Auswahl nach Land
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2009
Nordseeküstenradweg / North Sea Cyle Route
Deutschland, Dänemark
Immer weiter geht es nach Norden
Vorbemerkungen
Fast 700 Kilometer werden wir in diesem Sommer auf dem dritten Teilstück unseres NSCR-Projektes auf dem Nordseeküstenradweg zurücklegen. Es geht dabei von Wremen bei Bremerhaven bis weit hinein nach Dänemark, namentlich nach Vejers Strand. Die An- und Abreiselogistik ist in diesem Jahr sehr einfach und kostengünstig zu gestalten: Innerhalb weniger Stunden bringt uns Werner per Auto an den Startort, die Heimreise von Dänemark wird im Radsattel bewältigt.
Die Vorfreude aller ist riesig, immer wieder in den vergangenen elf Monaten, seit wir die letzte Etappe beendeten, war die Tour Gesprächsthema und oft Inhalt sehnsüchtiger Gedanken.
Nun steht der Urlaub vor der Tür - wir konnten, was wir uns ja im letzten Jahr schon vorgenommen hatten, gute drei Wochen herausschlagen für die Tour - eine erfreulich lange Dauer. Ich bin mir einigermaßen sicher, dass ich das letzte Mal vor zwölf Jahren auf meiner letzten Islandreise so lange am Stück auf Reisen war.
Dies sollte sich als eine extrem gute Idee erweisen, allein durch die schiere Dauer stellte sich ein ungekannter Erholungseffekt ein. Ich hatte den Eindruck, da passiert etwas mit mir, da kommen Gefühle und Stimmungen wieder hoch, die so tief vergraben sind, die es im ausgefüllten Alltag nicht bis an die Oberfläche schaffen. Beinahe vergessen dieses Gefühl von Fernweh, Freiheit, Sehnsucht, Naturverbundenheit - eine ganz besondere Form von Entspanntheit und Seelenfrieden deutet sich da an. Mir drängt sich der beauté-cachée-Gedanke auf, der einst den theoretischen Unterbau für eines meiner gemalten Bilder lieferte: schwer zugängig, bisweilen völlig verdrängt und vergessen, aber doch immer vorhanden unter den Krusten des Alltags versteckt sich eine Schönheit, ein Frieden, kaum erreichbar, doch stets schlummernd. Da ist noch mehr in diesem Leben, als der vollgepackte, eng durchgetaktete, arbeitsreiche Alltag…
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Dienstag, 04.08.2009
Eigentlich sah mein Plan vor, heute per Rad von Kiel nach Wremen zu fahren, während die Mädels die Komfort-Variante bei Werner im Auto genießen würden. Dann Treffen vor Ort und morgen gemeinsamer Start in eine erste Etappe.
Nach fünf Wochen eitrigem Infekt der Nebenhöhle habe ich nun allerdings gerade mit einem weiteren Antibiosezyklus begonnen, so dass ich mich kurzfristig dagegen entscheide. Hätte so schön gepasst, wäre eine nette Rundfahrt geworden, heute von Kiel los, gut drei Wochen später nach Kiel zurück… Nun ja, Gesundheit geht wohl vor…
Mir sitzt der Nachtdienst noch in den Knochen, sehr, sehr müde stehe ich um sieben Uhr auf, packe die letzten Reste (stelle halbwegs genervt fest, dass ich meine Regenhose nicht finde, obschon sie eigentlich immer einen festen Platz hat. Blöd.), belade den Anhänger, den Werner bereits vor einigen Tagen bei uns abgestellt hatte. Brötchen wollen geschmiert werden, Tee gekocht und natürlich installiere ich meine Einbruchprophylaxe-Zeitschaltuhren, die im Haus verteilt Licht und Lärm steuern werden, wenn wir so lange unterwegs sind.
Wie geplant kommt gegen zehn Werner vorbei, wir koppeln den fertig beladenen Anhänger an sein Auto und wenig später rollen wir vom Hof.
Gut, dass die Fahrt keine ganz so lange ist, nach knapp drei Stunden erreichen wir bei bestem Sonnenschein Wremen.
Zügig räumen wir den Hänger aus, bedanken uns herzlich bei Werner, sagen tschüs und rollen bald nach Norden davon. Hat der Deich uns wieder! Schon nach wenigen hundert Metern sind wieder Schafe unsere Begleiter, ich atme tief durch, mache mir bewusst, dass nun tatsächlich sagenhafte dreieinhalb Wochen vor mir liegen. Hätte man mir früher mal sagen sollen, dass ich mal diese Zeitspanne als lang wahrnehmen würde…!
Noch wird es allerdings ein paar Tage brauchen, bis ich (und das Team) wirklich den Rhythmus gefunden habe. Auch mein Rad will noch etwas besser beladen werden, das ist noch nicht optimal… Ich habe viel Gepäck mit: erstmals findet sich eine zweite Garnitur Kochzeug in den Packtaschen, das nimmt Platz weg. Auf das Gewicht schlagen meine eingeschweißten Holzkohle-Sets für den Grill; Kohle, Anzünder, Handschuhe weil's Schweinkram ist…
Die frische Seeluft tut gut, der Wind kommt natürlich von vorne und je weiter wir uns Cuxhaven nähern, umso voller wird es am Deich… die Gegend ist sehr touristisch geprägt.
Gut dreißig Kilometer fahren wir an diesem ersten Tag noch, dann erreichen wir wie geplant Sahlendorf, wo wir auf dem Campingplatz Quartier beziehen.
Beim Zeltaufbau - ich hätte es ahnen können - taucht meine vermisste Petzl-Stirnlampe wieder auf. Und ich hatte mir nun extra noch eine neue gekauft. Macht aber nichts, es stellte sich heraus, dass Toni ihre nicht eingepackt hatte, somit die Gesamtanzahl verfügbarer Lampen doch wieder bei vier liegt.
Hausmannskost auf dem Campingplatz in Cuxhaven
Nach dem Zeltaufbau radeln Joe und ich zum Einkaufen (noch mal sieben Kilometer für die Statistik) und danach wird die Bratpfanne eingeweiht, es gibt Würstchen mit Kartoffelpü und Blaubeeren zum Nachtisch.
Die Mädels verpassen später den Sonnenuntergang, da sie sich zu dem Zeitpunkt gerade beim Zähneputzen befinden, während ich am nahen Strand auf sie warte. Sie kommen dann später nach und lassen noch einen Teil ihres Taschengeldes bei den Trampolinen, auf denen sie eine ganze Weile hüpfen.
Zum Abschluss des Tages gibt es ein paar Runden Schwarzer Peter im großen Zelt, um halb elf gehen dann die Lichter aus.
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Mittwoch, 05.08.2009
Morgens um acht ertönt aus dem Nachbarwohnwagen elendig laut Modern Talking, das geht ja gut los! Aber wirklich verderben lasse ich mir die Stimmung nicht, schwinge mich mit Toni aufs Rad zum Brötchen holen. Es ist Sommer, schon zu dieser frühen Stunde ist es wirklich heiß - ich finde das herrlich.
Beim Frühstück besprechen wir die Planung der weiteren Route. Es stehen zwei Varianten zur Debatte: erstens: Elbquerung schon bei Wischhafen-Glückstadt vs. zweitens: Elbquerung in Hamburg. Meinem Wunsch wird entsprochen, den Schlenker bis in die große Stadt zu fahren. Zum einen führt die "offizielle" Nordseeküstenradweg-Route dorthin, zum anderen reizt es mich aber auch, das Stadtgebiet zu tangieren. Das Problem bei der Hamburg-Variante ist, dass es auf der Fahrt dorthin auf lange Sicht keine Campingplätze gibt, also eine längere Etappe ansteht, geschätzte 75 Kilometer werden zu überbrücken sein. Hoffen wir, dass der Wind gut steht!
Um elf geht es heute los, wir starten in einen sonnigen Tag. Bald erreichen wir das überaus quirlige Cuxhaven, Scharen von Touristen bevölkern den Küstenstreifen, teilweise herrscht regelrechter Fahrradstau… Nach Osten hinaus zeigt sich der Ort von industriellem Gepräge, endlos lang steht eine Fischhalle neben der nächsten - und so riecht es auch. Bald schon rollen wir aber wieder über vertraute Deichwege. Wir legen die eine oder andere Pause ein, an einer Badestelle springen die Mädels ins Wasser, während im Hintergrund die großen Schiffe vorbeiziehen auf ihrem Weg nach Hamburg… Ich ziehe es vor, trocken zu bleiben und ein Auge auf die Räder zu haben.
Ein Bad in der Elbe
Küste im Mündungsbereich der Elbe
Typisches Bild: Deich und Schafe
Um drei Uhr, also recht früh, erreichen wir den Campingplatz Otterndorf. Liegt direkt hinterm Deich, erinnert mich von daher etwas an Schönberger Strand.
Nach dem Zeltaufbau gehe ich mit dem Mädels baden: schmale Wasserläufe durchziehen das Areal, führen zu einem kleinen See, wir schwimmen ein wenig neben den Enten her...
Später fahre ich auch heute wieder mit Joe zum Einkaufen in den nahen Ort, einige Kilometer geht es durch wunderschöne Wiesen. Wir wollen gleich mal die erste Portion Kohlen verbrennen, also besorgen wir Grillwurst und Koteletts…
Später ziehe ich mich ein wenig auf den Deich zurück, pflege meine Tagebuchnotizen, notiere die aktuellen Koordinaten. Der Blick geht hinaus auf die sich weitende Elbe; etwa 15 Kilometer trennen mich an dieser Stelle vom nördlichen Ufer… welches wir in einigen Tagen abradeln werden. Mal wieder der Fjordeffekt. Große Schiffe ziehen vorbei, während herrlich kitschig die Sonne untergeht.
Außenelbe
Die Mädels sind auch heute gerade zu dieser Zeit wieder zum Zähneputzen, so dass sie das Ereignis schon wieder verpassen; als sie den Deich hinaufgetrabt kommen, ist die Sonne bereits versunken. Lange bleiben wir auch nicht mehr, es wird bald ziemlich kühl. So ziehen wir uns zurück ins Zelt und beschließen den Tag mit ein paar Runden Schwarzer Peter.
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Donnerstag, 06.08.2009
Unweit unseres Platzes hatte am Vorabend noch eine andere radelnde Familie ihr Lager errichtet: ein riesengroßes Tunnelzelt, Tische und Stühle, alles war dabei. Wir wundern uns etwas, dass sie schon in aller Frühe wieder mit dem Abbau beginnen - wir haben gerade Brötchen geholt und fangen an, unseren Kaffee zu kochen…
Während des Frühstücks verfolgen wir die ganze Zeit die Fortschritte bei den Nachbarn und wundern uns, wie lange das bei denen dauert… Schließlich sind wir alle satt und dann packt die Kinder der Ehrgeiz, noch vor der Nachbarfamilie vom Platz zu rollen. Wir starten unsere Aufräum- und Abbauroutine und tatsächlich, ganz knapp gelingt es uns, als erste fertig zu sein und in den Sommertag zu radeln!
Mit ein ganz klein wenig Sorge nehme ich zur Kenntnis, dass der Wind von Osten weht, nicht stark, aber immerhin bedeutet das, dass wir auf unserer heutigen, mindestens 75 Kilometer langen Etappe Gegenwind haben werden.
Ziel der heutigen Etappe ist der Campingplatz auf Lühesand, ich hatte dort vorher angerufen, um sicherzustellen, dass wir auf jeden Fall dort würden unterkommen können. Lühesand ist eine kleine Insel in der Elbe, um acht, so sagt man mir, geht die letzte Fähre.
Der Nordseeküstenradweg verlässt heute das Meer bzw. die Elbe und führt uns fast den ganzen Tag durchs Landesinnere. Zunächst ohne nennenswerten Windschatten über offene Felder, später, ab Wingst geht es in den Wald, welcher uns vor Sonne und Wind schützt. Der Weg ist sandig, es geht ein wenig bergauf und bergab, wir legen eine Pause ein, es gibt Eis, während uns Wespen umschwirren…
Unterwegs an der Elbe
Unterwegs an der Elbe
Wir nähern uns Hamburg
Ein wundervoller Sommertag: Wärme, leuchtende Sonne, viel Natur, kleine idyllische Bauernhöfe, es könnte kaum schöner sein. Bullerbü-Frieden…
Später pausieren wir mit Kaffee und köstlichem Zitronenquarkkuchen in Himmelpforten, am späten Nachmittag wird Stade GPS-geführt durchfahren. Macht keinen sehr einladenden Eindruck, laut, prollig, hügelig - etwas nervig.
Unsere Zeitplanung ist super, um 19:15 erreichen wir den Fähranleger am Elbufer. Angler angeln, ein Kajakfahrer ist im Begriff, sein Boot fertig zu machen, mir fällt eine seltsame Vorrichtung auf. Ich spreche ihn darauf an und er erklärt mir, dass es sich dabei um Flossen handelt, die, ähnlich einer Finne, durch den Rumpf ins Wasser abgesenkt werden. Mittels Pedalen werden sie betrieben und erzeugen Vortrieb. Und tatsächlich, als er ablegt, macht er flotte Fahrt. Sieht etwas seltsam aus, so ganz ohne Paddel (und ich frage mich auch, wie er das Boot wohl stabilisieren will, wenn mal eine leichte Welle geht… naja, ist wohl was für Teiche und sehr glattes Wasser…).
Während wir da stehen und schauen, kommt einer der Angler, kauziger Typ, zu uns und erzählt uns, dass der Kahn nach Lühesand sicher noch verkehrt, aber dass er definitiv keine Fahrräder mitnimmt. Ich bin entsetzt und genervt - schließlich hatte ich vorher angerufen und auch zu verstehen gegeben, dass wir mit dem Rad anreisen, da hätte man mich ja wohl mal drauf hinweisen können…
Doch der Fischermann weiß Rat, in etwa sieben Kilometer Entfernung befindet sich ein weiterer Campingplatz. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als diesen anzusteuern. Die Kinder nehmen es gelassen und haben auch physisch keine Probleme, dieses Stück noch zu fahren und so kommt es, dass wir bereits am dritten Tag mit 85 Kilometern unsere diesjährige Rekordetappe geradelt sind.
Der Zeltplatz ist leicht gefunden, macht von den Sanitäranlagen her einen reichlich gammeligen Eindruck, ist aber wunderschön in eine Apfelplantage hineingebaut.
Beim abendlichen Schwarzer Peter-Spiel verlieren Johanna und ich schon wieder… das gibt es nicht…
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Freitag, 07.08.2009
Es bleibt sommerlich, schon am Morgen ist es wieder heiß. Ich fahre mit Toni zum Bäcker, wo mich neben den knusprigen Brötchen ein herrlicher Apfelkuchen anlacht - ich kann nicht widerstehen und kaufe ein großes Stück als Beigabe für unser Frühstück.
Gegen halb elf sind wir wieder auf der Straße, wir nähern uns Hamburg, somit verdichtet sich der Verkehr. Kilometerlang geht es an Apfelplantagen vorbei. Wir steuern nicht wie eigentlich geplant Finkenwerder an, sondern einen Fähranleger vorher, namentlich Crenz. Etwas Wartezeit müssen wir in Kauf nehmen, riesige Flieger schweben ein, landen auf dem nahen Airbus-Gelände.
Im Alten Land
Hamburg - die westliche Stadtgrenze ist erreicht
Wir nehmen in Cranz die Fähre und überqueren die Elbe nach Blankenese
Die Treppe hinab zum Fähranleger ist voll mit toten Marienkäfern, eine regelrechte Plage suchte in diesem Sommer den Norden heim…
Die Elbe hat Niedrigwasser und so sucht sich die Fähre sehr behutsam ihren Weg im schmalen Fahrwasser, bald schon legen wir in Blankenese an. Nun trennen uns nur noch 350 Kilometer von der dänischen Grenze!
Kurze Zeit später, es ist erst 14:00 Uhr, erreichen wir den Campingplatz "Elbecamp". Nach der langen Etappe gestern plädiere ich dafür, hier zu bleiben. Die Kinder sind ebenfalls dafür, so dass wir dort einchecken.
Ich gehe mit den Mädels baden, wir essen Eis, vertrödeln den Tag. Später schiebt sich in imposanter Größe die Queen Mary II ins Bild, zahllose kleine Boote begleiten sie auf ihrem Weg hinaus in Richtung des offenen Meers, Hubschrauber kreisen darüber, ein Riesenevent…
Wir schlagen unsere Zelte in Blankenese auf,
am Nachmittag kommt die Queen Mary 2 vorbei.
Claudia hat in der Zwischenzeit Pfannkuchenteig gemacht und einmal mehr erweist sich unsere neue Pfanne als geniale Ergänzung des Küchenequipments, das Backen gelingt total super.
Die abendliche Spielrunde verlegen wir an den Strand, es ist eine traumhaft schöne Szenerie: die Nacht ist lau, der Mond geht auf, Schiffe ziehen vorbei, überall sind kleine Lagerfeuer am Strand zu sehen, mich erinnert das ein wenig an Griechenland…
Im Licht unserer Stirnlampen spielen wir eine Weile, natürlich gewinnen wieder meine Partnerin und Antonia.
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Samstag, 08.08.2009
Ich bin früh wach und mache mich auf den Weg, um uns etwas für das Frühstück einzukaufen. Steil geht es hinauf in den Ort, noble Villen und protzige Autos am Wegesrand. Es erfordert ein wenig Sucherei, bis ich den Supermarkt finde, das GPS bringt mich anschließend wieder hinab, inzwischen ist auch Leben im Lager.
Unsere Position im Display des GPS-Geräts
Um 10:40 verlassen wir den Platz. Am kommenden Wochenende finden in Hamburg die Cyclassics statt, es wäre meine zehnte Teilnahme in Folge gewesen, doch nun musste ich erstmals davon Abstand nehmen - dieser Urlaub genießt Priorität. Außerdem hätte meine miserable Trainingskonstitution auch nicht wirklich dafür gesprochen. Dennoch kommt Wehmut auf, als uns unser Weg teilweise über die Wettkampfstrecke führt. Plakate werben für das Ereignis, zahllose Rennradfahrer begegnen uns an diesem schönen Wochenendtag, so gut wie alle haben die obligatorische Cyclassics-Trinkflasche am Rahmen.
Die Kinder sprechen in diesen Tagen ganz viel von den Karl-May-Festspielen, die sie kurz vor dem Urlaub noch mit ihren Großeltern besucht haben. Hat offensichtlich großen Eindruck auf sie gemacht. Ich glaube, inzwischen kenne auch ich beinahe jede Szene, ohne dabei gewesen zu sein.
Auf dem Deich erfreuen sich die beiden wie stets an den Schafen, heute treffen wir auf einige besonders zutrauliche Exemplare dieser flauschigen Spezies: sie lassen sich streicheln und ergreifen nicht die Flucht, so bald sich ein Mensch nähert. Das muss natürlich ausgiebig ausgenutzt werden…
Bei Kronsnest, irgendwo in den Wiesen, muss die Krückau überquert werden. Kleiner Fluss, kleiner Kahn… nur zwei Räder passen pro Fuhre ins Boot, der Fährmann muss Kraft aufwenden, um den Riemen in das Wasser zu setzen und das Gefährt auf Kurs zu halten. Eine ähnlich kleine Fähre ist mir bislang nur auf der Herbsttour München-Kiel begegnet, als wir am Donaudurchbruch auf das Nordufer übersetzten…
Von Kronsnest aus überqueren das kleine Flüsschen Krückau mit der angeblich kleinsten Fähre Deutschlands. Nur zwei Fahrräder
können je Passage transportiert werden
Und weiter geht die Reise entlang des Deiches - diesmal auf der Nordseite der Elbe
Um halb vier erreichen wir den Zielort Kollmar, kleiner, sehr gepflegter Platz, das komplette Gegenteil vom alternativ-freakigen Elbecamp.
Wir schlagen unsere Zelte auf und dann machen wir uns zu Fuß auf den Weg zum Hafen, etwa einen Kilometer. Eine ganze Weile halten wir uns auf einem kleinen Spielplatz auf, die Mädels haben viel Spaß dabei, sich an langen Seilen hin- und herzuschwingen, welche von hohen Bäumen herabhängen. Später gibt es Pommes und Currywurst an einer Bude am Hafen (die Verkäuferin ist eine echte Ziege und gewinnt den ersten Preis für Unfreundlichkeit) und anschließend ein Eis aus der Eisdiele. Eine ganze Weile halten wir uns später noch am Strand auf.
An der Elbe
An der Elbe
Zurück am Campingplatz, wir sitzen gerade vor den Zelten und die Kinder vergnügen sich auf dem Spielplatz, werden wir von der Inhaberin darauf hingewiesen, dass später noch die MS Europa den Fluss hinab gefahren kommt. Für diese Information radelt sie tatsächlich über den ganzen Platz und erzählt es ihren Gästen. Wir müssen schmunzeln. Und obwohl wir ja im Kieler Hafen ständig einen Haufen großer Kreuzfahrer liegen haben, nehmen wir das zum Anlass (ausgestattet mit Tee und Keksen), abermals zum Hafen zu stiefeln, um dem Wahnsinnsereignis quasi in erster Reihe beiwohnen zu können. Bald kommt sie auch schon, relativ fern, hell erleuchtet, nicht besonders groß - wäre mir nie aufgefallen. Nun ja, hatten wir noch einen kleinen Spaziergang….
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass sich so allmählich im Team ein Rhythmus findet, dies sowohl bezogen auf das Packen, die Abläufe, die Stimmung in der Familie, auf das Radeln bezogen. Alles scheint mir runder zu laufen. Angenehm, dies feststellen zu können.
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Sonntag, 09.08.2009
Unsere heutigen Nachbarn sind drei junge Väter mit drei kleinen Jungs, die sich zu unserem Erstaunen allesamt in ein relativ kleines Zelt gequetscht haben. Schon gestern Abend haben wir Spekulationen angestellt, was das wohl für eine Truppe sein mag… Haben sie ihren Ladies ein Wochenende auf der Schönheitsfarm geschenkt und ihrerseits das kleine Abenteuer mit dem Nachwuchs gewählt? Oder lernten sie sich in einer Selbsthilfegruppe für junge Witwer kennen?
Wie auch immer, heute Morgen stehen wir jedenfalls mal wieder Rede und Antwort, was unser Vorhaben NSCR betrifft. Wir werden oft angesprochen, was wir denn wohl für eine Tour machen mit den Kindern, wie lange, wie weit, wohin und woher… Dann erfahren wir nicht selten erstaunte bis bewundernde Reaktionen.
Die Reise geht an der Elbe weiter und ich muss sagen, ich bin sehr froh, dass ich mich hinsichtlich der Routenentscheidung durchsetzen konnte. Hätten wir mit der Fähre abgekürzt, so wäre uns so mancher schöne Elbkilometer durch die Lappen gegangen. Ein besonderer Reiz geht schon allein von all den großen Schiffen aus, die stromauf- und abwärts tuckern. Vielleicht sollte ich doch auch noch mal die Abschnitte östlich von Blankenese bis Tschechien erradeln? Vermutlich wäre es das wert.
Wir kommen durch Glückstadt, überqueren die Stör, erreichen Brokdorf. Kleines idyllisches Kaff mit unbehaglich anmutendem Namen; der Radweg führt uns unmittelbar an der gewaltigen Festung AKW vorbei, sehr befremdlich.
Wir pausieren lange im Ort an einem netten Spielplatz, essen Brötchen, trinken Tee und Kaffee.
Das Atomkraftwerk Brokdorf - schon ein seltsames Gefühl,
an so einem Monstrum vorbeizufahren...
Die Elbe weitet sich - darf man schon Nordsee sagen? Bald erreichen wir die Ausläufer von Brunsbüttel, eher hässlich, von industriellem Gepräge. Es ist grau, ein paar Tropfen Regen fallen. Mit der Fähre überqueren wir den Nord-Ostsee-Kanal. Den Kindern ist zunächst gar nicht klar, dass dies der gleiche Kanal ist, der in Kiel auf die Ostsee trifft. Sie staunen ein wenig, als sie erfahren, dass wir nun gar nicht so weit weg von zu Hause sind.
Die Einmündung des Nord-Ostsee-Kanals bei Brunsbüttel
Der Campingplatz ist klein, der Platzwart ein wenig schroff, aber sehr freundlich, den Kindern schenkt er ein Eis zur Begrüßung.
Auf zwei Kochern bereiten wir das Abendessen, ich brate Reibekuchen für die Kinder, meine Partnerin kocht Nudeln für uns. Der Campingplatz ist direkt unterhalb des Deiches gelegen und nach dem Abwasch (den - als ewige Verlierer bei den abendlichen Spielrunden - mal wieder Johanna und ich erledigen müssen) stiefeln wir noch mal hinauf, nehmen Platz auf einer Bank, schlürfen Tee und blicken auf den weiten Strom. Drei Kilometer trennen uns hier schon vom gegenüberliegenden Ufer. Vor der Kanalmündung gibt es einen regelrechten Stau von Schiffen, die in Richtung Ostsee unterwegs sind. Ein wundervolles Ambiente.
Ich stelle fest, wie toll es ist, soo viel Zeit für die Kinder und mit den Kindern zu haben. Im Alltag, da gerät der Routinebetrieb gerne mal hektisch, es ist oft ein Abwickeln, ein Organisieren von Terminen. Hinzu kommt, dass Johanna ja nun schon seit geraumer Zeit einen Teil ihrer Wege alleine tätigt, ob sie nun zur Schule fährt oder zu Verabredungen mit Freundinnen. Da kann es passieren, dass ich sie im Laufe einer Woche immer nur mal kurz sehe, der eine kommt, der andere geht…
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Montag, 10.08.2009
Um sieben treibt mich ein dringendes Bedürfnis aus dem Zelt, ich trete hinaus in einen leuchtenden Morgen, bin überwältigt von gleißendem Licht. Dunst liegt auf dem Platz, es ist windstill, die Luft frisch und sauber. Ich mag nicht mehr zu Bett, sondern schnappe mir die Kamera, gehe zum Deich und genieße die Stille der frühen Stunde. Was für ein wunderbares Ambiente. Ich fotografiere mit der Ricoh Kompaktkamera …und träume dabei von der Nikon D90; schon seit längerer Zeit regt sich der Wunsch, wieder auf höherem Niveau zu fotografieren, als es mit der kompakten Ricoh möglich ist. Diese Kamera schätze ich nach wie vor sehr ob ihrer Robustheit und dem Umstand, dass sie wasserdicht ist. Dennoch sind die Möglichkeiten, als Fotograf bildgestaltend tätig zu werden mehr als begrenzt und auch die Qualität der Bilder ist teilweise eher mäßig.
Früh morgens am Deich in Brunsbüttel
Eine Stunde später bin ich wieder an den Zelten, es regt sich langsam Leben und ich fahre mit Johanna und Antonia zum Bäcker, um Frühstücksbrötchen zu holen. Kurzzeitig ist mal wieder Zickenalarm, renkt sich aber schnell wieder ein.
In unmittelbarer Nachbarschaft fällt uns ein älteres Ehepaar auf, die - recht rüstig - auch per Rad reisen und, was in der Altersklasse deutlich über sechzig wirklich selten ist, auch noch im Zelt schlafen. Die beiden sind aus Dänemark, ich schenke ihnen eine übrig gebliebene Duschmünze.
Schon vor zehn Uhr sind wir auf dem Rad, rollen in diesen herrlichen Morgen. Im Tagesverlauf nimmt der Wind zu, kommt dann natürlich von vorne…
Nordfriesland
Nordfriesland
In Friedrichskoog kaufen wir ausgiebig ein, hocken uns wenig später mit Tee und Kuchen auf den Deich und blicken über die weite Bucht, an deren gegenüberliegendem Ufer der heutige Zielort Büsum schon auszumachen ist - obgleich uns noch 25 Kilometer davon trennen.
Die Kooglandschaft mit ihren vielen kleinen Seen und Tümpeln erinnert mich sehr an die Nördlichen Hebriden, eine schöne Fahrt!
Wir haben viel Gegenwind, trotzdem erreichen Johanna und ich heute unsere "Topspeeds", ich liege bei 37,6, nur 0,3 km/h schneller als sie…
Die Mädels fahren wacker, nicht ein Wort ist zu vernehmen, dass es anstrengend ist, dass der Wind stört oder dass die Distanzen zu lang gewählt sind. Sie sind den ganzen Tag vergnügt und begeistert, das Radeln passiert eigentlich nebenbei. Vom Radfahrertyp unterscheiden sich die beiden allerdings schon ein wenig; Toni fährt kraftvoll und spritzig, mit sehr viel Körperspannung. Sie schießt auch im Gegenwind die Deichrampen hoch, da lässt sie Johanna locker stehen.
Das wiederum scheint Johanna überhaupt nicht zu stören und genau hier liegt Johannas Stärke: ihre körperliche, mehr noch ihre mentale Ausdauerfähigkeit. Gelassen folgt sie der jüngeren Schwester den Hügel hinauf, "ich habe doch Urlaub!", und kommt vergnügt oben an. Toni hingegen ist kopfmäßig, was monotone, unangenehme Reize über längere Strecken anbelangt, eher eingeschränkt belastbar.
Wir erreichen Büsum und während Claudia Einkäufe erledigt, warte ich in der Zwischenzeit und spiele mit den Kindern Karten.
Am Abend grillen wir mal wieder, ab und zu fallen ein paar Tropfen Regen, die Kinder sind sofort auf den Spielplatz verschwunden, wie so oft… haben auch direkt Anschluss gefunden: zwei Mädels aus dem Nachbarwohnwagen, mit denen sie später im Dämmerlicht noch eine kleine Wattwanderung unternehmen.
Auch heute Abend verlieren Johanna und ich wieder bei der Spielrunde…
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Dienstag, 11.08.2009
In der Nacht haben wir erstmals kräftigen Regen, Wasser dringt auch ins Zelt ein, es wird wirklich endgültig Zeit, dass das gute alte Vaude durch ein neues Zelt abgelöst wird. Nach 15 Jahren bester Dienste ist das okay, wenngleich schon ein wenig mein Herz blutet, wenn ich daran denke… Ich habe mal nachgerechnet, etwa 300 Übernachtungen sind dokumentiert, nicht einkalkuliert jene auf Birgits Touren. Also kann davon ausgegangen werden, dass das gute Stück zusammengerechnet bald ein Jahr gestanden hat…
Das Nachfolgezelt soll nach dem Wunsch meiner Partnerin gerne etwas größer sein, sie möchte keine Verrenkungen mehr beim An- und Auskleiden verüben und schätzt auch ansonsten das Raumangebot, welches etwas das Eureka El Capitan der Kinder bietet. Mir hätte auch für die Zukunft wieder ein Kleines genügt. Letztendlich wird die Wahl im Oktober getroffen, wenn wir nach Hamburg zum Globetrotter fahren; wo wir uns nach sehr, sehr langer Überlegung für ein riesiges 5-Kilogramm-Tunnelzelt von Eureka zu entscheiden.
Zurück zur Reise: um acht Uhr am Morgen ist es dann trocken, mutig verlegen wir wie üblich das Frühstück auf die Isomatten vors Zelt. Heute keine gute Idee, wir müssen bei wieder einsetzendem Regen die Aktion abbrechen und im Zelt fortsetzen. Bei anhaltendem Prasseln auf dem Dach legen wir erst einmal eine Kniffelrunde ein (die, wie sollte es anders sein, mal wieder Johanna und ich verlieren…).
Schließlich verstummt das Geplatter und es bleibt sogar trocken, hätte ich heute gar nicht unbedingt erwartet!
Der Wind ist ziemlich kräftig, geschätzte 5 Beaufort, und pustet aus West bis Nordwest, also für uns zum Teil von vorne, was aber auch heute wieder niemanden wirklich zu stören scheint. Ansonsten das Übliche: Grasdeich und Schafe, Schafe, Schafe…
Um halb vier erreichen wir St. Peter, finden problemlos den Campingplatz, auf welchem wir mit Bekannten aus Kiel verabredet sind, deren Tochter bei Toni in der Klasse ist. Ohne, dass Johanna es bemerkte, haben wir auch für sie "eine Freundin organisiert", die von deren Mutter gebracht wird - sehr zur Freude unserer Großen.
Die Kinder sind wir sofort los, zu viert vertragen sie sich super und stromern über den Platz. Ich fahre mit Lars zum Einkaufen, um Besorgungen für den geplanten Grillabend zu machen…
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Mittwoch, 12.08.2009
In der Nacht fällt wieder etwas Regen. Erst spät pellt sich einer nach dem anderen aus dem Schlafsack.
Doch heute soll ein Ruhetag sein, keine Etappe ist geplant, so dass das auch völlig egal ist. Während die Mädels bald wieder unterwegs sind, sitzen wir Erwachsenen nach dem Frühstück noch lange vor dem Vorzelt und trinken viel Kaffee. Später wird Wäsche gewaschen, so dass zunächst noch "Anwesenheitspflicht" auf dem Campingplatz besteht. Ich nutze die Zeit unter anderem dafür, mit Birgit zu telefonieren, die seit kurzem von ihrer dreiwöchigen Tandemtour in Wales zurückgekehrt ist. Sie berichtet von überraschend vielen Bergen - die Tour sei anstrengender gewesen, als die Alpenüberquerung, von tollen Landschaften, viel Regen und zahllosen Schafgattern, die oft so ungünstig den Radweg blockierten, dass bisweilen das komplette Rad ent- und nach Passage wieder beladen werden musste… Alles in allem aber wohl eine sehr schöne Tour (…die Fotos, die ich erst zu Weihnachten zu sehen bekommen werde, bestätigen dies…).
Um die Mittagszeit fahren wir per Bus (mit den Kurkarten ist die Nutzung kostenlos möglich, tolle Idee!) die ca. fünf Kilometer bis in den Ort, um ein paar Besorgungen zu machen und um den Kindern die Gelegenheit zu geben "Shoppen" zu gehen: sie finden es zurzeit ganz klasse, durch die Geschäfte mit Touristenschnickschnack, Schreibwaren und Souvenirs zu bummeln…
Ich mache mich in der Zwischenzeit auf die Suche nach einem Fahrradgeschäft, um (vergeblich) nach einem neuen Ständer Ausschau zu halten, welcher mir gestern brach. Vernünftiges Kettenöl gibt es auch nicht, einzig ein paar Ersatzpedale für Tonis Rad kann ich erwerben. Die ihren sind noch nicht ganz unbrauchbar, aber ziemlich wackelig, da möchte ich für den Ernstfall auf dem Deich gewappnet sein…
Später wieder Kaffee am Wohnwagen, bevor wir abermals per Bus in den Ort fahren, um das Schwimmbad zu besuchen. Der Bus ist ewig unterwegs, ich glaube fast, zu Fuß wären wir schneller da gewesen…
Nach wie vor pustet ein steifer Westwind vom Meer heran, die Sonne scheint und eigentlich ist es ganz schön blöd, an so einem Tag in ein Hallenbad statt an den Strand zu gehen, aber was tut man nicht alles für die lieben Kleinen (…deren Herzenswunsch dies war…)
Vorher gibt es noch Fischbrötchen bei Gosch, ich kann günstig eine neue Regenhose erwerben, nichts dolles, aber immerhin etwas, falls doch noch mal ein Regentag kommt.
Nach dem Bad spazieren wir zurück zum Campingplatz. Toni findet das nicht so toll, sie legt äußerst ungern Strecken laufend zurück, dementsprechend gibt sie sich etwas maulig… Der Weg ist eigentlich sehr schön, stets auf dem Deich, mit Meerblick und Sonnenuntergang. Während Joe, Lotta und Helene frohgelaunt vorausstiefeln, ich mit Lars im Gespräch vertieft folge, trottet Toni hinterher und meine Partnerin versucht nach Kräften, sie bei Laune zu halten…
Schließlich kommen wir irgendwann an, Lars macht sich sogleich daran, Nudeln für alle zu kochen, die wir wenig später vertilgen.
Lange sitzen wir heute nicht mehr draußen; Schwärme von Mücken verleiden uns ebendies.
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Donnerstag, 13.08.2009
Heute stehen wir etwas zeitiger auf, denn verabredetermaßen kommt pünktlich um neun Uhr Kerstin, die Mutter von Johannas Freundin aus Kiel angereist und bringt üppige Frühstückszutaten mit. Das Wetter bleibt uns hold und so können wir wieder draußen sitzen. Der Wind hat sich allerdings auch nicht gelegt, pustet weiterhin sehr stark aus Nord bzw. Nordwest.
Das lässt uns die ersten Kilometer etwas beschwerlich werden, haben wir ihn doch zum Teil direkt von vorne oder schräg von vorne, so dass vor allem Toni bisweilen Probleme mit dem Handling ihres Rades haben wird.
Ja, nach dem Frühstück verabschieden wir uns recht herzlich, danken für die Gastfreundschaft und rollen auf den Deich - nicht ohne vorher noch ein paar Bilder vom schönen Leuchtturm geschossen zu haben.
Leuchtturm von St. Peter Ording
Ich freue mich, dass dann gleich mit Westerhever ein weiterer Leuchtturmklassiker auf unserem Weg liegt, ist dann auch wirklich schön anzusehen.
Vor uns liegt ein weiterer bekannter Leuchtturm: Westerhever
Leuchtturm Westerhever
Da wir beharrlich dem Verlauf der Küstenlinie folgen, rollen wir nun bald ostwärts, das heißt, der Wind ist bis auf weiteres unser Freund und schiebt uns mit Macht voran. Ab und zu fallen ein paar Tropfen Regen, doch zu keinem Zeitpunkt besteht Regenjackenpflicht…
An einer geeigneten Stelle entsteht (ein wenig verfrüht) das 400 km-Jubelfoto. Und weiter geht es auf dem Deich. Am Wegesrand finden wir einen großen toten Vogel - ich fahre zu dem Zeitpunkt mit Toni, die darauf besteht, anzuhalten, um sich den ziemlich weit verwesten Kadaver in Ruhe anzusehen. Und in der Tat, man kann einiges an anatomischen Strukturen sehr klar erkennen.
Wenig später entdecken wir ein totes Schaf, mit einem ziemlich hässlich blutüberströmten Kopf. Sieht noch ziemlich frisch aus; ein Bild, welches die Kinder noch lange beschäftigt; vor allem werden allerlei Spekulationen angestellt, was dem armen Tier denn wohl widerfahren sein mag…
Nordfriesland
An der Küste in Husum
An der Küste in Husum
Kurz vor Husum stürzt Toni gleich zwei Mal nacheinander, jedes Mal ist zum Glück der Schreck größer, als der tatsächliche Schaden. Verletzt hat sie sich zum Glück nicht. Als kleines Trostpflaster gibt es in Husum an der Hafenpromenade ein großes Eis.
Ein Stück noch aus dem Ort hinaus, dann erreichen wir den netten, jedoch relativ teuren Campingplatz. Direkt hinter dem Deich gibt es einen Spielplatz, wo wir uns eine ganze Weile aufhalten und uns in Schwindel erregenden Spielgeräten von den Kindern durchschütteln lassen…
Der Abend wird verhältnismäßig kühl, es bleibt windig (aber dafür mückenfrei). Wir treffen das dänische Ehepaar wieder, welches uns vor einigen Tagen in Brunsbüttel bereits begegnet war. Die Kommunikation ist in Ermangelung größerer gemeinsamer Sprachkenntnisse etwas behäbig, aber dennoch recht nett.
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Freitag, 14.08.2009
Früh hole ich die vorbestellten Brötchen ab, es folgt ein sonniges Frühstück. Wir haben beschlossen, den "offiziellen Weg" über Nordstrand nicht auszufahren und heute schon via Niebüll nach Sylt zu reisen. Da, wie stets im Sommer, meine Eltern dort ihren Urlaub verbringen, sieht der Plan natürlich vor, ihnen einen Besuch abzustatten.
Ich habe angesichts des Windes kein ganz so gutes Gefühl dabei, doch soll das kein Problem werden. Zum einen wird er im Tagesverlauf etwas abflauen, zum anderen haben wir ihn quasi nie direkt von vorne, sondern eher seitlich oder sogar von hinten.
Während wir Erwachsenen die Zelte abbauen, fahren die Kinder zum Spielplatz vor. Um viertel vor elf geht die Fahrt los: plattes Land, extrem reizarme Landschaft, Sommer an der Nordsee: Wind und Wolken, Sonne, frische Luft. Schafe.
...und weiter geht es in Richtung Norden...
Sommer in Nordfriesland
An einem kleinen Wasser halten wir eine ausgiebige Teepause ab, Claudia nimmt währenddessen SMS-Kontakt mit unserer Freundin Tine auf, welche ihrerseits gerade in Bjerregard/ DK ihren Urlaub verbringt. Wir planen, uns dort mit ihr zu treffen. Letztlich wird das scheitern, da sie auch noch Familienbesuch hat. Noch jedoch gehen wir davon aus, dass wir einen gemeinsamen Grillabend verbringen werden…
Wir nähern uns Niebüll. Um noch einen früheren Zug zu erreichen geben wir ordentlich Gas. Auf den letzten zehn Kilometern haben wir den Wind direkt von hinten; die achtjährige Toni führt das Feld an und rast fast die ganze Zeit mit über 30km/h daher. Schließlich erreichen wir den Bahnhof tatsächlich rechtzeitig, doch ist es nicht möglich, noch so schnell die Fahrkarten zu kaufen und noch weniger ist es möglich, die beladenen Räder ans Gleis zu bekommen - Aufzug? Fehlanzeige… Einen Fahrkartenschalter gibt es nicht und mit dem Automaten stehe ich auf Kriegsfuß.
Mich stresst das alles extrem, dieses Menschengewusel, der Ticket-Automat, die Deutsche Bahn im Allgemeinen…
Und dann, mitten in dem Gewusel, kommt ein älterer Typ daher, pfeift, die Kinder drehen sich um zu ihm und er fotografiert sie. Ich habe das in der unübersichtlichen Gesamtlage zunächst nur aus dem Augenwinkel mitbekommen, habe dann aber die beiden noch mal gefragt, was das war - die bestätigten mir meine Wahrnehmung.
Ich folge ihm sofort raus aus dem Bahnhof, nehme mir den Kerl zur Brust und fordere ihn sehr forsch dazu auf, die Aufnahmen zu löschen. Habe mich später geärgert, dass ich nicht die Polizei gerufen habe. Wer weiß, was das für ein Perverser war.
Nun ja, um 19:05 erreichen wir Sylt, haben noch einen anderen Zug erwischt, von dem wir im Vorwege keine Kenntnis hatten und somit die Insel doch noch eher erreicht, als unsere eigentliche Planung vorsah. So können wir die Eltern überraschen.
Auch auf diesem Campingplatz haben die Mädels gleich wieder Gesellschaft; sie treffen "alte Bekannte" wieder, denn sie haben bisher jedes Jahr in den Sommerferien auch eine Weile auf Sylt verbracht.
Mutter macht auf Wunsch der Kinder leckere Frikadellen, den Abend verbringen wir im Vorzelt, allzu spät wird es nicht.
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Samstag, 15.08.2009
Ich bin früh auf, gehe duschen und widme mich dann einem kleinen Postkartenstapel. Irgendwann erwacht das Leben in den anderen Gemächern.
Toller Sommer, auch heute können wir wieder draußen frühstücken, wenngleich es relativ frisch ist. Danach machen wir uns auf, mit den Rädern das Rantumbecken zu umrunden, danach fahren wir an den Strand. Es pustet ein sehr kräftiger Südwestwind und somit finden wir wunderbare Brandung vor. Seit Ewigkeiten habe ich nicht mehr in so grandiosen Wellen gebadet! Ein bisschen auch Kindheitserinnerung…
Am Nachmittag unternehmen wir einen Ausflug nach Westerland. All die Autos nerven mich total, jeder muss sich da mit seiner Dreckschleuder durchquetschen, was für ein Gewusel.
Die Mädels wollen mal wieder "Shoppen" gehen und stiefeln in Richtung Innenstadt, während ich mich zum Fahrradgeschäft am Bahnhof begebe und Öl und einen neuen Ständer erwerbe. Später werde ich feststellen, dass es ich um den gleichen handelt, den ich vorher hatte und der mir wegbrach. Der Versuch, ihn umzutauschen, wird am kommenden Tag an der Borniertheit des Verkäufers scheitern, also werde ich ihn verbauen müssen.
Spöter kümmere ich mich dann auch ausgiebig um unsere Fahrräder, die große 500km-Inspektion sozusagen. Hochzufrieden stelle ich fest, dass wir bislang noch keinen einzigen Plattfuß hatten (und auch keinen mehr bekommen sollten). Das bestätigt mich, dass es eine gute Idee war, vor dem Urlaub die Kinderräder mit Schwalbe Marathon plus- und unsere Räder mit Schwalbe Marathon XR-Bereifung ausgerüstet zu haben. Zwar eine relativ teure, doch offenkundig eine sinnvolle Maßnahme.
Zu tun gibt es dennoch genug: zahlreiche Schrauben müssen nachgezogen werden, ich stelle fest, dass Tonis Tretlager starkes Spiel hat, kann ich zwar jetzt nichts dran ändern, muss aber sicher spätestens vor der nächsten Tour mal angegangen werden. An Claudias Rad ist die Lichtanlage defekt, bei Joe und bei mir optimiere ich die Kettenspannung, Johannas Bremsen müssen gemacht werden und Öl können alle Räder gebrauchen.
Ich sitze später warm angezogen (frisch wird es am Abend) im Schein der Stirnlampe vor dem Wohnwagen und aktualisiere meine Reisenotizen.
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Sonntag, 16.08.2009
Langsam scheint es wieder etwas wärmer zu werden, das Frühstück draußen gestaltet sich deutlich behaglicher als tags zuvor.
Bald schon sind die Kinder wieder mit Annika und Charlotte, einem weiteren Campingplatzkind, unterwegs.
Mich zieht es noch einmal an den Strand, denn nach dem grandiosen Bad gestern möchte ich vor unserer Weiterreise nach Dänemark noch einmal in die Fluten springen. Die Idee finden auch andere gut und so fahren wir mit der versammelten Mannschaft los: die Eltern, Claudia, die Mädels und auch Annika.
Heute kommt der Wind exakt aus West, 5 Beaufort - das ist genial, die Brandung ist fast noch besser, als gestern. Gewaltige, ja wirklich gewaltige Wellen.
Ich mag mein Bad gar nicht beenden, doch irgendwann ist mir so kalt, dass ich es nicht mehr aushalte. Und obschon ich direkt danach noch ein Stück am Strand entlang renne, friere ich noch ziemlich lange danach.
Wir vertreiben uns die Zeit mit bewegten Spielen am Strand, bis es Zeit wird, an Aufbruch zu denken. Wir möchten am Nachmittag die Insel verlassen, um auf dem Festland noch ein paar Kilometer zu fahren. Das Packen gerät etwas hektisch, doch wir kriegen noch unseren Zug.
Erfreulicherweise ist meine Regenhose wieder aufgetaucht, sie war versehentlich bei den Eltern gelandet.
Auf dem Weg zum Bahnhof halten wir noch schnell bei Aldi an, ich muss vor allen Dingen Tee kaufen. Am Fahrradgeschäft legen wir einen weiteren Stopp ein, aber das habe ich ja gestern schon erzählt…
Die Bahnfahrt ist okay, wenngleich mich das trotzdem irgendwie immer nervt… Abpacken, Einladen, Aufpacken, Gequetsche im Zug, immer die Sorge, ob nun wirklich alles passt, Ausladen... In Niebüll noch einmal kurz über den fehlenden Aufzug geärgert und dann hat uns endlich der Nordseeküstenradweg wieder - hurra!
Die Fahrt ist wunderschön, Wind weht, es geht durch die Wiesen am Nolde-Museum. Noch vor der Grenze machen wir eine lange Pause im Gras am Straßenrand, futtern Brötchen, schreiben Postkarten (von denen wir hoffen, sie noch irgendwo auf den nächsten Kilometern vor der Grenze in einen deutschen Briefkasten werfen zu können… wird nix…).
Die Grenze ist beschaulich, natürlich ohne Kontrolle, und wir freuen uns, das zweite Grenzübertritts-Foto auf unserer NSCR-Tour machen zu können. Im Wind wehen die skandinavischen Flaggen, zu meiner Freude und Überraschung auch die isländische…
In Rudbøl passieren wir die Grenze - diese ist freilich
nicht wirklich als solche auszumachen
Wenige hundert Meter später haben wir den Campingplatz von Rudbøl erreicht, man weist uns einen abgeschiedenen Platz zu, umrahmt von meterhohen Brombeerbüschen - binnen Minuten habe ich schalenweise davon gesammelt - herrlich!
Willkommene Zwischenmahlzeit!
Am Santitärtrakt angegliedert befindet sich ein Aufenthaltsbereich, in dem einige Dänen, die offensichtlich zum Campingplatz gehören, mit einer Wii spielen. Die Kinder und Claudia schließen sich an und verbringen den Abend dort.
In Rudbøl auf dem Campingplatz
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Montag, 17.08.2009
Ich fahre mal eben nach Deutschland, um im Supermarkt hinter der Grenze (dessen Hauptfunktion die Versorgung der dänischen Bevölkerung mit alkoholhaltigen Getränken sein dürfte…) Brötchen zu holen.
Nach dem Frühstück setzt vorübergehend leichter Regen ein, wir verkrümeln uns in den Aufenthaltsraum und vertreiben uns die Zeit mit Kniffeln.
Um halb zwölf rollen wir vom Platz. Johanna konstatiert, dass es plötzlich alles so dänisch aussieht, philosophiert ein wenig über das Phänomen Grenze, wundert sich über die unsichtbare Linie, hinter welcher plötzlich alles anders aussieht… Ich erkläre ihr, dass es durchaus andere Grenzen gibt, als diese innereuropäische, welche man ja in der Tat übersehen kann…
Ansonsten vertreiben wir uns oft die Zeit mit Ratespielen; Teekesselchen etwa ist recht beliebt. Der Hit allerdings ist das Tierraten, bei dem man mit Fragen, welche nur mit "ja" oder "nein" zu beantworten sind, das gesuchte Tier identifizieren muss. Die Mädels würden das am liebsten von morgens bis abends spielen… Irgendwann gehen einem die Tiere aus. Aber dann kann man ja auch noch herausfinden, wem z.B. die meisten Tiere mit einem bestimmten Anfangsbuchstaben einfallen. Oder man bildet eine Reihe, bei dem der jeweilige Anfangsbuchstabe dem letzten des vorangegangenen Wortes entsprechen muss. Oder, oder, oder…
Die "North Sea Cycle Route" heißt jetzt erst einmal für längere Zeit "1".
Der Wind bläst noch immer mit Stärke 5 von Westen, doch haben wir Glück, stehen nur ganz selten frontal im Wind, haben ihn zumeist von der Seite. Bald stehen wir vor der Frage, ob wir einen Abstecher nach Rømø unternehmen sollen oder lieber nicht. Ich halte wenig davon, bei dem recht durchwachsen anmutenden Wetter zehn (Damm) plus vier (Insel) Kilometer gegen diesen Wind anzukämpfen, noch dazu im Lärm einer nicht enden wollenden Autokolonne, welche sich über den Damm wälzt. Ich würde es vielmehr vorziehen, Ribe anzusteuern. Vor allem denke ich dabei an Toni, ich will dem Kind mit so einer ungemütlichen Aktion nicht die Lust am Radreisen verhageln. Claudia sieht das nicht so, möchte gerne auf die Insel. Wir stehen eine kleine Weile am Abzweig zum Damm, debattieren, kommen zu keiner Entscheidung, so dass wir letztendlich das Los werfen.
Ribe gewinnt. Da bin ich aber froh. Ohne weitere Diskussion akzeptiert Claudia die Entscheidung und so rollen wir weiter nach Norden. Etwas garstig ist der Empfang, den Dänemark für uns bereithält; die Pisten sind zum teil gruselig: sandig und steinig und noch dazu setzt bald starker Regen ein, so dass das erste Mal in diesem Urlaub wirklich Regenjackenpflicht besteht. Die Mädels nehmen es wie gehabt gelassen und auch ich sehe es entspannt - schließlich ist es in diesen zwei Wochen das erste Mal, dass wir derartigen Niederschlag haben.
Was die Entfernung bis Ribe angeht habe ich mich ein wenig verschätzt, es ist doch noch weiter, als ich dachte. Im strömenden Regen erreichen wir den Ortskern. Da wir noch Vorräte benötigen, halten wir an einem kleinen Spar-Markt an. Wie meistens, bleibe ich draußen und bewache die Räder, während die Mädels den Einkauf erledigen.
Natürlich denke ich an die Island-Jahre, als uns die Anreise zur Fähre in Esbjerg stets auch über Ribe führte.
Als wir um kurz vor acht den etwas außerhalb des Ortes gelegenen Campingplatz erreichen, ist es wieder trocken. Joe und Toni freuen sich über den Pool und gehen noch eine Runde baden, während wir die Zelte aufstellen und mit dem Essen anfangen.
Es gibt Milchreis (der mir leider anbrennt, was mehr mich, als die Kinder stört) und Spagetti. Johanna ist total k.o. heute Abend, war eine lange Fahrt… ab geht's in die Falle.
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Dienstag, 18.08.2009
Unsere Zelte liegen am Morgen im Schatten, kühl ist es, aber trocken. Wir verlegen unser Frühstück in den geräumigen, runden Pavillon ganz in der Nähe, dort gibt es windgeschützte Sitzgruppen und sogar Kochgelegenheit, das schont die eigenen Gasreserven.
Toni springt dann noch mal in den Pool, Johanna nicht, sie fühlt sich auch heute morgen noch etwas matschig. Mal sehen, nicht dass sie krank wird! Nein, wird sie nicht, bald schon ist sie wieder fit.
Ich kümmere mich ein wenig um die Fahrräder, wische den Dreck des gestrigen Tages von den Felgen, damit sie nicht kaputt gebremst werden, fette die Ketten nach, verbaue den neuen Ständer, den ich auf Sylt kaufte. Wir lassen uns Zeit, kommen erst um viertel nach zwölf los.
Vorher nutzen wir an der Rezeption noch die Möglichkeit, ins Internet zu gehen. Claudias Handy versagt in Dänemark den Dienst, ich kann Abhilfe schaffen, indem ich über die Webseite des Mobilfunkanbieters das Roaming aktiviere.
Kleiner Supermarkt unterwegs
Der Weg am Deich ist phasenweise wieder ziemlich rumpelig, zahllose Schafgatter sind zu überwinden. Hundert Tiere werden wieder geraten… Bald machen wir wie so oft, eine lange, ausgiebige Pause, ich koche Tee. Esbjerg ist nun schon in Sichtweite und wir besprechen die weitere Routenplanung. Ergebnis: wir werden in Esbjerg bleiben, also in den kommenden Tagen eher kurze Etappen fahren, dafür das geplante Treffen mit Tine um einen Tag nach hinten verschieben.
Wir verpassen dann den Campingplatz, keine Ahnung, wieso und verlassen den Ort nordwärts, wissend, dass der nächste nicht weit ist. Dabei kommen wir in den Genuss des Anblicks der Skulptur "Der Mensch am Meer" von Sven Wiig Hansen, welche seit 1995 nördlich der Hafenanlagen zu bestaunen ist. Mir ist sie neu und ich bin ziemlich angetan von der Monumentalität. Den Blick auf das weite, offene Meer gerichtet wollen mir die Figuren scheinen, wie Stein gewordenes Fernweh.
Das entspricht nicht ganz der Intention des Bildhauers, dem es eher daran lag, der Begegnung des unschuldigen Menschen mit der Natur Ausdruck zu verleihen; der Mensch, von seiner Mutter geboren, unschuldig - bis er zu handeln beginnt - und sich dann die Hände schmutzig macht.
Die Skulptur "Der Mensch am Meer" von Sven Wiig Hansen (Esbjerg, 1995)
Den nächsten Campingplatz finden wir problemlos. Auf dem Weg dorthin kommt es bei langsamer Fahrt wieder zu einem kleinen Sturz von Antonia, abermals harmlos.
Die Straße zum Campingplatz geht ziemlich steil bergab, Joe und ich rasen vorweg, erreichen einen neuen Höchstgeschwindigkeitsrekord (knapp 47 km/h), so dass ich nicht mitbekomme, dass hinter uns mit lautem Knall an Tonis Hinterrad eine Speiche bricht. Gut, besser hier, als in der Wildnis…
Der Campingplatz ist einer von der teuren Sorte, dafür gibt es aber auch Streicheltiere, Trampolinkissen, einen Pool, kostenloses Internet, tolle Spielplätze und so fort. Zum Abendessen gibt es heute Hotdogs.
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Mittwoch, 19.08.2009
Ich fahre nach dem Frühstück erst einmal nach Esbjerg, um für Antonias Rad eine neue Speiche zu besorgen. In einem recht großen Geschäft kann man mir weiterhelfen, zwar ist die neue etwas dicker, doch von der Länge her passt es. Sollte dann auch auf dem Rest der Fahrt keine Probleme mehr machen.
Während ich am Fahrrad schraube, vertreiben sich die Mädels die Zeit im Pool und als ich fertig bin, stellen wir fest, dass die Rezeption bereits geschlossen hat, so dass wir noch nicht auschecken können. Erst ab 15:00 soll wieder geöffnet sein, das sind noch eineinhalb Stunden.
Auf dem Campingplatz in Esbjerg muss ich an einem Kinderrad einen Speichenbruch beheben
Ich nutze die Zeit, um noch einmal nach Esbjerg zu radeln, möchte noch einmal an den Hafen, wo am 30. Juli 1994 die Norröna ablegte, um uns das erste Mal nach Island zu bringen. Vor ein paar Jahren, als wir mit Schrat & Co. ein Haus in Dänemark mieteten, war ich schon einmal kurz hier, schon damals machte alles einen ziemlich trostlosen Eindruck.
Die alte Fähre "Norröna" ist als "Logos Hope" im Namen einer christlichen Missionierungsgesellchaft auf den Meeren unterwegs, die Fähren nach Island fahren heute ab Hanstholm. Auf den Kaianlagen ist ein neues Gebäude entstanden, weitere sind geplant. Die alte Halle, vor der wir einst warteten, steht noch.
Bald wird hier wohl nichts mehr an die "alten Zeiten" erinnern. Sie verblassen. Trotzdem, ich genieße es hier zu sein, suhle mich ein wenig in der Nostalgie, nehme einen Hauch von Wehmut wahr, versuche, alte Bilder aus meinem Gedächtnis hervorzukramen, mache ein Foto von meinem Fahrrad an der Stelle, wo wir einst unmittelbar vor der Einschiffung standen. Kultort der Islandfahrten.
Klingt jetzt alles etwas pathetisch, ich weiß schon, dass all das unwiederbringliche Vergangenheit ist, ich weiß auch, dass eigentlich das Heute wichtig ist, und dass jedwede sentimentale Gefühlsduselei eigentlich überhaupt keinen Sinn macht. Und es ist ja auch nicht so, dass mich dieser Wehmut dominiert, vielmehr genieße ich seinen sanften Schauer…
Auf der Rückfahrt rolle ich durch die Einkaufsstraße, kannte ich auch noch gar nicht, hole Geld, erledige einen Provianteinkauf. Dann zurück zum Campingplatz, dort noch ein kurzes Picknick, Begleichen der Rechnung. Aufbruch um halb vier.
Die Route ist zunächst ziemlich stark von Autoverkehr geprägt, das ändert sich aber im Laufe des Nachmittags. Es ist ein wunderbar warmer Sommertag, die Strecke ist etwas hügelig, oft fahren wir durch Wald, bisweilen blicken wir über eine weite Heidelandschaft auf das funkelnde Meer, Herrlich!
Immer wieder fahren wir auch durch waldige Gegenden
Johanna ist ebenfalls total begeistert und wird auch im Nachhinein sagen, dass das heute ihre Lieblingsetappe 2009 war. Ich genieße es auch sehr, nach ungefähr 1500 km Deich und Dünen seit Hoek van Holland mal wieder eine andere Landschaftsform zu sehen. Das Licht wird abendlich weich, als wir durch weite Militärübungsgebiete westwärts auf Vejers Strand zurollen; schon eine bizarre Gegend: von Panzern zerfurchte Heide, Hausattrappen alle paar Hundert Meter… Heute zeigt sich aber kein Soldat, die Passage durch das Gebiet ist freigegeben.
Zwei Campingplätze stehen in Vejers Strand zur Auswahl, wir entscheiden uns für denjenigen, welcher etwas näher am Meer ist; weitläufig schmiegt er sich in die Dünen. Wir suchen uns einen Platz in exponierter Lage auf einer Düne… was wir noch etwas bereuen werden…
Dünencampingplatz in Vejers Strand
Abendstimmung in Vejers Strand
Da es schon relativ spät ist und bald die Sonne untergehen wird, schnappen wir uns nach dem Zeltaufbau schnell unsere Badesachen und machen uns auf den etwa 500m weiten Weg an den Strand.
Eine Robbe schwimmt ufernah vorbei, steckt immer mal wieder ihren Kopf durch die Wasseroberfläche, wir gehen baden, genießen das wunderbar weite Ambiente. Etwas befremdlich finde ich, dass es hier am Strand Autos gibt… Den Kindern ist das nicht fremd, sie kennen die Ecke hier besser als wir, da sie jedes Jahr mit den Großeltern in Blåvand Urlaub machen. Für sie war z.B. auch die Esbjerger Skulptur nicht neu…
Wir kochen Nudeln in der Campingplatzküche, essen draußen im Licht der Stirnlampen, bringen die Mädels zu Bett. Da es schon ziemlich spät ist, wird heute Abend nicht mehr gespielt.
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Donnerstag, 20.08.2009
Um sechs muss ich das Zelt kurz verlassen, von unserer Düne hat man einen wunderbaren Blick über die Landschaft; wunderschöner Himmel, die Sonne geht auf.
Wir beschließen, dass hier in Vejers Strand unsere diesjährige Nordseeküstenradweg-Etappe endet. Uns bleiben ab Morgen noch fünf Tage, um zurück nach Kronshagen zu radeln. Das Date mit Tine hat sich ja, wie schon mal gesagt, erledigt und so planen wir hier und heute einen Ruhetag mit Strandbesuch.
Wir lassen es ruhig angehen, machen uns zum Frühstück gekochte Eier, ich lese und beantworte SMS-Nachrichten von Henrieke, Lars und Werner, später erledigt Claudia mal wieder Wäsche. Während wir auf die Maschine warten, spielen wir am Waschhaus mit den Kindern Kniffel. Kinder spielen auf dem nahen Spielplatz, lebendiges Umfeld. Irgendwann konstatiert Claudia, da habe eben ein Kind genauso gelacht, wie Paula H., ein aus Kiel bekanntes Mädchen. Kann ja eigentlich nicht sein, doch wir schauen mal um die Ecke - das gibt's nicht - das sehen wir tatsächlich die H.-Töchter mit einem Bollerwagen. Nun, an dieser Stelle endet das Kniffelspiel, muss zu gegebener Zeit fortgesetzt werden…
Wir begleiten Paula und deren Schwester Elsa zu deren Wohnwagen, welcher, man glaubt es kaum, unterhalb unserer Düne in Sichtweite zu unseren Zelten steht. Vorhin hatten wir noch geblödelt "wir könnten ja mal bei den Leuten da unten fragen, ob wir deren Wäscheleine benutzen dürfen…", ohne dass wir das wirklich ernst meinten…
Die Eltern Til und Jana zeigen sich ebenso überrascht wie offensichtlich erfreut. Sie verbringen quasi die kompletten Sommerferien hier in den Dünen. Wir halten einen Klönschnack, verabreden, dass wir später gemeinsam an den Strand gehen und am Abend zusammen grillen… und das mit der Wäscheleine ist natürlich auch kein Problem…
Es ist ein sehr heißer Tag, weit und breit keine Wolke am Himmel. Am Strand sind noch andere Bekannte von Til und Jana, die Kinder spielen gemeinsam, später baden wir zusammen, ich nutze die Gelegenheit, geschätzt einen knappen Kilometer nordwärts zu schwimmen und zurück zu laufen, hat Spaß gemacht.
Nun am Tage ist der Strand voll mit Autos, was ich komplett bescheuert finde.
Am frühen Abend besorgen wir Grillsachen und während dann der Grill schon vorheizt, ziehen schwarze Wolken auf, Sturm naht, es braut sich etwas zusammen und das ganze in beeindruckender Geschwindigkeit. Nicht ganz ohne Sorge beobachte ich, wie unsere Zelte oben auf der Düne sich im Wind bewegen. "Erfahrene" Nachbarn von Til und Jana raten zum Abbau. Nun, ich bin auch erfahren und eigentlich ziemlich sicher, dass die Zelte dem Sturm standhalten werden. Außerdem steht die schwarze Wand schon über uns, es ist also nur noch eine Frage von Minuten, bis das Unwetter losbricht. Jetzt zu evakuieren hieße: alles wird nass.
Ich liege mit meiner Einschätzung richtig, nur sehr kurze Zeit später bricht sintflutartiger Regen los, der vom Wind fast waagerecht über die Landschaft gepeitscht wird, Blitze zucken, Donner kracht - beeindruckend. Freunde von Til und Jana sind ebenfalls zum Grillen da, nach Kräften versuchen wir, Planen zu fixieren, um zu verhindern, dass der Sturm den Grill umpustet und um zu gewährleisten, dass wir Männer, die wir beim Grillen draußen sitzen, halbwegs trocken bleiben…
Wir reichen den Ladies und den Kindern immer Fleisch und Würstchen rein und als schließlich alle satt sind, gesellen wir uns ebenfalls hinzu. Die Kinder hören im hinteren Abteil des Wohnwagens Hörspiele, während wir einen netten Abend genießen.
Eigentlich war geplant, dass Paula und Elsa in der Nacht mit bei Toni und Joe im Zelt schlafen, was sie sich aber eingedenk des nun schon seit Stunden anhaltenden Unwetters anders überlegen. Die Schlafdecken, die bereits im Zelt lagen, hole ich mit Müllsäcken trocken wieder runter. Insgeheim bin ich froh, dass die Zelte gut stehen, um den etwas altklugen Nachbarn nicht doch noch im Nachhinein die Genugtuung zuteil werden zu lassen, dass ich mit meiner Einschätzung falsch lag…
Claudia schläft wegen anhaltender Blitze und grollendem Donner bei den Mädels mit im Zelt, erzählt tapfer zur Beruhigung der Kinder physikalische Phantasiegeschichten, um zu begründen, dass überhaupt keine Gefahr besteht - obwohl sie sich selbst vor Angst fast in die Hose macht… Am nächsten Tag wird sie die kleinen Schwindeleien aufklären.
Ich stelle mich in Unterbüx in den Regen, blicke fasziniert über die Landschaft, in der Ferne zucken die Blitze. Ich putze meine Zähne - bizarre Szenerie…
Ich schalte mich mit Oropax offline, denke noch kurz, dass es ziemlich blöd ist, bei solch einem Gewitter in so exponierter Lage zu zelten, bin mir auch alles andere als sicher, dass ein Zelt wie ein Faraday'scher Käfig Schutz bietet, schlafe aber dennoch zügig ein.
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Freitag, 21.08.2009
Hurra, von winzigen Wassereinbrüchen im alten Vaude einmal abgesehen ist alles trocken geblieben, alles ist intakt, keine Schäden sind zu vermelden. Die Sonne scheint, die Luft ist gereinigt, es weht ein frischer Wind.
Freundlicher Abschied von Familie H., Gruppenfoto mit den Kindern, dann rollen wir wieder hinaus in die Welt. Zunächst heißt das: Einkauf in Vejers Strand.
An dieser Stelle verlassen wir den Nordseeküstenradweg,
wir schwenken nach Südosten und radeln binnen
einer knappen Woche heim nach Kiel.
Claudia ist etwas genervt, weil wir fortan keine spezielle Fahrradkarte mehr haben, ich bin eher der Meinung, dass wir auch mit den passabel aufgelösten Autokarten ganz gut klarkommen können.
Nun orientieren wir uns bei anhaltendem Westwind ostwärts, haben also feinen Rückenwind. Nach zehn Kilometern halten wir eine Lagebesprechung ab, da noch unklar ist, wo wir heute überhaupt hinfahren. Da die Fahrverhältnisse so super sind, spricht sich sogar Toni dafür aus, noch weitere geschätzte 60 Kilometer bis Vorbasse zu radeln. Ab Varde befinden wir uns auf einer üblen Hauptstraße, wie die Irren rasen die Autos an uns vorbei, Radweg? Fehlanzeige. So geht das nicht.
Bei nächster Gelegenheit biegen wir auf eine Nebenstraße ab, machen Pause im Gras und ich nehme mir mal das GPS vor, vielleicht kann das ja nützlich werden. Und tatsächlich, ich entdecke eine Routing-Funktion, mit welcher wir mit nur kleinen Programmieraufwand über nette Nebenstrecken fahren können. Das erweist sich nun und in den kommenden Tagen als sehr nützlich.
Unterwegs in Dänemark
Unterwegs in Dänemark
Das Wetter bleibt herrlich sommerlich und gegen sieben Uhr am Abend erreichen wir unser Ziel. Im Preis für den Campingplatz inbegriffen ist die Nutzung des Schwimmbades, welches sich gleich auf der anderen Straßenseite befindet. Nachdem die Zelte stehen, gehen wir noch mal für ein Stündchen rüber. Kein spektakuläres Spaßbad, aber ganz okay. Ich ziehe ein paar Bahnen, was sich nicht gut anfühlt, bin echt nicht mehr in Form, mal sehen, wie lange es ab Oktober dauern wird, die alte Form wieder aufzubauen…
Wieder mal gibt es am Campingplatz eine Küche, die wir nutzen, um den Kindern Pfannkuchen und uns Reis mit Tomatensoße zuzubereiten.
Eine knappe Woche werden wir noch unterwegs sein, bis sich in Kiel der Kreis der diesjährigen Reise schließen wird. Auch wenn der nun folgende Abschnitt nicht mehr direkt auf dem NSCR erfolgt, so will ich ihn der Vollständigkeit halber dennoch an dieser Stelle schildern.
Samstag, 22. August 2009
Die Nachbarn, nur wenige Meter von unseren Zelten entfernt, sind recht quirlig, etwas prollig und schon ab sieben Uhr rücksichtslos laut.
Wir frühstücken an einem Tisch unweit der Sanitäranlagen, die Kinder amüsieren sich köstlich über diverse zerzauste, verschlafene Menschen, die an unserem Tisch vorbeistiefeln…
Der Morgen ist wunderschön, weiterhin Sommer, was haben wir für ein Glück in diesem Jahr! Die heutige Etappe planen wir bewusst etwas kürzer, am Ende werden es 46 Kilometer. Es ist die ganze Zeit etwa hügelig, ein frischer Wind weht, wir haben es (dank GPS) kaum mit Autos zu tun. Unterwegs die üblichen Ratespiele, gegen halb fünf erreichen wir den Zielort Jels, ziemlich direkt in einer Linie südlich von Vorbasse, wo es zur Begrüßung erst einmal ein Softeis gibt. Anschließend checken wir auf dem kleinen, sympathischen Campingplatz ein, bestellen Brötchen für morgen früh und schlagen unser Lager auf einer etwas abseits gelegenen Wiese auf. Johanna und Antonia sind unglaublich zickig - irgendwann reicht es uns und Claudia setzt in hundert Meter Abstand eine jede auf einen Packsack, wo sie erst einmal sitzen bleiben müssen, bis sie sich wieder etwas beruhigt haben und wieder in normaler Weise miteinander und mit uns umgehen können.
Unweit unseres Lagers fällt mir ein Hilleberg-Tunnel auf, daneben zwei geschunden anmutende Reiseräder.
Ist ganz schön, mal so frühzeitig ein Tagesziel zu erreichen und nicht gleich mit der Abenddämmerung zu tun zu haben (gegen halb zehn ist es duster). Der freundliche Mensch von der Rezeption legt uns als kleinen Ausflug nahe, den angrenzenden See zu umrunden, das sei ein schöner Spaziergang.
Ganz gut, dass die Etappe heute nicht ganz so lang gewählt war, denn Claudia sagt am Abend, dass sie heute in überhaupt keiner guten Form war und unterwegs schon ein wenig geschwächelt hat. Dennoch zeigt sie sich motiviert, mich bei der Seeumrundung zu begleiten. Wir wollen das allerdings nicht zu Fuß, sondern mit den Rädern machen. Die Kinder sind inzwischen wieder besser drauf, auf die kleine Radtour möchte uns aber nur Johanna begleiten. Wir versprechen Toni, dass wir nicht so lange weg sein werden und so geben wir ordentlich Gas, brettern mit Vollgas über die Waldwege - wunderschön, in der Tat! - Claudia kommt manchmal kaum hinterher…
Nur etwa eine halbe Stunde sind wir unterwegs, dann kommen wir schon wieder am Campingplatz an. In der Zwischenzeit sind auch die Nachbarn eingetroffen, die dem Hillebergzelt zuzuordnen sind. Sofort kommen wir ins Gespräch, haben direkt eine Wellenlänge gefunden. Die beiden kommen aus Klagenfurt und sind dort als Pflegekräfte auf einer Intensivstation tätig. Im März haben sie Österreich verlassen, sind ans Nordkap geradelt und nun auf dem Weg nach Hamburg. Dort sind sie verabredet, wollen dort eine Woche bleiben und dann die Reise in Richtung Santiago de Compostela fortsetzten. Den Jahreswechsel möchten sie in Afrika verbringen und im Spätsommer 2010 wieder ihre Heimat erreichen. Extrem nette Gesellschaft, die zwei. Schon bei der Erstbegegnung quatschen wir uns regelrecht fest, interessieren wir uns für ihre Tour und sie sich für die unsere - bewundernde Worte gehen an die Kinder, in zunächst ungewohnter österreichischer Mundart: "brav", "Reschpekt". Lange sprechen wir über die Räder und die Ausrüstung - viel nette Fachsimpelei, das macht mir Spaß.
Ein ganz klein wenig blutet mir das Herz, wenn ich ihre Geschichte höre - aber wirklich nur ein ganz klein wenig, schließlich bin ich mit unserer Tour vollkommen im Reinen, finde die aktuelle NSCR-Unternehmung mit den Kindern absolut wunderbar.
Sonntag, 23. August 2009
Es ergibt sich, dass wir am Morgen an einem Tisch mit den beiden zusammen frühstücken. Später, ich zeige mich sehr interessiert, bekomme ich von Benedikt eine ausgiebige Führung durch ihre Wohngemächer - das Hillebergzelt. Mit enormer Begeisterung zeigt er mir jedes Detail. Eines Tages werde ich mir auch ein Hillerbergzelt gönnen.
Nachdem ihr altes Zelt schadhaft war, haben sie in Schweden die Gelegenheit genutzt, das gute Stück relativ günstig zu erwerben.
Mit dieser Art von Begeisterung trifft er bei mir einen Nerv… Und auch sonst findet sich neben dem gemeinsamen Beruf und der Leidenschaft für das Radreisen so manche Parallele; er betreibt als Läufer ebenfalls nebenbei Ausdauersport, ist derjenige, der ihre Tour schriftlich dokumentiert und auch penibel die Statistik pflegt (bezeichnend, dass wir übermorgen miterleben werden, wie er das bereits eingeladene Zelt komplett wieder auspackt, weil er seinen Fahrradtacho darin vermutet - und es geht ja nicht, dass ihm die Tagesdaten durch die Lappen gehen. Claudia und Elisabeth haben sehr bald Freude daran, sich über derartige Ticks ihrer Männer zu amüsieren). Ebenfalls bemerkenswert: er führt mir sein Zzing vor, den kleinen Apparat, der, mit dem Tacho verbunden Kleingeräte wie GPS oder Handy mit frischem Strom versorgen kann. Claudia schmunzelt in sich hinein, wissend, dass mir Birgit genau so ein Teil zum Geburtstag schenken wird…
Nach all dem netten Gequatsche kommen wir heute erst um viertel vor zwölf los, macht aber gar nichts. Für den Abend haben wir uns mit den beiden in Åbenrå verabredet, da das auch auf deren Route liegt.
Die Fahrt ist oft hügelig, wie gehabt sonnig, viele Tiere werden geraten, teilweise fahren wir auf dem Ochsenweg (bzw. Heerweg/ Hærvejen, wie seine dänische Fortsetzung heißt), der sich freundlich durch waldige Gebiete schlängelt.
Am frühen Abend rollen wir schließlich in Åbenrå ein, wir sehen die Ostsee!
Der Campingplatz ist leicht gefunden, liegt in einem sehr hügeligen Areal im Süden der 16.000-Einwohner-Stadt. Uns wird ein Platz auf einer abgeschiedenen Wiese zugeteilt, sehr schön, wir sind die einzigen Gäste dort. Die erste Freude währt allerdings nur kurz, schnell entdecke ich, dass die Rasenfläche offenbar gerne von Hundebesitzern als Hundeklo genutzt wird und so muss ich mich erst einmal darum kümmern, die Haufen in unmittelbarer Nähe unserer Lagerstätte zu beseitigen. Ekelhaft.
Während die Kinder über den Platz stromern, treffen sie Elisabeth und Benedikt, die sich heute anlässlich seines Geburtstages heute mal ein Hüttenzimmer gönnen.
Da mein Geburtstag morgen ansteht, beschließen wir, uns für den Abend in der Stadt zum Pizzaessen zu verabreden, sozusagen als gemeinsame "Party".
Da die beiden erst einmal in Ruhe ankommen wollen, fahren wir im herrlichen Abendlicht schon einmal vor, erkunden den Ort und stellen fest, dass er wider Erwarten ziemlich hässlich ist und die Fußgängerzone wie ausgestorben wirkt.
Wie verabredet treffen wir die beiden am Hafen und machen uns dann gemeinsam auf den Weg in die "Stadt".
Das einzige Restaurant, welches dem Anschein nach in Frage kommt, schließt gerade, als wir eintreffen und so landen wir schließlich als die einzigen Gäste in einer Dönerstube. Kaltes Neonlicht-Ambiente, Pamukkale-Poster und Teppich mit Blauer Moschee an der Wand. Aber: freundlicher Service und gute, große Pizza, die unserem immensen Hunger gerecht wird. Selbst Joe vertilgt eine Riesenportion… wovon sie noch lange spricht
Es wird ein sehr netter Abend. Schön ist auch, wie die beiden mit den Kindern umgehen, sie sprechen sie nicht von oben herab an, sondern auf Augenhöhe, nehmen sie als Gesprächspartner ernst, hören zu, stellen Fragen.
Bald Mitternacht ist es, als wir den Berg zum Campingplatz wieder hinaufrollen. Benedikt und Elisabeth zeigen sich einmal mehr erstaunt und begeistert, mit welcher Leichtigkeit und ohne auch nur daran zu denken, zu murren, die Mädels auch nach so einem langen Tag noch diese Steigung hinaufsausen. Da ist wieder ein aufrichtiges "Reschpekt!" fällig!
Montag, 24. August 2009
Wenn ich richtig zähle, so ist dies mein sechster Geburtstag, welchen ich nicht in Deutschland begehe: nach Israel 89, Island 94, 95 und 97, Österreich 99 nun Dänemark 09.
Die Kinder und Claudia bereiten mir eine liebevollen Gabentisch: von den Mädels bekomme ich eine kleine Stoffechse, einen Karabiner mit Papa-Anhänger und Weingummi. Claudia schenkt mir ein Buch mit historischen Ansichten aus Kronshagen sowie ein etwas satirisches Heftchen zum Thema "Bekämpfung von Nacktschnecken".
Was für ein wunderbarer Geburtstagsmorgen; die Sonne scheint, ein schöner Gabentisch, es ist Fahrradurlaub!
Während wir nach dem Frühstück dabei sind, zusammenzupacken, kommen auch Elisabeth und Benedikt vorbei, gratulieren herzlich, es gibt wieder ein Schwätzchen, bevor sie davon rollen. Wir verabschieden uns und wünschen eine schöne Reise. Ich tue noch kund, dass wir nach Süderschmedeby radeln werden. Die Aussage "na ja, vielleicht sehen wir uns da ja noch mal" bewerte ich eher als Floskel, gehe davon aus, dass wir sie nie wieder sehen werden…
Um zwölf kommen wir los, auf dem Weg liegen einige steile Rampen und auch so mancher Schotterabschnitt; die Kinder nehmen es wieder gelassen. Einige Passagen schiebe ich mit Toni hoch. Wieder können wir eine ganze Weile der Beschilderung des Hærvejen (Radroute Nr. 3) folgen, wieder umgibt uns viel sattes Grün.
Die Grenzgegend um Kruså ist von industriellem Charakter und so rollen wir über große Straßen von Nordwesten her in Flensburg ein. An einer Bäckerei pausieren wir, gönnen uns Kaffee und Kuchen.
Ein kleines Wegstück weiter finden wir einen Supermarkt, wo wir den Tageseinkauf erledigen können. Müssen nur noch das Portemonnaie wieder von Kronen auf Euronen umstellen.
Bald können wir wieder kleine Nebenstraßen nutzen, ich genieße die unglaublich üppige Vegetation, allerdings herrscht hier auf den Pisten auch reger Autoverkehr, so dass wir immer auf der Hut sein müssen.
Ein letztes Mal Island-Wehmutschmalz auf dieser Reise, als wir in Süderschmedeby auf den Hof rollen. Dereinst noch ein gut besuchter Platz, so liegt er nun völlig verwaist und auch ein wenig verwahrlost dar. Auf der Wiese, wo wir einst zelteten steht heute ein Haus, ansonsten hat sich wenig geändert, die Gebäude sind noch die gleichen und haben seit einst wohl auch nur wenig Pflege erhalten…
Ich bin ziemlich überrascht, denn als wir auf den Hof fahren, stehen dort Elisabeth und Benedikt, sind vor zwei Minuten eingetroffen! Welch Freude!
Wir verbringen einen weiteren überaus netten gemeinsamen Abend, sie erzählen unter anderem ein wenig von ihrer abgebrochenen Panamericana-Tour von 2001. Anlässlich meines Geburtstages hatte Benedikt extra Bier für uns gekauft, da muss ich ihn nun enttäuschen, schließlich trinke ich schon seit Jahren keinen Alkohol mehr…
Dienstag, 25. August 2009
Nettes gemeinsames Frühstück mit den beiden, es setzt Regen ein, und dann folgt wirklich der letzte Abschied. Dies war ein Kontakt von einer anderen Qualität, da werden sogar mal Adressen getauscht, bevor die Österreicher hinausfahren in die Welt…
Eine ganze Weile spielen die Kinder nach dem Frühstück alleine im Zelt Phase 10, später erledigt Claudia mit ihnen die letzten Postkarten, während ich die Zelte nass einhole. Der Regen hört aber erfreulicherweise bald auf und wir beginnen um 12:15 unser Tagewerk, rollen in eine geplant kurze Tagesetappe, denn es steht eine Verabredung mit Johannas Freundin Lotta in Missunde auf dem Plan. Wieder ist die Route wellig, wieder fahren die Kinder super.
Unterwegs erreichen mich noch verspätete Geburtstags-SMS und bald schon stehen wir am Nordufer der Schlei, wo wir uns zunächst ein Fischbrötchen genehmigen.
Lotta wird von ihren Großeltern aus Kiel abgeholt, ihre Eltern kommen am frühen Abend, denn wir haben uns zu einem gemeinsamen Grillabend verabredet.
Die Großeltern haben hier einen Wohnwagen stehen, wo Lotta noch ein paar Ferientage verbringen wird.
Das Grillen gerät etwas improvisiert, der Himmel verheißt Regen und so begeben wir uns in die Nähe des Gebäudes des hiesigen Yachtclubs, wo wir zur Not auch Unterschlupf finden würden.
Als alle satt sind, bricht ein Gewitter los - schnell räumen wir zusammen und beenden den Abend. Es gießt wie aus Eimern, Blitz und Donner halten sich aber in Grenzen, alles in allem kein Vergleich zu dem Unwetter vor ein paar Tagen in Dänemark. Genug Regen indes, um auf dem Weg zu den Zelten patschnass zu werden…
Heute schlafen Joe und Toni trotz Gewitter ohne einen Erwachsenen in ihrem Zelt, viel Gedonner ist allerdings auch wirklich nicht mehr zu hören…
Mittwoch, 26. August 2009
Am Morgen scheint schon wieder die Sonne! Na ja, eine Regenetappe wäre auch nicht wirklich ein gebührender Abschluss für diese sommerliche Reise gewesen…
Den Vormittag über sind unsere Kinder direkt wieder verschwunden - allerdings bekommen sie noch eine Zeit mit auf den Weg: um 14:00 soll es Mittagessen geben, um 15:00 wird der Aufbruch erfolgen.
Sie unternehmen mit Lottas Oma einen Spaziergang ins nahe Brodersby, was in knapp zwei Kilometern Entfernung liegt. Später wird ausgiebig in der Schlei gebadet - Bullerbü-Idyll…
Ziemlich genau halten wir unseren Zeitplan ein, um drei Uhr verlassen wir den Campingplatz, bekommen bis zur nahen Fähre noch Geleit von den Campingplatz-Kindern und der dazugehörigen Oma, ein letztes Winken zum Abschied, dann sitzen wir wieder im Sattel, Kurs Süd, Kurs Kiel: noch ungefähr 50 Kilometer trennen uns von der Heimat. Abschiedsschmerz wabert durch mein Hirn, die Fahrt ist wunderschön, das Licht ein Traum, die Vegetation üppig. Am Windebyer Noor bei Eckernförde lassen wir uns verleiten, einen Wanderweg zu nutzen, was sich als Fehler herausstellt: über weite Strecken ist der Weg befestigt, in dem man Holzbohlen, jeweils einen knappen Meter breit, quer auf den Weg gelegt hat. So kann man nur Schritttempo fahren und wird dabei mächtig durchgeschaukelt. Landschaftlich wunderschön und als kleine Wanderung wirklich zu empfehlen, als Radstrecke aber eine Katastrophe.
Ich habe die ganze Zeit das Bild von einer Gruppe Hobbits im Kopf, die nach langer Zeit und vielen Abenteuern langsam wieder in ihr Auenland heimkehrt. In gemütlichem Tempo trotten sie durch eine liebliche, friedliche Landschaft… was geht es uns doch gut!
Die Wege, welchen wir jetzt folgen, sind mir vertraut, befinden doch nun in meinem Rennrad-Radius. Altenhof, Gettorf (man trifft sogar die ersten USC-Radler auf der Feierabendausfahrt), Fähre Landwehr…
Eine wundervolle Reise findet ihr Ende, ein jeder von uns kann bekunden, dass er/ sie gerne noch weitergefahren wäre und schon heute darf man sich auf die Fortsetzung im Sommer 2010 freuen…
Hier geht es zum Bericht des Folgejahres (2010)
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