich bin noch immer von Kopfschmerzen geplagt. Später, nach einer Pause mit einer kleinen Mahlzeit geht es dann etwas besser - von topfit bin ich aber noch immer weit entfernt.
Nordseeküstenradweg!
An der Küste Aberdeenshires
Da vor kurzem mein Garmin Colorado GPS-Gerät seinen Dienst eingestellt hat, sind wir in diesem Jahr ohne Navigationsgerät unterwegs, was immer wieder zu kleinen Verirrungen führt und was mich manchmal ganz schön ärgert. Besonders hilfreich ist so ein kleines Wundergerät ja immer in Städten und Ortschaften - und so haben wir am Abend beim Erreichen des Zielortes Montrose auch wieder erhebliche Probleme beim Finden des richtigen Weges. Allerdings stellen wir schnell fest, dass die Menschen hier sehr hilfsbereit und freundlich sind: kaum, dass wir irgendwo stehen (und dabei wohl etwas verloren aussehen), werden wir von Einheimischen angesprochen, die uns in unserer Lage unterstützen.
So finden wir schließlich den nicht besonders tollen und zudem auch noch recht teuren Campingplatz, wo wir dann nach einer gut 50 Kilometer langen Etappe unsere Zelte aufschlagen. Genauer gesagt erledigen Toni und ich das, Claudia fährt mit Johanna noch einmal in den Ort und besorgt den Einkauf. Aus einem großen Familienzelt nebenan dröhnt Radio- und Fernsehlärm und in unmittelbarer Nachbarschaft des Campingplatzes befindet sich eine Fabrik, welche auch dauerhaft Geräusche von sich gibt. Das zur akustischen Kulisse…
Nach dem Essen unternehme ich mit Claudia noch einen kurzen Spaziergang an den Strand, von der Dünenhöhe lässt sich ein blutroter Abendhimmel beobachten. Mit Sonnenuntergängen über dem Meer allerdings wir es auch in diesem Jahr natürlich nichts, da westlich von uns stets Landmassen liegen: zunächst schottische, später englische…
Seinen Abschluss findet der Tag mit einer gemeinsamen Spielrunde.
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Mittwoch, 16.07.2014
Am Morgen fällt Regen auf das Zeltdach, allerdings nur wenig und schon zur Abfahrt wird es dann auch wieder trocken sein. Wir frühstücken um kurz nach neun Uhr, ich mache es mir von Anbeginn der Tour an zur Gewohnheit, Müsli und Obst zu essen, habe so gar keine Lust auf das schottische Pappbrot.
Die Fahrt geht heute durch mildes, unspektakuläres Hügelland, zwischenzeitig fallen mal ein paar Tropfen Regen.
Bizarr anmutende Bäume auf unserem Weg nach Süden
Wir erreichen die Stadt Dundee
Wir rollen unaufhaltsam auf Dundee zu, eine größere Stadt am River Tay. Wir kommen an Golfplätzen vorbei, an denen Schilder vor umherfliegenden Golfbällen warnen, wir passieren militärische Übungsgebiete, es warnen Schilder vor Granaten, in Waldstücken weist man auf die Gefahr bei Baumarbeiten hin - ach in diesem Land lieben sie ihre Warnschilder!
Am Himmel verdichten sich die Wolken zu einer bedrohlich finsteren Front, welche auf uns zutreibt. Es ist klar, es wird nicht mehr lange dauern, bis uns kräftiger Regen heimsuchen wird. Gerade rechtzeitig erreichen wir einen Spielplatz, an welchem ein überdachter Unterstand uns Schutz bietet. Bei Schokoriegeln und Keksen warten wir das durchziehende Unwetter ab und rollen dann am Flussufer in Richtung der Innenstadt von Dundee. Wir passieren ein martialisch gesichertes Tor und gelangen auf einen seltsamen Abschnitt der NSCR: durch kilometerlange, fast menschenleere Hafenanlagen gelangen wir fast bis ins Zentrum der Stadt. Von dort aus verbindet eine fast zweieinhalb Kilometer lange Brücke das Nord- mit dem Südufer des River Tay. Per Aufzug gelangen wir auf die Brücke; amüsant finden wir, dass am Eingang des Aufzugs ein Radwegschild angebracht ist, dieser somit als Teil der NSCR anzusehen ist. Claudia hatte die Fahrt über die Brücke mit einem gewissen Unbehagen erwartet, da sie nicht unbedingt ein Freund davon ist, kilometerweit über vibrierende hohe Brücken zu radeln, während weit unten das Wasser zu sehen ist und einem der Wind um die Ohren pfeift. Bei dieser Brücke befindet sich der Radweg interessanterweise zwischen den Fahrspuren der Autos, so dass ihr der Anblick in die Tiefe erspart bleibt und somit die Überquerung sehr entspannt gerät. Inzwischen scheint auch längst wieder die Sonne und als wir das Südufer erreichen und die Fahrtrichtung nach ostwärts ändern, da haben wir sogar noch Rückenwind. Bald erreichen wir den kleinen Küstenort Tayport, wo wir ohne Probleme den Campingplatz finden - allerdings schnell erkennen, dass dieser ausschließlich für feststehende Mobile Homes ausgelegt ist. Hat uns unser Reiseführer nicht gesagt.
Wir klingeln an einem Gebäude und sprechen mit dem verantwortlichen Menschen, welchem wir unsere Lage darstellen - und, womit wir nicht wirklich rechnen: er weist uns einen Platz zwischen zwei riesigen Wohndings zu, wo wir - sogar kostenlos - für die Nacht unsere Zelte aufstellen dürfen. Klasse.
Am Abend unternehmen wir noch einen kleinen Spaziergang in den Ort, ich fotografiere ein wenig im Abendlicht.
Abendstimmung in Tayport
Die Kinder beginnen heute gemeinsam mit der Erstellung eines Videotagebuchs, indem sie sich mit Johannas kompakter Nikon selbst filmen und kleine Berichte zum Tage erstellen.
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Donnerstag, 17.07.2014
Wir stehen zeitig auf und ein sonniger Tag begrüßt uns. Schon um kurz nach zehn verlassen wir den "Campingplatz" und radeln auf schattigen Wegen durch weitläufige Waldgebiete. Über uns lärmen immer mal wieder zwei Eurofighter, die wahrscheinlich zu der nahen Airforce-Basis gehören.
Eine längere Pause legen wir in der Hafenstadt St. Andrews ein, eine etwas größere Ansiedlung und auch die Fahrt dort hin ist nicht allzu angenehm, viel Autoverkehr begleitet uns. Wir lassen uns in der Nähe des Hafens auf einer Kaimauer nieder und futtern Brot, Kekse und Äpfel, dazu gibt es wie immer Tee.
Sehr bemerkenswert ist, dass die Kinder in den Pausen tatsächlich ab und zu lesen; Claudia hatte für beide Damen ein Buch gekauft… Das kommt dabei raus, wenn die Smartphones mal nicht greifbar sind! Interessanterweise hat es auch bislang keinerlei Lamentieren gegeben, was das Nichtvorhandensein der Geräte angeht - das wird auch den ganzen Urlaub so bleiben.
Unterwegs im schottischen Hügelland
An einem kleinen Wasserlauf am Wegesrand legen wir eine Pause ein
Beim Verlassen St. Andrews erwischen wir zunächst die falsche Ausfallstraße, was wir erst relativ spät bemerken und uns auf diese Weise einen ganz ordentlichen Umweg einhandeln (…ich freue mich, wenn im nächsten Jahr wieder ein GPS-Gerät am Lenker klebt…). Schließlich aber rollen wir dann doch wieder auf beschaulichen Nebenstrecken durch nettes Hügelland. Später bemerke ich einen schleichenden Luftverlust in einem meiner Reifen. Da das Loch offenbar wirklich sehr klein ist, sehe ich zunächst davon ab, es unterwegs zu flicken. Es ist kein Problem, ab und zu mal die Luftpumpe anzulegen. Später begegnen wir einer Radfahrer-Familie aus Italien, die auch einen NSCR-Abschnitt radeln und zwar von London nach Orkney - so sah zumindest deren Plan aus. Nun, als wir sie treffen, beklagen sie gerade den Totalschaden eines Rades, was deren Projekt infrage stellt… Da bin ich doch froh, dass ich nur einen Platten habe.
Die letzten Kilometer vor unserem Zielort Kinross sind noch einmal ganz herrlich entlang eines kleinen Sees geführt, dem Loch Leven. Auf schmalen Pfaden geht es durch Schilfgrasfelder. Den angesteuerten Campingplatz finden wir dann auch nicht auf Anhieb, wir irren noch einmal etwas umher, so dass am Ende des Tages fast neunzig Kilometer auf der Tachoanzeige abzulesen sind! Bei der Ankunft am Platz - einer großen Wiese neben einem Gehöft - werden wir vom Platzwart mit einem Redeschwall empfangen, nachdem diesem klar ist, dass wir Deutsche sind: er gratuliert uns zum WM-Sieg, schüttelt uns die Hand und ohne Luft zu holen zählt er gefühlt alle deutschen Nationalspieler der Mannschaften von 1990, 2006 und 2014 auf. Total verrückt! Als er damit fertig ist, steigt er in sein Auto und geleitet uns die zweihundert (!) Meter bis zu dem Ort, wo wir unser Lager errichten dürfen. Wow!
Ansonsten steht der Platz noch unter dem Eindruck des just zu Ende gegangenen Kinross-Musik-Festivals, einem hierzulande wohl recht bekannten Event. Berge von Müll auf den angrenzenden Weiden zeugen davon. Mir ist ja absolut unverständlich, was diese Sauerei soll, jeder lässt seinen Dreck einfach liegen, ob Zelt, Campingstuhl oder Bierkiste.
Der Abend ist relativ kühl, über uns steht ein wolkenloser Himmel, am Horizont erheben sich ein paar kleinere Berge. Wir duschen, ich repariere mein Rad und checke auch die anderen mal kurz durch, es gibt dann Bratwurst und am Ende des Tages eine gemeinsame Partie Kniffel.
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Freitag, 18.07.2014
Am heutigen Morgen lassen wir uns Zeit, schlafen bis 09:00, wecken um 10:00 die Kinder. Die Wetterlage ist weiterhin freundlich sommerlich, ein frischer Wind pustet lockere Wolken über das Land, oft dominieren sonnige Intervalle. Wir lassen uns Zeit, gehen davon aus, dass die heutige Etappe nach Edinburgh mit etwa 50 Kilometern recht chillig wird.
Bevor wir Kinross verlassen, steuern wir noch ein kleines Fahrradgeschäft an (hatte ich gestern Abend schon entdeckt, als wir durch die Straßen irrten), da seit kurzem Tonis Nexus-Nabenschaltung ihren Dienst versagt. Der Mechaniker ist sehr freundlich und nimmt sich umgehend des Problems an. Da ihm die Technik nicht vertraut ist, ruft er das passende Youtube-Turorial auf, so dass sich das Problem lösen lässt. Ganz nebenbei lerne ich nun auch, wie die Schaltung zu justieren ist, was ich in den folgenden Monaten an dem einen oder anderen Fahrrad erfolgreich umsetzen kann.
Geld möchte er nicht für seinen Dienst haben "…no charge - that's scottish hospitality!"; das ist sehr nett!
Wir folgen einem Pfad entlang des uns ja schon von gestern bekannten Loch Leven, heute allerdings auf der Seite. Landschaft, Wetter, Stimmung, alles wunderbar - so wunderbar, dass wir erst sehr spät bemerken, dass dieser schöne Weg gar nicht unser Weg ist und wir mal wieder komplett falsch fahren.
Der daraus entstandene Umweg ist allerdings zu verschmerzen und wir erreichen später als gedacht den erwarteten kleinen Berg (170m), den wir dann schön langsam hinaufspulen. Auf dem Anstieg zeigt sich, dass eines von Johannas Pedalen einen irreparablen Defekt aufweist, was uns zwingt, in der nächsten großen Stadt Dunfermline nicht den Ortskern zu umgehen, sonder mitten in diesen hineinzusteuern, um noch vor Geschäftsschluss ein Fahrradgeschäft zu finden. Die Fahrt ist total nervig, aber wir sind erfolgreich und finden schnell einen Laden, in welchem ich ein passendes Paar Pedale erwerbe und sogleich montiere. Ganz in der Nähe finden wir auch einen Supermarkt, so dass wir auch unsere Vorräte auffüllen können, um dann wieder die Stadt zu verlassen und auf unseren eigentlichen Pfad zurückzukehren.
Die Umgebung bleibt allerdings städtisch. Während sich der Himmel verfinstert und bald kräftiger Regen auf uns niedergeht, rollen wir nun auf North Queensferry zu, der Ortschaft an der Nordseite des Firth of Forth, von welcher aus wir auf die große Brücke rollen werden. Vorher allerdings plagt uns einmal mehr Unsicherheit, was die korrekte Route angeht, da die Beschilderung teilweise sehr dürftig ist. Pitschnass irren wir umher, bis uns schließlich Einheimische auf Nachfrage bestätigen können, dass wir schon ganz richtig sind.
Die Brücke ist grandios, nein, eigentlich ist der Blick von der Brücke auf die andere Brücke grandios, nämlich auf die legendäre Forth Bridge von 1890. Seit Jahren freue ich mich auf diesen Anblick! Wäre da nur nicht der ohrenbetäubende Lärm der vorbeibrausenden Autos.
Seit vielen Jahren freue ich mich auf diesen Anblick: die legendäre
Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth, erbaut 1890
Schließlich erreichen wir South Queensferry, wo wir uns bei kühlen, ungemütlichen Verhältnissen in einem Wohngebiet eine Pausenbank suchen und uns mit einem kleinen Picknick stärken.
Weiter geht's auf einem Radweg, welcher für eine Weile entlang einer großen Hauptstraße geführt ist. Dieser erweist sich allerdings nach etwa drei Kilometern als Sackgasse: eine Baustelle macht es uns unmöglich, weiterzufahren und zwingt uns zur Umkehr. Wir irren durch ein Waldgebiet, entdecken ein feudales Herrenhaus, treffen auf eine sehr freundliche Frau, welche uns bestätigen kann, dass wir nicht ganz falsch sind… Weiter geht die Fahrt auf Waldwegen, die teils eher zum Wandern einladen würden, als zum Radeln. Sehr verwegen.
In einem Waldabschnitt verfahren wir uns ein wenig und entdecken dabei
dieses bescheidene Häuschen
An der Südseite des Firth of Forth
führen uns holprige Pfade in Richtung Edinburgh
Wie war das noch mit der chilligen 50-Kilometer-Etappe? Nachdem wir schließlich durch kameraüberwachte Nobelviertel fuhren, erreichen wir um viertel vor zehn am Abend nach 70 Kilometern den Campingplatz von Edinburgh.
Mit knapp 50 Euro pro Nacht ist dies der teuerste Tarif in diesem Jahr (Durchschnittswert 2014 für die Übernachtungskosten: 37,13 Euro).
Man weist uns eine wirklich nette Wiese zu, wir genießen dann zunächst die Duschen und anschließend eine Spätmahlzeit an einer überdachten Sitzgelegenheit unweit unserer Zelte. Auch heute stellt eine gemeinsame Spielrunde den Abschluss des Tages dar.
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Samstag, 19.07.2014
Dichter Nebel und Regen bestimmen das Bild, also gibt es das Frühstück wieder unter der Überdachung.
Für heute steht Sightseeing auf dem Programm, von den Kindern ist immer nur "Shopping" zu hören (was mich zwischenzeitig etwas nervt…). Für 7,50 Pfund erstehen wir ein Bus-Familienticket und gelangen auf diese Weise vom Campingplatz in die Innenstadt von Edinburgh. Das Wetter ändert sich den ganzen Tag nicht, es bleibt trübe und nass, die Sicht gibt sich sehr bescheiden. Das Zentrum ist sehr übersichtlich, im Grunde gibt es eine Geschäftsstraße (die vor allem für die Kinder attraktiv ist), einen großen Park und den Burghügel mit dem bekannten Castle nebst den angrenzenden Gassen. Da die Interessenlage von Kindern und Eltern sehr unterschiedlich ist, beschließen wir, uns zu trennen und verabreden schließlich, dass wir uns nach eineinhalb Stunden (gegen 16:00) am großen Riesenrad wiedertreffen.
Während die Kinder also "American Candy World", "Urban Outfitters", "Primark", "H&M", "Superdrug" und verschiedene weitere Kleidungs- und Kosmetikgeschäfte unsicher machen, flanieren Claudia und ich durch die Nebelsuppe und erkunden die Hauptsehenswürdigkeiten. Außerdem kaufen wir Postkarten und Gaskartuschen.
Das Wetter ist eher mittelprächtig, dichter Nebel schränkt die Sicht ein...
...was der Atmosphäre allerdings nicht schadet!
Trotz des mittelprächtigen Wetters sind vor allem die Gassen am Castle voll mit Touristen aus aller Herren Länder, was den Genuss etwas schmälert - worüber ich mich natürlich nicht beklagen kann, da ich selbst auch nur ein Tourist bin. Was ich meine ist aber, dass die nebelverhangenen Gassen und all die alten Gemäuer eigentlich sehr stimmungsvoll sind. Da bräuchte es keine Menschenmassen, die sich begleitet von omnipräsentem Dudelsackgedudel durch die Straßen drängen…
Schließlich treffen wir unsere Töchter wieder, die ganz berauscht sind von ihrem Zug durch die Geschäfte… Als wir dann noch einwilligen, den Nachmittag mit dem Besuch in einer Filiale der Kaffeehauskette "Starbucks" zu beschließen, sind sie endgültig begeistert… Ja, so ist das, wenn man mit zwei Teenagern eine Radreise macht!
Auf dem Weg zur Bushaltestelle finden wir einen kleinen Supermarkt, in welchem wir uns mit Zutaten für Wraps eindecken, die wir dann später am Abend am Campingplatz genießen.
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Sonntag, 20.07.2014
Vor uns liegt die wohl schönste Etappe des diesjährigen NSCR-Abschnitts, was wir am Morgen freilich noch nicht ahnen.
Um 07:30 lassen wir uns wecken (die Uhrzeit stellt einen Kompromiss dar, Johanna hatte sich für 06:00 ausgesprochen, was wir aber ablehnten) und nehmen erfreut zur Kenntnis, dass von Nebel und Regen keine Spur mehr ist - den ganzen Tag wird uns herrlichstes Sommerwetter begleiten. Bereits vor zehn Uhr rollen wir vom Campingplatz und da Sonntag ist, ist es noch ziemlich ruhig in der Stadt. Ich kann mich ziemlich gut an die Strecke erinnern, die wir gestern mit dem Bus zurücklegten, so dass wir schnell und problemlos die richtige Richtung einschlagen können und alsbald wieder auf unsere "N° 1" treffen. Quasi autofrei gelangen wir dann bis in die Innenstadt - schön, nun all die Sehenswürdigkeiten noch einmal bei Sonnenschein zu Gesicht zu bekommen! Einmal halten wir noch kurz an, da die Mädels sich mit Postkarten eindecken möchten. Es folgt dann ein ziemlich langes Gegurke durch die südlichen Vororte Edinburghs. In einem Wohngebiet müssen wir einen Platten beheben, dann geht die Fahrt weiter in Richtung Dalkeith, nun beginnt allmählich ein sanfter Anstieg und endlich liegen die städtischen Gefilde hinter uns. Ich habe den Eindruck, dass wir in diesem Sommer bisher ziemlich viel durch Stadt und "Stadtartige" gefahren sind…
Inzwischen meldet sich auch der kleine Hunger, so dass wir nach einem Pausenplatz Ausschau halten. Die Wahl fällt schließlich auf eine Wiese vor einem kleinen Bauernhaus am Wegesrand. Wir breiten wie üblich unseren Wechsel-Footprint als Picknickdecke aus und packen all unsere Lebensmittel aus den Frontpacktaschen aus. Oft kommen Rennradfahrer vorbei und grüßen freundlich oder halten sogar kurz an - so auch eine Radlerin, mir der sich ein Gespräch ergibt, in welchem sich herausstellt, dass sie mal eine Zeitlang in Plön lebte.
Irgendwann blasen Claudia und ich zum Aufbruch. Die Mädels haben noch keine Lust, möchten noch etwas bleiben, so dass wir vereinbaren, dass sie spätestens in einer halben Stunde nachkommen. Da der Wegverlauf übersichtlich und in aller Regel gut beschildert ist, denken wir, dass dieser Plan o.k. ist. Vor uns liegt nun der Anstieg auf den höchsten Punkt des diesjährigen Teilstücks - und überhaupt des ganzen NSCR (der höchste Punkt war nicht, wie wir lange Zeit annahmen, der norwegische Berg mit 275 Höhenmetern, welchen wir am 01. Juli 2012 erklommen).
Sehr sehr sanft steigt die Straße an, es ist absolut komfortabel zu fahren. Im Vergleich zu Norwegen umgibt uns hier statt einer spektakulären Berglandschaft recht belangloses Grasland. Wie auch immer, irgendwann pausieren wir, um die Kinder mal wieder etwas rankommen zu lassen. Ein Rennradfahrer kommt um die Ecke, ich frage ihn, ob er zwei Mädels überholt hat - "no", sagt er, "but I saw two girls sitting on the grass…". Aha, haben sich die Ladies noch immer nicht in Bewegung gesetzt, na super, denken wir.
Wir beschließen, weiterzufahren und oben auf der Passhöhe auf die Kinder zu warten. Gemächlich, mit vielleicht sieben oder acht Stundenkilometern gewinnen wir an Höhe und erreichen schließlich bei 400 hm unser Ziel. Dort machen wir einen windgeschützten Platz für eine Pause ausfindig, packen Kekse und Tee aus und denken, dass wir nun ziemlich lange auf unsere Töchter warten müssen. Weit in der Ferne können wir übrigens im Dunst die Silhouette von Edinburgh ausmachen.
Wir staunen dann nicht schlecht, als bereits nach wenigen Minuten die Mädels angerauscht kommen - der Ehrgeiz hat sie gepackt, schwitzend und mit roten Köpfen erreichen sie uns - sie sind den Berg mal eben doppelt so schnell hochgefahren, wie ihre alten Eltern! Die Stimmung ist super, die Ladies haben allerbeste Laune. Wir futtern Kekse, blödeln herum, machen jede Menge Fotos von uns mit Stativ und Infrarotauslöser.
Schließlich setzen wir unsere Fahrt fort. Autos fahren kaum auf dieser kleinen Straße, die sich nun ziemlich direkt nach Süden wendet. Sanft ist das Gefälle, so dass wir sehr lange etwas von den erarbeiteten Höhenmetern haben, rechts und links blicken wir auf geschwungene, grasbewachsene Bergrücken, ein plätschernder Bach begleitet die Straße. Das Licht ist mild und warm, kurzum, wir radeln durch ein Idyll, wie es schöner kaum sein könnte. Die Kinder, vor allem Johanna, sind außer sich vor Begeisterung. Joe kommt auf die Idee, man müsse mal alle - Zitat: selbstmordgefährdeten depressiven Psychiatrieinsassen auf's Rad setzen und diesen Weg herunter fahren lassen, dann wären die geheilt… ein bemerkenswerter Ansatz, wie ich finde!
Schon am nächsten Tag ist uns das Wetter wieder hold, wir rollen durch ein sommerliches Idyll in Richtung Süden. Der kleine Ort Innerleithen ist unser Ziel
Wir gelangen an einen breiteren Bach, an welchem die Kinder gerne Fotos machen möchten. Das führt schließlich dazu, dass sie mehrfach die Garderobe wechseln und sich in verschiedenen Outfits gegenseitig ablichten oder von mir fotografieren lassen. Bald zwei Stunden verbringen wir an diesem idyllischen Ort, bevor wir unsere Fahrt hinab in das Tal in Richtung unseres Zielortes Innerleithen fortsetzen.
Es wird noch ein Einkauf erledigt, dann steuern wir den Campingplatz an. Die Rezeption ist bereits geschlossen, in der angegliederten Gastwirtschaft grölt eine bierselige Männergesellschaft aus vollen Kehlen Sinatras "I did it my way". Das gelallte "you got two nice daughters" eines der Trinkenden geht mir auf die Nerven, schnell hat dann aber der Kneipenwirt die Dame herbeigerufen, die für das Einchecken am Zeltplatz zuständig ist und bald treten wir aus dem dunklen Lokal wieder hinaus in das schöne Abendlicht, um unser Lager zu errichten. Wir stehen als einzige Zelter auf einer etwas abgelegenen Wiese, karge Berge umgeben uns, ein Traum!
Am Ende einer großartigen Etappe finden wir auch noch einen wunderbaren Lagerplatz
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Montag, 21.07.2014
Claudia macht sich am Morgen auf den Weg in den Ort, um nach einem Fahrradgeschäft Ausschau zu halten. Einer ihrer Reifen ist defekt und muss ausgetauscht werden. Die Unternehmung bleibt erfolglos, ein entsprechender Laden existiert in Innerleithen nicht.
Die Sonne scheint, die Kinder haben Johannas kompakte Nikon auf das Stativ gesetzt und filmen den Abbau ihres Zelts. Kurz vor zwölf Uhr starten wir in die Tagesetappe und rollen auf einer leicht welligen, verkehrsarmen Straße in Richtung Osten.
Wir erreichen den mittelgroßen Ort Galashiels, wo wir leider irgendwann vor einer Sperre stehen: wegen Straßenbauarbeiten kommen wir nicht auf unserer NSCR-Strecke weiter, eine Umleitung ist nicht beschildert, so dass wir uns selbstständig durchschlagen müssen, was ohne das GPS-Gerät einmal mehr recht nervig ist. Der Umweg ist zudem verkehrsreich und mit einem steilen Anstieg gespickt, so dass wir froh sind, nach einigen Kilometern wieder auf der korrekten Route fahren zu können.
In dem kleinen Ort Melrose, durch welchen wir gelangen, gibt es zwar ein Fahrradgeschäft, dort werden jedoch keine Reifen in der von Claudia gewünschten Größe vorgehalten. Während Claudia noch in dem Laden ist, gebe ich den Mädels ein paar Pfund, auf dass sie sich in der nahen Eisdiele ein paar Kugeln gönnen können - kurzzeitig herrscht bei den Damen aber Zickentheater, so dass es ihnen nicht gelingt, die Bestellung vorzunehmen - Toni sagt, sie kann nicht genug Englisch, Johanna will nicht (beides Quatsch) - so dass sie am Ende das Geld wieder abgeben und wir die Fahrt fortsetzen, ohne dass sie ein Eis gegessen haben. Selbst Schuld…
Bislang ist das heute eine Etappe, der ich nicht allzu viel Freude abgewinnen kann, zu oft umgibt uns Autolärm, diese Unruhe nervt mich. Auch begeistert es mich wenig, dass wir uns in dem kleinen Ort St. Boswells mal wieder verfahren.
Später pausieren wir lange auf einer kleinen Wiese am Straßenrand. Als Claudia und ich weiterfahren möchten, steht den Damen der Sinn noch nicht danach, so dass sie noch eine halbe Stunde ohne uns bleiben, während wir schon mal vorfahren. Bis Kelso ist die Strecke nun ganz schön. In dem Ort erledigen wir bei Lidl den Einkauf und machen uns dann auf den Weg zum Campingplatz, der etwas abgelegen außerhalb des Orts liegt. Auf dem Weg dorthin geraten wir noch in das Einzelzeitfahren, welches ein örtlicher Triathlonverein ausrichtet; im Minutenabstand kommen uns Radler in Aerolenkerposition entgegengeschossen…
Wir erreichen Springwood, wo sich herausstellt, dass der Campingplatz leider mal wieder nur ein Caravanpark ist. Weder eine Zeltwiese noch ein Sanitärgebäude ist zu entdecken. Immerhin gibt es so etwas wie ein Rezeptionsgebäude, an welchem eine Telefonnummer angegeben ist, unter welcher man den Platzwart erreichen kann. Na gut, ist immerhin ein Versuch wert… Der Herr zeigt sich dann am Telefon sehr freundlich, bedauert aber, uns keinen Platz anbieten zu können. Schade eigentlich, immerhin ist es mittlerweile Abend und wir haben auch schon fast 70 Kilometer in den Beinen. Nun denn, es hilft ja nichts, bleibt uns nur die Weiterfahrt ins gut zwanzig Kilometer weiter östlich gelegene Coldstream, wo sich laut Karte und laut der Information des hiesigen Platzwarts ein zelttauglicher Campingplatz befinden soll. Um dorthin zu gelangen, müssen wir zwar die offizielle Nordseeküstenradweg-Route verlassen, doch das kann ich in Anbetracht der Umstände mit meiner NSCR-Ehre verschmerzen.
Die Kinder nehmen den bevorstehenden ungeplanten Weg übrigens mit großer Gelassenheit hin. Nicht im Ansatz ist Klagen oder Jammern zu hören (was ja beinahe verständlich gewesen wäre), nein, mit absoluter Selbstverständlichkeit wird zur Kenntnis genommen, dass wir noch mal eine gute Stunde radeln müssen. Allerdings sind die allgemeinen Umstände auch recht behaglich: sommerlich geht der Tag zu Ende, die Sonne steht tief und taucht die liebliche Landschaft in ein mildes, warmes Licht, Autoverkehr gibt es kaum. Trotzdem freue ich mich und bin ziemlich stolz auf die Mädels - welcher Teenager macht so was sonst schon mit!
Der ungeplante Abschnitt sorgt dafür, dass wir schon heute erstmals nach England gelangen, da die Straße sich auf der Grenze entlang schlängelt. Also ein weiteres Land in unserer Reihe: Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen, Schottland und nun England. Den Kindern macht es Spaß, am Grenzschild Fotos zu schießen.
Es ist nach 21:00, als wir das Dorf Coldstream erreichen und uns auf die Suche nach dem Campingplatz machen. Wir fahren entlang der Hauptstraße durch den Ort. In Ermangelung von Hinweisschildern fragen wir eine Frau am Wegesrand nach dem Weg; diese setzt sich kurzerhand in ihr Auto und geleitet uns durch ein paar Gassen hinab zum Fluss. Wir hatten uns das irgendwie anders vorgestellt: alles, was wir dort vorfinden ist eine große Wiese unterhalb der Häuser, keine Sanitäranlagen, keine Rezeption.
Okay. Stellen wir eben dort die Zelte auf, wild Campieren quasi mitten im Ort, im sympathischen Schottland ist das wohl okay. Das Licht schwindet allmählich, als wir das Abendessen vorbereiten: Obst, Gemüse und Fisch. Währenddessen telefonieren wir mit Anja und deren Familie, (die ja derzeit unser Haus bewohnen und sich dabei auch um unsere Tiere kümmern) um ihr zu ihrem heutigen Geburtstag zu gratulieren.
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Dienstag, 22.07.2014
Ziemlich früh verlassen wir an diesem sonnigen Sommermorgen unsere Zelte, Claudia bricht kurz auf, um im Ort Brot zu kaufen. Als sie beim Bäcker auch um das Befüllen einiger Wasserflaschen bitten - ein Wunsch, dem natürlich entsprochen wird - löst das wohl ein gewisses Mitleid seitens der Angestellten aus, so dass man ihr noch ein Brötchen mit Wurst zusätzlich zu den Einkäufen schenkt…
Bereits um zehn schwingen wir uns auf die Räder und rollen von unserer Wiese herunter. Eine ganze Weile werden wir einem östlichen Kurs halten und dabei grob dem Verlauf des River Tweed folgen, welcher weiterhin zumeist die Grenze zwischen Schottland und England markiert. Es geht durch eine nette, ländliche Gegend, einmal führt uns der Weg entlang einer wirklich kilometerlangen Mauer, welche irgendein Castle-Grundstück umschließt.
Es ist mal wieder ein Sommertag, wie er schöner kaum sein könnte. Ich weiß wirklich nicht, wer diesen Blödsinn verbreitet hat, dass es angeblich in England und Schottland immer nur regnen würde…
Wir gelangen an eine Brücke, die "Ladykirk and Norham Bridge", welche seit 1887 das schottische Nordufer mit dem englischen Südufer des Tweed verbindet. Aus dem kurzen Fotostopp wird eine lange, ausgiebige Pause: die Kinder ziehen ihre Badesachen an und kraxeln die Böschung hinab, um einen Ausflug in den (fast ein bisschen unheimlich stark) strömenden Fluss zu unternehmen. Ich suche mir ein schattiges Plätzchen und genieße ein paar Tassen Tee, während Claudia sich ihrer Lektüre widmet.
Der River Tweed markiert die Grenze zwischen Schottland und England.
An der Brücke, welche wir überqueren ist eine Metalltafel eingelassen, welche über die Namen der Ingenieure informiert, welche einst (1885) das Bauwerk errichteten
Ein bisschen Wehmut schwingt mit, als wir Schottland verlassen, welches uns in so angenehmer Erinnerung ist. Nun werden wir England entdecken!
Schließlich setzen wir unsere Fahrt nach Osten fort und erreichen am frühen Nachmittag die Küsten- und Grenzstadt Berwick upon Tweed. Wir freuen uns an der Stadtgrenze über ein großes Schild, auf welchem man den Radreisenden willkommen heißt. Wir essen Eis, finden endlich ein Fahrradgeschäft, in welchem Claudia ihren Reifen bekommt und erledigen einen Lebensmitteleinkauf. Anschließend suchen wir uns einen Pausenplatz auf einer Wiese am Südufer des Tweed - mit Blick auf dessen Mündung in die Nordsee. Es weht frische Seeluft herüber, die Möwen schreien und ich fühle, wie mich tiefes Glück durchströmt ob dieser Sinneswahrnehmung.
Nach einem längeren Abschnitt im Landesinneren erreichen
wir den Küstenort Berwick-upon-Tweed
Teepause am Nachmittag - wir genießen herrlich saftigen Schokoladenkuchen
Gekrönt wird dieses Erleben mit einer fast schon traditionellen kleinen Schokotorte, die wir im Vorjahr bereits das eine oder andere Mal genossen haben (so zum Beispiel in Levenwick oder später auf "Steintellern" serviert am nördlichsten Strand auf den Shetlands), ein Anlass, sich kurz an die vergangenen Erlebnisse zu erinnern.
Wir stellen fest, dass es bereits später Nachmittag ist und wir aber erst die Hälfte der heutigen Etappenkilometer bewältigt haben, nun ja, es ist ja lange hell! Unsere Fahrtrichtung geht nun dem Küstenverlauf folgend nach Süden und wir haben noch etwa vierzig Kilometer vor uns. Die Fahrt ist sehr abwechslungsreich: mal rollen wir oben auf einer Steilküste und blicken auf weite Strände, dann geht es über rumpelige Pfade durch weite Wiesen (Landschaften, die mich oft an Sylt erinnern) und auch einige kleine Hügel im Hinterland sind zu erklimmen.
Bei weiterhin bestem Wetter geht es entlang der Küste,
Seahouses ist das Etappenziel
Summertime
Bamburgh Castle
Abendlicht an der Küste Northumberlands
Der Himmel ist den ganzen Tag wolkenlos und so haben wir am Abend beste Sicht auf die wuchtige Burganlage Bamburgh Castle, auf die wir direkt zufahren. Claudia und Johanna radeln weit vor, ich trödele mit Toni hinterher und mache viele Fotos unterwegs.
Gegen neun erreichen wir den Zielcampingplatz unweit des kleinen Ortes Seahouses und freuen uns, dass dieser auch wirklich ein Campingplatz und nicht wieder so eine Mobile Home- Kolonie ist.
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Mittwoch, 23.07.2014
Heute soll ein Ruhetag sein und so schlafen wir lange und lassen uns dann auch sehr lange Zeit für das Frühstück.
Gegen Mittag machen wir uns auf den Weg nach Seahouses, dem kleinen, etwa drei Kilometer entfernten Ort an der Küste. Wir planen, von dort aus eine Bootstour zu den vorgelagerten Farne Islands zu unternehmen, einer Inselgruppe, die wegen ihres Vogelreichtums bekannt ist. Das Unternehmen ist nicht gerade kostengünstig, insgesamt berappen wir 67,50 Pfund, was etwa 84 Euro entspricht. Allerdings muss ich sagen, es ist ein lohnender Ausflug: die Tour führt entlang großer Vogelfelsen und wir sehen so viele Papageitaucher, wie niemals zuvor, es wimmelt quasi von ihnen. Das ist natürlich eine große Freude!
Auf einem Bootsausflug zu den vor der Küste liegenden Farne Islands ergibt sich diese Perspektive: Papageitaucher vor Bamburgh Castle.
Papageitaucher auf den Farne Islands
Eine der kleinen Inseln wird noch angesteuert und wir haben die Möglichkeit, für eine Stunde an Land zu gehen, was freilich viel zu kurz ist…
Ich freue mich, dass ich in diesem Jahr meine Spiegelreflexkamera dabei habe, hätte mir heute allerdings auch gewünscht, ich hätte das 300mm Teleobjektiv noch eingepackt… Es bereitet mir Freude, die Kamera immer besser kennen- und verstehen zu lernen.
Gegen 17:00 sind wir wieder an den Zelten, genehmigen uns zunächst mal eine ausgiebige Obst- und Kuchenmahlzeit, bevor ich dann den gestern in Berwick erworbenen Reifen an Claudias Rad verbaue.
Am Abend unternehmen wir eine kleine Fahrt zur Burganlage Bamburgh, die wir von außen umrunden und uns unter dem wuchtigen Mauerwerk ganz klein vorkommen. Die Mädels sind dann etwas beleidigt, dass wir keine Besichtigung der Anlage in Betracht ziehen; zum einen wäre das ohnehin eingedenk der fortgeschrittenen Stunde überhaupt nicht mehr möglich gewesen und zum anderen hätten wir das auch mit Blick auf das Reisebudget nicht ernsthaft erwogen, die Bötchenfahrt zu den Farne Islands vorhin war teuer genug… Schließlich radeln Johanna und Antonia dann alleine zurück zu den Zelten, während Claudia und ich uns noch eine Weile im Ort und an der Burg umschauen und versuchen, uns nicht die Laune verderben zu lassen.
Ich fotografiere eifrig - oft auch Belichtungsreihen von ein und demselben Motiv, um diese später mit der HDR-Software zu einer Aufnahme zu verschmelzen.
Der kleine Friedhof an der Kirche von Bamburgh
Bamburgh
Als wir dann später auch wieder den Campingplatz erreichen, haben sich die Stimmungswogen wieder geglättet und wir spielen noch sehr lange gemeinsam mit den Kindern "Stadt, Land, Fluss" in allen möglichen Varianten.
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Donnerstag, 24.07.2014
Der Tag begrüßt uns neblig und feucht, erst als wir gegen elf Uhr aufbrechen, da reißt die Suppe auf und wir fahren durch den Sonnenschein.
Oft weht der Union Jack im Wind - das gab es in Schottland nicht
Die Landschaft ist nett, ein wenig hügelig, mit Autoverkehr haben wir nur selten zu tun. Ich spiele Ratespiele mit den Kindern, während wir so dahinrollen. Links von uns ist immer mal wieder das Meer auszumachen und auch die Ruinen von Dunstanburgh Castle sind für ein Weilchen im Blickfeld. Viele Radler begegnen uns an diesem schönen Tag, allerdings sind es alles Einheimische - andere Reisende kommen uns nicht entgegen. Ungeplant steuern wir den kleinen Hafenort Craster an, in welchem es nach der Aussage unseres Reiseführers besonders guten Räucherfisch geben soll, nämlich die sogenannten kippers, also Bücklinge. Über einen Hinterhof gelangen wir zum kleinen Verkaufsladen einer einschlägigen Räucherei und decken uns mit dem Fisch ein, bevor wir und dann in Hafennähe auf eine Wiese setzen, um diesen zu verspeisen. Ja, lecker!
Wir verlassen dann die Küste, um ein ganzes Stück ins Landesinnere zu radeln: Alnwick Castle soll unser Ziel sein. Wenn wir schon mal in England sind, so wollen doch wenigstens einmal ein richtiges altes Schloss besichtigen, nachdem wir dieses Vergnügen schon in Schottland nicht hatten. Alnwick liegt nicht weit ab von unserer Route, also wählen wir dies aus.
Ich persönlich bin zunächst nur eingeschränkt motiviert, was die Aktion angeht, freue mich dann aber später umso mehr, dass wir die Besichtigung durchgeführt haben.
Dem Schloss angegliedert befindet sich eine weitläufige Gartenanlage und nachdem wir unsere beladenen Räder unweit der Parkplatzwächter an einen Pfahl geschlossen haben, bringen wir die Eintrittpreise in Erfahrung - da kippe ich ja fast um: über 80 Euro sollen wir für ein Familienticket berappen, die nehmen es wirklich von den Lebendigen… Nun ja, das soll uns dann aber nicht von unserem Vorhaben abhalten. So schnell werden wir wohl nicht wieder herkommen, denken wir uns. Umso größer ist dann die Freude, als uns ein netter Herr, der seinerseits mit seiner Besichtigung am Ende ist, uns seine zwei "Gartentickets" überlässt, was uns letztlich etwa ein Viertel der Gesamteintrittskosten spart. Klasse.
Alnwick Castle liegt unweit unseres Weges. Wir nutzen die Gelegenheit für einen Besuch der weitläufigen Anlage
Die Schlossanlage ist riesengroß, umgeben von weitläufigen Wiesen und Feldern. Man kann sich unterschiedlichen Führungen anschließen, je nachdem, wofür man sich interessiert. So gibt es auch das Harry Potter-Programm, da einige wichtige Szenen der Filmreihe an diesem Ort gedreht wurden - Alnwick Castle ist also auch ein Magnet für Fans dieser Geschichten. Nun, wir schauen uns das Bauwerk in seiner Gesamtheit an, begehen den Kerker ebenso, wie die unglaublich luxuriösen Wohnräume der Adligen. In einem etwas abgelegenen Teil der Anlage wurde ein kleines Museum zum Ersten Weltkrieg eingerichtet, welches wir auch noch ansehen.
Im Schloßpark von Alnwick Castle zaubert ein Springbrunnen diesen Regenbogen
Nach der Besichtigung des Schlosses geht es in die Gartenanlage. Wir bestaunen tausend Blüten, machen Fotos am Springbrunnen, pausieren bei einem Sonnenbad auf der Wiese, nehmen an der Führung durch den Garten der Giftpflanzen teil, essen ein Eis.
Schließlich sind wir am Abend die letzten Gäste, die die Anlage verlassen - der Parkplatz, der bei unserer Ankunft bis auf den letzten Platz gefüllt war, ist nun komplett leer und auch die Wächter sind nicht mehr zu sehen. Ich freue mich daher besonders, als ich unsere Räder vollständig an ihrem Standort erblicke.
Total verrückt: den ganzen Tag haben wir grandioses Wetter: wolkenloser Sommerhimmel erfreut unser Herz. Kaum, dass wir nun auf den Rädern sitzen und wieder in Richtung Osten auf die Küste zurollen, zieht sich der Himmel zu und wir haben wieder eine ähnlich nasskalte Wolkensuppe wie am Morgen.
Als wir am Abend Alnwick Castle verlassen, ziehen Wolken auf. Fort ist die lichte Atmospähre, nun hat der Anblick des Gemäuers beinahe etwas Gespenstisches!
Wir steuern Warkworth an, wo es nach unserer Information einen Campingplatz geben soll. Leider verfahren wir uns in dem hügeligen Gebiet furchtbar - wie konnte das bloß passieren? - so dass wir am Ende über zehn Kilometer mehr zurücklegen, als eigentlich notwendig gewesen wäre. Nie wieder ohne Navi, denke ich ein weiteres Mal! Toni haut ab und zu mal einen destruktiven Kommentar raus, ansonsten sieht es die Mannschaft jedoch recht gelassen. Als wir Warkworth erreichen, nieselt es und die Dämmerung bricht herein. Wir sind froh, dass wir auf dem winzig kleinen Campingplatz (der eigentlich zunächst aussieht, wie ein privater) tatsächlich aufgenommen werden. Eigentlich ist der Platz auch voll, doch die Inhaberin bittet einen anderen Gast, einen ziemlich betrunkenen Herrn mittleren Alters, sein Auto umzuparken, damit unsere Zelte Platz finden.
Um noch einkaufen zu fahren, ist es zu spät, so dass wir die überaus nette Wirtin fragen, ob sie uns etwas Brot verkaufen kann. Sie verschwindet kurz in ihrem Haus, kommt dann mit reichlich Brot wieder und möchte dann aber gar kein Geld dafür haben.
So beenden wir den Tag im Licht unserer Stirnlampen mit einer Brotzeit im Nieselregen
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Freitag, 25.07.2014
Um acht Uhr sind wir wach. Während Claudia dann zum Supermarkt radelt, um für das Frühstück einzukaufen, aktualisiere ich meine Tagebuchnotizen. Unser Nachbar ist ebenfalls schon auf und nun lerne ich auch seine Frau kennen: sie kommt vorbei und schenkt uns selbstgebackenes Graunola, was ich gleich zu einer Tasse Tee wegknabbere.
Zunächst geht die Fahrt dann durch naturnahe Landschaften, später folgen über viele Kilometer städtische Abschnitte mit viel Industrie - wir nähern uns der Großstadt Newcastle upon Tyne. Mit etwas Sorge stelle ich fest, dass mein Tretlager unrund läuft - diese Urlaubsreise wird es noch so eben überstehen, bevor ich dann in Kiel ein neues montieren lasse.
Wir kommen in Seaton Sluice an einem Campingplatz vorbei, der relativ nett in der Nähe des Meeres gelegen ist, so dass wir beschließen, diesen anzusteuern - leider teilt man uns aber mal wieder mit, dass Zelter hier nicht aufgenommen werden… Ich werde das nie verstehen.
Wir erreichen am späten Nachmittag das Mündungsgebiet des River Tyne und legen eine ausgiebige Pause ein in dem Ort, der bezeichnenderweise Tynemouth heißt. Der Himmel ist wolkenlos, das Wasser liegt weit und glatt vor uns, die Sonne scheint - ein schönes Ambiente. Mich erinnert das ein wenig an die Mündung des NOK in Brunsbüttel. Wir sind noch immer davon überzeugt, dass der offizielle NSCR in das Stadtzentrum von Newcastle führt - bald zwanzig Kilometer ins Landesinnere - also machen wir uns auf den Weg. Nach einer Weile (etwa die Hälfte der Strecke in die Stadt haben wir bereits zurückgelegt) lässt uns die Beschilderung jedoch ins Grübeln geraten, da sich keinerlei entsprechende Hinweise mehr auf den Nordseeküstenradweg finden. Bei näherem Hinsehen stellen wir fest, dass wir in der Tat den offiziellen Weg verlassen haben. Okay, da keiner von uns übermäßig erpicht darauf ist, die Stadt zu sehen und es ohnehin schon ziemlich spät ist, beschließen wir, den Tunnel unter dem Fluss anzusteuern, um an dessen Südufer zu gelangen.
Die Röhre ist dann aber leider geschlossen, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als bis Tynemouth zurückzuradeln, um dort die Fähre zu nehmen - es ist die erste Fähre in diesem Jahr!
Von hier trennen uns nur noch wenige Kilometer vom Campingplatz in South Shields (wo man uns sogar aufnimmt!). Der Platz ist sehr teuer und das hat auch seinen Grund: der Platzwart berichtet mir beim Einchecken, dass an diesem Wochenende ein Sondertarif gilt, da im nahen Sunderland eine Luftfahrtshow stattfinden wird - da horche ich ja auf! Ich lasse mir berichten, was es dort alles zu sehen geben wird… Schnell ist dann im Team der Entschluss gefasst, morgen mal wieder einen Ruhetag einzulegen.
Zum Abendessen gibt es Nudeln und Pesto.
An dieser Stelle schreibe ich mal ein paar allgemeine Erwägungen zum NSCR-Projekt nieder. Ein wenig schwingt auch in diesem Jahr schon der Abschied von dem Projekt mit, wissen wir doch alle, dass es die vorletzte Etappe ist. Das kann mich dann doch schon mal recht wehmütig werden lassen. Es ist dann die Mischung aus Stolz und Begeisterung dafür, dass wir wirklich etwas Großes auf die Beine gestellt haben in all den Jahren und die Freude darüber, dass dieses gewaltige Projekt wirklich bis zu seinem letzten Kilometer realisiert wurde - also einerseits die Freude, es geschafft und vollendet zu haben und andrerseits aber die Traurigkeit darüber, dass es nun vorüber ist.
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Samstag, 26.07.2014
Der Morgen ist sonnig mit aufgelockerter Bewölkung, so dass wir, wie eigentlich immer, das Frühstück im Freien einnehmen.
Gegen halb elf machen wir uns auf den etwa sieben oder acht Kilometer langen Weg nach Sunderland, wo wir ja heute der Flugshow beizuwohnen gedenken. Unser Platzwart hatte von Tausenden und Abertausenden Besuchern gesprochen - was wir zunächst gar nicht glauben mögen, denn die Gegend sieht alles andere als bevölkert aus. Mit weiterer Annäherung an Sunderland mehren sich dann aber doch die Anzeichen, dass da etwas Großes stattfinden wird. Nicht ganz ohne Schadenfreude nehmen wir wahr, dass auch die Parkplätze für die Autofahrer um so teurer werden, je dichter wir an den Ort gelangen - ein jeder Landbesitzer hat auch den kleinsten Flecken auf seinem Grund zum Parkplatz erklärt und in großen Lettern den Preis angeschlagen.
Wir besuchen die Sunderland Air Show - ein gewaltiges Luftfahrtspektakel mit
einem dubios militaristischen Begleitprogramm am Boden...
Abertausende Besucher sammeln sich bereits Stunden vor den
ersten Darbietungen am Strand der Küstenstadt
Am Rande einer ewig langen Promenade schließen wir unsere Fahrräder an und schlendern zu Fuß über das weitläufige Areal. Es herrscht Volksfeststimmung, man hat einen Jahrmarkt errichtet, Musik weht über das Gelände, immer wieder sind Lautsprecherdurchsagen zu vernehmen, die das Programm ankündigen. Neben allerlei zivilem Tamtam hat auch das britische Militär ein Ausstellungsareal, wo man modernes Kriegsgerät aus nächster Nähe betrachten kann.
Die BBC betreibt auf einer riesigen Wiese eine Art Themenpark, welcher unter dem Motto "World War One at home" steht, analog zu einer Dokumentationsreihe, die anlässlich des 100sten Jahrestags des Kriegsbeginns im TV ausgestrahlt und im Netz dargestellt wird. Hier zeigt sich - auf für uns beklemmende Weise - wie sehr doch in Großbritannien das Militärische die Gesellschaft durchdringt und mit welcher Selbstverständlichkeit dies wahrgenommen wird. Geradezu schockiert sind wir an einer Station, an welcher Kinder einen militärischen Trainingsparcours absolvieren dürfen, dabei von einem älteren Soldaten in WWI-Uniform verbal angepeitscht werden. Vorher dürfen sie noch mit einem Holzgewehr antreten. Die Eltern stehen begeistert am Zaun und spenden Applaus…
Bald stellen wir fest, dass unser Platzwart mit seinen "abertausenden Besuchern" nicht übertrieben hatte: Menschenmassen füllen die Promenade, soweit das Auge reicht; der breite (da Ebbe) Strand ist randvoll mit picknickenden zumeist übergewichtigen Gästen. Auf dem Wasser vor der Küste liegen hunderte kleiner und auch größerer Schiffe, selbst die große Fähre der DFDS Seaways, welche von Hull aus Ijmuiden ansteuert, geht für ein, zwei Stunden vor der Küste in Wartestellung.
Obschon ich mich ja grundsätzlich als Pazifisten bezeichnen würde, so kann ich doch eine gewisse Schwäche für militärisches Fluggerät nicht leugnen. Nicht zuletzt werden Erinnerungen geweckt an meine Kindheit, als ich leidenschaftlich gerne Revell-Plastikmodelle zusammenklebte und so sind mir die folgenden Stunden eine große Freude.
Eine Gruppe Fallschirmspringer eröffnet am frühen Nachmittag die Veranstaltung und bald schon ertönt das sonore Brummen zweier C-47 Douglas Dakota… So geht es weiter: eine bunte Mischung militärischer und ziviler Darbietungen, welche ihren Abschluss finden durch einen Formationsflug der legendären Red Arrows.
Überflug eines Lancaster Bombers, eskortiert von einer Hurricane und einer Spitfire.
Viel patriotisches Tamtam... Die Engländer scheinen es zu mögen!
Ein beachtlicher Teil der Flugdarbietungen hat jedoch auch zivilen Charakter. Hier zu sehen: die Breitling Wingwalkers
Abschließender Höhepunkt der Airshow: die Red Arrows
Die Mädels halten erstaunlich lange durch, ohne allzu desinteressiert oder genervt zu sein, das hätte ich gar nicht unbedingt erwartet. Ich verliere noch eine Wette und muss den Kindern ein Eis spendieren: Während die Stunden vergehen, kommt allmählich die Flut und treibt damit natürlich auch die Menschenmassen Stück für Stück vor sich her in Richtung der Kaimauer. Ich lasse mich zu der Aussage hinreißen, dass binnen einer Stunde der komplette Strand überflutet sein wird - als dies nach sechzig Minuten eben nicht der Fall ist, da bin ich das Eisgeld los… und die Kinder freuen sich! Gut, ich gebe zu, ich lasse mir auch ein Eis mitbringen, war also nicht ganz uneigennützig.
Bevor wir dann wieder in Richtung South Shields aufbrechen, gehen wir noch in einem riesigen Supermarkt einkaufen, es soll zur allgemeinen Freude am Abend mal wieder Wraps geben.
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Sonntag, 27.07.2014
Der Wunsch der Kinder war es eigentlich, dass wir den Wecker auf sechs Uhr stellen, um mal so richtig früh loszukommen - das lehnen wir allerdings ab. Trotzdem sind wir zeitig auf den Beinen, so dass wir bereits um kurz nach neun im Sattel sitzen werden.
Das Aufstehen übrigens ist insgesamt in diesem Sommer überhaupt kein Problem… wenn ich da an das vergangene Jahr denke; wie oft hatten wir da morgenmuffelige Kinder, die kaum aus ihrem Zelt zu bekommen waren!
Ich bin schon um kurz nach sechs wach und pelle mich aus dem Zelt. In der Nacht gab es etwas Regen, nun allerdings scheint schon wieder die Sonne, der Morgen ist frisch und die Luft rein - ich spüre wieder diese unvergleichliche Nordlandklarheit und lasse meine Gedanken schweifen: in wenigen Wochen werde ich schon wieder durch Island radeln, allmählich kommt Vorfreude auf!
Unsere Fahrt führt uns bald noch einmal durch Sunderland, wo sich ein weiteres Mal die Menschenmassen ansammeln, denn am heutigen Sonntag wird das Flugshowprogramm ein weiteres Mal dargeboten. Lange fahren wir wieder durch städtische Gefilde, was zum Teil etwas nervig ist, nicht zuletzt der nicht immer guten Radwegbeschilderung wegen. Die Städte im allgemeinen - zumindest in den weniger wohlhabenden Gegenden - haben oft über weite Strecken etwas Verwahrlostes, viele Gebäude sind heruntergekommen, oft sehen wir Spuren von Vandalismus, sogar ein ausgebranntes Autowrack haben wir mal am Wegesrand gesehen.
Wir radeln etwas im Landesinneren auf einer stillgelegten Bahntrasse, von welcher irgendwann mal ein Abzweig in Richtung Küste abgeht. Dies ist der offizielle NSCR, er macht eine Art Schlenker zum Hafenstädtchen Seaham. Toni und Claudia ziehen es vor, weiter geradeaus auf der Bahntrasse zu fahren, während Joe und ich den 3-Meilen-Umweg ans Meer machen. Wir treffen eine - wie sich herausstellen wird zu vage formulierte - Verabredung, um oder ab 13:00 mal zu telefonieren, um unser Wieder-Zusammentreffen zu organisieren.
Ich schalte unser Telefon zu spät ein, so dass es zu vorübergehender Verstimmung im Team kommt. Schließlich treffen wir uns aber wieder und legen dann erst einmal eine Pause auf einer Wiese ein. Auch eine gemeinsame Stadt-Land-Fluss-Spielerunde schafft es zunächst nicht, die gute Laune im Team wiederherzustellen.
Wir verfahren uns dann auch noch und müssen daher mal wieder einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Bin latent genervt vom Navi-freien orientieren… Auch als wir die dichter besiedelten Gebiete hinter uns lassen, hat der Weg einen verwahrlosten Charakter, oft liegt Müll im Straßengraben, die Landschaft ist unspektakulär. Zwischendurch fallen immer mal wieder ein paar Tropfen Regen. Johanna wird am Abend sagen, es sei so, als wären wir den ganzen Tag durch Gaarden gefahren, Claudia spricht von einer Streichetappe…
Am späten Nachmittag, als wir den Zielort Stockton erreichen, kommt noch einmal die Sonne hervor. Wir sind froh, in einem der maroden Vororte einen kleinen, geöffneten Supermarkt zu entdecken und während Claudia, Joe und Toni wie üblich den Einkauf erledigen und ich draußen bei den Rädern stehe, kommen drei prollig anmutende Jugendliche herbeigeschlendert. Ich bin zunächst etwas skeptisch - was mögen die kleinen Banditen denn wohl im Schilde führen? - muss dann aber feststellen, dass sie ganz niedlich sind. Recht aufgeschlossen stellen sie einige Fragen, die mich zum Teil schmunzeln lassen: als ich auf "Where do you come from?" mit Aberdeen antworte, da wissen sie zunächst gar nicht, wo das ist, bis dann doch einer der drei auf den Trichter kommt, dass das in Schottland - also ganz schön weit weg! - ist. "How did you find the way?", "Are you camping?"…
Schließlich finden wir den Campingplatz (ganz in der Nähe einer riesigen Gefängnisanlage) und freuen uns einmal mehr, dass dieser auch uns Zelter willkommen heißt. Der Platz ist mit Stacheldraht und Kameras gesichert, wie auch andernorts hängen viele Schilder herum, die vor Diebstahl warnen und zur Wachsamkeit aufrufen. Ein Wachmann steht am Abend vor dem Tor.
Ich frage mich die ganze Zeit, ob in England wirklich eine höhere Kriminalität herrscht oder ob die Menschen hier einfach ein bisschen paranoid sind. Später daheim befrage ich einen Bekannten, seinerseits LKA-Beamter, darüber und er bestätigt meine Vermutung, dass da in erster Linie Paranoia im Spiel ist.
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Montag, 28.07.2014
Die letzte Woche des Urlaubs beginnt - gerade jetzt habe ich erst wieder so richtig das Gefühl, unterwegs zu sein. Denke ich zurück, so kommt es mir ganz schön weit weg vor, erinnere ich mich an Aberdeen oder Stonehaven etc. Und ich freue mich, dass noch ganze zwei arbeitsfreie Wochen vor mir liegen!
Um halb acht stehen wir auf. Ich mache mich dann bald auf den Weg zum nahen Supermarkt Asda, wo ich hoffe, eine Ersatzgaskartusche zu bekommen, was leider nicht der Fall ist, so dass ich unverrichteter Dinge zurückkehre. An der Rezeption erfahren wir, dass in wenigen Kilometern Entfernung einen Ausrüsterladen gibt, also radele ich dort hin - um dann festzustellen, dass ich mein Fahrradschloss vergessen habe. Super. Also noch einmal zum Campingplatz und noch einmal zu "Go outdoors". Schließlich ist meine Mission dann erfolgreich und wir können auch in den verbleibenden Tagen Tee und warmes Essen zubereiten.
Claudia hat dann den Einfall, den Kindern zuliebe auf dem Weg in die heutige Etappe im nahen Middlesbrough noch einen Stopp bei Primark (jener Billig-Modeanbieter) einzulegen. Damit, so das Kalkül, wird der bereits seitens der Mädels geäußerte Wunsch entkräftet, am letzten Tag noch für Hull einen Ruhetag mit Shoppingausflug einzuplanen. Ein Vorhaben, welches ich strikt abgelehnt hätte. So sollen also die Damen heute noch einmal auf ihre Kosten kommen, wofür wir uns dann die Ruhetagsdiskussion sparen.
Die Kinder freut es und so stehe ich dann bald eine gute Stunde frierend in Middlesbrough vor dem Einkaufszentrum Hill Street Center. Irgendwann kommen sie dann glücklich und zufrieden mit neuen Rucksäcken, einem weiteren Blumenkranz, Kissen und ich weiß nicht, mit was noch allem wieder heraus. Eigentlich staune ich auch, wie sie all diese Unmengen Klamotten auf ihren Rädern untergebracht kriegen…
Wir orientieren uns ostwärts aus der Stadt hinaus in Richtung des Küstenorts Redcar. Die Gegend ist abermals recht prollig, wirkt oft heruntergekommen und auch hier wieder Gebäude, die mit Nato-Stacheldraht gesichert sind. Alles wirkt recht abweisend, verschlossen, bisweilen feindselig. Ich denke manchmal sehnsuchtsvoll an das nette, beschauliche Schottland zurück…
Redcar scheint für die Arbeiter der großen Städte des Hinterlands ein beliebter Ausflugs- und Erholungsort zu sein: an einer langen Strandpromenade pulsiert das Leben. Es gibt Eisverkäufer, Kinder können sich in Karussells vergnügen, der Strand ist gut besucht. Wir treffen eine alleinreisende Radlerin, die ebenfalls auf dem Nordseeküstenradweg unterwegs ist, allerdings nur für ein paar Tage.
Eigentlich hatten wir Whitby als Tagesziel angestrebt, doch vergeht die Zeit mal wieder wie im Fluge, das Terrain ist zudem recht wellig und somit das Vorankommen nicht besonders schnell.
Der Nordseeküstenradweg führt uns durch den Hafenort Staithes
Und der historische Hafenort Staithes liegt an der Strecke, ein kleines mittelalterlich anmutendes Nest am Fuße einer imposanten Steilküste. Eine Straße führt steil hinab - und auf der anderen Seite wieder steil hinauf, wir bewältigen die Passage schiebend. Als wir am Abend durch das Dorf Hinderwell radeln, entdecken wir ein Hinweisschild auf einen Campingplatz, welchem wir spontan folgen und somit dann um halb neun am Abend die Etappe noch ein ganzes Stück vor Whitby beenden.
Der Platzwart, ein älterer, wettergegerbter Mann, geleitet uns über das langgestreckte Gelände zu einer großen Wiese, an deren Rand wir unser Lager errichten werden. Auf dem Weg kommen wir kurz ins Gespräch und als wir berichten, dass wir aus Schottland hierher geradelt sind, erzählt er, dass er in dem uns bekannten schottischen Ort Stonehaven seine Kindheit erlebte, Sterling sei sein (typisch schottischer) Name. Später habe er viele Jahre in Kenia gelebt, wo er früh seinen Vater verloren hat… Eine bewegte Lebensgeschichte in wenigen Minuten.
Abendliches Kartenspiel im Licht der Stirnlampen.
Nach dem Essen klinke ich mich aus der heutigen Spielerunde ausnahmsweise mal aus und unternehme noch einen kleinen Spaziergang durch die umliegenden Felder.
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Dienstag, 29.07.2014
Vor uns liegt ein weiterer warmer und zumeist sonniger Sommertag. Wir wollen eigentlich nur bis in die Nähe von Whitby radeln, etwa 15 Kilometer, also quasi ein Ruhetag.
Ein paar typische lokale Lebensmittel, die wir regelmäßig "auf dem Tisch" haben
Die diesjährige Velotraum-Cockpitansicht. Das Garmin Colorado hat nun endgültig seinen Geist aufgegeben, so dass ich in diesem Jahr erstmals ohne GPS unterwegs bin. Zur Ermittlung der aktuellen Höhe nutze ich ab und zu die barometrische Altimeterfunktion der Casio-Uhr
Die Strecke verläuft unweit der Küste, ist recht wellig (auf fast zweihundert Höhenmeter arbeiten wir uns hinauf) und zum Teil gespickt mit sehr unübersichtlichen Kurven. Mir kommt es vor, als sei das eine beliebte Strecke für selbsternannte Autorennfahrer-Idioten; mehrfach werden wir derart knapp überholt, dass uns nur wenige Zentimeter von einer Katastrophe trennen, Toni wurde einmal fast von der Straße gedrängt, ein Wahnsinn.
In Whitby fahren wir durch den Ortskern - verwinkelte Gassen, alte Gebäude und Massen von Menschen, ein einziges Gewusel. Ich bin diesbezüglich erstaunlicherweise total entspannt, während Claudia einen Koller kriegt und sofort raus möchte aus dem Gekrabbel. Immerhin sehen wir uns nun in der Richtigkeit unserer Entscheidung bestätigt, gestern Abend nicht doch noch hier hergefahren zu sein…
Schnell verlassen wir also Whitby und steuern die Campingplätze östlich des Ortes an, um unser Lager aufzuschlagen und den Ruhetag zu beginnen. Leider heißt es aber mal wieder "sorry, no tents" - das ist echt lästig. Wir wälzen also Karte und Reiseführer und entscheiden uns bald für Robin Hood's Bay als heutiges Etappenziel. Auf dem Weg dorthin legen wir noch eine längere Pause ein, bei welcher wir leider feststellen müssen, dass Claudia wohl am Morgen versehentlich die Plastiktüte mit all den verschiedenen Beuteltees in den Müll entsorgt hat. Sehr schade, na, immerhin bleibt mir mein loser Aufbrühtee, der nämlich woanders gelagert ist; für die Pause bedeutet das: es gibt Vanilletee.
An der Küste North Yorkshires. Wir rollen auf den kleinen Ort Robin Hood's Bay zu
Gerade, als wir eine Partie Kniffel spielen wollen, fängt es ein wenig an zu regnen, so dass wir etwas hektisch aufbrechen.
Kurze Zeit später erreichen wir den Zielort und steuern im Nachbardorf Fylingthorpe den Campingplatz an. Schnell hatte es wieder aufgehört, zu regnen. Der Platz ist riesengroß, aber nett. Wir können uns auf einer weiten Wiese eine Stellfläche aussuchen, wo wir dann unser Lager errichten. Nach dem Zeltaufbau wird erst einmal gechillt, bevor wir dann eine kleine Einkaufsrunde drehen. Es gibt allerdings nur einen sehr minimalistisch bestückten Supermarkt, wo wir uns lediglich mit dem Nötigsten eindecken. Als Reservemahlzeit packen wir uns Nudeln ein, primär planen wir für den Abend, Fish and Chips essen zu gehen.
Vom Campingplatz aus führt ein gut einen Kilometer langer Pfad durch die Felder und Wiesen nach Robin Hood's Bay. Auf diesem spazieren wir am frühen Abend hinab in den Ort und dieser ist wirklich sehenswert. Verwinkelte Gassen, kleine alte Häuser, nette kleine Geschäfte. Eine ganze Weile schauen wir uns um. Ich mache viele Fotos und beginne, etwas bewusster mit den verschiedenen Weißabgleichoptionen der Kamera zu experimentieren.
Robin Hood's Bay ist ein recht idyllischer kleiner Ort, an den es viele Touristen zieht. Wir schlendern durch die engen Gassen und schauen in die Geschäfte - dieses hier hat es besonders den Kindern angetan!
Abend an der Küste vor Robin Hood's Bay
Robin Hood's Bay
Als wir schließlich so hungrig sind, dass wir uns den Fisch kaufen wollen, müssen wir feststellen, dass der kleine Laden soeben dicht gemacht hat - ab 20:00 gibt es nichts mehr. Na klasse! Wir klettern über die Felsen hinab zum Strand, wo die Mädels es sich nicht nehmen lassen, noch mal ein Bad zu nehmen, bevor wir schließlich wieder hinauf zu den Zelten spazieren und uns Nudeln kochen.
Bis Mitternacht wird gekniffelt. Manchmal fühle ich mich etwas gestresst von diesen sehr langen Tagen, denke, ich könnte echt mal etwas Ruhe gebrauchen.
Robin Hood's Bay
Schokoladenspezialitäten und Eis - ein weiteres Geschäft in Robin Hood's Bay
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Mittwoch, 30.07.2014
Schon um sieben bin ich wach, ein dringendes Bedürfnis treibt mich aus dem Zelt - direkt wieder fühle ich mich gestresst, dieser Rhythmus "Spät ins Bett und morgens früh wieder raus" passt mir gerade nicht. Claudia ist auch schon wach und geht zum Lesen an den Strand. Ich lege mich wieder hin, würde gerne noch schlafen, finde aber keine Ruhe mehr. Schließlich erledige ich die letzten Postkarten, die noch nicht geschrieben sind.
Die Kinder hatten gestern bereits den Wunsch geäußert, hier noch mal einen Ruhetag einzulegen und am Abend das Fish and Chips Essen nachzuholen. Mir gefällt der Gedanke auch sehr gut, Claudia ist auch einverstanden und so beschließen wir, einfach noch einen Tag hierzubleiben.
Es ist ein Ruhetag, wie er im Buche steht, es passiert fast nichts… Wir liegen auf den Isomatten rum, chillen, spielen Spiele oder quatschen sehr nett.
Es ist sehr windig, was mich am Nachmittag dazu veranlasst, unser Zelt umzustellen, um es etwas besser im Wind zu haben. Irgendwann holen Johanna und Claudia Kuchen und am Abend machen wir uns auf den Weg in den Ort, um Fish and Chips bzw. einen Burger (welcher sich als eine in Teig fritierte Riesenfrikadelle herausstellt) zu essen, was wirklich sehr köstlich ist.
Immer wieder kommt das Thema auf das nahende Ende des NSCR-Projekts. Vor allem von Johanna hören wir oft, wie sehr sie dies bedauert. Mich freut das immer, zeigt es doch, dass sie zufrieden ist mit der Tour und der Art der Reise. Tonis Töne diesbezüglich sind etwas leiser. Auch sie ist - das glaube ich wirklich - immer noch gerne mit dabei, hat allerdings einen deutlichen Drang, auch mal eine andere Form des Urlaubs kennenzulernen, nämlich am Pool unter Palmen während ihr die Sonne des Südens auf den Pelz brennt.
In meinem Hirn reifen schon seit längerer Zeit Ideen heran für Reisevorhaben in der Post-NSCR-Ära. Ein Gedanke wäre, westwärts von Calais bis Gibraltar zu fahren und auf diese Weise den Nordseeküstenradweg fortzusetzen. Aber auch eine Umrundung der Ostsee ist durchaus eine Variante, die ich mir vorstellen kann. Und natürlich stehen die USA weiterhin ganz oben auf der Liste der Wunschreiseziele.
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Donnerstag, 31.07.2014
Wir stellen uns den Wecker auf sieben Uhr und sind zeitig unterwegs, verlassen den Campingplatz bereits um zehn.
Es weht anhaltend ein sehr starker Wind und früh am Morgen fällt sogar etwas Regen, so dass wir eine potenziell harte Etappe erwarten - es wird dann aber gar nicht so schlimm. Die Wegführung folgt mal wieder einer ehemaligen Bahntrasse und schlängelt sich in lang gezogenen Kurven durch das wellige Terrain, welches heute in seiner Physiognomie jedem Englandklischee entspricht. Wir haben von den Hügeln noch einmal einen tollen Blick auf Robin Hood's Bay und die Steilküste und das blaue Meer. Ich mache viele Fotos und freue mich darüber.
So stellt man sich eine englische Landschaft vor...
Englische Landschaft
Südlich von Robin Hood's Bay folgt der Nordseeküstenradweg über lange Strecken einer stillgelegten Eisenbahntrasse
North Sea Cycle Route - etwa 5700 Kilometer haben wir
bis hier in den vergangenen Jahren zurückgelegt!
Nach etwa 25 Kilometern erreichen wir den Küstenort Scarborough (was dazu führt, dass ich für den Rest des Tages einen Ohrwurm habe, nämlich das gute alte "Scarborough Fair" von Simon & Garfunkel). Der Blick auf die Stadt erfreut ebenfalls das Auge: entlang einer geschwungenen Strandzeile gruppieren sich an der Promenade alte Gebäude, wuchtig tritt das Britannia Grand Hotel in Erscheinung, ein prächtiger Bau aus der Zeit des Jugendstil. Der Ort scheint so eine Mischung zu sein aus Bad Malente Grehmsmühlen (wegen der vielen Rentner) und Timmendorfer Strand (wegen der zahlreichen noblen Anwesen).
Die Küstenstadt Scarborough. Jedes Mal, wenn ich diesen Namen höre oder lese, habe ich einen Ohrwurm... Simon & Garfunkel lassen grüßen
Scarborough
Später legen wir eine ausgiebige Picknickpause auf der Wiese eines Bauern ein, den wir vorab um Erlaubnis fragen. Dieser kommt alle paar Minuten mit seinem Traktor vorbei, er transportiert jeweils eine große Strohrolle vom Feld zu seiner Scheune. Er hält an, stellt uns eine interessierte Frage, nickt, hält kurz inne und fährt weiter. Während er so unterwegs ist, scheinen ihm immer neue Fragen einzufallen, so dass sich der Vorgang einige Male wiederholt. Lustig!
Viel zu vollgefuttert geht es an ein paar anstrengende Hügel, die aber immerhin mit einem langen Gefälleabschnitt belohnt werden. Ziemlich lange fahren wir auf sehr kleinen, quasi autofreien Nebenstraßen. Eine ganze Weile unterhalte ich mich mit Johanna über das Reisen und über Ideen, die sie so hat. Eine Variante für die Zeit nach ihrem Abi, so meint sie, könnte ein Aufenthalt in Kambodscha sein, gemeinsam mit einer Freundin, die das asiatische Land bereits bereiste. Es sei auch eine Option, dort vielleicht in einem sozialen Projekt zu arbeiten. Na, ich bin ja mal gespannt! Was auch immer sie in dieser Hinsicht vorhat, wir werden es sicher grundsätzlich unterstützen, ich weiß aus eigener Erfahrung nur zu gut, wie wichtig gerade in dieser Lebensphase solche Erfahrungen sein können - und doch ist mir schon ein wenig komisch bei dem Gedanken, dass das "kleine Mädchen" in nicht allzu ferner Zukunft irgendwo auf der anderen Seite des Planeten "ganz allein" und ganz weit weg ist…
Um sechs am Abend erreichen wir den Campingplatz von Flamborough, treffen dort auf einen etwas älteren Solo-Radler, der auch in Etappen den Nordseeküstenradweg bereist.
Später wird Bacon gebraten und noch später unternehmen Claudia und ich im letzten Licht des Tages einen kleinen Ausflug zum knapp fünf Kilometer entfernten "Flamborough Head Lighthouse", einem weiß getünchten Leuchtturm, welcher hoch oben auf den ebenfalls weißen Klippen thront.
Die Kinder vertreiben sich die Zeit im Zelt, indem sie sich schminken und gegenseitig die Haare frisieren.
Flamborough Lighthouse
Steilküste unterhalb des Flamborough Lighthouse
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Freitag, 01.08.2014
Deftiges Frühstück für die Radler!
Wir überschlagen die bis Hull verbleibenden Kilometer und stellen fest, dass wir recht gut im Rennen liegen. Also ist schnell der Beschluss gefasst, schon wieder einen Ruhetag einzuschieben. Nur ein kleiner Ausflug steht auf dem Programm, nämlich ein Besuch der nahen Bempton Cliffs, einer recht imposanten weißen Steilküste mit vielen Vögeln. Die Kinder sind mittlerweile mit Vogelfelsen nicht mehr so ganz doll zu begeistern, dennoch begleiten sie uns auf der knapp sechs Kilometer langen Radfahrt. Von einem kleinen Informationszentrum aus führen gepflegt angelegte Fußwege entlang der Klippen, an welchem sich wieder das ganze Arsenal der gängigen Seevögel tummelt, zu meiner großen Freude gibt es besonders viele Basstölpel, die ich ja immer wieder faszinierend und schön anzusehen finde. Papageitaucher indes sind hier und heute kaum zu beobachten. Die Mädels begleiten uns nur teilweise auf dem Spaziergang, wie gesagt, deren Begeisterung hält sich in Grenzen. Man muss aber sagen, dass sie dabei keine schlechte Laune hatten, ganz im Gegenteil, sie verbringen eine meiste Zeit sitzend auf einer Bank, wo sie Kniffel spielen, herumblödeln oder sich mit anderen deutschen Touristen unterhalten, wie sie uns später berichten werden. Auf den Wiesen hinter der Küste fallen einige alte Betonbauten auf. Wir können erfahren, dass dies Teil von Radarstationen waren, von welchen aus im Zweiten Weltkrieg die deutschen Flieger geortet werden konnten.
Basstölpel an den Bempton Cliffs
Auf dem Rückweg erledigen wir in einem furchtbar engen und wuseligen kleinen Supermarkt in Flamborough den Tageseinkauf, bei welchem wir uns wie so oft nicht nur für das Abendessen eindecken, sondern auch noch Kuchen einpacken.
Den Rest des Tages verbringen wir an den Zelten, trinken Tee, spielen, schreiben. Ab und zu fällt ein wenig Regen.
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Samstag, 02.08.2014
Als wir an diesem Morgen um kurz nach zehn vom Campingplatz rollen, da ahnen wir noch nicht, dass es zwölf Stunden dauern wird, bis wir einen Zielcampingplatz erreichen werden und wir ahnen auch nicht, dass wir heute mit 125 Kilometern einen neuen Etappenrekord aufstellen werden.
Unser Plan sieht eigentlich vor, einen Campingplatz etwas nördlich von Hull anzusteuern, so dass wir morgen nur noch eine kurze Etappe bis zur Fähre haben werden, die am späteren Nachmittag ablegen wird. Das wird gründlich schief gehen, da die auf unserer Karte verzeichneten Plätze sich mehrfach als entweder nicht existierend oder als zelterfeindlich erweisen werden. Am Ende ist es wirklich eine glückliche Fügung, dass wir überhaupt noch einen sicheren Lagerplatz finden.
Zunächst aber machen wir uns nach dem Frühstück zum zweiten Mal auf den Weg nach Flamborough Head, da wir den Leuchtturm und die schöne Steilküste auch noch einmal bei Tageslicht und gemeinsam mit den Kindern besuchen wollen. Es steht auch die Idee im Raum, in der netten Bucht ein Bad zu nehmen.
Den Mädels gefällt der Flecken, gebadet wird dann aber doch nicht, zu viel Algenkraut ist in die Bucht geschwemmt worden. Wir lassen uns Zeit, schauen uns um und machen Fotos, bevor wir schließlich am Mittag in die Etappe starten. Bald erreichen wir den etwas größeren Küstenort Bridlington, den wir ohne nennenswerte Navigationsprobleme durchqueren, bevor es dann ziemlich lange durch relativ unspektakuläre, landwirtschaftlich genutzte Gegenden geht. Gelegentlich fällt mal etwas Regen, so dass wir uns zwischenzeitig sogar mal kurz unsere Regenkluft überstreifen.
Nach knapp achtzig Kilometern erreichen wir südlich der Kleinstadt Beverly etwas, was laut unserer Karte ein Campingplatz sein soll. In der Tat stehen dort hundert Meter abseits der Straße ein paar Wohnwagen auf einer Wiese - Rezeption oder Sanitäranlagen? Fehlanzeige. Ein Caravan ist bewohnt (von reichlich prolligen, übergewichtigen, rauchenden Mitmenschen mit marodem Zahnstatus) und ich frage nach, wie es denn um die Option bestellt ist, hier zu campieren. Sie sehen nicht wirklich eine Möglichkeit, geben mir aber die Telefonnummer von jemandem, der für diesen Platz zuständig ist.
Den rufe ich an, der ist auch recht freundlich, bestätigt aber die Aussage des Zahnlosen, dass wir hier nicht zelten können. Er ist sich jedoch sicher, dass im etwa zehn Kilometer weiter nördlich gelegenen Cherry Burton ein geeigneter Campingplatz zu finden ist. Okay, fahren wir also zurück - in Cherry Burton waren wir vor einer knappen Stunde schon einmal.
Nachdem wir uns also ein zweites Mal durch den Stadtverkehr von Beverly gewühlt haben, erreichen wir am späten Nachmittag den vermeintlichen Zielort. Hinweisschilder zum Campingplatz suchen wir indes vergeblich und auch Passanten, die wir suchend nach Rat fragen, sind zunächst etwas irritiert. Erst nach kurzem Überlegen kommt ihnen die Idee, was wir wohl meinen könnten und schicken uns zu einer Farm an östlichen Ortsausgang. Dort blicken wir zwar auf eine riesige Wiese (auf der auch in der hinterletzten Ecke ein Wohnwagen steht), aber auch hier: von Sanitäranlagen oder einer Rezeption keine Spur. Nicht einmal einen Menschen treffen wir an.
Langsam fängt die Angelegenheit an, etwas lästig zu werden, ein Plan muss her. Gut dreißig Kilometer trennen uns von Hull, jener Hafenstadt am Fluss Humber, in welcher unsere diesjährige NSCR-Etappe ihr Ende finden wird. Von dort wird uns morgen eine Fähre nach Rotterdam bringen.
Laut Karte befindet sich auf der Südseite des Humber ein Campingplatz und so beschließen wir, diesen anzusteuern. Die Stimmung im Team ist dennoch gut und als wir wenig später zum dritten Mal am heutigen Tag durch Beverly rollen, da nehmen wir es eher mit (Galgen-) Humor… Die allgemeinen Fahrbedingungen sind ja glücklicherweise auch einladend: Hügel oder Wind gibt es kaum, die Temperaturen sind mild, zwischendurch kommt die Sonne durch und zaubert ein schönes Abendlicht. Die Navigation indes bereitet das eine oder andere Mal Probleme, aber schließlich erreichen wir im Dämmerlicht eine riesengroße Brücke, welche über den Humber führt. Die Kleinstadt auf der Südseite hat den Charme von Gaarden, alles wirkt etwas schäbig, ihr Name ist Barton-upon-Humber. Natürlich finden wir zunächst keinen Campingplatz, sondern irren durch den Ort. Aufgemotzte Autos, aus denen die Bässe wummern, rollen vorbei, was für ein Nest. Wir gelangen in ein Wohngebiet und fragen dort einen Hundespaziergänger um Rat. Er hat leider auch überhaupt keine Ahnung… Werden wir am Ende wild campen müssen?
In diesem Teil des Ortes werden wir wohl keinen Campingplatz finden, also radeln wir zurück in Richtung Bahnhof. Auf dem relativ belebten Vorplatz halten wir an - mir behagt das gar nicht; es ist spät, es ist dunkel, da stehen vier Touristen mitten in einem kleinem, etwas unheimlichen Arbeiterort, mit dabei zwei blonde, leicht bekleidete Mädels. Jedem muss klar sein, dass wir offenbar nicht wissen, wohin wir sollen. Ich nehme wahr, wie hier und da an den Fenstern der umgebenden Gebäude Menschen stehen und uns beobachten. Wir sind eine verletzliche Gruppe und wer Böses im Schilde führt, für den könnten wir ein gefundenes Fressen sein.
Ein junger Kerl, der gerade aus einer Kneipe kommt, hat ebenso wenig eine Vorstellung, ob geschweige denn wo hier ein Campingplatz sein könnte, wie der Inder, der auf der anderen Straßenseite einen kleinen Laden betreibt. Claudia hat dann die Idee, ihren Vater anzurufen, damit dieser via Internet eine mögliche Lösung für unser Problem findet. Sie schildert ihm die Situation und es wird verabredet, dass er schnellstmöglich zurückruft.
Ich insistiere, diesen mir so suspekten Platz zu verlassen und so radeln wir nordwärts in Richtung Fluss. Plötzlich entdecken wir zu unserer Linken den vermeintlichen Campingplatz, sehen aber schon auf dem ersten Blick, dass das wieder nur so eine Mobile-Home-Kolonie ist. Ratlos halten wir im Bereich der Zufahrt an. Das Telefon klingelt und Claudia konferiert mit Werner. Nicht allzu weit weg steht auf dem Gelände des "Campingplatzes" plaudernd eine Menschengruppe, aus welcher sich ein Herr löst und zu mir herüberkommt - es ist der Inhaber des Platzes, der sogleich unsere wenig erquickliche Lage erkennt. Er berichtet, dass er vor drei Jahren den regulären Campingbetrieb eingestellt hat. Nach kurzem Überlegen gibt er uns dann den Tipp, wir sollten es mal am Ende der Straße im "Waterside house" versuchen. In dem alten, weißen Gebäude wohne eine ältere Dame, die es gerne Zeltern gestatte, in ihrem Garten zu übernachten. Wir horchen auf! Da es mittlerweile auf 22:00 zugeht, zögere ich etwas, frage mich, ob man wirklich um die Zeit noch klingeln könne. Der Platzwart meint aber, dies sei kein Problem - und wenn sie uns wider Erwarten doch nicht aufnehmen würde, so dürften wir gerne wiederkommen, dann würde er schon irgendwo einen Stellplatz für uns finden. Puh, die Situation scheint sich doch noch zum Guten zu wenden! Ich bin auch erfreut über das Angebot, ggf. hier zu zelten - nach den häufig abweisenden Erfahrungen, die wir ja nun schon machten, weiß ich das in besonderem Maße zu schätzen. Werner konnte übrigens auch nicht mehr herausfinden, als dass, was wir nun schon wussten.
Am "Waterside house" brennt noch Licht, also wage ich es, zu klopfen. Kurz darauf öffnet die besagte Dame und heißt uns auf ihrem Grund herzlich willkommen! Fantastisch. Man zollt uns Respekt ob der langen Etappe, die hinter uns liegt, vor allem natürlich, weil wir mit den Kindern reisen. Über den Seitenzugang zum Garten schieben wir die Räder auf das Grundstück und gelangen auf eine kleine Wiese mit einigen Obstbäumen. Der Sohn des Hauses wird angewiesen, noch extra für uns eine elektrische Lampe in die Bäume zu hängen, damit wir genügend Licht beim Aufstellen der Zelte haben.
Die Mädels fallen todmüde ins Bett, während Claudia und ich noch bei einer Schnitte Brot und einer Tasse Tee den langen Tag Revue passieren lassen.
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Sonntag, 03.08.2014
Ausgeschlafen verlassen wir am Morgen bei wolkenlosem Himmel die Zelte. Es ist Zeit, Abschied zu nehmen von der diesjährigen Etappe. Eine kleine Weile plaudern wir noch mit der Hauseigentümerin, die uns unter anderem berichtet, dass sie ihren Garten registriert hat auf der Webseite www.campinmygarden.com,
(ist hier verlinkt).
einer Internetplattform, auf welcher Privatleute ihren Garten an zeltende Reisende vermitteln können; hatten wir noch nie was von gehört.
Barton-upon-Humber - wir übernachten im Garten einer alten Dame
Bald rollen wir wieder über die Humber Bridge nordwärts, um dann (natürlich wieder mit dem einen oder anderen kleinen Navigationsschnitzer) durch die wenig sympathische Stadt Hull in Richtung Fährhafen zu radeln.
Sehr zeitig erreichen wir diesen und sind damit wohl die ersten Passagiere, die heute mit der Fähre England verlassen werden. Claudia macht sich noch mal alleine auf den Weg zum Supermarkt, um unsere Proviantvorräte aufzufüllen.
In Hull endet unser diesjähriger Ausflug auf die Britischen Inseln, hier geht es auf die Fähre, mit welcher wir ins niederländische Rotterdam gelangen werden
Um halb fünf dürfen wir auf das Schiff, vertauen unsere Räder und suchen unsere Kabine - es ist das erste Mal, dass wir eine Kabine mit Fenster haben! Schnell noch mal unter die Dusche und ein Tee gekocht, bevor wir dann die Ausfahrt auf dem Humber in Richtung Nordsee an Deck erleben. Während die Kinder die meiste Zeit unterwegs sind und auf eigene Faust das Schiff entdecken (später noch im Kino die Verfilmung von "Das Schicksal ist ein mieser Verräter - The fault in our stars" schauen; das Buch hatten sie am Anfang der Reise gelesen), verfolgen Claudia und ich, wie die Fähre auf der etwa vierzig Kilometer langen Fahrt bis auf die offene Nordsee an nicht enden wollenden Industrieanlagen vorübergleitet. Herrlich kitschig geht hinter uns im Westen die Sonne unter. Das war also schon wieder die diesjährige Sommerreise, Etappe VIII auf dem Nordseeküstenradweg ist nun Geschichte…
Auf dem Humber schiebt sich die Fähre vorbei an scheinbar endlosen Hafen- und Industrieanlagen, bevor es hinausgeht auf die Nordsee
Der Humber weitet sich, bald werden wir auf dem offenen Meer sein
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Montag, 04.08.2014
Ankunft im Hafen von Rotterdam um 07:30. Bei sommerlichen Verhältnissen geht es ins Radfahrerparadies Niederlande und bald rollen wir auf bestens beschilderten breiten Asphaltwegen in Richtung Innenstadt, wo wir uns schließlich am Bahnhof einfinden.
Gut ausgeruht erreichen wir am Morgen die Niederlande. Die Infrastruktur für die Radler fasziniert uns einmal mehr, als wir die etwa 40 Kilometer vom Hafen in die City zurücklegen: exzellente, breite Radwege führen bis in die Innenstadt
Selbst die Klappbrücke hat eine eigene Radlerspur... Bald erreichen wir den Bahnhof in der Innenstadt Rotterdams, von wo aus wir die reichlich nervtötende Bahnreise nach Norddeutschland antreten. Fünf Mal umsteigen mit vier Personen und vier Fahrrädern ist einfach kein Spaß...
Nun beginnt eine ewig lange Odyssee, denn wir treten die Heimreise mit der Bahn an. Das bedeutet, wir werden fünf Mal umsteigen müssen und es zeigt sich, das in punkto Radmitnahme im Zug auch in den Niederlanden noch deutlicher Optimierungsbedarf besteht, es ist absolut kein Spaß.
Auch wenn es zwischenzeitig nicht immer danach aussieht, so erreichen wir dann doch planmäßig am Abend den Kieler Hauptbahnhof, von wo die letzten Kilometer bis zu unserem Haus noch geradelt werden.
Während Claudia morgen wieder zur Arbeit gehen muss, kann ich mich darüber freuen, noch eine ganze Woche frei zu haben. Und ich kann dann auch schon meine Gedanken auf das nächste Abenteuer richten, meine geplante Radreise nach Island in nicht einmal fünf Wochen… Doch das ist eine andere Geschichte!
Hier geht es zum Bericht des Folgejahres (2015)
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