Auswahl nach Land
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2013
Nordseeküstenradweg / North Sea Cyle Route
Shetlands, Orkney, Schottland
Raue Inseln im Nordatlantik, einsame Highlands
Vorbemerkungen
In diesem Jahr haben wir die aufwändigste Anreise des bisherigen und wohl auch des gesamten NSCR-Projekts vor uns. Vier Fahrräder und etwa zwanzig Fahrradtaschen und Säcke verschnürt zu norm-konformen Bündeln finden ihrem Platz im Anhänger. Etappe eins: Fahrt zum Flughafen Hamburg Fuhlsbüttel. Dann weiter per Flieger nach Aberdeen, eine Übernachtung dort, bevor uns eine Fähre nach Lerwick auf die Shetland-Inseln bringen wird - dann schließlich wird es losgehen!
Mich stressen vor allen Dingen die erforderlichen Vorbereitungen der Räder und des Gepäcks im Vorwege etwas, was die allgemeine Vorfreude auf die Urlaubsreise ein wenig schmälert.
Ich freue mich auf den Mittwochmorgen, wenn wir auf den Shetlands ankommen und dann erst einmal radeln können.
Die Buchung der Flüge war ja schon nervig genug: Im ersten Anlauf wurde uns mitgeteilt, dass man leider nur drei Fahrräder mitnehmen könne, da der Flieger, der von Amsterdam nach Aberdeen fliegt, zu klein ist. Toll. Immerhin ließ sich das dann kostenlos stornieren, der Ticketpreis wurde vollständig zurückerstattet. Das hatte zur Folge, dass wir für Claudia einen separaten Flug buchen mussten. Das heißt, wir werden uns nun gemeinsam nach Hamburg begeben, das Gepäck aufgeben, dann unterschiedliche Maschinen besteigen (ich fliege mit den Kindern über Amsterdam, Claudia mit der Lufthansa über Frankfurt am Main) um uns am späten Nachmittag dann in Aberdeen wiederzutreffen.
Am Sonntag vor dem Abreisetag kümmere ich mich um das Packen der "Blauen Pakete": je zwei gegenläufig übereinander gestülpte große Ikea-Taschen ummanteln mehrere Rad-Packtaschen bzw. Isomatten oder Schlafsäcke. Das ganze wird dann noch einmal mit Gurten umspannt oder mit Paketklebeband gesichert. Eine Vorgehensweise, die ich bei meinem Flug nach Island im Februar erfolgreich getestet hatte. Am Ende liegen vier dieser blauen Klumpen im Wintergarten, keiner schwerer als die vorgeschriebenen 23 kg. Hat erstaunlich gut geklappt und dennoch möchte ich noch gar nicht daran denken, diese Aktion in drei Wochen in Schottland vor dem Rückflug noch einmal zu wiederholen… Aber das dauert ja noch ein bisschen, da muss ich mir ja jetzt noch keine Gedanken machen.
Als alles erledigt ist, setze ich mich auf mein Rennrad und sause 70 km hinaus auf den Dänischen Wohld, freue mich, dass die Beine heute gut wollen, bekomme dabei einige kräftige Regenschauer ab, die mich aber nicht weiter stören.
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Montag, 24.06.2012
Um 06:00 klingelt erbarmungslos der Wecker und es beginnt damit die gut 48-stündige Reise nach Lerwick auf den Shetland-Inseln.
Also: raus aus den Federn, ab zum Bäcker. Ich hole Brötchen, koche Tee, belade den Anhänger, den ich vor einigen Tagen schon von Werner aus Neumünster geholt hatte. Bald kommen dann meine Eltern, die sich freundlicherweise bereiterklärt haben, uns zum Flugplatz nach Hamburg zu bringen.
Problemlos können wir vor dem Abflugterminal Taschen und Räder entladen und auf Gepäckwagen verladen. Ein herzliches Dankeschön an die Eltern, ein Gruppenfoto mit Kartons und dann hinein ins Getümmel!
Soviel Getümmel herrscht allerdings gar nicht. Die Lage ist übersichtlich und wir gehen in zwei Stufen vor: zunächst kümmert sich Claudia um Bordkarten und Gepäckabgabe, dann sind die Kinder und ich dran. Außer, dass man mir am Schalter der KLM zunächst einen zu hohen Tarif für die Radmitnahme berechnen möchte, da der Computer einen offensichtlich falschen Betrag ausspuckt (dies wird dann nach kurzer Prüfung durch die mürrische Mitarbeiterin noch korrigiert), läuft alles problemlos und völlig entspannt ab. Es dauert nicht lange, da sind wir die sperrige Last los und können uns - nur noch mit dem Handgepäck bestückt - frei bewegen.
Ich muss ja schon sagen, dass mich diese aufwändige Logistik im Vorfeld gedanklich erheblich gestresst hatte. Zeigt sich einmal mehr, dass ich mir mal wieder zu viele Sorgen gemacht habe - wie so oft im Leben!
Dann begeben wir uns in den Sicherheitsbereich des Flughafens - leider muss ich meinen Tee wegkippen und auch das Glas Pesto, welches ich für das Abendessen vorgesehen hatte, findet seinen Weg in den Müll. Da habe ich etwas gepennt, hätte ich doch bloß den Tee vorher noch getrunken, hatte mich so darauf gefreut!
Claudia ist seit einigen Tagen gesundheitlich angeschlagen, auch heute Morgen wies das Thermometer noch eine Körpertemperatur von über 38°C aus. Nicht zu beneiden!
Nun trennen sich unsere Wege, ich fliege zunächst mit den Mädels nach Amsterdam, wo wir noch einmal relativ lange Aufenthalt haben. Während wir uns im Transitbereich die Zeit vertreiben mit verschiedenen improvisierten Spielen (z.B. "blind malen und der andere errät, was es sein soll"), kommt ein Kieler Kollege vorbei, ein Anästhesist aus der Klinik - er ist auf der Heimreise von Mittelamerika kommend… Kleine Welt.
Wie schon auf meinem Islandflug ist auch heute die Verpflegung im Flieger im Vergleich zu früher ausgesprochen dürftig: ein Getränk und ein kleines Tütchen mit Keksen.
Die Flugzeit beträgt lediglich eine Stunde und zwanzig Minuten. Die Kinder nehmen die Fliegerei recht gelassen; kurze Faszination, als wir die Wolkendecke durchbrechen und im gleißenden Sonnenlicht von oben auf diese hinabblicken, ansonsten keine besondere Begeisterung. Ich kann mich gut erinnern, dass ich das damals ziemlich aufregend fand, als ich zum ersten Mal mit einem größeren Flieger unterwegs war (im Juni 1988, von Skiathos nach Athen) - und da war ich schon ein junger Erwachsener.
Aberdeen sieht von oben schon grau aus, der Himmel ist wolkig, man kann aus der Vogelperspektive lange Steilküsten ausmachen.
Unser KLM-Flieger parkt zeitgleich mit Claudias Lufthansa-Maschine ein und schon in der Warteschlange bei der Einreisekontrolle treffen wir uns wieder. Hat doch gut geklappt!
Der Flugplatz ist angenehm klein, unser Gepäck erscheint vollständig und intakt auf dem Fließband und problemlos finden wir eine Nische, in welcher wir ungestört mit der Montage der Räder beginnen können. Claudias gesundheitliche Verfassung ist anhaltend sehr bescheiden.
Das Auspacken und der Zusammenbau der Räder bzw. des Gepäcks klappen super, tolle Teamwork, alle fassen mit an. Die Mitarbeiter am Flughafen sind sehr freundlich und so werden wir auch problemlos den ganzen Pappmüll los.
Wenig später stehen wir vor dem Gebäude im Nieselregen, machen ein Gruppenfoto und rollen dann los. Den Weg zum Campingplatz hatte ich bereits lange vorher zu Hause ausgetüftelt und ins GPS eingespeichert. Es herrscht zudem viel Verkehr, so dass Teile der Fahrt nicht besonders angenehm geraten. Auch der Linksverkehr ist zunächst noch recht gewöhnungsbedürftig für uns. Einen kleinen Umweg müssen wir in Kauf nehmen, da eine Straße, die ich eigentlich in die Planung einbezogen hatte, nicht befahrbar ist, da sie über ein Privatgrundstück führt.
Wenige Kilometer vor dem Erreichen des Campingplatzes kommen wir durch den kleinen Ort Peterculter, wo wir an einem Spar-Markt anhalten. Wie üblich, warte ich bei den Rädern, während die Damen den Einkauf erledigen. Die Kinder amüsieren sich köstlich über ein Sonderangebot, welches sie entdeckten: wenn man zwei Tüten Weingummi kauft, ist das günstiger, als wenn man nur eine erwirbt - und zwar nicht nur bezogen auf die Menge, sondern tatsächlich. Man muss also für zwei Tüten wirklich weniger Geld auf den Tisch legen, als für eine. Seltsame Logik.
Bald erreichen wir den Campingplatz, welcher gut zehn Kilometer westlich von Aberdeen liegt. Die Rezeption ist zur fortgeschrittenen Tageszeit bereits geschlossen, so telefoniere ich mit dem Platzwart, der wenig später vorbeikommt und uns einchecken lässt. Der Preis soll 28 Pfund, also etwa 33 Euro betragen.
Schnell stehen die Zelte, Gekocht wird in einer kleinen Küche am Platz, Gaskartuschen haben wir ja noch nicht.
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Dienstag, 25.06.2012
Frisch ist das hier oben im Norden! Lediglich 5°C messe ich im Zelt, habe am Morgen tatsächlich ein wenig gefroren in meinem Sommerschlafsack, dem alten Ajungilak kompakt!
Claudia und ich stehen gegen neun Uhr auf, die Kinder wecken wir eine Stunde später.
Das Wetter ist freundlich, immer wieder lugt die Sonne durch die Wolken hindurch, Midges werden kaum gesichtet. Wir frühstücken also draußen an einem Holztisch. Toni äußert, sie sei nun wohl allmählich zu alt zum Schlafen auf einer Isomatte, sie habe Rückenschmerzen. Mit dieser Aussage sorgt sie für erhebliche Heiterkeit!
Als ich unsere Rechnung an der Rezeption begleichen möchte, treffe ich auf eine sehr freundliche Dame, die den Preis auf 20 £ herabsetzt, das ist doch nett!
Claudia kann heute eine deutliche Besserung ihrer gesundheitlichen Verfassung vermelden, hurra! Am frühen Mittag sind unsere Räder gepackt, wir rollen los in Richtung Aberdeen. Auch diese Strecke hatte ich mir vorab in GoogleEarth bzw. StreetView angesehen. Ein toller Fuß- und Radweg ist etwas abseits parallel zur Hauptstraßen auf dem Verlauf einer alten Bahntrasse geführt. Klasse. So gelangen wir ampel- und autoverkehrsfrei bis ins Stadtzentrum.
Bevor wir uns zum Fährterminal begeben, wollen noch ein paar Besorgungen erledigt sein: höchste Priorität: wir benötigen Gaskartuschen. Des Weiteren soll unser Lebensmitteldepot gefüllt werden. Wir entdecken am Weg eine große Mall, so dass diese Erledigungen schnell getan sind. Die Kinder stoßen auf einen kleinen Laden des Bekleidungsherstellers "Hollister", welcher derzeit absolut angesagt ist bei den Teenies. Claudia und ich beschließen spontan, ihnen als diesjährige Zeugnisüberraschung einen kleinen Einkauf zu sponsern und so statten sich die Damen mit Shorts, einem Pulli und einer Jacke aus. Und sind froh.
Am Fähranleger stellen wir fest, dass die Fahrräder nicht registriert sind - uns fällt später ein, dass das wohl daran liegt, dass das Internet-Formular, mittels welchem wir die Tickets erwarben, diese Option nicht angeboten hat. Das ist jedoch nicht wirklich ein Problem, schnell stellt man uns entsprechend geänderte Bordkarten aus, zusätzliche Kosten entstehen uns dadurch nicht.
Sehr pünktlich, ja sogar etwas überpünktlich legt die Fähre noch vor 17:00 ab. Wir verfrachten unser Gepäck in die Kabine, ich freue mich, dort einen Wasserkocher vorzufinden. Kann ich also auch noch mal Tee nachkochen!
Wir verfolgen natürlich die langsame Ausfahrt der Fähre aus dem Hafen. Es herrscht geschäftiges Treiben ringsum und bald verlassen wir die Stadt und fahren hinaus auf die Nordsee.
Zeit für eine Stärkung in der Kabine. Ich halte mich später noch lange an Deck auf und blicke aufs Meer, trinke Tee. Es folgt eine Partie "Phase 10", die Johanna und ich verlieren (…natürlich!). Gegen 23:00 legen wir in Kirkwall auf den Orkney Inseln an. Irgendwann später wird die Fahrt fortgesetzt, doch zu dem Zeitpunkt schlafe ich bereits.
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Mittwoch, 26.06.2012
Den Wecker habe ich auf 06:00 gestellt. Leider höre ich ihn nicht und auch die Damen werden nicht davon wach, so dass uns erst die laut scheppernde 06:30-Lautsprecherdurchsage aus den Federn reißt. Dadurch bleibt keine Zeit mehr für die Vorbereitung eines Frühstücks, welches wir eigentlich während der Einfahrt in die Inselwelt an Deck einzunehmen gedachten.
Hinzu kommt der ärgerliche Umstand, dass in der Lebensmittelpacktasche die Verpackung eines kleinen Schimmelkäses aufgeplatzt ist und die Flüssigkeit sich überall verteilt hat. So bleibt mir nichts anderes übrig, als erst einmal zu putzen, während die Ladies schon einmal ans Oberdeck gehen.
Als ich fertig bin, komme ich nach, doch da legt der Kahn auch schon fast an. Es ist beinahe windstill, entsprechend ruhig liegt die See. Flache, baumlose grüne Hügel gleiten an uns vorbei, ruhig liegt die kleine Stadt Lerwick (etwa 6500 Einwohner) mit ihren grauen Häusern da.
An Land machen wir uns zunächst auf die Suche nach der Touristeninformation, denn wir möchten herausfinden, an welchen Tagen es Fährverbindungen zu den Orkney-Inseln gibt. Das ist natürlich wichtig für unsere weitere Planung. Schnell werden wir fündig, müssen jedoch feststellen, dass das Büro noch geschlossen hat. Macht nichts, das Wetter ist prima, inzwischen ist die dünne Wolkendecke aufgerissen, die Sonne kommt hervor und so setzen wir uns an den Hafen und frühstücken erst einmal. Während wir auf der Bank sitzen, erwacht so langsam das Leben in der Kleinstadt, der Verkehr nimmt zu, geschäftiges Treiben am Hafen setzt ein, in der Nähe werden Bauarbeiten an der Gehwegdecke vorgenommen.
Später dann ist in Erfahrung zu bringen, dass die Fähren stets montags, mittwochs und freitags fahren. Gut zu wissen!
Bevor wir dann den Ort in Richtung Süden verlassen, machen wir noch Halt am Supermarkt, um unsere Vorräte aufzufüllen. Es ist gut, dass nun die Reise wirklich losgehen kann! Auf diesen Moment habe ich mich gefreut.
Nun rollen wir auf die einzige Ausfallstraße, haben noch ein paar kleine Probleme, uns wirklich an den Linksverkehr zu gewöhnen und müssen feststellen, dass relativ viele Autos unterwegs sind. Auch haben wir mit vielen Hügeln zu tun, was ich durchaus erwartet hatte. Claudia indes zeigt sich diesbezüglich überrascht. Die Vegetation ist karg, Bäume gibt es keine, selbst Sträucher bekommen wir kaum zu sehen. Eine ansprechend weite, klare Graslandschaft. Lange dauert es auch nicht, da entdecken wir die ersten "echten" Shetlandponys, was natürlich vor allem den Mädels eine Freude ist. Oft stehen verfallene Steinhäuser auf den Wiesen, von denen ich mich manchmal frage, wie alt diese wohl sein mögen bzw. wann sie aufgegeben wurden. Vor zehn Jahren? Vor fünfzig Jahren? Ich kann das nicht einschätzen.
Lerwick, der Hauptort der Shetland-Inseln
Alter Friedhof auf den Shetlands
Wir haben nur manchmal die Möglichkeit, die Hauptstraße zu verlassen, um dann auf Nebenstrecken unseren Weg nach Süden fortzusetzen. Oft ist das Meer in Sichtweite, die Luft ist gut, Vögel sind fast immer zu hören. Als wir eine Pause einlegen, werden wir von einem ganzen Schwarm Midges belästigt… Da wünscht man sich dann tatsächlich etwas mehr Wind! Die Mädels und ich schützen uns mit Moskitonetzen…
Nach gut dreißig Kilometern mit etwa 400 hm erreichen wir am frühen Nachmittag den Ort, naja, sagen wir die kleine Ansammlung von Häusern mit dem Namen Levenwick. Dort gibt es einen wunderbaren Campingplatz mit Ausblick auf die weite Bucht. Lange dauert es nicht, da stehen unsere Zelte und wir machen eine ausgiebige Pause mit köstlichem Schokokuchen und Tee. Für den weiteren Nachmittag ist geplant, ohne Gepäck an die Südspitze der Insel zu radeln, zu den Vogelfelsen von Sumburgh. Das sind noch einmal etwa 13 Kilometer im Radsattel (eine Strecke). Toni ist zunächst etwas schwer zu motivieren, der Unternehmung beizuwohnen, am Ende können wir sie aber doch überzeugen und so radeln wir gegen 16:00 noch einmal gemeinsam los. Ein wenig erinnert mich das an den Ausflug nach Lindesnes im vergangenen Jahr; auch da fuhren wir ohne Gepäck an einen Südzipfel…
Wir machen einige Pausen (beispielsweise um Shetlandponys am Wegesrand zu streicheln), amüsieren uns in Sumburgh, als wir feststellen, dass die Straße quer über die Rollbahn des dortigen Flugplatzes geführt ist. Wäre ein Flieger gekommen, hätte eine Ampel dies signalisiert. Schließlich erreichen wir die Grabungsstätte Jarlshof, fast am südlichsten Punkt von Shetland Mainland.
Wir schließen die Räder an, denn wir möchten den am Südzipfel gelegenen Vogelfelsen zu Fuß erreichen, der Reiseführer empfiehlt diese kleine Wanderung von etwa zwei Kilometern über die Weiden und Felder.
Vorher stellen wir fest, dass die Grabungsstätte soeben ihre Pforten geschlossen hat - die hätten wir uns ja auch gerne noch einmal angesehen. Ich hantiere gerade noch mit den Fahrradschlössern, als die Angestellte der Anlage auf dem Weg in ihren Feierabend vorbeikommt, ihr alter Landrover parkt gleich nebenan. Wir kommen in ein kurzes Gespräch mit der freundlichen älteren Dame, welches sie mit den Worten "I am away now… and the fence is quiet low…" nebst einem Augenzwinkern beendet.
Sehr sympathisch! So kommen wir doch noch zur Besichtigung der prähistorischen Anlage. So ganz doll beeindruckend finden wir die dann aber gar nicht, so dass wir uns nicht besonders lange aufhalten.
Die Wanderung über die Weiden ist wunderschön, der Blick geht weit auf das Meer hinaus, wir schauen, ob wir nicht einen Wal erblicken (…leider nicht…), klettern ab und zu über eine der niedrigen Steinmauern, welche die Felder begrenzen. Es weht ein Wind, die Luft ist von nordischer Klarheit. Je dichter wir an den Felsen kommen, umso deutlicher sind die Geräusche der Vögel zu hören, ein immer fortwährendes Geschrei. Viele Möwen sind unterwegs und am Felsen können wir zahlreiche Trottellummen beobachten. Die Krönung ist aber dann die Sichtung von Papageitauchern. Wie oft war ich nicht schon in Island, ohne auch nur einen einzigen wirklich bewusst zu Gesicht bekommen zu haben! Und hier nun lassen sie es zu, dass man bis auf wenige Meter an sie herankommt, um sie zu beobachten. Wunderbar!
Ausflug nach Sumburgh Head, dem südlichsten Zipfel des Archipels
Sumburgh Head
Sumburgh Head
Sumburgh Head
Sumburgh Head
Ansonsten ist das kleine Plateau auf dem Felsen heute eher von schmucklosem Gepräge der dort befindliche Leuchtturm sieht aus, als könnte er mal wieder etwas frische Farbe ganz gut vertragen, die kleine Straße, welche hinaufführt, wird gerade erneuert, Baumaschinen stehen herum. Ich blende das aus und erfreue mich an den Vögeln!
Im wunderbaren Abendlicht und bei fast wolkenlosem Himmel spazieren wir irgendwann zurück zu den Rädern und machen uns dann auf den Weg zu den Zelten. Es ist ziemlich frisch geworden, acht Grad sagt das Thermometer, und als wir nach eineinhalb Stunden wieder am Campingplatz sind, ist vor allem Joe ziemlich platt.
Es gibt ein schnelles Essen: Nudeln mit Pesto und anschließend eine Partie Kniffel - heute sind Antonia und ich die Verlierer.
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Donnerstag, 27.06.2012
Irgendwann in der Nacht muss ich kurz das Zelt verlassen und komme so in den Genuss, einen fantastischen Sonnenaufgang über dem Meer zu sehen. Allzu lange gebe ich mich dieser Freude allerdings nicht hin, es zieht mich wieder in meinen Schlafsack.
Erst um halb elf stehen wir auf, ich fühle mich nicht gut, habe Halsschmerzen - kommt nun der Infekt, welcher Claudia vor einigen Tagen außer Gefecht setzte, bei mir an?
Beim Frühstück haben wir die Idee, die Strecke von hier zurück nach Lerwick mit dem Bus zu überbrücken, geradelt sind wir sie ja schließlich schon. Auf diese Weise würden wir etwas Zeit gewinnen, so die Überlegung. Also telefoniere ich mit der Busgesellschaft, welche mir jedoch mitteilt, dass die Mitnahme von Fahrrädern im Bus nicht möglich ist. Okay, finde ich jetzt auch nicht so dramatisch.
Um eins verlassen wir den sympathischen Campingplatz, rollen wieder nach Norden. Für mich ist das heute echter Quälkram, es kostet mich große Mühe, mein schwer beladenes Rad die Hügel hinaufzubewegen. Mir sitzt da echt was in den Knochen. Das Wetter indes ist fantastisch, nur der viele Verkehr stört phasenweise. Irgendwann gabelt sich die Strecke: ostwärts nach Lerwick, westwärts nach Scalloway, wir fahren links ab, also nach Westen.
Bald sind wir dann also in Scalloway, dem mit 1250 Einwohnern zweitgrößten Ort des Archipels. Es ist noch ein Einkauf vonnöten, welcher sich hier erledigen lässt. Wie immer warte ich bei den Rädern, während die Damen im Supermarkt verschwinden, um eine Weile später mit prall gefüllten Tüten wieder herauszukommen. Ein Teil wird dann meistens direkt verspeist, Kuchen, Schokoriegel oder Jogurt… der Rest wird auf die Packtaschen verteilt.
Von nun an haben wir das außerordentliche Vergnügen, auf einer kleineren Nebenstraße zu fahren, das bedeutet, dass wir wesentlich weniger Autoverkehr ertragen müssen. Kurz vor Whiteness erklettern wir einen gut hundert Meter hohen Anstieg; wir halten an, denn es zeigt sich ein wunderbarer Ausblick auf die zerrissene Küste: flache Hügel, leuchtendes Grün, viele kleine Inseln - wunderschön! Wenig später stellen wir fest, dass gleich um die nächste Ecke der von uns angesteuerte Campingplatz liegt, eine kleine Wiese neben einem Gasthaus - man kann fast sagen, dass wir mit unseren beiden Zelten den Platz voll belegen…
Auf den Shetlands. Es ist empfindlich kühl und wir müssen uns
noch ein wenig an den Linksverkehr gewöhnen...
Klelch, der Kleine Elch ist natürlch auch wieder mit von der Partie,
er blickt auf Shetland Mainland in den Sonnenuntergang
Auf Shetland Mainland
Der Ort bietet die gleiche tolle Aussicht, wie vormals der Blick von der "Passhöhe". Der ungepflegte Zustand der Inhaberin des Wirtshauses - oh je, was hatte die Dame für ein poröses Gebiss - spiegelt sich auch in den maroden Sanitäranlagen wieder. So gibt es zum Beispiel kein Licht in den Duschen, wir müssen unsere Stirnlampen mit hinein nehmen.
Das stört allerdings nur am Rande, vielmehr erfreue ich mich an dem schönen Flecken. Wir bereiten das Abendessen zu, es gibt Reis mit Currysoße und Geflügelfleisch, eines unserer Standardcampingessen.
Wir beschließen den Abend mit einer Partie "Phase 10". Ich klinke mich allerdings nach ein paar Runden aus, bin fix und fertig, der Hals tut weh und ich fühle mich richtig krank. Super. Im Arbeitsalltag in der Klinik bin ich seit Ewigkeiten nicht einen einzigen Tag krank und nun, ausgerechnet im Urlaub, da erwischt es mich. Das ist doch nicht in Ordnung…
Ich fröstele, ziehe mir so ziemlich alles an, was meine Packtaschen hergeben und verkrieche mich in meinen Schlafsack.
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Freitag, 28.06.2012
Es kommt nicht überraschend, wir hatten tags zuvor bereits die Ankündigung vernommen: es wird ein Regentag. Als wir am Morgen aufwachen prasselt es lautstark auf das Dach, zudem peitscht ein kräftiger Wind unser Material. In der Apsis hat sich relativ viel Wasser angesammelt, es wird vor allem durch die Reißverschlüsse gepresst.
Das Zeltinnere bleibt auch nicht von Feuchtigkeitseinbrüchen verschont, unter meiner Isomatte bildet sich regelrechte Pfütze. Ich kann nicht gerade behaupten, dass mich das begeistert.
Wir drehen uns immer noch mal wieder um, versammeln uns schließlich erst um halb elf zum Frühstück. Und da es weiterhin gießt wie aus Kübeln, hat niemand wirklich Lust, nun loszuradeln. Also spielen wir Phase 10, Schwarzer Peter, sechs Reihen Kniffel und dann das ganze noch einmal von vorne… zwischendurch werden die Frühstückssachen noch mal wieder "auf den Tisch" gestellt. In Norwegen hat diese Strategie des Abwartens ja relativ zuverlässig funktioniert - doch klappt das auch in Schottland?
Tatsächlich lässt irgendwann die Intensität des Niederschlags nach und gegen 17:00 ist es sogar ganz trocken.
Kurzzeitig und vorübergehend vermag die Wetterlage bei mir ein kleines Stimmungstief auszulösen. Ich mache mir besorgte Gedanken, weil wir es vermutlich nicht schaffen werden, Montag die Fähre zu den Orkneys zu erreichen und dann in der Folge auch hinsichtlich unserer geplanten Festlandetappen unter Druck geraten werden. Sollten wir überlegen, einen Teil der Strecke bis Aberdeen per Bahn zurückzulegen? Ab Inverness wäre das immerhin möglich. Hinzu kommt noch, dass sich meine gesundheitliche Konstitution nach wie vor nicht wirklich gebessert hat.
Um 17:20 fassen wir den Beschluss, heute doch noch eine kleine Etappe zu radeln ("…es ist ja lange hell…").
Dann geht alles sehr flott, bereits vierzig Minuten später sitzen wir auf den Rädern und rollen bei blauem Himmel und aufgelockerter Bewölkung in den Abend hinein. Nach kurzer Fahrt finden wir einen geöffneten kleinen Supermarkt, um unserer Vorräte aufzufüllen.
Das Licht ist großartig, es weht ein kräftiger Wind, Vogelgeräusche sind omnipräsent, die Strecke ist wellig, teilweise geht es steile Rampen hinauf. Ich genieße trotz meiner angeschlagenen Verfassung das Ambiente, die Mädels sind teilweise etwas unmotiviert. Ich frage mich, ob sie wohl erst noch ihren Rhythmus finden müssen - oder ob vielleicht doch die Zeit des NSCR-Projekts vorüber ist… Erfreulicherweise wird sich im Verlauf zeigen, dass eher die erstgenannte Erklärung die richtige ist. Neben Äußerungen, die auf Lustlosigkeit schließen lassen, nehme ich jedoch auch immer wieder eine große Begeisterungsfähigkeit wahr, vor allem bei Toni. So entdeckt sie heute am Rande einer kleinen Bucht einen Otter und freut sich tierisch darüber.
Sehr speziell ist der Umstand, dass beide Mädels sich in einer Phase befinden, in welcher sie pausenlos ihr pubertäres "Jugendsprech" praktizieren, albernes Teenie-Gehabe mit Sätzen wie: "Was laberst du?!", "Ist mir wumpe." oder auch Wörter wie "Wayne", "Swag" oder "Yolo". Ist wohl normal in dem Alter, kann aber schon manchmal etwas nerven, wenn man dem dauerhaft ausgesetzt ist. Immerhin stellt diese Form des Reisens ja einen extremen Kontrast dar zum normalen Alltagsleben. Hier und jetzt sind wir sehr nah beieinander, verbringen sehr viel gemeinsame Zeit, während es zu Hause durchaus Tage gibt, da sehe ich die Mädels gar nicht oder nur mal kurz im Vorbeigehen.
Einsame Nebenstrecken, viel Wind, niedrige Temperaturen und ein beeidruckend
wechselhaftes Wetter charakterisieren diese wunderbaren Inseln
Reifenpanne. Natürlich geht gerade ein Regenschauer nieder!
An einem steilen Anstieg setzt noch einmal kurzzeitig kräftiger Regen ein - im gleichen Moment höre ich von hinten Claudias Ausruf: "Oh nein…!" - sie hat einen Platten. Also erst einmal rein ins Regenzeug, dann kümmere ich mich um die Reparatur.
Das Licht ist dabei unglaublich schön, noch während der Guss niedergeht, bricht die leuchtende Sonne durch die finsteren Wolken und zaubert einen fantastischen Regenbogen. Wenig später ist es auch schon wieder trocken, dafür allerdings empfindlich kühl. Man merkt deutlich, dass wir doch relativ weit im Norden dieses Planeten unterwegs sind!
Wir arbeiten uns die Rampe hinauf und gelangen dann auf dem Weg nach Voe auf eine karge Hochebene. Gelegenheit zum wilden Campieren gäbe es zuhauf, doch die Mädels möchten eine Dusche. So fahren wir nach Voe, können jedoch den dort vermuteten Zeltplatz nicht finden. Langsam wird es spät und ganz langsam setzt auch eine leichte Dämmerung ein.
Wir setzen unsere Fahrt also fort, hoffen dann auf einer Halbinsel bei Wethersta einen Campingplatz zu finden - ebenfalls Fehlanzeige. Während wir dort über die kleinen Straßen rollen kommt es zu folgender erwähnenswerten Begebenheit: im Dämmerlicht erblicken beide Mädels vor einem Bauernhof etwas, was sie für eine Katze halten und sogleich quietschend ausrufen: "ooh süüüüß!!!". Beim Näherkommen stellt sich die "Katze" als kleiner Pfosten heraus - prust!
Zurück geht es auf die Hauptstraße, auf der inzwischen kaum noch ein Auto unterwegs ist. Nach wenigen hundert Metern gelangen wir zum Valleyfield Guesthouse, welches direkt am Straßenrand gelegen ist. Unsere Karte weist hier eine Campingoption aus. Am Eingangsschild allerdings ist der Schriftzug "Camping" mit Folie überklebt, also ist die Option wohl keine mehr… Johanna und ich schauen dennoch in das Gebäude hinein, die Tür steht auf. Klingeln mag ich in Anbetracht der fortgeschrittenen Stunde allerdings nicht mehr. Ich gelange in den Speisesaal, wo auf einem Tisch ein mit Folie abgedecktes Abendessen steht, daran ein Zettel mit dem Hinweis "For Joe"… Ich kann gerade noch verhindern, dass Johanna sich darüber hermacht :-)
Einen Menschen treffen wir leider nicht an, also fahren wir weiter, bis wir schließlich Brae erreichen. Am Ortseingang treffen wir vor einem indischen Fastfood-Restaurant (…aus welchem es verdammt lecker duftet…) auf ein paar Männer, die uns die Auskunft geben können, dass unweit von hier am Sportboothafen die Möglichkeit besteht, zu zelten. Hurra! Inzwischen ist es Mitternacht, die Dämmerung ist vorangeschritten, wirklich dunkel ist es nicht. Im Vereinsheim des örtlichen Segelclubs ist Party angesagt, ich schlage mich durch die bierselige Gesellschaft, um einen Verantwortlichen zu finden. Man ist sehr freundlich und zeigt uns eine kleine Wiese, auf welcher wir unser Lager errichten dürfen. Die Sanitäranlagen sind erstklassig.
Auf ein gekochtes Abendessen verzichten wir, vielmehr richten wir uns eine Brotzeit her. Als wir um halb zwei schließlich schlafen gehen, fühle ich mich recht gut, habe die Hoffnung, dass der Infekt ausgestanden ist…
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Samstag, 29.06.2012
…doch das soll sich leider als Fehlannahme erweisen. Beim Aufstehen habe ich doch wieder einen dicken Hals. Mann, was nervt das.
Der Morgen ist sonnig, in der Bucht findet eine kleine Segelregatta statt. Claudia unternimmt einen Spaziergang zum Supermarkt, hatte sich dabei wohl etwas verschätzt, was die Entfernung angeht und ist somit relativ lange unterwegs. Wir frühstücken später auf der Wiese und verlassen diesen Flecken erst am frühen Nachmittag. Ich unternehme noch einen kurzen Abstecher zum Geldautomaten und dann gehen wir wieder auf Nordkurs. Ziel ist die Fähre auf die nächste Insel, namentlich nach Yell. Nur umgerechnet zwölf Euro kostet das Ticket, welches bereits die Passage auf die nächste Insel, nämlich Unst, sowie die Rückfahrt beinhaltet. Das ist wirklich günstig! Kontrolliert wird auch nur auf dieser ersten Überfahrt.
Wir radeln in den Norden der Inselgruppe. Diese Fähre wird uns auf das
nächste Eiland bringen, namentlich nach Yell.
Die Inseln sind in ihrer Kargheit wunderschön, der Eindruck der Ödnis verstärkt sich noch, je weiter wir auf den Inseln in den Norden vorstoßen. Tiefblau leuchtet das Meer, wieder hat das Licht diese fantastische nordländische Klarheit. Der Wind ist frisch.
Auf der Fähre setzen wir uns sogar vorübergehend in den Innenbereich, da es draußen so kühl ist. Mal wieder futtern wir Kuchen.
Auf Unst fahren wir nicht mehr weit, sondern steuern den kleinen Ort Uyeasound an. Dort gibt es eine Herberge mit angrenzender Zeltwiese. Das Gebäude finden wir offen und menschenleer vor, ein Schild weist die Übernachtungsgebühren aus, versehen mit dem Hinweis, dass, falls man niemanden antreffe, das Geld doch bitte in eine dafür vorgesehne Metallbüchse in der Küche legen möge. Klasse.
Shetland-Inseln, Yell
Uyeasound auf der nördlichsten Insel Unst. Was für ein großartiger Flecken!
Die Herberge hat nicht nur eine große, voll ausgestattete Küche, einen netten Speiseraum und einen Salon mit Couch und Sessel, sondern auch noch einen kleinen Erker-Raum, so eine Art Wintergarten, von welchem aus man einen traumhaften Blick auf die Bucht hat. Ich bin sofort verliebt in diesen Ort!
Wir kochen uns Nudeln und verbringen den Abend bei einer Partie Phase 10.
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Sonntag, 30.06.2012
Die Nacht ist stürmisch und regnerisch, das Zelt steht mal wieder bescheiden, Feuchtigkeit dringt ein, ich ärgere mich und denke trotzig, vielleicht sollte ich noch mal ein Hilleberg Keron kaufen… Wobei das nicht wirklich eine Option ist, denn so viele Gelegenheiten wird es nicht mehr geben, da wir ein derartiges Zelt benötigen werden, diese tausend Euro wären sicher anders sinnvoller auszugeben... Aber ich bin schon ein wenig genervt.
Der Plan für den heutigen Tag sieht so aus: Radeln zur Nordspitze von Unst ohne Gepäck, hin und zurück knapp 40 Kilometer und am Abend dann noch etwa 40 Kilometer bis in den Süden von Yell, um es am morgigen Montag bis Lerwick zu schaffen, um die Fähre zu erwischen.
Die Mädels duschen noch, es dauert ewig, bis wir loskommen. Ein ausgesprochen kräftiger Rückenwind pustet uns nach Norden, leicht fällt es uns, die sanften Hügel zu erklimmen. Die Landschaft ist weit, baumlos und auch heute sind Vögel unsere ständigen Begleiter. Mit jedem Tag nimmt meine Begeisterung zu, was diese Inselgruppe angeht.
Am Abend werde ich errechnen, dass wir auf der heutigen insgesamt 95. Etappe auf dem Nordseeküstenradweg unseren 4000sten Kilometer fuhren.
Nach etwa zwei Dritteln der Strecke gelangen wir zu einem kleinen Supermarkt, ich nenne ihn für mich den "Supermarkt am Ende des Universums" - denn viel mehr kommt dann ja nicht… Meine Hoffnung, dieser Laden könnte Gaskartuschen im Sortiment haben, erfüllt sich. Und überhaupt, ich glaube, es gibt dort nichts, was es nicht gibt. Von Lebensmitteln über Werkzeuge, Schrauben und Nieten bis hin zu gruselig kitschigem Deko-Tand und Kinderspielzeug findet sich so ziemlich alles in den hohen Regalen.
Ein paar Kilometer weiter und wir fahren durch Haroldswick, Ort möchte man das auch kaum nennen: links der Straße einige wenige Wohngebäude, rechts ein schmaler Strand und das Meer. Wir halten an, denn auf den vorgelagerten Felsen liegen mehrere Robben, das ist doch nett anzusehen!
Wir radeln dann bis Norwick, einer letzten kleinen Ansammlung von Häusern an einer beschaulichen Bucht. Am Ortseingang steht eine Katze auf der Straße, mal wieder ein Grund für die Kinder, anzuhalten, um kurz mit ihr zu spielen. In der Nähe des Strands stellen wir unsere Räder ab und setzen uns dann mit köstlichem Schokokuchen auf die Felsen. Standesgemäß wird der Kuchen serviert: nämlich auf großen flachen Steinen, welche wir am Strand finden.
Während die Mädels dann anfangen, am Ufersaum ein Steinhaus zu bauen, mache ich den Vorschlag, man könne ja noch die Straße hinauffahren, welche am Fels auf der anderen Seite der Bucht erkennbar ist. Die Kinder schreckt die Steilheit des Weges, sie schlagen vor, man könne ja auch zu Fuß gehen. Okay, so stiefeln Claudia und ich schon mal vor und stellen schnell fest, dass die Straße auch gar nicht mehr befahrbar gewesen wäre: teilweise ist sich abgerutscht der Asphalt zerrissen. Wir erreichen das karge, windige Plateau, wenig später folgen uns die Kinder. Skuas kreisen über uns, alle paar Meter finden sich Tierknochen am Wegesrand. Die räumt hier niemand weg…
Wir laufen bald eine Stunde, kommen an einem wirklich allerletzten Haus vorbei und erreichen schließlich die Steilküste - hier geht es für uns nicht weiter, wir haben den nördlichsten Punkt unserer jahrelangen Reise erreicht, Grund für ein Gruppenfoto und einen Screeshot des GPS-Displays, welches die Koordinaten N60°49.788 E000°47.042 ausweist. Monate später gebe ich die Zahlen mal bei GoogleEarth ein, stelle fest, dass dann eine leicht nach Osten versetzte Position angezeigt wird, warum, das erschließt sich mir nicht. Die Breite scheint allerdings korrekt dargestellt zu sein.
Eine ganze Weile halten wir uns dort oben auf, kraxeln über die Felsen, beobachten die Vögel und entdecken schließlich sogar noch weit unter uns im Meer einige kleinere Wale, deren Finnen immer wieder die bewegte Oberfläche des Meeres durchbrechen. Wunderbar!
Irgendwann spazieren wir zurück zu unseren Velos, Johanna ist nicht fit, sie schwächelt heute ein wenig und so gerät die Rückfahrt für sie auch recht anstrengend, zumal uns ja nun auch noch dieser kräftige Wind von vorne ins Gesicht weht und das Vorankommen nicht eben erleichtert. Hin und wieder geht ein kurzer Schauer nieder.
Ich stelle bereits auf dieser Fahrt Überlegungen an, ob es nicht schlau wäre, sich von dem Plan zu verabschieden, morgen in Lerwick die Fähre erreichen zu wollen, also lieber die nächste am Mittwoch anzupeilen.
Wieder am Hostel angekommen halten wir eine Lagebesprechung ab und spielen gemeinsam Varianten durch, wie es in den kommenden zwei Wochen weitergehen könnte. Ein wesentlicher Problemfaktor, welcher diese Debatte nötig macht, ist der Umstand, dass ein späteres Verlassen der Shetlands natürlich dazu führen wird, dass wir auf dem Festland weniger Zeit haben werden, Aberdeen rechtzeitig bis zu unserem fixen Ablugtermin zu erreichen. Würden wir jedoch ab, sagen wir Inverness, einen Zug nehmen, würde das nicht nur erhebliche Zusatzkosten verursachen, es würde auch die Logistik für die kommende Etappe 2014 verkomplizieren.
Eine von Claudia ins Spiel gebrachte Idee ist, ob man möglicherweise morgen per Bus nach Lerwick gelangen kann - das ist, wie ich in einem Telefonat mit der zuständigen Busgesellschaft herausfinden kann, nicht möglich (…zum Glück, wie ich finde…).
Die Kinder bringen dann die Idee ins Spiel, für die 2014er-Etappe dreieinhalb oder vier Wochen einzuplanen, um ggf. den Abschnitt Inverness-Aberdeen noch entspannt radeln zu können.
So schließen wir einvernehmlich und mit einem guten Gefühl die Sitzung mit dem Ergebnis: noch eine Nacht bleiben, erst Mittwoch die Fähre zu den Orkneys und dann auf dem Festland mal sehen, wie weit wir kommen, ggf. eben die Bahn nutzen.
Mich freut das Resultat, schlagartig habe ich ein entspannteres Grundgefühl - und ich bin auch froh ob der großen Einvernehmlichkeit, jeder ist zufrieden.
Ganz konkret und ganz aktuell kommt für mich hinzu, dass ich froh bin, noch eine weitere Nacht an speziell diesem wunderbaren Ort Uyeasound verweilen zu können. Nach dem Abendessen sitzen wir im Salon und spielen Phase 10. Mein Blick geht dabei hinaus aus dem Fenster, verliert sich in der Weite. Ich sehe das Meer, ein weißes Pony auf der Blumenwiese, ein idyllischer, ein magischer Ort. Ein magnetischer Ort - er übt eine enorme Anziehungskraft auf mich aus. Meine Gedanken gleiten ab, ich stelle mir vor, ich würde mir eines der alten zerfallenen Steinhäuser restaurieren und ein naturnahes, entschleunigtes, bescheidenes Leben führen. Könnte die Inseln erkunden, wandern im Naturreservat Hermaness im Norden von Unst, Nächte im Soulo in den weiten winterlichen Hügeln… Natürlich alles nur spontane Spinnerei. Beim näheren Heranlassen solcher Gedanken gibt es viele Gründe, die für mich dagegen sprächen, so etwas - und sei es für die Zeit, wenn die Kinder das Haus verlassen haben - ernsthaft anzustreben. Kein Schwimmbad in der Nähe, kein Triathlonverein, die Straßen zu kurz für ausgedehnte Rennradausfahrten…
Am Abend unternehme ich noch einen Mini-Spaziergang zu den Ruinen am Strand, während wir die Gelegenheit nutzen, und mal eine Waschmaschine anschmeißen.
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Montag, 01.07.2012
Der Morgen ist relativ kühl und sehr, sehr windig, die Wolken sausen nur so vorbei.
Wir frühstücken in dem kleinen Wintergarten mit der fantastischen Aussicht und machen uns dann bald ans Zusammenpacken unserer Ausrüstung.
Ein paar Kilometer radeln wir dann in den wirklich brutalen Gegenwind bis zum Hafen Belmont, von wo aus wir wieder nach Yell übersetzen werden. Wir müssen über eine Stunde warten, da können wir der Versuchung nicht widerstehen, die Zeit im Buscafé zu verbringen: unweit der Mole steht ein ausrangierter feuerroter Doppeldeckerbus, in welchem ein kräftiger und reichlich tätowierter Kerl Getränke, Kuchen und Cheeseburger anbietet. In diesem tollen Ambiente gönnen wir uns also den kleinen Luxus eines zweiten Frühstücks. Draußen sausen zwei Basstölpel durch die Lüfte und stürzen immer mal wieder pfeilschnell aus großer Höhe ins Meer - toll anzusehen!
Ein Café in einem ausgedienten Bus - nicht nur den Kindern gefällt das! Wir kehren ein und genehmigen uns große Cheeseburger
Velotraum auf Unst
Irgendwann kommt die kleine Fähre und wir können bald auf Yell weiterradeln. Das Treten in die Pedale hat etwas Meditatives, ich kann meinen Gedanken freien Lauf lassen. Ich freue mich, dass die Erkältung oder was auch immer das nun war, sich jetzt endlich zurückzieht, ich bin wieder fitter. Und auch sonst kriege ich so ganz langsam den Kopf etwas freier. Wie ich es schon oft auf Reisen erlebte, treten vermehrt Bilder und Stimmungen aus meiner eigenen Vergangenheit zutage.
Ja, vieles geht mir durch den Kopf, wenn ich, wie im Moment der Fall, Zeit dazu habe. Ich nehme wahr, dass die Luft heute eine ganz besondere ist, sie schmeckt anders als sonst und löst bei mir Gefühle aus, die mich ins Island der Sommer 1994 - 1997 versetzen, ganz eigenartig. Verstärkt wird diese seltsame Stimmung durch die Gestalt der Landschaft, durch die wir heute auf Yell radeln, die könnte nämlich ohne weiteres auch für isländisches Hochland durchgehen… Manchmal gleiten meine Gedanken soweit ab, dass Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen und ich denke, ich bin in Island.
Das hat jetzt gar nichts mit einer tiefen Sehnsucht zu tun, es ist einfach nur ein Überlagerungseffekt. Ich bin sehr zufrieden, dass ich hier und jetzt mit den Mädels auf den Shetlands unterwegs bin. Speziell diese Inseln haben es mir ja auch angetan, ich stellte das bereits fest. Das ist wirklich auch ein ganz besonderer Ort und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ich eines Tages noch einmal wiederkehren werde. Vielleicht für eine Winterwanderung mit meinem Soulo?
Wir radeln noch einige Kilometer nach Südwesten und kämpfen mit dem Wind. Später knickt die Straße nach Süden ab, da geht es etwas besser. In Mid Yell, einem kleinen Ort in der Mitte von Yell (haha), erledigen wir einen Einkauf und halten am dortigen Hafen auch direkt eine Pause ab.
Zwei Möglichkeiten gibt es, um von hier weiter südwärts zu gelangen: zum einen die Hauptstraße, über die wir vor einigen Tagen angereist sind oder aber eine kleine, hügelige Piste fast ohne Autoverkehr auf der Ostseite der Insel. Wir entscheiden uns für die letztgenannte Variante - eine sehr gute Wahl! Wunderschön schlängelt sich das schmale Asphaltband durch die wellige, grüne Landschaft. Radelmäßiger Hochgenuss! Uns fallen auch hier wieder die zahlreichen Tierknochen oder Kadaver auf, die am Wegesrand oder im Straßengraben liegen - einige tote Schafe sind dabei. Doch die Anzahl der lebendigen überwiegt bei weitem!
Am Südzipfel der Insel befindet sich die Ortschaft Burra Voe, dort soll sich ein Campingplatz befinden. Wir fahren zum Hafen hinunter, irren dann ein wenig durch die wenigen menschenleeren Gassen, finden aber zunächst keinen Hinweis auf den gesuchten Campingplatz. Dafür kommen wir an der Grundschule des Ortes - und wahrscheinlich der ganzen Gegend - vorbei, wo die Mädels es sich nicht nehmen lassen, sich diese näher anzusehen. Im Eingangsbereich hängen Fotos von zwölf Kindern, allen Schülern der Schule…
Aus dem angrenzenden Wohnhaus kommt eine Frau, die uns gesehen hat, um zu fragen, ob sie uns helfen kann. Das ist doch nett! Und ja, sie kann uns helfen, indem sie uns den Weg zum Campingplatz erklärt.
Diesen finden wir dann auch leicht, es handelt sich um eine winzige Wiese am etwas abgelegenen neuen Hafen. Ein kleines, sehr sauberes und bestens ausgestattetes Santärgebäude dient Campinggästen wir Seglern gleichermaßen als Anlaufstelle. Eine Rezeption gibt es nicht, dafür hängt ein Zettel aus, auf dem die Gebühren genannt werden - versehen mit dem Hinweis, diese bitte in einen der vorhandenen Umschläge zu legen und in einen Schlitz zu werfen. Selbst die Nutzung einer Waschmaschine wäre im Preis inbegriffen.
Wir stellen die Zelte auf und damit ist die Wiese dann auch wirklich voll, wäre noch jemand gekommen, das hätte ein Problem gegeben…
Am Hafen von Burravoe auf Yell. Dies ist der offizielle Campingplatz. Nun, da unsere beiden Zelte stehen, ist er auch voll ausgebucht...
Ein Schild weist darauf hin, dass ganz in der Nähe noch ein Vogelfelsen sein soll. Die Kinder sind nicht motiviert, diesen anzusehen, doch Claudia und ich machen uns auf den kleinen Spaziergang. Letztendlich sind wir eineinhalb Stunden unterwegs, haben an der imposanten Steilküste auch wieder zwei Papageitaucher beobachten können. Nicht zum ersten Mal ärgern wir uns, dass wir das Nikon-Fernglas zu Hause gelassen haben, hier wäre das wirklich toll gewesen.
Auch auf den Shetlands gibt es jede Menge Schafe
Papageitaucher am Vogelfelsen
Um halb neun kehren wir von der kleinen Wanderung zurück und machen uns in der "Cabrio-Apsis" - Front- und Seiteneingänge sind geöffnet - des Tunnelzelts and die Zubereitung eines Nudelgerichts.
Während unserer Wanderung haben die Mädels eine neue Variante von Phase 10 ersonnen, nämlich Phase 12. Wir probieren das dann mal aus und müssen feststellen, dass das an vielen Punkten nicht wirklich zu Ende gedacht und somit kaum vernünftig spielbar ist… Wir machen es trotzdem, die Mädels lachen sich tot…
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Dienstag 02.07.2012
Ich bin zeitig wach an diesem Morgen und während Claudia und die Mädels noch eine ganze Weile schlafen, koche ich mir bereits Tee und schreibe an meinen Tagebuchnotizen, welche in den Wochen und Monaten nach der Tour die Grundlage sein werden für diesen ausführlicheren Bericht.
Irgendwann im Herbst, Winter oder Frühjahr werde ich dann daheim sitzen, ebenfalls mit einer Tasse Tee. Vor mir auf den Monitoren sehe ich dann den Track in GoogleEarth, die Höhenprofile der Etappen, die statistischen Zahlen in der Exceltabelle, die Fotos und die schriftlichen Notizen. Ich werde wieder eintauchen in die Erinnerung an die sommerliche Reise und dann diese Zeilen tippen…
Irgendwann pellen sich auch die Ladies aus ihren Schlafsäcken und wir frühstücken gemeinsam auf der Wiese vor den Zelten. Johanna und Antonia lassen sich heute morgen leicht dazu motivieren, uns auf einem weiteren Spaziergang zu den Vogelfelsen zu begleiten. Abermals können wir Papageitaucher beobachten. Wir lassen uns Zeit und gehen an der Klippe hin und her. Zwischenzeitig taucht ein älteres schottisches Ehepaar auf; die beiden bringen jedoch nicht die ausreichende Geduld für die Vogelbeobachtung mit, beklagen sich, keine Puffins gesehen zu haben und sind schnell wieder verschwunden…
Mir fällt bereits während der kleinen Wanderung auf, dass der Wind auf Süd gedreht und an Intensität zugenommen hat - was nicht zu unseren Gunsten sein soll.
Am frühen Nachmittag verlassen wir die Bucht mit dem sympathischen kleinen "Campingplatz" und fahren die wenigen Kilometer zur Fähre, die uns dann wieder auf die Hauptinsel Shetland Mainland bringt. Ganz schön kalt ist es während der kurzen Überfahrt! Und als wir dann an Land rollen, beginnt unser Kampf mit dem Wind, der uns für den Rest des Tages mit Macht von vorne entgegenpusten wird. Auf dem Weg nach Voe ist zudem ein knapp zweihundert Meter hoher Hügel zu erklimmen, während ziemlich viel Autoverkehr an uns vorbeidonnert. Kurzum, keine besonders einladenden Verhältnisse… Ich sorge mich ein wenig um die Motivation der Mädels, wobei ich letztlich aber feststellen muss, dass sie sich wie so oft schon wirklich tapfer schlagen. In Voe legen wir am Rande der Hauptstraße im Windschatten eines Bushäuschens eine Pause ein, sind wir doch inzwischen ganz schön hungrig.
Und auch wenn die Bedingungen sich danach nicht ändern, weiterhin brausen viele Autos und LKW an uns vorbei (das stört mich persönlich eigentlich am meisten), weiterhin ist es ziemlich hügelig und auch der Wind büßt nicht an Intensität ein, so fällt das Vorankommen doch aus unerfindlichen Gründen etwas leichter. Am meiste staune ich über die Kinder, die diesen Umständen mit Humor und guter Laune begegnen - und schmutzige Lieder singen: irgendein echt unappetitlicher Song aus irgendeinem Film, den sie mal gesehen haben… gespickt mit fäkalsprachlichen Termini und anzüglichen Inhalten. Normalerweise würde ich derartiges nicht dulden, doch hier und heute lasse ich sie gewähren, wenn es denn hilft, den widrigen Verhältnissen des Vorankommens zu begegnen…
Mühselig also ringen wir dem Terrain Kilometer um Kilometer ab, kurbeln uns immer mal wieder einen Hügel hinauf, um schließlich kurz vor Lerwick zu stehen. Der Himmel verfinstert sich und es sieht böse nach Regen aus, eine ungemütliche Atmosphäre. Es bleibt aber trocken und so fahren wir bald wieder auf bekannten Wegen durch die kleine Stadt. Noch schnell eingekauft und die Vorräte aufgefüllt, dann stehen bald unsere Zelte. Erst jetzt setzt kräftiger Regen ein, perfektes Timing!
Es ist mittlerweile nach 21:00 und nach einer wohltuenden Dusche brät Claudia bis fast Mitternacht in der Apsis Pfannkuchen.
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Mittwoch, 03.07.2012
Ausschlafen! Um kurz vor zehn wecken wir Johanna, sie hatte gestern noch bei Wohnwagennachbarn ihr Smartphone zum Stromtanken abgegeben und will es nun wieder abholen. Nach dem Frühstück drehe ich eine Besorgungsrunde in den Ort, das eine oder andere ist zu erledigen.
So fahre ich zunächst zum Fährterminal, um Fahrkarten für die Weiterreise zu den Orkneyinseln zu erwerben. Diese schlagen noch einmal mit gut 110,- Euro zu Buche. Überhaupt, die diesjährige NSCR-Etappe soll die bislang teuerste werden, was vornehmlich an den hohen Transportkosten liegt. Gut 3000 Euro werden wir am Ende ausgegeben haben, wovon gut die Hälfte für Flüge und Fähren aufzuwenden gewesen ist. Der Person/ Reisetagindex liegt in diesem Jahr bei etwa 38 Euro (zum Vergleich: die günstigste Etappe war 2009 Deutschland mit 13 Euro).
Wie auch immer, der Herr am Fährterminal ist auf jeden Fall sehr nett. Er sagt, er käme von Orkney und fertigt mir sogleich noch eine Skizze an, wie wir am besten mit dem Rad vom Fähranleger zum Campingplatz kommen und versucht sogar, für mich ebendort anzurufen, da er es für möglich hält, dass der Platz ausgebucht ist. Allerdings erreicht er niemanden. Nun ja, wird schon schiefgehen! Ich bedanke mich recht herzlich und fahre weiter.
Nächste Station: ein Fahrradgeschäft, denn gestern Abend, als wir auf den Campingplatz rollten, da brach an Tonis Rad eine der Schrauben, welche den Sattel an der Sattelstütze fixieren. In einer Hinterhofwerkstatt hat man zwar kein Originalersatzteil, kann das ganze jedoch mittels Austausch der Schraube so reparieren, dass das Rad wieder fahrbereit ist - und das ganze sogar kostenlos! Der Mechaniker wünscht mir noch eine gute Reise und ich rolle vom Hof. Prima, ist das auch erledigt. Jetzt muss ich nur noch in die kleine Einkaufsstraße, um Postkarten und Briefmarken zu kaufen und um einen Geldautomaten zu finden, da unsere Bargeldreserven auch schon wieder erschöpft sind.
Als ich zurück am Campingplatz bin, ist es Zeit für ein zweites Frühstück und das Schmieren von Broten für unterwegs. Bevor wir uns ans Zusammenpacken machen, radele ich noch den schmalen Pfad hinauf auf den Hügel oberhalb des Campingplatzes, etwa 80 Höhenmeter, um Ausblick von dort oben über Lerwick zu genießen.
Blick über Lerwick. Heute abend wird uns eine
Fähre nach Kirkwall auf den Orkney-Inseln bringen
Bald sind alle Räder beladen und wir machen uns gemeinsam auf den Weg in die Stadt. Da wir noch einen kleinen Sightseeing-Spaziergang planen, schließen wir unsere Vehikel zentral an, und machen uns auf den Weg. So richtig viel gibt es allerdings nicht zu sehen: eine unspektakuläre Festung, die kleine Einkaufsstraße, ein paar Souvenirläden. Irgendwann ist es an der Zeit, dass wir uns zur Fähre begeben, um 16:30 soll diese in See stechen.
Da ich ja während der Einfahrt in die Bucht vor einer Woche unter Deck war, freue ich mich nun, dass ich wenigstens heute noch einmal in den Genuss komme, die Küste aus der seeseitigen Perspektive zu erleben. Es ist kalt, der Wind weht unvermindert, die Wolken hängen tief. In der Bucht vor Lerwick liegt eine monströse Ölplattform, sieht aus, wie die Kulisse für einen Endzeitfilm, hat so etwas Bedrohliches. Ich genieße natürlich eine Tasse Tee und vertilge nebenbei eine halbe Packung Ingwerkekse, während steuerbordseitig Shetland Mainland vorbeigleitet… und schließlich irgendwann am Horizont hinter uns verschwindet.
Es dauert nicht lange, da befällt uns alle eine latente Übelkeit, was nicht nur den Genuss der Fahrt sondern auch den Appetit deutlich mindert. Wir spielen Phase 10 im Salon, gehen immer mal wieder an Deck.
Erst, als wir nach vier, fünf Stunden Fahrt die Ornkeys erreichen und der Kahn zwischen den Inseln etwas Schutz findet, bessert sich unser aller Konstitution. Mit einem Mal kehrt der Hunger zurück und wir fallen über die Karotten und Stullen her, welche bislang im Rucksack geblieben waren…
Vom Hafen aus sind es etwa zweieinhalb Kilometer bis zum Campingplatz, welchen wir sicher auch ohne die Skizze des freundlichen Fährterminalmitarbeiters leicht gefunden hätten.
Der Andrang am Campingplatz ist in der Tat groß. Vor allem ein Kleinbus mit einem Haufen jugendlicher Freaks sorgt für etwas Aufregung bei dem älteren Ehepaar, welches den Campingplatz betreibt. Während Johanna und Antonia die (wirklich harmlos anmutende) Truppe total witzig finden, löst diese bei den Inhabern und einigen anwesenden "Campern" eher gewisse Ressentiments aus. Nachdem man also für die Jugendlichen einen möglichst abgelegenen Lagerplatz gefunden hatte und die Anspannung der älteren Dame an der Rezeption sichtlich nachgelassen hat, kann man sich unserer Anmeldung zuwenden. Ich muss schmunzeln…
Zum Abendessen schlagen wir uns die Bäuche mit Porridge voll…
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Donnerstag, 04.07.2012
In der Nacht prasselt es auf das Dach, kräftiger Regen geht nieder. Macht aber nichts, am Morgen ist es wieder trocken, sehr mild und zum Teil sogar sonnig.
Ich schlage vor, heute eine Umrundung der Insel ohne Gepäck vorzunehmen, das Zelt also hier in Kirkwall stehen zu lassen und erst morgen weiterzureisen. Claudia und die Kinder sind einverstanden, also packen wir nach dem Frühstück nur ein wenig Tagesgepäck ein: Regenzeug, Proviant, Kamera und das Fahrradreparaturset. Noch schnell eine zweite Nacht auf dem (teuren) Campingplatz gebucht, ein Einkauf im nahen Supermarkt und dann verlassen wir das kleine graue Städtchen Kirkwall zunächst nach Süden. Wir planen, die Hauptinsel Mainland im Uhrzeigersinn zu umrunden. Claudia hat bereits den Reiseführer durchforstet und auf der Karte interessante Spots eingetragen, die möglicherweise unterwegs sehenswert sind. Den einen oder anderen werden wir im Tagesverlauf während der gut neunzig Kilometer langen Tour ansteuern.
Ich bin neugierig, die Bucht Scapa Flow zu sehen. Der Name begleitet mich seit Kindertagen: meine Großmutter berichtete viel aus den Kriegsjahren - oft erzählte sie mir von den Bombennächten, welche sie in Kiel erlebte und so manches Mal eben auch die Geschichte von Günther Prien. Wie er aus dem Kieler Hafen auslief und von seinem "heldenhaften Eindringen" in die gut bewachte Bucht, wo er schließlich englische Schiffe torpedierte und unentdeckt wieder davonfuhr. Indiz für eine durchaus verklärte Sicht auf die historischen Ereignisse. Ich erinnere mich gut, dass das entsprechende Buch auch im Regal bei einigen anderen fragwürdigen Werken mit ähnlichen Themen stand.
Dem Reiseführer entnehme ich zudem die Geschichte aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, als dereinst die deutsche Kriegsflotte in der Bucht interniert wurde. Als sich 1919 abzeichnete, dass die Flotte in feindliche Hände fallen könnte, gab der verantwortliche Admiral den Befehl zur Selbstversenkung der 74 Schiffe.
Ein historisch also durchaus vorbelasteter Ort, den wir heute sehen. Irgendwann kommt die Bucht ins Blickfeld, schön anzusehen, umrahmt von den flachen Hügeln der Inseln dieses Archipels. Nichts erinnert an die dramatischen Ereignisse, die sich hier vor Jahrzehnten abspielten.
Die Insel erscheint uns grüner, von etwas lieblicherem Charakter, als die wilden, rauen Shetlands. Es gibt sogar Kühe und ab und zu einen kleinen Baum! Ein Stück weit folgen wir dem Verlauf der Südküste Mainlands, beschließen dann, von einem Besuch des Hafenstädtchens Stromness abzusehen, da wir denken, dass dann die Runde zu groß wird und da es sich routentechnisch nur recht umständlich mit dem Besuch der Steinsetzung Stones of Stenness verbinden ließe. Wir schwenken also irgendwann nach Norden ins Landesinnere, fahren entlang des Loch of Kirbister durch freundliches grünes Hügelland und gelangen schließlich zu den angepeilten Steinen. Seit über 5000 Jahren stehen die da rum und kein Mensch kann sich einen Reim darauf machen, wozu sie gut gewesen sein sollen. Heute dienen sie einer radelnden Familie aus Deutschland als Windschutz bei ihrer Mittagspause.
Ein kleines Stück weiter und wir sehen schon die nächsten alten Steine: den Ring of Brodgar. Diese Stätte ist stark von Touristen frequentiert und da wir ja soeben schon alte Steine gesehen haben, lassen wir sie im wahrsten Sinne des Wortes links liegen.
Ganz in der Nähe dieser Steine stürze ich, als ich in ein am Straßenrand befindliches, gut im Gras verstecktes Loch fahre, wo sich das Vorderrad verhakt, so dass ich halbwegs über den Lenker gehe und sehr unsanft mit dem Ellenbogen im rauen Asphalt lande. Eine unangenehme Prellung nebst Schürfwunde (durch die Jacke!) ist die Folge. Nichts ernstes also und auch dem Velo ist nichts passiert.
Wir können die Fahrt fortsetzen und gelangen am späten Nachmittag in die Nähe der Westküste von Orkney Mainland. Teilweise eröffnen sich grandiose Aussichten auf eine gewaltige Steilküste. In der Nähe der kleinen Ansiedlung Marwick verlassen wir die Hauptstraße und fahren hinunter zu einer Bucht, in deren Nähe sich ein weiterer Vogelfelsen befinden soll. Die Räder werden abgestellt und wir erkunden die Gegend auf einem kleinen Spaziergang. Spektakulär schön branden die Wellen an der Felsküste an, die Mädels möchten erst einmal eine Fotosession abhalten vor dem Hintergrund dieser Kulisse.
Ein Stück stiefeln wir dann entlang der Küste, tief unter uns rollen die Wellen heran, nicht weit von uns sehen wir einen alten Steinturm, das sogenannte Kitchener Memorial. Vögel gibt es natürlich auch wieder massenhaft, wobei die Felsen nicht ganz so gut einsehbar sind.
Auf Orkney unternehmen wir eine etwa hundert Kilometer lange Tagestour
ohne Gepäck und umrunden dabei die Hauptinsel
An der Ostküste der Orkney-Inseln
Ostküste Orkney. Vater und Tochter blicken auf die imposante Steilküste
Auf Orkney Mainland.
Den ganzen Tag bereits zeigt sich das Wetter wechselhaft - mal strahlend blauer Himmel mit nicht einer einzigen Wolke, dann wieder bedeckter Himmel und die ganze Zeit ein kräftiger Wind. Der Blick auf das Meer hinaus zeigt eine finstere Wolkenwand, bedrohlich und unheilvoll kommt sie auf uns zu - nun aber schnell zu den Rädern, schnell zu den Regenjacken!
Wir sind uns zu hundert Prozent sicher, dass wir gleich mächtig eins auf die Mütze bekommen… Doch nichts passiert! Der Wind verwirbelt alles, die Front löst sich auf, das gibt es nicht! Ein verrücktes Wetterspiel.
Wir setzen unsere Radfahrt fort, die Mädels ziehen es über weite Strecken deutlich hinter uns zu fahren. Das ist auch neu; im letzten Jahr haben sie das ab und zu mal gemacht, heuer kommt das sehr oft vor.
Es kommt dann sogar dazu, dass wir uns für einige Kilometer ganz trennen: Claudia und ich möchten im Nordosten der Insel noch einen Nebenstreckenschlenker ausfahren, wozu die Mädels keine Lust haben. Sie bleiben lieber auf der Hauptstraße und so treffen wir uns nach etwa einer Dreiviertelstunde wieder, als die beiden Routen sich wieder vereinigen. Ja, so groß sind sie mittlerweile!
Wir haben am Abend noch einen Abschnitt mit bösem Gegenwind zu bewältigen und erreichen irgendwann wieder unseren Lagerplatz. Hungrig sind wir und braten uns Frikadellen in der Apsis, das Abendessen dauert bis Mitternacht…
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Freitag, 05.07.2012
Wir sind zeitig auf den Beinen, die Mädels haben gerade mal wieder nichts anderes im Sinn, als das Aufladen ihrer Handyakkus - und da es in unserem Gepäck nur einen Adapter für die hiesigen Steckdosen gibt, ist das nicht das erste Mal Anlass für einen kleinen Zickendisput…
Am Morgen fallen noch einige Regentropfen, den Rest des Tages wird es sonnig und trocken sein. Um halb zwölf verlassen wir den Campingplatz und fahren durch Kirkwall (…eine ausgesprochen steile Rampe hinauf…), um auf die Ausfallstraße in Richtung der kleinen östlichen Inseln zu gelangen. Wir möchten heute schon wieder weiter, werden Orkney verlassen. Ein wenig blutet mir das Herz, hätte ich doch auch für diese Inseln gerne noch etwas mehr Zeit zum Entdecken gehabt. Nun ja, ich muss, wir müssen ja auch das große Ganze im Blick behalten und wenn wir im übernächsten Jahr wieder in Rotterdam sein möchten, dann sollten wir weiterfahren!
Die Inseln, über die wir nun fahren werden, bilden die östliche Begrenzung des "natürlichen Hafens" Scapa Flow. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs waren sie nicht miteinander verbunden, erst nach dem Überfall Günther Priens begann man hastig, ausgediente Handelsschiffe in den Engen zu versenken, um weiteren Uboot-Attacken vorzubeugen. Überreste dieser Wracks sind noch heute gut zu erkennen. In den folgenden Jahren errichtete man befahrbare Dämme zwischen den Inseln, die, von Norden nach Süden die Namen Chruchill Barrier 1, Churchill Barrier 2 etc. tragen.
Wracks von Schiffen, die hier im Zweiten Weltkrieg versenkt wurden,
um die geschützte Bucht von Scapa Flow vor
deutschen U-Boot-Angriffen zu schützen
Über ebendiese Dämme fahren auch wir heute und exakt an der Bucht, an welcher einst Prien nach Scapa Flow eindrang - eine sehr befremdliche Vorstellung im übrigen, machen wir heute Pause. Es gibt Tee und Kekse, während die Kinder es sich nicht nehmen lassen, ihre Bikinis anzuziehen und ins Wasser zu springen. Doch auch, wenn es türkis und kristallklar aussieht, wie am Strand von Skiathos, so ist das Meer doch eisig kalt. Ich sehe von einem Bad ab und auch Claudia ist nicht motiviert, es den Mädels gleich zu tun.
Die südlichste Insel der Kette heißt South Ronaldsday, sie ist zugleich die größte. Viel Verkehr herrscht hier nicht mehr, die Fähre an der Südspitze ist nur für Radfahrer und Fußgänger gedacht, nennenswerte Ortschaften gibt es nicht - tolle Radelbedingungen also!
Der Hafen ist entsprechend winzig und bei unserer Ankunft wie ausgestorben. Wir sind sehr hungrig und halten erst einmal ein ausgiebiges Picknick ab, während uns die Sonne auf den Pelz brennt, es ist regelrecht heiß!
Irgendwann kommt der kleine Kahn, schnell sind unsere Vehikel vertäut. Über 70 Euro müssen wir für die etwa 45-minütige Passage aufwenden, ich finde das reichlich unverschämt, da wird doch mal wieder eine Monopolstellung schamlos ausgenutzt…
Orkney liegt nun hinter uns, ein letztes Mal geht der Blick zurück auf die großartige Steilküste. Irgendwie habe ich das Gefühl, der Urlaub sei nun vorüber. Das Verlassen der Inseln und die Überfahrt ans "Festland" stellen eine Zäsur dar auf dieser Sommerreise. Ein neues Kapitel soll jetzt beginnen.
Wir verlassen Orkney. Am Horizont ist das schottische Festland
bereits als schmaler Streifen auszumachen.
John O'Groats, der nördlichste Zipfel der Britischen Insel
Schnell nähert sich die Küste Schottlands. Sahen wir zunächst nur einen schmalen Landstreifen am Horizont, so gibt der Dunst nach und nach immer mehr Konturen und Details preis. John O'Groats ist ein kleiner, unspektakulärer und eher schmuckloser Hafenort. Nein, von Ort zu sprechen, wäre übertrieben, vielmehr handelt es sich um eine Ansammlung einiger Häuser, die in der Hauptsache eine touristische Bedeutung haben. Und auch einen Hafen gibt es nicht wirklich, viel mehr als ein kleiner Anleger ist das kaum. Der "Ort" ist der vermeintlich nördlichste Britanniens und somit Anziehungspunkt für Ausflügler verschiedenster Couleur. Auch die legendäre Radstrecke "Land's End to John O'Groats" nimmt hier ihren Anfang (oder findet ihr Ende…).
Wir planen keine Weiterreise, sondern rollen umgehend auf den Campingplatz, welcher sich quasi direkt neben dem Anleger befindet.
Nach der Zeltaufbauroutine äußere ich meine Absicht, noch einen kleinen Ausflug zu einem nahen Leuchtturm zu unternehmen, welchen ich von der Fähre aus entdeckt hatte. Johanna und Antonia sind nicht motiviert, Claudia schließt sich mir an. So radeln wir die etwa drei Kilometer nach Osten durch grünes Hügelland. Der Leuchtturm ist schön anzusehen, die ihn umgebende Landschaft erst recht! Steile Klippen, Vögel über Vögel, Schafe auf den Wiesen. Wunderschön ist das Abendlicht und wir spazieren eine ganze Weile umher, akustisch untermalt ist die Szenerie vom ewigen, lauten Kreischen der Möwen, Lummen, Eissturmvögel und Alken, olfaktorischer Reiz ist der immer mal wieder hinaufwehende, beißende Geruch von Vogelkot an den Felsen.
Unweit von John O'Groats, wo wir übernachten, liegt Duncansby Head, eine wunderbare Steilküste mit zahllosen Vögeln. Ziel für einen kleinen Ausflug am Abend.
Duncansby Head
Wir halten uns deutlich länger auf, als eigentlich geplant, denken dann aber irgendwann, dass es an der Zeit ist, mal wieder zu den Kindern zurückzukehren. Das machen wir dann auch und: finden sie schlafend vor!
Um ihnen die Teilnahme am Abendessen anzubieten, wecken wir sie noch einmal…
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Samstag, 06.07.2012
Wir sind einigermaßen zeitig wach, um viertel vor acht koche ich bereits Tee. Als wir um halb neun dann die Mädels wecken, ernten wir genervte Beschwerden…
Die Sonne scheint, es ist windig und der Himmel zunächst fast wolkenlos. Um kurz vor elf, so früh, wie selten, verlassen wir den Platz und bevor wir westwärts dem Küstenverlauf folgen werden, wird noch ein Zwischenstopp an einem kleinen Hofladen eingelegt. Claudia und ich hatten diesen am Vorabend auf unserem Ausflug zum Leuchtturm entdeckt und dort Brot gekauft. Nun füllen wir unsere Vorräte auf mit frischen Gemüse und Kuchen aus dortiger Heimproduktion. Die Kinder erfreuen sich zudem an einigen Eseln, welche an der Grundstückszufahrt des Bauernhofes auf einer eingezäunten Wiese wohnen.
Wir drehen in den Wind, der das Vorankommen zwischenzeitig etwas beschwerlich macht, schauen wir nach rechts, so geht der Blick hinauf auf das Meer, am Horizont ist noch für eine ganze Weile Orkney zu erkennen. Die Landschaft ist reizarm: relativ plattes Land, feuchte Wiesen, Ginsterbüsche. Mich beschäftigt zunehmend wieder die etwas belastende Frage, ob wir es wohl bis Aberdeen schaffen werden oder doch nur bis Inverness fahren sollen. Acht Tage haben wir Zeit, etwa 550 km liegen vor uns - klingt eigentlich machbar. Doch darf man Faktoren wir Wind und Relief nicht außer Acht lassen!
Meine Stimmung ist seltsam am heutigen Tag, ganz anders, als auf den kleinen, beschaulich-entrückten Inseln im Norden. Und auch wenn wir heute zumeist auf sehr verkehrsarmen Nebenstraßen unterwegs sind, so ist das Grundgefühl ein anderes. Alles kommt mir irgendwie ungemütlich vor, so groß und unüberschaubar das Land, welches sich nach Süden "unter uns" erstreckt, dazu noch der "Nun ist der Urlaub vorbei-Aspekt". Als mir in der quirligen Kleinstadt Thurso ein Mercedesfahrer - absichtlich oder versehentlich? - eine Scheibenwischwasserdusche verpasst, passt das nur zu gut in mein Stimmungsbild. Werde mich noch daran zu gewöhnen haben, dass wir nun auf dem Festland unterwegs sind.
Auch heute wieder halten die Kinder oft großen Abstand zu uns, manchmal, vor allem in unübersichtlicher Umgebung, halten wir an, und lassen sie herankommen. Falls sie mal eine Panne hätten, so müsste ich zu ihnen zurückfahren, denn das Werkzeug habe immer ich an Bord.
Westlich von Thurso wird das Terrain etwas welliger, die Landschaft dünenartig. In Reay wollten wir eigentlich eine Eispause einlegen, doch der kleine Dorfladen hat leider bereits geschlossen. Ein paar Kilometer legen wir noch zurück, erreichen dann am Abend den Ort, naja, die Häuseransammlung Melvich, wo sich auch ein kleiner Campingplatz befindet. Von den umliegenden Hügeln weht ein ungewöhnlich eisiger Wind herab, als wir unser Lager errichten und den Abend routinemäßig mit der Bereitung einer Mahlzeit (viele Karotten, Kartoffelpü, Würstchen, Frikadellen, Schokokeksen) und einer langen Spielerunde ausklingen lassen.
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Sonntag, 07.07.2012
Auch an diesem sonnigen Morgen ernte ich wieder Genervtheit von den jungen Damen, weil ich sie "so früh" wecke. Es ist fast windstill, so dass uns, was ja wirklich erfreulich selten vorkam bis jetzt, ein Schwarm Midges das Leben schwer macht.
Der Wind frischt auf, pustet uns entgegen, als wir noch deutlich vor elf Uhr in die heutige Etappe starten. Die Landschaft ist wesentlich abwechslungsreicher, das heißt auch: hügeliger, als tags zuvor. Immer wieder zeigen sich Buchten mit schneeweißen Stränden zwischen den Felsen. Kleine Ortschaften, Kirchlein, Friedhöfe liegen an der Strecke. Ein wenig überschattet wird diese Idylle durch das Wissen, dass nur wenige Meilen von uns entfernt an der Küste - wir konnten es aus der Ferne erblicken - das stillgelegte Nuklearversuchsgelände Dounreay liegt, welches in seiner langen Geschichte seit den 1950er Jahren auch den einen oder anderen Störfall zu verzeichnen hatte…
Im kräftigen Gegenwind arbeiten wir uns so manche Rampe hinauf. Schilder am Wegrand, welche dem motorisierten Verkehr vor den Kurven eine Warnung sein sollen, kommen mir vor, wie blanker Hohn: "Slow down!" - viel langsamer kann ich nicht!
Die Kinder schrauben sich tapfer und klaglos die Hügel hinauf. Als wir an einem Anstieg von einem Soloradler etwa meines Alters überholt werden, heften sich die Kinder an sein Hinterrad und folgen ihm. Schließlich kommen sie mit ihm, einem etwas durchgeknallten Briten, ins Gespräch. Etwas später treffen Claudia und ich auf die drei, wie sie plaudernd am Wegesrand stehen. Schräger Vogel, macht noch ein, zwei Bilder von uns und zieht von dannen…
Die Schönheit der Landschaft, das sonnige Wetter und die insgesamt gute Stimmung an diesem Tag machen es mir leicht, mich daran zu gewöhnen, dass der Urlaub eben noch nicht vorüber ist. Schon nach wenigen Stunden auf dem nordschottischen Festland freut es mich, zu erkennen, dass nicht nur auf den Inseln, sondern auch hier das Reisen seine Reize hat.
Die nördlichen Ausläufer der schottischen Highlands. Karg, wellig, verkehrsarm
Wir folgen dem Küstenverlauf über Bettyhill bis Torrisdale Bay.
Nun führt uns unser weg nach Süden in die Highlands
Wir erreichen Bettyhill, wo wir in einem kleinen, teuren Supermarkt einen Einkauf erledigen, um dann die Fahrt fortzusetzen. Kurz hinter dem Ortsausgang wendet sich die Straße nach Süden, sie folgt nun einem Fluss, welcher hier in den Atlantik mündet. Einige alte Häuser stehen am Ufer, an der Küste lässt sich ein breiter Strand ausmachen, die Sonne scheint, welch Schönheit! Diese Strecke stellt eine Variante des NSCR dar, ob nun eine "offizielle", das weiß ich gar nicht so genau, aber das macht auch nichts. Die Hauptroute hätte uns noch für einige Kilometer weiter auf der Hauptstraße in westliche Richtung fahren lassen, um erst bei dem Ort Tongue nach Süden zu schwenken. Wir wählen jedoch diese Variante, da sie im Reiseführer als durchaus attraktiv und verkehrsarm beschrieben ist - Eigenschaften, die wir bestätigt finden.
Die Richtungsänderung hat den positiven Effekt, dass wir den Wind nun eher zu unseren Gunsten haben, was das Fahren wesentlich erleichtert und angenehmer macht. Und überhaupt ändert sich der Charakter der Landschaft, als wir nun diesem Fluss folgen. Motorisierten Verkehr gibt es sehr wenig auf dieser Nebenstrecke, freundlich windet sich die Straße durch die Hügellandschaft - wir sind in den Schottischen Highlands!
Für die Mädels gibt es immer etwas zu entdecken...
In den Highlands
In den Highlands
Hunger macht sich bemerkbar, so dass wir uns eine schöne Stelle am Ufer des Flusses suchen und eine ausgiebige Pause einlegen. Da ich dieses pappige Weißbrot nicht mehr sehen konnte, habe ich mir mal eine Packung Müsli gekauft, wovon ich direkt eine üppige Portion verspeise. Wir bleiben lange, die Kinder spielen noch im Fluss - ich denke bei mir, wie schön! - und bin mal wieder bestätigt, was für eine tolle Idee das NSCR-Projekt ist. Erleben die Kinder doch Dinge, die sie in keiner mediterranen Hotelanlage würden sehen können…
Die Sonne scheint weiterhin, der Wind kommt freundlich von hinten, das erste Mal in diesem Sommer fahre ich in kurzer Hose, es ist doch deutlich zu spüren, dass wir nicht mehr so weit im hohen Norden unterwegs sind; haben uns schon etwa zwei Breitengrade auf dem Erdball "hinabgearbeitet"! Leicht und heiter geht es voran, die Höhenmeter machen sich wir von selbst. Johanna und Antonia sind wieder oft weit hinter uns, vertragen sich gut. Es steht die Möglichkeit im Raum, einen Campingplatz am Weg anzusteuern, doch regen die Ladies von sich aus an, bei diesen tollen Bedingungen noch weiterzufahren bis Lairg. So wird es kommen, dass wir am Ende des Tages mit 96 Kilometern und 981 Höhenmetern nicht nur die längste und welligste Fahrt dieses Sommers, sondern aller bisherigen Etappen auf dem NSCR gemacht haben! Das bedeutet ganz nebenbei auch, dass das Erreichen Aberdeens nun als ernsthafte und problemlos zu realisierende Möglichkeit erscheint.
Die Fahrt ist weiterhin wunderbar. Offenes Land wechselt mit Nadelwäldern, klar ist die Luft, kräftig das Licht - ein wenig Alaska-Feeling bzw. Norwegen-Erinnerung. Wir fahren über viele Kilometer entlang des Loch Naver, ein langes, schmales Gewässer links unserer Straße, bevor wir dann schließlich wieder auf die Beschilderung des "offiziellen" NSCR stoßen. Ungefähr bei Kilometer 70 wird es noch einmal anstrengend: knapp dreihundert Meter erhebt sich ein Hügel auf unserem Weg. Alle erreichen wir am Ende guter Dinge den "Gipfel", wo eine ausgiebige Picknickpause fällig ist.
Anschließend führt die Straße über etwa 20 Kilometer sanft bergab. Die Sonne zaubert ein wunderbar freundliches Abendlicht, der Wind weht weiterhin zu unseren Gunsten - Radreiseidyll vom Feinsten!
In Lairg ist schnell der Campingplatz gefunden, um 21:00 klingeln wir den Warden aus seinem Wohnhaus. Einige andere deutsche Radreisende haben hier ebenfalls ihr Lager aufgeschlagen.
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Montag, 08.07.2012
Wir stehen früh auf (ein weiteres Mal nicht unbedingt zur Freude unserer Töchter), da wir bislang davon ausgehen, dass die Fähre von Nigg nach Cromarty, welche heute auf unserer Wegstrecke liegt, nur bis 18:00 in Betrieb ist - und die möchten wir auf jeden Fall erreichen.
Es ist der 8. Juli, Muttis Geburtstag, also telefonieren wir nach dem Frühstück erst mal ein Weilchen mit ihr und gratulieren zu 71sten. Sie sind natürlich wieder auf Sylt im Wohnwagen und genießen den Sommer an der Nordsee.
Das Wetter ist wunderbar, wieder können wir uns an einem stahlblauen Himmel und viel Sonnenschein erfreuen, Claudia merkt im Tagesverlauf mehr als einmal an, dass ihr das schon zu heiß ist. Bereits um viertel nach zehn verlassen wir Lairg und das Genussradeln vom Vortag setzt sich nahtlos fort. So manches Mal denke ich daran, wie sehr ich mir das im Februar in Island oder auch auf den garstigen Paddeletappen in den vergangenen Jahren gewünscht hatte - sich einfach gemütlich treiben lassen, kaum Wind, Trockenheit, nicht frieren müssen. So sehr es mich ja auch immer wieder in schroffere, lebensfeindlichere Umgebungen zieht, in diesen Tagen erfreue ich mich an den lieblichen Bedingungen!
See bei Lairg im Norden Schottlands
Nach gut zehn Kilometern gelangen wir zu den "Falls of Shin", kleine Fälle bzw. Stromschnellen in dem Gewässer - dem River Shin, welches seit einer Weile neben unserer Straße sprudelt. Wir stellen unsere Räder ab und stiefeln ein paar Meter in den Wald hinein, um einen Blick darauf zu werfen: nicht spektakulär, aber recht nett anzusehen.
Die "Falls of Shin" südlich von Lairg
Später wechselt der NSCR die Flussseite, so dass wir eine große, alte steinerne Eisenbahnbrücke überqueren müssen. Dies allerdings nicht auf "normalem Weg", sondern über ein nach unten durchsehbares Gitterrost, welches neben dem alten Gemäuer angebracht ist.
Irgendwann kommen wir auf eine größere Straße, da ist es dann vorerst vorbei mit dem Genussradeln, ein endloser stinkender und lärmender Auto- und LKW-Tross rast an uns vorbei. An das Linksfahren haben wir uns übrigens inzwischen alle gut gewöhnt, das geht wie selbstverständlich, auch bei den Mädels.
Ich bin nicht so richtig in Form heute, brauche eine Pause, als wir nach zweieinhalb Stunden bereits 35 Kilometer zurückgelegt haben. Bin etwas unterzuckert, so dass es mir sogar egal ist, dass der Pausenplatz direkt im Gras neben der ollen Straße liegt…
Wir erreichen Tain, einen kleinen Ort auf der Strecke, Gelegenheit für einen Einkauf. Von dort aus geht es auf einer kleineren Straße weiter bis Nigg, wo wir rechtzeitig die kleine Fähre erreichen, die uns auf die gegenüberliegende Seite, namentlich nach Cromarty bringen wird. Die Fähre ist auch wieder eine Besonderheit: auf der kleinen Ladefläche ist eine kreisrunde Drehscheibe eingelassen, mittels welcher die maximal vier PKW passend verschoben werden können, so etwas habe ich auch noch nicht gesehen. Und der etwas durchgeknallte Fährmann hat es auch echt drauf, die Fahrzeuge zentimetergenau einzuparken.
20 Pfund kostet uns die Überfahrt, eine Möwe fährt als blinder Passagier mit, der Fährmann scherzt, wir seien wohl die ersten Schottland-Urlauber, die einen Sonnenbrand mit nach Hause nehmen…
Wir kurven durch die engen Gassen von Cromarty, überlegen kurz, ob wir hier schon eine Kuchenpause einlegen sollen, beschließen dann aber, noch ein paar Kilometer weiter zu fahren. Einen steilen Hügel geht es am Ortsausgang hinauf, dann windet sich die Landstraße durch eine Landschaft, die ohne weiteres so auch in Dänemark liegen könnte, sanfte Hügel, weite Felder, ab und zu ein Bauernhof.
Wir finden am Straßenrand eine Wiese mit schattenspendenden Bäumen, wo wir uns für die Pause niederlassen. Wir sprechen über das noch vor uns liegende Wegstück bis zur "Delfinbucht", unserem Tagesziel Rosemarkie und ich scherze "dann werden wir gleich sicher noch mal 260 Meter hoch fahren", denke dabei an die Etappe vorgestern, als uns am späten Nachmittag noch ein solcher Hügel überraschte…
Was mir nicht klar ist, es wird fast genauso kommen! Auf immerhin 210 hm arbeiten wir uns hinauf, das ist echt noch mal ein bisschen Arbeit, haben von dort oben jedoch einen wunderbaren Blick auf den Moray Firth, jenen Fjord, welcher bis Inverness in das Land einschneidet und an welchem unser Tagesziel liegt. Die Abfahrt ist rasant, sehr flott erreichen wir Meeresniveau. Da wir uns in unserer Restkilometerkalkulation verrechnet hatten, freuen wir (vor allem die Kinder) uns, dass wir nicht noch 15 km vor uns haben, sondern nun schon unser Ziel erreicht haben.
Um 19:00 rollen wir auf den Campingplatz. 31 Pfund, immerhin fast 37 Euro sollen wir berappen, so die erste Ansage. Als sich im Verlauf der Anmeldemodalitäten allerdings herausstellt, dass wir ja gar kein Auto dabeihaben, reduziert sich der Preis plötzlich auf nur noch 20,10 Pfund, das klingt doch schon besser!
Der Platzinhaber weist uns auf die Delfine hin, die man hier angeblich beobachten kann. Mit der auflaufenden Tide werden kleine Fische in den Fjord getrieben, denen die (angeblich recht seltenen) Bottlenose Dolphins folgen, vom Strand aus könne man sie gut sehen, es sei gleich wieder so weit, er empfehle uns, nach dem Aufstellen der Zelte mal die Landzunge aufzusuchen.
Das machen wir dann auch. So ganz viel verspreche ich mir zwar nicht davon, denke, vielleicht haben wir Glück und sehen mal einen Delfinnase, doch glaube ich nicht wirklich daran. Wir radeln also die etwa zwei Kilometer bis zur Spitze - und ich staune nicht schlecht, als wir schon von weitem gleich mehrere Flossen in unmittelbarer Strandnähe kreisen sehen, Wahnsinn!
Die Tiere springen manchmal aus dem Wasser empor oder sie schnappen sich einen dicken Fisch, dabei ist immer wieder das schnaufende Prusten zu hören, wenn sie Luft aus ihrem Blasloch pressen. Nur wenige Menschen stehen am Strand und beobachten das Spektakel, einige haben monströse Kameras vor der Nase… und ich ärgere mich einmal mehr, dass ich meine Nikon zu Hause ließ…
Moray Firth bei Rosemarkie.
Mit der Tide werden Schwärme von Fischen in den Fjord getrieben - gefolgt von Scharen von Delfinen, welche sich vom Ufer aus vortrefflich beobachten lassen.
Delfin vor der Küste von Rosemarkie
Ziemlich lange schauen wir den Tieren zu, bevor wir dann gemeinsam hungrig zurück zu den Zelten fahren.
Es gibt Kartoffelpüree, frisches Gemüse (habe in diesen Tagen regelrecht Heißhunger darauf, ganz ungewohnt, kannte ich sonst immer nur in Bezug auf Obst) und Frikadellen - die so scharf sind, dass ich sie kaum essen kann… Dabei sahen sie so lecker aus.
Als alle schon in den Betten liegen, mache ich mich noch mal alleine auf den Weg an den Strand, habe noch ein Stück Kuchen übrig, welches ich bei einer Tasse Tee genieße, während ich auf den nächtlichen Fjord blicke.
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Dienstag 09.07.2012
Toni, die uns eigentlich wecken sollte, schläft nach dem Klingeln ihres Handys leider wieder ein, so dass wir später als geplant noch einmal zu den Delfinen kommen. Um neun Uhr pellen wir uns aus den Schlafsäcken und steigen quasi direkt auf die Räder, um noch einmal die Tiere zu sehen. Zu lange wollen wir nicht warten, denn irgendwann ist das Zeitfenster vorüber. Ein weiteres Mal ist es toll, dem Spektakel zuzusehen, dieses Mal steht auch die Sonne anders, die Delfine springen gegen das Morgenlicht aus den Fluten.
Schließlich lässt mit fortschreitender Tide die Aktivität im Wasser nach und unsere Mägen beginnen mächtig zu knurren, so dass wir zurück zum Campingplatz fahren und uns ein schattiges Plätzchen zum Frühstücken suchen.
Es ist wieder Hochsommer in Schottland - man kann wohl sagen, dass wir unverschämtes Glück haben mit dem Wetter… Ich erinnere mich an 2006, als ich mit Claudia hier oben unterwegs war, da hatten wir auch zumeist sommerlich-sonnige Bedingungen. Ist es möglicherweise ein böses, hartnäckiges Gerücht, dass es in Schottland immer nur regnet, nasskalt und nebelig ist?
Ich nutze die Gelegenheit, hier das erste Mal ins Meer zu springen, Johanna und Antonia folgen mir schnell, Claudia zieht es vor, an den Zelten zu bleiben. Ist schon ziemlich erfrischend…
Um halb drei verlassen wir den Campingplatz, zehn Kilometer an der stark befahrenen, nicht besonders breiten Küstenstraße liegen vor uns, bevor die Wegführung uns wieder auf nette Nebenstrecken lenkt. In geschlossener, disziplinierter Viererformation bewältigen wir das Wegstück zügig, macht allerdings keinen Spaß. Wir bewegen uns nun direkt auf Inverness zu, eine mit etwa 50.000 Einwohnern etwas größere Ansiedelung. Hätten wir noch etwas mehr Zeit, könnte der Ort Ausgangspunkt sein für einen Ausflug zum legendären Loch Ness, doch das lassen die gegebenen Umstände leider nicht zu.
Auf den Nebenstrecken lösen wir die Viererformation wie üblich auf, was heute leider dazu führt, dass Claudia einen Abbiegehinweis übersieht und wir uns verlieren. Es kostet einige Zeit und Nerven, bis wir alle wieder beisammen sind.
Als wir in Inverness am Fluss einen schattigen Platz entdecken, verordne ich der Gesellschaft eine Pause, die letztlich auch wirklich gut tut. Wir schlagen uns die Bäuche voll mit Obst, Karotten, Broten und Schokoriegelchen. Die Beschilderung des Radweges ist - das fällt uns nicht erst heute auf - insgesamt exzellent, man könnte hier in Schottland auch problemlos ohne Karte und GPS unterwegs sein. So finden wir auch völlig problemlos durch die quirlige Stadt, welche sicher grundsätzlich noch einen Besuch wert gewesen wäre. Nun ja, für uns genießt das Erreichen Aberdeens Priorität, so dass wir nur hindurch fahren. Eine ganze Weile noch geht es dann durch recht noble Vororte mit wuchtigen Villen, bis wir schließlich wieder durch Felder und Wiesen fahren.
Die Strecke ist sehr schön, wenngleich durchaus anspruchsvoll: so manche steile Rampe liegt auf dem Weg und will erklommen werden. Dann gibt es Abschnitte, die hügelig und waldig sind und mich teilweise glauben lassen, ich sei im Harz… Auch sehr schön: wir unterqueren das gut hundert Jahre alte Nairn Viaduct, eine über 500 Meter lange Steinbrücke aus der frühen Ära der Schottischen Eisenbahnen.
Immer wieder begegnen wir architektonischen Relikten ehemaliger
Eisenbahntrassen: hier unterqueren wir die Culloden Bridge
(auch bekannt als Nairn Viaduct) unweit von Inverness
An den besonders steilen Anstiegen bin ich in diesem Jahr ab und zu genervt vom hohen Gewicht meines Rades und auch von dem Rucksack, den ich ja die ganze Zeit auf dem Rücken trage. Wie könnte ich Abhilfe schaffen? Vielleicht doch eine kleine Lenkertasche wenigstens für die Kamera montieren? Den Kindern auch Vorderradtaschen anbauen, um das Gesamtgewicht gleichmäßiger zu verteilen? Mal sehen, endgültig werde ich mir erst im kommenden Frühjahr darüber Gedanken machen müssen.
Am Abend, als wir auf den schmucklos anmutenden Ort Nairn zurollen, ziehen Wolken auf. Kurz müssen wir suchen und uns erkundigen, um den Campingplatz zu finden. Dieser ist dann ein riesiges Holiday Resort mit Animationsgelände und zahllosen Mobile Homes. Zelten ist nicht wirklich vorgesehen und fast sieht es so aus, als würden wir hier keine Bleibe finden. Doch dann wird uns doch noch eine kleine, harte und staubige Fläche zugewiesen. Die Sanitäranlagen sind primitiv und nicht besonders sauber, scheinbar haben alle Gäste ihre eigenen Badezimmer in ihren riesigen Blechschachteln… Viele Gäste machen einen recht prolligen Eindruck.
Bleibt festzustellen, dass dies der mit Abstand grottigste und dabei auch der mit Abstand teuerste Platz ist, auf dem wir in diesem Sommer übernachten: fast vierzig Euro haben wir aufzuwenden. Wir bereiten das Abendessen in der Apsis zu, da wir keine Lust haben, wie auf dem Präsentierteller am Straßenrand zu sitzen, während andauernd andere Platzgäste vorbeispaziert kommen. Es gibt Nudeln und bergeweise Karotten…
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Mittwoch, 10.07.2012
Wir schlafen lange an diesem ungeliebten Ort, selbst Johanna ist zufrieden, da sie bis 10:00 pennen kann… Sie sagt tatsächlich, sie habe ausgeschlafen, wow!
Auch das Frühstück nehmen wir wieder im Zelt ein, haben keine Lust, uns von den zahlreichen Passanten angaffen zu lassen. Bevor wir am frühen Nachmittag diesen Flecken endgültig verlassen, drehen wir noch eine kurze Runde in Richtung Strand und schauen einmal über die Dünen. Breit und weit und lang und menschenleer präsentiert sich die Sandfläche. Das erklärt immerhin, warum an diesem Ort so ein "Ferienparadies" errichtet wurde.
Die Fahrt heute gerät unspektakulär, die Landschaft ist irgendwie so gar nicht schottisch, vielmehr erinnert es mal wieder an Dänemark oder Schleswig-Holstein. Einzig die Gestalt der Bauernhäuser mit ihren typischen, an der Stirnseite des Gebäudes mittig aufgesetzten Kaminschachts ist ein Indiz dafür, dass wir uns eben doch nicht in Kontinentaleuropa sondern im Norden Groß Britanniens befinden…
Auch heute wieder sind wir ganz begeistert von der lückenlosen und zuverlässigen Beschilderung des NSCR - sogar durch eine Großbaustelle hindurch werden wir präzise gelotst. Auch die Art und Auswahl der Straßen ist fantastisch, meist finden wir guten Belag vor und wenig motorisierten Verkehr.
Bei Lidl erledigen wir unterwegs unseren Einkauf - wir haben inzwischen festgestellt, dass es dort die besten Brote und Brötchen gibt. Da ist ja ansonsten das Angebot eher bescheiden, will sagen, man findet ausschließlich pappige Weißbrotderivate, die weder schmecken noch satt machen. Ich habe es mir ohnehin seit Tagen zur Gewohnheit gemacht, zum Frühstück nur noch Müsli und Obst zu essen, das schmeckt wenigstens, ist nahrhaft, macht satt und wahrscheinlich auch etwas gesünder, als das hiesige Brot.
Um 16:00 legen wir auf einer Wiese eine ausgiebige Mittagspause ein, suchen uns wieder ein schattiges Fleckchen unter einem Baum. Auch heute wieder beglückt uns die Sonne, Wolken werden kaum gesichtet. Es ist etwas kühler, als an den Tagen zuvor und ein leichter, nicht störender Wind weht. Insgesamt also wieder sehr gute Bedingungen.
Am frühen Abend führt uns der Weg wieder unmittelbar an die Küste, wir folgen einer ehemaligen Bahnlinie, kommen dabei auch über eine alte Stahlbrücke, die die Mädels erst einmal für eine ausgiebige Fotosession als Kulisse nutzen.
Die Fahrt entlang der Küste ist schön, weiches Abendlicht, der Geruch des Meeres. Wir kommen durch Ortschaften, die etwas heruntergekommen wirken, Menschen sind kaum auf den Straßen zu sehen. Der Ort Buckie zieht sich ziemlich in die Länge. Irgendwann erreichen wir den ersten potenziell für eine Übernachtung in Betracht gezogenen Campingplatz, doch sagt er uns nicht zu. So fahren wir noch ein Stück weiter, steuern den Platz im nahen Örtchen Findochty an. Am Schlagbaum prangt ein Schild "We're full", was zunächst nichts Gutes erahnen lässt, ich denke schon bei mir, dass wir gleich wieder zurückfahren werden.
Kleine Brücke im Abendlicht
Blick auf den Küstenort Findochty
Unser Lager auf dem Campingplatz von Findochty
Doch für zwei Zelte ist noch Platz, sehr freundlich werden wir aufgenommen. Wunderbar, auf dem Weg zu unserer Wiese entdecken wir direkt wieder eine Delfinflosse im Meer unterhalb der Felsen, klasse.
Die Dusche tut gut und dann nutzen wir den schönen Abend, sitzen draußen auf den Isomatten und futtern Wraps - hatten wir in diesem Jahr noch gar nicht und wurde schon so manches Mal von den Kindern gewünscht. Anschließend eine Partie Phase 10, die schließlich erst um 01:00 endet.
Interessanterweise erlebten wir hier einen Sonnenuntergang über dem Meer - damit hätte ich erst wieder 2015 in Frankreich oder Belgien gerechnet!
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Donnerstag 11.07.2012
Schon früh am Morgen wird es sehr warm in den Zelten, was die Mädels dazu veranlasst, bereits um halb sieben aufzustehen, abzubauen und all ihren Kram komplett einzupacken. Manchmal sind sie etwas verrückt…
Ich schlafe unruhig, träume allen möglichen Schwachsinn, ein Velociraptor kommt vor und ein brennender Betrunkener, der von seinen Kumpels ignoriert wird; erst ich ersticke die Flammen mit einer Jacke. Komischer Kram mal wieder.
Gegen acht holen uns die Mädels aus dem Zelt, wir frühstücken und sichten auch an diesem Morgen noch einmal Delfine im Meer. Die Küste ist von mediterraner Anmutung, das Wetter trägt seinen Teil dazu bei, es ist abermals wolkenlos und sonnig. Johanna und Antonia verbringen eine gefühlte Ewigkeit auf den Felsen und machen Fotos, die, wenn man sie anschaut, so auch auf Kreta hätten aufgenommen sein können.
Erst um halb zwei sitzen wir schließlich auf den Rädern und rollen ostwärts über sehr schöne Streckenabschnitte, teilweise führt ein kleiner Pfad direkt oberhalb der Steilküste entlang. Abermals gebührt den Machern der hiesigen NSCR-Abschnitte großes Lob!
An der schottischen Küste
Cullen, Nordküste Schottlands
Im Verlauf wendet sich die Strecke von der Küste ab und zieht ins Landesinnere. Nun radeln wir wieder durch unspektakuläre Landschaften, alles wieder SH-mäßig: sanfte Hügel, Felder und Wiesen.
Wir erreichen nach nicht einmal zwanzig gefahrenen Kilometern den Küstenort Portsoy, wo wir anhalten, um endlich Briefmarken für die fertigen Postkarten zu erwerben. Gelegenheit, auch direkt ein Eis zu kaufen und auf der gegenüberliegenden Kirchenmauer sitzend eine Pause einzulegen. Um die Ecke parkt ein PKW mit Seekajaks auf dem Dach ein, ein Paar mittleren Alters steigt aus. Die beiden sprechen uns an, sie fragen, was für eine Tour wir denn mit unseren schwer beladenen Rädern wohl unternehmen und es beginnt eine kleine Unterhaltung. Wir erfahren, dass wir unser Eis soeben in einem über die Ortsgrenzen hinaus bekannten, sehr berühmten Laden erstanden haben. Die beiden kommen aus dem Ort und schwärmen auf eine sypmpathisch-lokalpatriotische Weise von dem alten Hafen, den guten Fish and Chips dem tollen sauberen Campingplatz und überhaupt.
Später stellen wir fest, dass sowohl der mittelalterliche Hafen wie auch der Eisladen in unserem Reiseführer Erwähnung finden. Auf jeden Fall nehmen wir diese begeisterte Schilderung zum Anlass, kurzerhand den hiesigen Campingplatz anzusteuern, um hier zu verweilen. Ist dann zwar eine sehr kurze Etappe gewesen, doch sind wir sicher, dass das den Gesamtzeitplan nicht nachhaltig unterminieren wird.
So holen wir schnell noch eine große Ladung Obst aus dem nahen Supermarkt und rollen dann hinab zum Zeltplatz. Uns wird eine nette Wiese direkt am Meer zugewiesen. Bald sitzen wir alle vier am Holztisch mit Meerblick und vertilgen Erdbeeren, Weintauben, Bananen, Blaubeeren und Äpfel. Erinnert uns ein wenig an unser legendäres Obstpicknick im norwegischen Moysand vor zwei Jahren…
Die Mädels vertreiben sich die Zeit am Strand. Es ist noch recht früh am Tag, ich bin und bleibe faul. Eigentlich hatte ich gedacht, ich könnte noch mal einen kleinen Erkundungsspaziergang entlang der Felsküste unternehmen, doch kriege ich meinen Hintern nicht von der Isomatte hoch.
Am frühen Abend unternehmen wir einen gemeinsamen Gang zum Hafen, hoffen, in einem der beiden dortigen Lokale Fish and Chips zu bekommen, doch müssen wir feststellen, dass soeben die Küche geschlossen wurde. Also stiefeln wir ein paar Hundert Meter hinauf zur Hauptstraße und versorgen uns dort mit dem landestypischen Fastfood. Wir hatte das schon eine ganze Weile auf dem Plan, die Kinder freuten sich darauf. Ich entscheide mich in letzter Minute für einen Cheeseburger und Toni wählt Geflügel - also nicht ganz Fish and Chips. Das wird übrigens auf Wunsch mit Essig besprüht…
Wir lassen uns alles einpacken, machen uns forschen Schrittes wieder auf den Weg zum Hafen und setzen uns dort auf die Wiese, um unser fettiges Abendessen mit Meerblick einnehmen zu können. So richtig zufrieden sind wir damit alle nicht, hätten uns mehr davon versprochen, erst recht, wenn man bedenkt, dass es insgesamt relativ teuer ist. Na ja, eine weitere Erfahrung eben!
Der mittelalterliche Hafen des kleinen Orts Portsoy
Der Kahn liegt trocken, die Tide hat den Hafen geleert
Abendstimmung in Portsoy
Joe und Toni möchten dann noch zum Fotografieren am Hafen bleiben, wir sagen ihnen, sie mögen bitte bis 23:00 wieder an den Zelten sein. Claudia und ich verbringen die Zeit am Campingplatz, trinken Tee, essen Ginger Nuts Kekse und schauen den Surfern in der Bucht zu. Pünktlich kommen die jungen Damen von ihrer Fototour heim und wir spielen dann noch auf den Isomatten vor den Zelten eine Runde Kniffel.
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Freitag, 12.07.2012
Wieder treibt uns die Hitze am Morgen aus den Zelten, ein weiterer schottischer Hochsommertag begrüßt uns. Die jungen Damen möchten nach dem Frühstück noch mal zum Fotografieren zum Hafen, wir geben ihnen eine halbe Stunde.
Anschließend kommt noch der Wunsch auf, noch einmal baden zu gehen und zwar im Hafen, na okay. Letztlich zieht sich die Aktion über eineinhalb Stunden hin...
In der geräumigen Apsis des Wechsel Intrepid 4 bereite
ich das Frühstück zu, es gibt Honig und süße Marmeladen...
Um halb eins schließlich verlassen wir Portsoy, wieder geht es zum Teil über sehr nette Pfade oben auf der Steilküste, und wieder folgt auch unspektakuläre Wiesen-und-Felder-Landschaft. Wir halten auf den Küstenort Banff zu, kurz vorher legen wir noch eine Pause am Strand ein, ich sage noch, so Mädels, letzte Gelegenheit für ein Bad im Meer, in Kürze schwenken wir ins Landesinnere und bleiben dort auch bis Aberdeen… Die Mädels einschließlich Claudia nehmen das zum Anlass, tatsächlich hier noch mal in den erfrischenden Atlantik zu hüpfen. Ich ziehe es vor, warm und trocken zu bleiben, genieße eine Tasse Tee und mache mir etwas zu essen.
So, wir verlassen die Küste, es ist schwül und drückend, die Strecke verläuft über kleine Hügel. Es sind zahlreiche Fliegen unterwegs, die uns vor allem an den Anstiegen belästigen. Besonders Toni ist gar nicht gut auf die Viecher zu sprechen - wobei das noch milde formuliert ist…
Zwischenzeitig liegen die Nerven etwas blank … Wir fahren durch Turriff und machen dann einen Abstecher zum Delgatie Castle, einem alten Gemäuer einige Hundert Meter abseits unserer Straße. Das Bauwerk ist allerdings nicht nur reichlich heruntergekommen, sondern auch insgesamt eher schmucklos. Die umgebenden Gartenanlagen sind ungefähr so gut gepflegt, wie unsere eigenen daheim in Kiel - kurz gesagt, sie sehen einigermaßen verwahrlost aus…
Am frühen Abend erreichen wir einen kleinen Campingplatz irgendwo in den weiten Feldern und Wiesen. Als wir auf den Platz rollen, sind wir sofort umschwärmt von Fliegenmassen - eine Begrüßung, die bei den Kindern relativ genervte Fluchtinstinkte auslöst - sie versuchen, im Kreis vor den Plagegeistern davonzurennen. Das gelingt natürlich nicht…
Ich gehe auch schon davon aus, dass wir dann wohl den Abend hinter unseren Fliegengittern verbringen werden. Doch stellt sich heraus, dass, nachdem wir geduscht sind, die Viecher kaum noch Interesse an uns haben und wir somit den lauen Abend ungestört im Freien verbringen können.
John, der Bauer, welchem die Campingwiese gehört, kommt vorbei, sympathischer, älterer Herr, weist uns ein, verkauft uns frische Eier.
...und am Abend wird eher deftig gespeist!
Nach einem fettigen Abendessen - in Speck umwickelte Würstchen - spielen wir noch eine Weile unter freiem Himmel und sind dann bereits um halb elf im Bett, ich glaube, so früh waren wir noch nie in der Falle…
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Samstag, 13.07.2012
In der Nacht prasselt Regen auf das Dach, am Morgen ist es jedoch wieder trocken, so muss das sein… Wir schlafen lange, immerhin bis neun. Ich bin, wie eigentlich fast immer der erste, der aufsteht. Ich koche schon mal meinen Tee und treffe weitere Vorbereitungen für das gemeinsame Frühstück. Johanna ist die einzige, die heute Morgen noch ihr Ei hat, Claudia und ich haben das bereits gestern Abend verspeist, Toni isst ja sowieso keins.
Das Ende der Reise naht, das wird mir jetzt endgültig bewusst. Es ist die letzte echte Etappe auf dem Nordseeküstenradweg in diesem Sommer. Und auch wenn ich seltene zweifelnde Momente hatte in den letzten Wochen, so bin ich heute doch erfüllt von Wehmut und einem Anflug von Traurigkeit, dass es schon wieder vorüber ist…
Einheimische Bevölkerung
Die Fahrt ist zunächst recht wellig, später folgt der von uns gewählte Weg, teilweise eine lockere Variante des NSCR, einer historischen Bahntrasse. Wir steuern den Ort Ellon an, da wir unbedingt noch einen Einkauf erledigen wollen - morgen werden wir dazu keine Gelegenheit mehr haben, da geht es nur noch zum Flugplatz. Es sollen Mitbringsel gekauft werden für das Mädchen aus der Nachbarschaft, das sich um unsere Katzen kümmert und für den Nachbarn, der am Haus ab und zu mal nach dem rechten schaute und mal die Katzentiere rein- oder rausließ. Außerdem wollen die Mädels noch Zutaten für Cupcakes erwerben, die sie nur hier zu finden glauben.
Wir machen eine große Mall ausfindig und so können all diese Erledigungen auch erfolgreich vorgenommen werden. Ich vertreibe mir die Zeit mit dem Aufarbeiten meiner Reisenotizen, die mal wieder etwas im Rückstand sind und vertilge nebenbei ziemlich viele Maryland Schokoladenkekse…
Wir haben Kintore als Zielort ausgewählt, dort ist der verkehrstechnisch günstigste Campingplatz lokalisiert. Auf dem Weg dorthin weichen wir auch von der eigentlichen Nordseeküstenradwegroute ab, haben uns vielmehr selbst eine Route ausgetüftelt von Ellon nach Kintore.
Am frühen Abend erreichen wir den relativ teuren und erst halbfertigen Zielcampingplatz. Aber okay, die Duschen sind gut und wir werden es morgen nicht mehr so weit haben bis zum Flugplatz.
Zum Essen gibt es mal wieder eine Kombination aus viel frischem Gemüse (ich weiß nicht, wie viele Kilogramm Karotten wir in diesem Sommer verdrückt haben, wäre auch eine eigene Statistik wert gewesen…) und fettigem Fleisch. Lecker.
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Sonntag, 14.07.2012
Um sieben beginnt unser Tag, ich möchte auf jeden Fall rechtzeitig am Flughafen sein. Zum einen soll genügend Puffer vorhanden sein, um ggf. unterwegs eine Panne zu beheben, zum anderen steht mir ja noch mein kleiner Einpack-Alptraum bevor.
Alles läuft nach Plan, um neun verlassen wir den schmucklosen Campingplatz, im nahen Ort kommen wir an einem geöffneten Krämerladen vorbei, wo ich zur Sicherheit noch mal zwei Rollen Paketklebeband erstehe. Die Strecke bis zum Flugplatz ist sehr hügelig, auf den 17 Kilometern bis dort bewältigen wir über 230 hm, das bedeutet, wir erreichen mit 19 hm/ km auf dieser kleinen letzten Etappe den Index-Rekord des Sommers. Hurra.
Um halb elf sind wir am Ziel, genug Zeit, um alles zu erledigen. Die Sonne scheint, es wird heiß. Kaum angekommen, da falle ich über die Räder und über das Gepäck her. Claudia macht sich auf den Weg, Kartons zu organisieren. Sie wendet sich an das freundliche Reinigungspersonal und bekommt den Tipp, sich mal an die Mitarbeiterin der Bar zu wenden. Dort zeigt man sich sehr kooperativ, so dass wir uns in ausreichender Menge mit Pappen versorgen können. Viereinhalb Stunden ackere ich in der Hitze, dann ist alles den Anforderungen entsprechend verpackt - und wenig später auch aufgegeben. Ein Moment der Erleichterung, wenn man dann nur noch mit dem Handgepäck zu tun hat…
Wir erreichen Aberdeen Airport - der Kreis schließt sich.
In einer mehrstündigen Aktion verpacke ich vier Fahrräder und einen Haufen Packtaschen, so dass alles bestimmungskonforme Größen und Gewichte hat...
Allzu lange müssen wir nicht mehr warten (…was auch kein Problem ist, da es im Flughafen freies WLAN gibt, was vor allem die Mädels sehr freut…), dann begibt sich Claudia wieder zu ihrer Lufthansa-Maschine, während die Kinder und ich den KLM-Bereich aufsuchen. Beide Maschinen rollen hintereinander in Richtung Rollfeld, Lufthansa geht kurz vor uns in die Luft, dann folgen wir…
Es folgt ein kurzweiliger Flug. Der Aufenthalt in Amsterdam ist etwas kürzer, als bei der Anreise, so dass wir schon bald wieder in der Luft sind und die niederländische Küste entlangfliegen, während über der Nordsee die Sonne untergeht. Am Boden kann ich Streckenabschnitte des NSCR ausmachen, welche wir vor sechs, sieben Jahren fuhren, klasse.
Heimflug von Aberdeen nach Hamburg. Unter uns liegt die niederländische Küste - und wir können sogar teilweise den Veraluf des Nordseeküstenradwegs ausmachen, den wir vor einigen Jahren fuhren!
Gegen 23:00 erreichen wir Hamburg, wo uns Werner mit dem Anhänger erwartet. Routiniert ist zügig alles verstaut - als wir losfahren bin ich für einen ganz kurzen Moment irritiert - Werner, du fährst auf der falschen Seite!
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