Auswahl nach Land
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2011
Nordseeküstenradweg / North Sea Cyle Route
Schweden, Norwegen
Wir entdecken Skandinavien
Vorbemerkungen
Zum fünften Mal steht uns ein Abschnitt auf dem Nordseeküstenradweg bevor. Ein wenig Statistik vorweg: 19 Tagesetappen werden wir radeln und somit deren Gesamtzahl seit 2007 auf 72 erhöhen. An diesen Tagen werden wir 746 Kilometer zurücklegen und damit seit dem Beginn in Hoek van Holland auf 3055 Kilometer kommen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit wird mit 12,8 km/h eine der bislang niedrigsten sein (verglichen mit 13,8 in 2007 und 2009), was vermutlich den 5736 dokumentierten Aufwärtshöhenmetern geschuldet ist. Im Schnitt werden wir an den Etappentagen 3:05 Stunden im Sattel sitzen; auch dies ein ausgesprochen niedriger Wert, im Jahr 2009 etwa waren es 3:46 Stunden. Die längste Einzeletappe wird 79 km messen, die durchschnittliche Tagesetappenlänge 39,3 km (Vergleich 2009: 47,3 km). Wir werden mit Norwegen das fünfte Land auf unserer Reise erreichen.
13 Etappen radelten wir vorher schon in den Niederlanden, 19 in Deutschland, ebenfalls 19 in Dänemark. An neun Tagen waren wir dann in Schweden unterwegs und 12 Etappen werden es in Norwegen gewesen sein.
Der Charakter der Landschaft wird sich grundlegend ändern. Nach hunderten recht lieblichen Kilometern werden wir in diesem Jahr den einen oder anderen ruppigen Anstieg zu meistern haben. Schon in Schweden werden wir mit diesem Phänomen konfrontiert werden.
Für mich persönlich wird ein lange gehegter Traum wird in Erfüllung gehen: ich werde meinen Fuß auf norwegischen Boden setzen!
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Samstag, 02.07.2011
Nachdem es uns in den vergangenen Jahren stets als etwas stressig erschien, wenige Stunden nach dem letzten Dienst die Reise zu beginnen, so haben wir in diesem Jahr etwas zeitlichen Puffer eingeplant und die Fähre für die Anreise nach Göteborg für den Samstag Abend gebucht. Somit hätten wir den ganzen Tag Zeit für letzte Erledigungen. Es ergibt sich dann sogar, dass ich auch noch den Freitag frei bekomme, prima. Ich hatte mich auch ansonsten schon rechtzeitig um viele Dinge gekümmert: Einkäufe von Vorräten und Materialien, Reparaturen an den Rädern, Kontrolle der Packlisten. Für die Versorgung der Katzen konnten wir Rabea gewinnen, die Vorbesitzerin der Tiere. Sie bekommt als Gegenleistung für den betreffenden Zeitraum unser Auto, was ihr sehr entgegen kommt. Für das Mähen des Rasens haben wir mit unseren Eltern Termine vereinbart.
Heute klingelt um halb acht der Wecker, wir frühstücken gemeinsam. Die Einkäufe sind wie gesagt alle erledigt, ich verbringe etwas Zeit damit, an den Rädern allerletzte Maßnahmen vorzunehmen, so werden Trinkflaschenhalterungen angeschraubt und die Kindertachos, die ansonsten demontiert im Schrank liegen, damit sie nicht verschütt gehen. Als ich an meinem ach so tollen Velotraum die Kettenspannung optimieren will, muss ich feststellen, dass leider eines der beiden Gewinde des Exzenter-Dingsda Schrott ist. Das bedeutet, dass fortan die Lagereinheit von nur noch einer Schraube gehalten wird. Super.
Ich kontrolliere die Werkzeugtaschen, suche Ersatzschläuche zusammen, packe Flickzeug ein.
Dann bereite ich ein Bleck Blätterteig mit Hack und Spinat, damit wir heute Abend auf der Fähre etwas zu Essen haben, ohne ans teure Buffet zu müssen.
Am späten Nachmittag ist alles erledigt, ich nutze die verbleibende Zeit, um noch einen kleinen Lauf durch den Regen zu unternehmen, renne in flotten 29:30 meine kleine 6,1-Kilometer-Standardrunde. Dann ab unter die Dusche, frische Klamotten an und schon wollen die Räder beladen werden.
Herrlich, könnte es einen entspannteren Start in den Urlaub geben, als von zu Hause aus loszurollen und nach wenigen Kilometern ohne Wartezeit in eine große Fähre zu fahren?
Alles klappt wie am Schnürchen. Räder angeleint, abgeschlossen, Lenkertaschen und Lebensmittel eingepackt. Schnell sind dann auch die Kabinen gefunden.
Fast alles klappt wie am Schnürchen, muss man sagen. Denn leider haben wir die warme Kleidung am Rad vergessen, so dass wir uns echt den Mors abfrieren - im Innenbereich nervt die Klimaanlage, draußen herrschen herbstliche Verhältnisse. Es ist windig, kühl, regnerisch.
Bevor wir allerdings unsere Kabine verlassen, gönnen wir uns erst einmal eine Mahlzeit, schlagen uns die Bäuche mit Spinatzeux voll. Darüber verpassen wir sogar das Ablegen der neuen, riesigen Stena, die allerdings auch einige Minuten zu früh dran ist.
Wir sehen dann zu, dass wir an Deck kommen, halten es aber in Ermangelung adäquater Kleidung nicht lange aus im frischen Wind. Die Fähre an sich gefällt uns nicht, obschon sie erste seit einigen Monaten im Dienst ist. Zwar ist alles neu, sauber und ganz hübsch, aber es gibt zum Beispiel außer im Restaurant keinerlei Sitzgelegenheiten. Ebendort halten wir uns ein kleines Weilchen auf, Claudia und ich gönnen uns einen Kaffee, während die Kinder einem Animationsprogramm folgen, welches wirklich ganz nett gemacht ist.
Leider habe ich am Rad nicht nur meine warme Kleidung vergessen, sonder auch meine Ohropax, so dass ich ganz schlecht schlafe. Johanna schnarcht, das Schiff knarzt…
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Sonntag, 03.07.2011
Um 7:15 ertönt der Weckruf über die Lautsprecheranlage - Aufstehen! Wir beeilen uns, um an Deck zu kommen, wollen wir doch die Einfahrt in die Schären nicht verpassen. Es ist eine echte Überraschung, draußen ist es nicht nur trocken, sondern auch ziemlich warm! Der Anblick der Küste ist schön, aber schon nicht mehr ganz so exotisch, wie im Vorjahr.
Beim Frühstück wird uns dann die nächste Panne gewahr. Ich hatte speziell auch für dieses Frühstück eingekauft und einige Sachen noch im Kühlschrank gelagert - in der Absicht, diese ganz zum Schluss einzupacken. Auch die Messer hatte ich dazu gelegt, um nicht die ganze Packtasche mit den Küchenutensilien mit in die Kabine nehmen zu müssen. Clever gedacht, doch leider hapert es bei der Umsetzung - im Kühlschrank im fernen Kiel liegen die Sachen jetzt noch immer…
Also mache ich auf dem Weg in die Kabine einen Umweg über das Restaurant, wo ich mal zwei Messer "ausleihe". Immerhin gibt es noch Marmelade und Honig als Brotaufstrich…
Wir rollen problemlos aus der Fähre, machen noch am Hafen ein Start-Gruppenfoto und begeben uns dann auf den Weg in die Stadt.
Der eigentliche Plan für den Tag sieht vor, dass wir zügig zum Campingplatz fahren (ich hatte im Vorfeld geklärt, dass wir auf jeden Fall einen Platz bekommen würden), dort unser Lager errichten, ein zweites Frühstück einnehmen und dann noch mal in Ruhe durch Göteborg bummeln.
Die Stadt schläft noch, es ist still und nur wenige Menschen sind auf den Beinen an diesem frühen Sonntagmorgen. Wir rollen die knapp zehn Kilometer zum Campingplatz, sind zeitig dort, um dann zu erfahren, dass wir erst ab 13:00 mit Einlass rechnen können. Super, das geht ja gut los.
Schnell sind wir uns einig, dass wir dazu keine Lust haben. Wir beschließen, auf den Göteborg-Bummel zu verzichten und uns stattdessen gleich irgendwo einen Platz für das Frühstück suchen um dann den Nordseeküstenradweg zu suchen und nordwärts die Stadt zu verlassen. Genau so machen wir es dann auch. Wenig romantisch ist der Picknick-Platz auf der Wiese vor einigen Wohnhäusern, nun ja. Ziel soll dann Kungälv sein, etwa 25 Kilometer nördlich von Göteborg.
Mittlerweile ist Leben in der Stadt, es herrscht reger Verkehr und viele Menschen sind auf den Beinen, auch viele Touristen bevölkern die Straßen. Wir lassen den historischen Stadtkern hinter uns und fahren über eine hohe Brücke über den Fluss Göta älv, welcher Göteborg in Nord- und Südteil teilt.
Weiterhin herrscht viel Verkehr, die Wegführung ist nicht besonders schön. Unterwegs legen wir eine lange Pause ein - ebenfalls mal wieder quasi mitten in einem Wohngebiet, es ist sehr warm und ich habe noch keinen Rhythmus gefunden. Außerdem ist mein Rucksack zu schwer und die Säcke am Rad sind noch nicht optimal gepackt. Das muss sich erst alles finden…
Am frühen Nachmittag erreichen wir den angesteuerten Campingplatz. Recht beschaulich gelegen am Fuße einer alten Burg. Hier treffen wir wieder auf die Göta älv, welche sich in Kungälv in einen nördlichen und einen südlichen Arm trennt; der südliche fließt nach Göteborg.
Als Johanna sich aufmacht, zu den Sanitäranlagen zu gehen, drücke ich ihr das Portmonee in die Hand und bitte sie, an der Rezeption für morgen Früh zwölf Brötchen zu bestellen. Einige Zeit später kommt sie wieder und gibt ihrer Verwunderung über den Preis von umgerechnet über hundert Euro Ausdruck. Es stellt sich schnell heraus, dass sie nicht zwölf Brötchen, sonder zwölf Mal Frühstück bestellt hat… Müssen wir wohl noch mal hin, um das zu klären (was problemlos möglich ist…). Nette Anekdote. Die Englischkenntnisse der Person dort reichten wohl nicht aus, Johannas Frage nach "breadrolls" zu verstehen. Nuschelfaktor einberechnet kann aus dem Wort ja schnell mal "breakfast" werden…
Es ist ein warmer Nachmittag, die Kinder baden im Fluss, essen später ein Eis. Für das Abendessen reicht noch immer der Blätterteig-Spinat-Mix, für Toni gibt es Kartoffelpüree. Am Abend unternehmen wir einen kleinen Spaziergang um die Burg herum und beschließen, morgen früh vor der Weiterreise dort noch mal zum Zwecke der Besichtigung hineinzugehen.
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Montag, 04.07.2011
Wir schlafen aus - zumindest fast, denn Johanna wird von Antonia relativ früh geweckt… Da ja nun am Campingplatz keine Brötchen vorzubestellen waren, düse ich mit Toni in den wenige Kilometer entfernten Ort Kuldiga, um uns für das Frühstück zu versorgen.
Später dann, kurz nach zehn, stiefeln wir noch einmal hinauf zur Burg, um diese nun auch von innen zu besichtigen. Die Anlage ist relativ weitläufig, die Kinder haben viel Spaß und machen unglaublich viele Fotos… Vom Hügel hat man einen wunderbaren Blick auf das Flusstal mit der Autobahn und all den Industrieanlagen!
Gegen halb eins starten wir schließlich in die Tagesetappe, verpassen bald leider für einige Kilometer den offiziellen Nordseeküstenradweg, da offensichtlich der auf mein GPS geladene Track von der Originalroute abweicht - hätten wir uns mal nicht zu sehr darauf verlassen. Somit müssen wir viel Autoverkehr ertragen, haben relativ wenig landschaftliche Schönheit und zumeist keinen Radweg, was etwas nervt.
Nach gut dreißig Kilometern erreichen wir die Hängebrücke, welche Stenungsund und Myggenäs verbindet - tolle Aussicht auf die Schärenküste, aber immer noch zuviel Lärm und Gestank…
Unterhalb der Brücke befindet sich ein Campingplatz, an welchem wir kurz pausieren und beraten, ob wir hier bleiben sollen oder ob wir nicht doch lieber weiterfahren. Die nächste Möglichkeit für eine Übernachtung ist bei Malö in gut 45 Kilometern Entfernung - ganz schön weit weg also… Hier an der Brücke allerdings ist es ungemütlich, wie gesagt sehr laut und irgendwie wenig einladend. Schließlich entscheiden wir uns für die Weiterfahrt, was im Nachhinein betrachtet möglicherweise keine besonders gute Idee war. Das folgende Wegstück ist hügelig - am Ende des Tages sagt das GPS, dass wir 421 Meter hinauf geklettert sind.
Nach der großen Brücke folgen sieben weitere hässliche Kilometer mit viel Lärm, rasenden Autos und engen Kurven, bevor wir dann endlich auf ruhigen und wunderschönen Straßen fahren dürfen.
Es ist schon nach 21 Uhr, als wir dann ein Gewässer erreichen, welches uns vom Zielort Malö trennt. Nach einer halben Stunde kommt die Fähre und die Tachoanzeige springt auf 79 Kilometer, als wir den netten kleinen Campingplatz auf dem anderen Ufer erreichen. Da haben wir also gleich am Anfang der Reise die längste Tagesetappe des Urlaubs vollbracht…
Johanna und Claudia sind ziemlich k.o. am Abend, während Toni noch topfit ist. Zum Abendessen werden Nudeln gekocht, nebenbei ärgern wir uns etwas über die doch arg lauten norwegischen Rocker-Nachbarn im Tipi gegenüber… (noch ärgerlicher wird in den ganz frühen Morgenstunden des Folgetages sein, dass sie sich auch um vier in der Nacht nicht zu etwas rücksichtsvollem Verhalten genötigt sehen, als sie dann ihr Zelt abbauen und davonknattern…).
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Dienstag, 05.07.2011
Nach dem langen Tag gestern wollen wir es heute etwas gemächlicher angehen lassen, nur 25 Kilometer werden wir radeln.
Aufgestanden wird erst um viertel nach neun, der Himmel gibt sich bedeckt, die Temperaturen sind mild. Wir lassen uns viel Zeit beim Frühstück. Danach erklärt sich Toni bereit, in der Rezeption nach Wechselgeld für die Duschen zu fragen - auf Englisch natürlich. So bringen wir ihr vorher den Satz "…can you change this for the shower, please?" bei und sie juckelt tapfer los. Finde ich wirklich mutig!
Die Mission wird erfolgreich beendet, der Mensch im Kiosk wusste schon vor Beendigung des Satzes, was sie wünschte und händigte ihr die Münzen aus. Toni findet das ziemlich lustig.
Die Kinder entdecken die Schärenküste - klettern eine ganze Weile über die angrenzenden Felsen. Für die Mädels ist das alles hier ja genauso neu und ein wenig exotisch, wie für uns. Wir klettern bald hinterher.
Ich bin erstaunt, dass es hier an jeder Ecke einen Kajakverleih gibt - naja, nicht wirklich, denn das Revier ist ja traumhaft zum Paddeln - und doch hätte ich eine solche Popularität dieses Sports hier nicht erwartet. Hatte immer angenommen, Paddeln in Schweden findet im Dalsland statt oder auf sonstigen Binnenseen und dann auch bitte im Kanadier. Die zu beobachtende Häufung von Seekajaks überrascht mich.
Auch auf dem Campingplatz sind ein paar alte Herren aus Schleswig, die ihre Kajaks dabei haben. Nach kurzem Gespräch stelle ich fest, dass es sich da auch um wunderliche bis kauzige Vereinsheinis handelt… Als ich berichte, dass ich noch vor wenigen Tagen durch die dänische Südsee paddelte, rümpfen sie die Nase, als sie auf Nachfrage von mir erfahren, dass ich dies ohne Vereinsmitgliedschaft tat…
Und doch ganz lustig, hier an diesem Flecken direkt Menschen aus der Kieler Umgebung zu treffen.
Bevor wir dann um halb zwei schließlich den Zeltplatz verlassen schreibe ich noch etwas, muss ja mit meinen Reisenotizen auf dem laufenden bleiben und meine Statistiken pflegen!
Auch heute ist die Strecke wieder wellig, gut zweihundert Höhenmeter sind zu bewältigen, Toni hält sich aber prima. Was auch an diesem Tag wieder ausgesprochen störend ist, ist der viele Autoverkehr. Immerhin aber gibt es auch wieder Abschnitte, die dafür entschädigen: wunderbare Aussichten und viele viele Felsen!
Schärenküste nördlich von Göteborg
Zwischendurch regnet es ein wenig. Das soll jedoch die Ausnahme bleiben
Schwedische Schärenküste
Schwedische Schärenküste
Nach etwa zehn Kilometern erreichen wir eine Fähre, welche uns kostenlos an das andere Ufer befördert. Einen Geocache, den wir am Wegesrand suchen, bleibt uns verborgen, wir bringen nicht die nötige Ausdauer mit, ihn zu finden.
Irgendwann setzt Regen ein, was aber die Stimmung nicht trübt. Ohnehin ist gerade Zeit für eine Pause, so dass wir ein Bushaltehäuschen am Wegesrand nutzen, um den Schauer abzuwettern. Da es so schnell nicht wieder aufhört, schieben wir nach dem Essen noch eine Kniffelrunde ein.
Schließlich scheint wieder die Sonne und bald erreichen wir den wirklich idyllischen Ort Fiskebäkskil. Viele kleine Holzhäuser, enge, steile, verwinkelte Gassen, in denen wir uns etwas schwer tun, den Fähranleger zu finden. Denn: schon wieder sollen wir Bötchen fahren. Für umgerechnet etwa 12,50 € bringt uns eine kleine Fähre über den Gullmarfjord, an dessen Nordufer der etwas größere Ort Lysekil liegt, welcher heute unser Ziel sein soll.
Kleine Fähre nach Lysekil
Schwedische Schärenküste
Der erste Campingplatz, den wir nach einem großen Einkauf ansteuern, existiert nicht mehr, vom zweiten ist ähnliches zu befürchten, so dass wir kurzzeitig schon bangen, dieser Tag könnte doch kein entspannter werden… Diese Sorge stellt sich aber als unbegründet heraus, denn den Platz gibt es: ziemlich groß liegt er eingebettet in die Felsen der Schärenküste - mit einem ganz netten kleinen Strand.
Nach dem Aufbau der Zelte schnappe ich mir meine Laufschuhe und drehe eine Runde - "hot and hilly", renne in 57:30 eine Strecke von 10,4 Kilometern. Muss ja dran bleiben, nach dem Urlaub erwartet mich noch der Kiel-Triathlon und vor allem die Mitteldistanz in Ratzeburg… Während ich so durch die Hügel renne, rekapituliere ich die ersten Tage, die wir nun im Lande Schweden sind und konstatiere, dass es sich ja eher etwas holprig anlässt. Wirklich störend sind die vielen Autos und der damit eng verknüpfte Umstand, dass dieser NSCR-Abschnitt nur allzu oft auf befahrenen Straßen geführt ist. Kein Vergleich etwa zu dem von uns allen ja sehr geschätzten Dänemark, wo man quasi tagelang autofrei durch die Dünen fuhr.
Die Mädels baden im Meer, während ein, zwei hundert Meter weiter eine kleine Truppe Kajaker Kentertraining macht. Viele Knots und Mücken sind unterwegs. Wir essen Wraps - Teigfladen, welche wir mit gebratenem Hackfleisch und Geflügel, Tomaten, Crème fraîche, Bohnen etc. füllen. Ein schönes Essen, um es draußen auf der Wiese zu genießen…
Anschließend spielen wir bis 23:00 Phase 10 mit den Kindern - traditionell wird ausgespielt, wer am Folgetag den Spüldienst übernehmen muss.
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Mittwoch, 06.07.2011
Wow! Die Sonne brennt auf das Zelt, es wird richtig heiß. Ich stehe bereits um halb acht auf, gehe mit Toni, die auch nicht mehr schlafen kann, hinunter ans Meer und freue mich darüber, dass SOMMER ist! Noch immer allerdings nehme ich es auch als etwas surreal wahr, dass ich jetzt und hier in Schweden bin. Es geht mir ein wenig so, wie ich es schon im Vorjahr fand: alles scheint so überzeichnet klischeehaft - die Häuser sehen aus wie die Häuser, die man sich für Schweden vorstellt. Die Schären, die Felsen - toll und neu zu sehen, aber irgendwie auch bekannt, die Wirklichkeit unterscheidet sich so wenig von dem, was ich an Bildern schon vorab im Kopf habe. Fotografien von Skandinavien - so oft gesehen, und plötzlich soll das Realität sein! Ich glaube, ich brauch noch ein paar Tage…
Bereits um halb elf sind wir auf der Straße, gute fünfzig Kilometer werden wir heute fahren, dabei knapp dreihundert Höhenmeter erarbeiten. Die ruhigeren Abschnitte sind wieder fantastisch und doch muss ich leider auch heute wieder feststellen, dass einfach zu viele Autos unterwegs sind. Die Sonne scheint weiter, so dass wir manchmal fast froh sind, wenn ein paar Wolken vorüberziehen. Später in Deutschland mag man uns das kaum glauben; die komplette Zeit unserer Abwesenheit muss ordentlich verregnet gewesen sein (wie dann eigentlich auch der Rest des Sommers 2011…).
In diesem Jahr haben wir es erstmals mit nennenswerten Steigungen zu tun. Die Kinder sind jedoch mittlerweile alt genug, diese zu meistern
Bullerbü-Idylle
An einer Kirche finden wir den ersten Cache der Tour. Auch in diesem Jahr hatte Werner wieder unser Navi mit hunderten von Schatzverstecken gefüttert, von denen wir aber nicht viele gesucht und noch weniger gefunden haben…
Ab und zu gehen wir unterwegs auf Cache-Suche
Auf dem Lande
Für die Kinder ist es das erste Mal, dass sie so viele Felsen sehen.
Viel gibt es zu entdecken!
Toni fährt ganz tapfer, doch es ist durchaus zu merken (bei beiden Mädels), dass sie am Abend etwas erschöpfter sind, als einst auf den Deichetappen. Ich denke, dass, wenn es denn ein NSCR VI geben wird, wir uns die drei zur Verfügung stehenden Sommerwochen Zeit nehmen sollten, um den norwegischen Teil bis Bergen zu erradeln - und zwar nur diesen. Also kein anschließender Transfer zu Shetlands und Orkneys, wie wir es als Option in Gedanken schon einmal durchgespielt hatten. Auf drei Wochen verteilt sollten die restlichen knapp 650 Kilometer doch für alle entspannt zu machen sein. Das entspräche bei drei Pausentagen einer täglichen Fahrstrecke von gut 35 Kilometern. Immerhin allerdings werden das die bergigsten Abschnitte des gesamten Nordseeküstenradwegs…
Wir schlagen unser Lager in Hamburgsund auf einem netten kleinen Campingplatz auf. Claudia und Johanna fahren dann bald in den Ort, um Einkäufe zu erledigen, während ich mit Toni bei den Zelten verbleibe. Wir schauen uns lange gemeinsam eine Schweden-Landkarte an und rekapitulieren den bisherigen Verlauf unserer Reise einschließlich des Abschnitts von 2010. Ich bin erstaunt, an wie viel sich Toni erinnert.
Dieses herrliche Schild entdecke ich auf dem Campingplatz in Hamburgsund...
...und auch im Sanitärbereich sorgt ein Schild für Erheiterung...
Später nutzen wir zu viert die Minigolfanlage auf dem Campingplatz, um den Spüldienst auszuspielen.
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Donnerstag, 07.07.2011
In der Nacht geht viel Regen nieder, am Morgen ist es aber wieder trocken - perfekt! Nach dem Frühstück schnappen sich die Kinder ein paar Campingkataloge, die es in der Rezeption gab und machen Pläne für die Weiterreise. Es hat sich ja nicht erst im letzten Jahr bewährt, die Kinder in die Planung mit einzubeziehen. Weiterhin sind tolle Campingplätze ja auch ein Lockmittel, welche mögliche Strapazen auf dem Weg dorthin in einem etwas anderen Licht erscheinen lassen…
Wir legen uns auf den "Luxus-Campingplatz" Daftö fest: - angegliederter Vergnügungspark inklusive - was als diesjährige Zeugnisüberraschung deklariert wird. Voraussichtlich werden wir den Ort übermorgen erreichen.
...unterwegs in Schweden.
Nicht allzu spät verlassen wir Hamburgsund und erreichen nach kurzer, flotter Fahrt den quirligen Hafenort Fjällbacka, wo wir am Ufer eine Eispause einlegen (…für das wir eine halbe Ewigkeit anstehen müssen…). Claudia entnimmt dem Reiseführer die Information, dass direkt oberhalb unseres Standortes ein toller Aussichtsfels ist, der 74 Meter hohe Vetteberget, zu welchem man durch eine enge Schlucht gelangt. Mir ist gerade gar nicht so nach irgendwo hochkraxeln, also bleibe ich bei den Rädern und lasse den Ladies den Vortritt. Ich beobachte das sommerlich-touristische Treiben auf dem Wasser, sehr viel Seglervolk ist hier unterwegs. Dann beginnt es für kurze Zeit zu tröpfeln und ich rette die Kuscheltiere in die Ortlieb-Säcke. Eine ganze Weile dauert es, bis Claudia wieder herunterkommt und sagt, ich solle unbedingt auch noch mal hoch, die Kinder würden oben auf mich warten. Na gut! Eine steile Treppe hinter einem hölzernen Restaurant-Gebäude geht es hinauf, dann folgt die Schlucht und schließlich wird ein felsiges Plateau erreicht, wo mich die Mädels begeistert empfangen und mir die tolle Aussicht zeigen. Man blickt auf die roten Dächer des Ortes, die vielen Segelboote, das funkelnde Meer und weit über die Schärenküste. Ich freue mich, hier oben zu sein. Das nicht gesehen zu haben wäre wirklich ein Jammer gewesen!
Oberhalb des Hafens von Fjällbakka gelangen wir in diese nette kleine Schlucht
Die Wanderung führt uns bis auf diesen kleinen Felshügel.
Noch ein Einkauf, dann verlassen wir Fjällbacka in Richtung Norden. Die Strecke ist ziemlich eben heute, wir kommen schnell voran, die Kinder sind gut gelaunt. Ein kurzes Stück vor dem angesteuerten Campingplatz legen wir eine weitere Pause ein.
Bald dann erreichen wir unser Ziel. Der Platz besteht aus einer riesigen, freien Wiese. Ganz in der Nähe befindet sich ein Museum, welches wegen all der bronzezeitlichen Felszeichnungen in den Wäldern ringsum hier angesiedelt ist. Der kleine langhaarige "Campingplatz-Azubi", der heute seinen ersten Tag hat, ist sich nicht ganz sicher, meint aber, es sei wohl okay, wenn wir uns einfach einen Platz aussuchen, naja, der Chef käme erst später wieder.
Ruckzuck stehen die Zelte, eingespielte, optimierte Prozesse, ein jeder hat seine Aufgabe, wahrscheinlich gelänge es auch in vollständiger Dunkelheit binnen 15 Minuten… Sollten wir uns zertifizieren lassen?
Es ist noch relativ früh am Tag, ich schnappe mir denn meine Laufschuhe und drehe eine 9,5-km-Runde durch die sehr schöne, hügelige Gegend. Immer mal wieder entdecke ich auch Felszeichnungen im Wald.
Die Mädels "chillen" in der Zwischenzeit, als ich wiederkomme, finde ich Johanna und Antonia schlafend vor, was mich dazu verleitet, sie ein wenig auf den Arm zu nehmen: ich wecke sie mit den Worten, das Frühstück sei fertig, sie hätten leider etwas länger gepennt. Sie glauben mir das zunächst wirklich, wenngleich sie durchaus etwas irritiert sind… Bald lösen wir die Situation auf, die beiden nehmen es mit Humor und wir genießen Tee und Muffins. Der späte Nachmittag wird mit dem Schreiben von Postkarten verbracht.
Später unternehmen wir einen gemeinsamen Spaziergang in den nahen Wald, dort, wo es die meisten Felszeichnungen zu sehen gibt. Man hat Wege angelegt und Täfelchen aufgestellt, welche Erklärungen zu den dargestellten Zeichen geben. Etwas oberhalb auf einem kleinen Hügel gibt es einen wirklich mystischen Platz: eine Ansammlung gar nicht allzu großer Steine - eine Grabstätte. Das Ganze ist an die viertausend Jahre alt und ich muss unweigerlich an Szenen aus Steven Kings Friedhof der Kuscheltiere denken…
Als ich in der Nacht das Zelt verlassen muss, ist es kalt, Nebelschwaden hängen in den Bäumen, es dämmert bloß. Und da hinten, finster, sehe ich den Grabhügel…
Sonnenuntergang ist hier übrigens aktuell um 22:24, Sonnenaufgang um 04:16
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Freitag, 08.07.2011
Der Morgen mutet herbstlich an: es ist kühl, noch etwas dunstig und die Luft riecht nach Wald. Ich schwinge mich auf mein Rad, um im einige Kilometer entfernten Tanumshede Brötchen und Milch zu holen.
Während des Frühstücks telefonieren wir mit meiner Mutter, die heute ihren 69. Geburtstag feiert.
Um halb elf geht es los, die Mädels drücken ordentlich aufs Tempo, denn heute soll es nach Daftö gehen, jenem bereits erwähnten Campingplatz mit Vergnügungspark.
Die Strecke ist ungewöhnlich ruhig, selbst ein vierzehn Kilometer langer Abschnitt auf der Nr. 164 erweist sich wider aller Erwartung als nahezu autofrei. Sehr angenehm. Es ist waldig, etwas hügelig - Schwedenklischee!
Unterwegs in Schweden - es geht über Wiesen und Felder...
...und durch Waldgebiete.
Bereits um halb drei erreichen wir unser Tagesziel, sind also früh da. Während wir uns erst einmal eine Brotzeit gönnen, setzt Regen ein, es verfinstert sich, alles ist grau und macht einen reichlich trostlosen Eindruck. Wolken sausen über den Himmel, es ist kühl.
Wir gehen trotzdem mit den Kindern in den Pool, ich halte es allerdings nicht besonders lange aus und gehe bald duschen (Nobelsanitärtrakt, nur leider nicht wirklich heißes Wasser - schade!).
Später vertreiben wir uns die Zeit mit Phase 10, während es weiter auf das Dach prasselt.
Ziemlich unschlüssig verbringen wir später eine ganze Weile im kleinen Supermarkt der Ferienanlage - was sollen wir bloß zum Abendessen machen? Schließlich kaufen wir Mehl - im praktischen 2kg-Pack, genau das richtige für den Radreisenden - und backen in der Apsis Pfannkuchen.
Anschließend bis fast Mitternacht noch einmal Phase 10. Ich kann kaum die Augen offen halten, bin todmüde!
An dieser Stelle noch einmal zusammengefasst ein paar allgemeine Anmerkungen zum bisherigen Verlauf der Etappe. Auch über Schweden im Allgemeinen tausche ich mich mit Claudia aus. Einig sind wir uns, dass die Radwegbeschilderung mangelhaft ist - entweder die Schilder sind bis zur Unkenntlichkeit verblasst oder sie existieren gar nicht erst. Und natürlich haben wir es mit viel zu viel Autoverkehr zu tun.
Claudia äußert, dass ihr die Nordsee bisweilen fehlt, dass man so selten am Meer fährt. Das sehe ich nicht ganz so, immerhin sehen wir es ja täglich. Allerdings hat es hier im Bereich der Schärenküste natürlich einen ganz anderen Charakter. Was mir allerdings auch auffiel: der klassische Nordseeduft fehlt hier in der Tat!
Mich persönlich stört manchmal der Lärm, ich entwickle in diesen Tagen wieder eine gewisse Sehnsucht nach Stille. Tagsüber begleitet uns zu oft der Autolärm, am Abend ist es auf den Campingplätzen oft unruhig, viele lärmende Kinder. Von der Sache her ja eigentlich nicht schlimm, aber eben laut. Immer laut.
Ich weiß, dass ich mich wiederhole, ich habe derartige Gedanken ja bereits im Vorjahr zu Papier gebracht, ich dürste immer mehr nach dem stillen, wilden, weiten Skandinavien, abseits der touristisch dicht erschlossenen Küste, an der sich Yachthafen an Yachthafen reiht und das Leben pulsiert. So schön die Schärenküste auch ist, wir befinden uns in einem Epizentrum des Massentourismus. Und wir kratzen ja nur am südlichsten Zipfel Skandinaviens - weiter im Norden lockt die Wildnis!
Apropos Schären: mir drängt sich der Gedanke auf, vielleicht in diesem Gebiet mal eine Kajaktour zu unternehmen. Johanna äußert im Gespräch übrigens, dass sie auch einmal Lust hätte, eine Paddeltour zu unternehmen. Einige Wochen später werde ich mit ihr einen Nachmittag auf dem Westensee unterwegs sein (…und dabei ziemlich erstaunt sein, wie sicher sie das Boot ohne Steueranlage beherrscht - immerhin ist es nun schon einige Jahre her, dass sie das Kanupolo zu Gunsten der Leistungsschwimmerei an den Nagel hängte…). Vielleicht lässt sich ja mal ein verlängertes Wochenende auf der Schwentine realisieren.
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Samstag, 09.07.2011
Am Morgen ist es schnell zu heiß im Zelt - das Wetter gibt sich kontrastreich - es begrüßt uns ein echter Sommertag, der Himmel ist beinahe wolkenlos und die Sonne scheint!
Wir frühstücken dann ausgiebig mit gebratenem Speck und gekochtem Ei.
Unser Geld ist knapp geworden und so radele ich bald nach Strömstad, ein etwa sechs Kilometer entfernter Ort, in dem ich einen Geldautomaten finde. Sehr quirliges Städtchen - sehr touristisch, großer Yachthafen, einige historische Gebäude. Von hier könnte man übrigens - was uns natürlich fern liegt - den Nordseeküstenradweg abkürzen und mit der Fähre ins norwegische Sandefjord übersetzen.
Nun sind wir wieder liquide und können den Eintritt für den kleinen Freizeitpark bezahlen, dessen Besuch für heute auf dem Programm steht. Das ganze hat eher Tolk-Schau-Niveau, ist primär für kleinere Kinder ausgelegt, keine spektakulären Fahrgeschäfte also. So bin ich zunächst ein wenig skeptisch, fürchte, dass Johanna und Antonia nach einer halben Stunde genug haben würden.
Das ist aber nicht der Fall, ganz im Gegenteil, sie haben riesigen Spaß und sind total begeistert. Toll, das freut mich. Ich persönlich habe das Gefühl, dass ich allmählich zu alt werde für so etwas - normalerweise bin ich ja für alles zu haben, aber seit einiger Zeit stelle ich fest, dass mir selbst harmlosere Fahrgeschäfte bisweilen nicht mehr wirklich Spaß machen, mir das eher etwas unheimlich ist…
Zu Mittag gibt es Cornflakes und Obst, während uns die Sonne auf den Pelz brennt. Welch ein Kontrast, was habe ich gestern geschlottert vor Kälte!
Später machen sich die Kinder noch einmal alleine auf den Weg in den Vergnügungspark und in den Pool, während Claudia und ich einen kleinen Spaziergang an der Küste unternehmen. Uns fällt einmal mehr auf, wie viele Kinder hier unterwegs sind - manchmal ist es ein einziges Gewusel - und wie entspannt das Klima in den norwegischen und schwedischen Familien zu sein scheint. Auch staunen wir manchmal, dass Kinder, die scheinbar gerade einmal laufen können, alleine über den Platz dackeln, die Autofahrer zeigen sich entsprechend rücksichtsvoll.
Was uns auch auffällt ist, dass für unsere Kinder mit fortschreitendem Alter Spielplätze immer uninteressanter werden…
Bevor wir abends Pommes essen, spielen wir eine ausgiebige Partie Minigolf auf der großen und relativ aufwändig gestalteten Anlage. Weiteres Abendprogramm: eine lange Partie Phase 10.
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Sonntag, 10.07.2011
Nicht nur wir scheinen heute ab- bzw. weiterreisen zu wollen. Auf dem Platz herrscht reges Treiben, ein einziges Gewusel geradezu, fast alle scheinen den Aufbruch zu planen.
Auch wir packen zusammen und arbeiten uns dann mit den voll beladenen Rädern die dreißig steilen Höhenmeter hinauf zur Rezeption, um auszuchecken. Toni möchte noch ein halbes Stündchen in den Pool, so dass wir unsere Abfahrt noch etwas verschieben.
Dann geht es auf dem Radweg entlang der stark befahrenen Straße Nr. 176 nach Strömstad, ein für mich bekannter Abschnitt.
Auch nach dem Ort sind noch weitere unruhige Kilometer fällig, bevor wir dann endlich auf traumhaften Nebenstraßen die Reise fortsetzen können. Wie so oft, vertreiben wir uns die Zeit, indem wir Namenreihen bilden - jemand denkt sich einen Namen aus und der nächste muss den letzten Buchstaben aufgreifen und sich dann selbst einen ausdenken. Oder man geht das Alphabet durch, Variationen gibt es ja viele…
Bald kommen wir am Gräberfeld von Blomsholm vorbei, einer durchaus eindrucksvollen schiffsförmigen Steinsetzung. Gelegenheit für eine Pause!
Die Beschilderung des Radweges ist auf dem schwedischen Abschnitt insgesamt eher dürftig. Dieses verblichene Schild stellt eine erfreuliche Ausnahme dar
Blomsholm - eine Steinsetzung in Form eines Schiffsrumpfes
Nun folgt ein wirklich toller Abschnitt (…ich muss Schweden ja auch mal loben, nach all den eher negativen Worten in den vorangegangenen Zeilen…): auf einer fast autofreien, gut asphaltierten Straße radeln wir durch ein klischeeschwangeres Land: Hügelchen, Wald, Felsen, funkelndes Sommerlicht auf kleinen Seen - Wunderbar!
Hier kommt es zu einem kleinen Unfall, nachdem Toni und ich eine kurze Pause einlegten fahren wir wieder an - einen kleinen Moment bin ich unaufmerksam, schaue nicht nach vorne und bemerke daher nicht, dass sie abgebremst hat und schon wieder steht. Da wir auf einem Gefälle anfahren, habe ich schon ordentlich Schwung drauf, kann nicht mehr bremsen, sondern nur noch so ausweichen, dass ihr nicht direkt hinten rein fahre. Ihre Ortlieb erwische ich aber trotzdem - Materialbruch!
Uns, vor allem ihr, ist aber nichts passiert. Die Tasche fixieren wir fortan mit einem Riemen…
Viel zu schnell verlassen wir den schönen Abschnitt und rollen nun auf die schwedisch-norwegische Grenze zu. Das bedeutet, wir finden uns plötzlich in einem riesigen Einkaufspark in der Nähe von Svinesund wieder. Die Ausmaße sind gigantisch, es herrscht ein einziges Gewusel, alles macht einen etwas prolligen Eindruck. Und das alles, obwohl Sonntag ist! Nun ja, in Schweden kann man (zumindest als Norweger) günstig einkaufen, daher hat sich hier ein pulsierender Shopping-Tourismus über die Grenze entwickelt.
Wir nutzen die Gelegenheit, die letzten schwedischen Kronen auf den Kopf zu hauen - während Claudia mit den Kindern ein Weilchen in einem Supermarkt zubringt, beobachte ich das Treiben vor dem Laden…
Schließlich setzen wir die Reise fort und es ist ein bisschen aufregend. Nicht nur, dass wir in wenigen Minuten das fünfte Land auf unserer Reise um die Nordsee erreichen werden, nein, es ist nicht nur irgendein Land, es ist Norwegen! Ein Land, welches seit Mitte der 1990er Jahre ein Traumziel von mir darstellt und mit vielen sehnsüchtigen Gedanken und verklärten Gefühlen belegt ist.
Der tiefe Iddefjord trennt an dieser Stelle Schweden von Norwegen, wir
überqueren das Gewässer auf der Alten Svinesundbrücke,
welche seit 1946 die beiden Länder verbindet.
Norwegischer Fjord
Blick auf den Iddefjord, welcher hier die Grenze von Schweden und Norwegen markiert
Der tiefe Iddefjord trennt an dieser Stelle Schweden von Norwegen, wir überqueren das Gewässer auf der Alten Svinesundbrücke, welche seit 1946 die beiden Länder verbindet. Unser traditionelles Grenzübertrittsfoto gerät im Gegenlicht eher mittelprächtig, dafür allerdings ist der Blick in das Tal des Fjordes umso beeindruckender. Die Schönheit der Landschaft in Verbindung mit dem Umstand, dass ich nun tatsächlich Norwegen erreicht habe treibt mir beinahe die Tränen in die Augen. Ein bewegender Moment!
Norwegen soll nun für mich Realität werden, die Worthülse, auf welche ich so viele Träume projizierte, mit Erlebtem und mit persönlichem Inhalt gefüllt werden… Nicht schlimm, dass das Nordkap noch warten muss…
Nachdem wir alle den Grenzübertritt hinlänglich zelebriert haben, geht es entlang der verkehrsreichen Straße auf einem Radweg weiter nach Norden.
Nach insgesamt fünfzig Kilometern und gut vierhundert Höhenmetern erreichen wir am frühen Abend den kleinen Ort Høysand, wo wir auf den Campingplatz rollen. Wir sind einigermaßen entsetzt, dass die Übernachtung uns 45,- Euro (!) kostet, was sogar Claudia zu der Aussage verleitet, man müsse wohl öfter mal wild zelten.
Wir werfen den Grill an und ich frage mich, was sich da in meinem Körper zusammenbraut: ich fühle mich fröstelig, müde, habe Halsweh und die Nase ist dicht.
Am ersten Abend auf norwegischem Boden werfen wir den Grill an
Eine Weilchen quatschen wir noch mit den Nachbarn, ein ebenfalls radelndes, ziemlich junges Pärchen aus Hamburg mit einer fünfzehnjährigen Tochter. Eher etwas freakig, mit behäbigem Hänger unterwegs und radreisemäßig scheinbar recht unerfahren.
Den Tagesabschluss stellt mal wieder eine ausgiebige Partie Phase 10 dar.
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Montag, 11.07.2011
Meine gesundheitliche Verfassung am Morgen ist bescheiden, immerhin sind die Halsschmerzen weg.
Aber die Sonne scheint, kräftig blau leuchtet das Meer durch die Bäume, ein schöner Tag! Der Radweg ist nett geführt, es scheint, als wolle Norwegen jetzt erst einmal einen guten Eindruck machen bei uns - so nach der Devise: ja, ich kann das besser, als Schweden! Oftmals geht es über kleine Nebenstraßen oder sogar Wanderpfade, wir sind sehr zufrieden. Auch Hinweisschilder gibt es plötzlich wieder mit erfreulicher Regelmäßigkeit.
Wir rollen auf sehr schönen kleinen Wegen auf Fredrikstad zu
Im norwegischen Fredrikstad
Fredrikstad
Nachdem wir eine ganze Weile auf verschlungenen Pfaden dem Gewässer Blomma folgten, erreichen wir Fredrikstad. An der Fähre müssen wir feststellen, dass uns zum Bezahlen des Tarifs exakt eine Krone fehlt (etwas mehr als zehn Eurocent) - ich halte es für abwegig, den Fährmann zu fragen, ob er uns trotzdem mitnimmt. Claudia probiert es dennoch und wir staunen nicht schlecht: kein Problem! Also alle Mann schnell rauf auf den Kutter!
Damit uns das aber dennoch so schnell nicht wieder passiert, suchen wir uns im Stadtzentrum erst einmal einen Geldautomaten… und auch einen Supermarkt, denn unsere Depots müssen aufgefüllt werden.
Als Claudia mit gefüllten Plastiktüten wieder zu den Rädern kommt, verleiht sie ihrem Entsetzen darüber Ausdruck, wie teuer alles ist. Wir sind etwas schockiert.
Nach 45 Kilometern verlassen wir das dicht besiedelte Gebiet um den Ort und fangen an, die Augen offen zu halten, ob sich nicht irgendwo ein Fleckchen für eine wilde Übernachtung finden lässt. Das gestaltet sich aber schwieriger als angenommen, schließlich suchen wir keinen Platz für ein kleines Vaude, sondern für zwei mittelgroße Zelte. Mal sind es zu viele Felsen, dann wieder ist der Boden zu stachelig, mal ist der Platz zu klein oder er liegt zu dicht an der Straße. Irgendwas ist immer.
Es wird immer später und schließlich ändern wir die Taktik: Claudia ist so mutig, an mehreren Höfen zu fragen, ob wir auf deren Land unser Zelt aufschlagen dürfen. Oft gibt es sprachlich bedingte Kommunikationsprobleme, doch schließlich (mittlerweile ist es halb zehn am Abend) ist sie doch noch erfolgreich. Gerade haben wir den Krågstadfjord überquert, als ein kleiner Bauernhof ihre Aufmerksamkeit erregt. Der Bauer - bärtig, kräftig, im karierten Holzfällerhemd - hat zunächst auch Schwierigkeiten mit der englischen Sprache, seine Tochter vermag aber erfolgreich zu dolmetschen. Sie sind so nett, uns mit ihrem Auto zu einer Wiese zu geleiten, wo wir sichtgeschützt lagern dürfen. Gelegenheit, unsere Wasserflaschen zu füllen, wird uns auch angeboten. Und dann noch die Aussage: "… there are foxes and deers…" - die Kinder sind begeistert von diesem kleinen Abenteuer.
Als wir an diesem Abend keinen Campingplatz mehr erreichen, bitten wir einen Bauern um Erlaubnis, auf seinem Land übernachten zu dürfen
Schnell stehen die Zelte und da es schon so spät ist, verzichten wir aufs Kochen und schmieren uns einfach ein paar Stullen.
Als die Mädels dann noch Phase 10 spielen möchten, melde ich mich freiwillig für den Spüldienst morgen und klinke ich mich aus. Auch wenn meine Form gegen Abend etwas besser ist, so fühle ich mich schlapp. Ich muss unbedingt schlafen.
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Dienstag, 12.07.2011
Was für ein Sommer bisher! Schon wieder scheint die Sonne, entsprechend heiß wird es im Zelt - Zeit zum Aufstehen!
So allmählich habe ich meinen Reise-Rhythmus gefunden, ich habe das Gefühl, ich könnte monatelang so weitermachen! Und ich glaube, das mit dem Rhythmusfinden trifft auch auf die Kinder zu.
Wir lassen es gemütlich angehen, winken "unserem" Bauern zu, der irgendwann mit einem kleinen Bagger über seine Felder fährt. Die Milch entpuppt sich beim Frühstück als Buttermilch, ich genieße sie mit Apfel und Cornflakes. Und was für ein wunderbarer Platz! Und ich freue mich, dass die Kinder diese Begeisterung teilen. Toni fragt mich, ob ich irgendwann den Fuchs noch gesehen habe (nein, leider nicht) - nett!
Norwegisches Sommermärchen
Der NSCR meint es dann weiter gut mit uns, die Radwege sind toll, oft geht es durch Wald, über Wiesen und manchmal auch über fast ein bisschen abenteuerlich anmutende Pfade. Am Oslofjord finden wir einen schönen Pausenplatz, futtern Kekse, während wir einen älteren Herren beobachten, wie er mit seinem Kajak anlandet und dann von einem kleinen Hund begeistert begrüßt wird, ein nettes Schauspiel.
Finstere Wolken ziehen über dem Oslofjord auf...
Auf dem Westufer des Fjordes braut sich Ungemach zusammen - aus finsteren Wolken entleeren sich Regenfluten. Eingedenk der Windrichtung (Südwest) mutmaßen wir, dass es nicht lange dauern wird, bis wir auch nass werden. Also machen wir uns flott auf den Weg nach Moss, wo wir noch einen Einkaufsstopp bei Spar einlegen, bevor wir die steile Straße zum Hafen hinabrollen. Von hier wird uns eine Fähre nach Horten auf dem Westufer des Oslofjordes bringen. Am Terminal geht es hektisch zu und wir reihen uns ein in die Schlange der Autos.
Die ganze Abfertigung geht sehr zügig vonstatten, so dass wir uns sehr bald auf dem windigen Deck der Fähre wieder finden. Das Wetter sieht wild aus: dramatisch finstere Wolkenspiele im Süden, funkelndes Meer, Sommerwölkchen im Norden. Der Blick schweift herum, in Richtung Oslo ist der Fjord begrenzt von geschliffenen Bergen, die mich an Island erinnern.
Etwa eine halbe Stunde dauert die Überfahrt, die uns vergleichsweise günstige 13 Euro kostet. Wir futtern Kuchen und Melone und schon erreichen wir den Zielhafen.
Auch auf dieser Fjordseite ist der Radweg fantastisch geführt, wir genießen die Fahrt. Ebenfalls prima: all die wilden Regenwolken ziehen um uns herum, so dass wir wider aller Erwartung trocken bleiben. Toll.
Während einer weiteren Pause an einer Wiese direkt am Meer können wir beobachten, wie ein Vater mit seiner Tochter zu einer Kajaktour aufbricht. Das Mädchen ist noch ziemlich klein, lass sie höchstens zehn Jahre alt gewesen sein, geht aber auch souverän mit dem Kahn um…
Während wir durch den Wald radeln, taucht auf einmal links von uns ColorFantasy auf dem Fjord auf, jene Fähre, welche zwischen Kiel und Oslo pendelt und welche einen vertrauten Anblick darstellt, nett.
Exakt bei Kilometer 45 erreichen wir den angesteuerten Campingplatz. Es braucht eine kleine Weile, bis wir uns für einen Stellplatz in dem kleinen Wäldchen entschieden haben. Wir sind hungrig, doch das Pü aus der Tüte schmeckt wie Kleister und die Sieben-Euro-Konservendose enthält klare Suppe mit Klößen (Fleischanteil vermutlich bei ca. 2%), nicht wie angenommen Soße. Naja. Halbwegs satt werden wir dennoch.
Meine Form verschlechtert sich eher, als dass sie besser wird. Nase dicht, Gefröstel. Nervt.
Vor der obligatorischen abendlichen Spielrunde (mal wieder Phase 10) unternehmen wir noch einen kleinen Gang an den Strand, blicken auf den Fjord - der wundervolle, blassblaue Himmel erinnert mich mal wieder an Island, die Wolkenspiele sind dramatisch.
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Mittwoch, 13.07.2011
Urlaubshalbzeit - schade! Geschützt von den Bäumen, die die Sonne abhalten und somit das Aufheizen des Zeltes verhindern, schlafen wir lange und stehen erst um neun Uhr auf. Die ganze Nacht blieb es trocken und nun, am Morgen, ist von all den bedrohlichen Regenwolken des Vortags nichts mehr zu sehen. Hurra.
Die Tagesetappe gerät kurz, was auch meinem sich zusehends verschlechternden Zustand geschuldet ist.
Eine kleine Fähre bringt uns nach Husøy, weiter geht es über sanfte Hügel (die mich anstrengen) nach Tenvik und von dort abermals mit der Fähre nach Engø. Während einer Pause - die Kinder spielen am Hafen und beobachten die Fische im klaren Wasser - beschließen wir, nur noch bis kurz hinter Sandefjord zu fahren und dort morgen einen Ruhetag einzulegen.
Der dortige Campingplatz mutet mit seinen Nadelbäumen mediterran an. Die Sonne scheint, es riecht harzig. Sind wir wirklich in Norwegen?
Auf den Campingplätzen hat Claudia beim Einchecken eine nicht ganz legale Kommunikations-Taktik etabliert, bei der, na sagen wir einmal, die Existenz eines zweiten Zeltes nicht gerade offensiv erwähnt wird. Das klappt irgendwie immer und wird am Ende dafür sorgen, dass wir in Norwegen im Übernachtungskosten-Schnitt sogar etwas günstiger wegkommen, als es in Schweden der Fall war…
Die Kinder gehen baden, Johanna hat unerfreulichen Kontakt mit einer Feuerqualle, ich huste, ärgere mich über die dichte Nase und fühle mich schlapp. Nudeln. Kurzer Spaziergang ans Wasser (Vollmond über dem spiegelglatten Meer - wunderschön!) Phase 10. Schlafen.
Der kleine Ausschnitt, den wir bislang von Norwegen kennen gelernt haben, lässt den Eindruck zu, dass die Menschen in diesem Land relativ wohlhabend sind. Viele echt schicke Häuser, viele relativ teure Autos, viele Boote, die Städte sauber und gut in Schuss.
Auch auffällig finde ich, wie viele Sport treibende Menschen man sieht: Rennrad- und Mountainbike-Fahrer, Läufer, "Sommer-Langlauf-Skifahrer".
Was mir ein bisschen fehlt, ist die Weite. Dadurch, dass die Küstenlinie zerrissen ist von Fjorden, Buchten und Felsen geht der Blick nur selten wirklich in die Weite. Im Landesinneren ist es wellig, ein bisschen bergig, auch hier oft wenig Möglichkeit für das Auge, in die Ferne zu schauen… Und: überall siedeln Menschen! Am Ende der Reise wird ein etwas entmystifiziertes Bild von diesem Land in meinem Kopf sein - eigentlich war es klar, dass auf dieser Fahrt nicht das Norwegen zu finden sein würde, welches die Bilder in meinem Hirn dominiert (klassische Fjorde, Hochebenen wie die Hardangavidda oder die nordischen Tundren). Und doch werde ich einen eher finsteren Eindruck mit nach Hause nehmen. Weiß gar nicht so genau, warum. Möglicherweise ist es die fehlende Leichtigkeit, die dazu beiträgt: im Vergleich zum lichten, freundlichen und einfachen etwa Dänemark finden wir hier Verhältnisse vor, die rauer sind, anspruchsvoller und wilder.
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Donnerstag, 14.07.2011
Um neun Uhr stehen wir auf, Mucke wummert über den Platz - was ist denn da los? Es stellt sich heraus, dass die Beats vom Frühsportprogramm herrühren, welches hinterm Deich am Strand stattfindet…
Wir machen uns einen faulen Tag. Claudia bricht am späten Vormittag auf, um in Sandefjord in der Bibliothek an einem Onlinetest für ein Stipendium für ein berufsbegleitendes Studium teilzunehmen, für welches sie sich vor einiger Zeit beworben hatte. Etwas ungünstig, dass dieser Termin nun mitten im Urlaub liegt, aber es ist nicht zu ändern, da ist nichts zu verschieben.
Ich döse vorm Zelt, schaue auf die Karten und analysiere Höhenprofile, während kleine freche Vögel sich tatsächlich bis in die Apsiden unserer Zelte trauen. Die Kinder beschäftigen sich bei sich im Zelt, frisieren sich die Haare, filmen mit dem iPod den Kopf und zeigen es sich gegenseitig.
Am frühen Nachmittag machen wir uns auch auf den Weg nach Sandefjord, um Claudia zu treffen, die uns sogar auf halber Strecke entgegenkommt.
Gemeinsam fahren wir in den Ort, es zieht sich zu, ist schwül heiß, man rechnet jeden Moment mit Regen, welcher aber ausbleibt. Wir schauen uns die schnuckelige Stadt an, halten uns eine Weile einer kleinen Mall auf, viel zu schauen für die Mädchen, wenig zu schauen für mich…
Überall hängen Monitore, die unter anderem die Wetterprognose darstellen: es sieht nicht gut aus, viel Regen für die nächsten Tage wird da angedroht…
Später besuchen wir noch das Walfangmuseum, eine schöne, wenn auch wenig kritische Ausstellung zu diesem Thema. Teilweise etwas blutrünstig, so dass es nichts für die in dieser Hinsicht etwas empfindliche Toni ist, die dann eine Zeitlang auf uns warten muss, bis wir alles gesehen haben.
Am Abend gibt es schon wieder Pfannkuchen (…wir haben ja noch so viel Mehl im Gepäck…). Und ich ärgere mich, dass ich immer noch nicht wieder fitter bin. Kann ich nicht krank sein, wenn ich arbeiten muss?!?
Norwegen - Schärenküste bei Sandefjord.
Später hocken wir am Fjord, blicken auf die Felsen und das Wasser. Ich trinke Tee, die Sonne lässt sich noch einmal blicken und zaubert ein bizarres Licht, alles ist tiefblau getränkt - und dann erscheint sogar noch ein Regenbogen.
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Freitag, 15.07.2011
Die Wetterprognose vom Vortag lag leider diesmal richtig, Regen wechselnder Intensität prasselt auf unser Dach. Nützt ja nix, heute wollen und müssen wir weiter, also raus aus den Federn!
Ich ziehe es vor, meinen Tee heute nicht vor dem Zelt, sondern in der kleinen Küche zu bereiten. Dort treffe ich eine junge Belgierin - dank Vaude-Lenkertasche ist sie leicht und sicher als Radreisende zu identifizieren - und somit kommen wir schnell ins Gespräch. Es stellt sich heraus, dass auch sie gegen den Uhrzeigersinn auf dem Nordseeküstenradweg unterwegs ist und beabsichtigt, die komplette Runde zu fahren. Damit ist sie in all den Jahren die erste, die ich treffe, die derartige Pläne hegt. Vor zwei Wochen verließ sie Belgien und ist seitdem 2500 Kilometer geradelt (was einem Tagesschnitt von 180 km entspricht…). Da sie noch über zwei Monate Zeit hat, empfehle ich ihr, doch lieber mal etwas langsamer zu fahren, da sie sonst doch viel zu schnell wieder in Belgien sein wird!
Sie stimmt mir im Grunde zu, meint aber auch, es rolle sich oft so leicht, und wenn man früh aufsteht und den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als zu radeln, dann kann es eben passieren, dass solche Distanzen zurückgelegt werden…
Sehr nett auf jeden Fall, mal eine Gleichgesinnte getroffen zu haben. Hinterher ärgere ich mich, nicht nach ihrer Adresse gefragt zu haben, wäre ja interessant gewesen, zu hören, ob sie gut wieder in ihrer Heimat angekommen ist.
Etwas verspätet komme ich dann mit meinem Tee zurück zu unseren Zelten, wo wir dann in der Apsis frühstücken.
Abbau und Einpacken im Regen, bei der Abfahrt nieselt es nur noch, ist aber empfindlich kühl.
Die Strecke ist phasenweise einigermaßen nervig, denn oft gibt es keinen Radweg, dafür aber viel Verkehr. Wir hatten es schon im Vorfeld mal ins Auge gefasst, den Langangs-Fjord nicht auszufahren, sondern mit der Fähre von Helgeroa nach Langesund abzukürzen, was uns etwa vierzig Kilometer Einsparung erbringen würde. Die aktuellen Bedingungen geben dieser Idee Auftrieb, so dass wir uns um halb fünf in dem kleinen Hafen von Helgeroa einfinden - eine halbe Stunde vor Abfahrt des kleinen Boots. 320 Kronen müssen wir für die Passage berappen, das sind über 41 Euro für die knapp einstündige Überfahrt. Dieses Land ist teuer! Am Ende werden wir in diesem Jahr übrigens etwa 160 Euro für Fährtickets ausgegeben haben…
Die Fahrt ist jedoch wirklich toll! Durch kleine Felseninseln schlängelt sich der Kahn, hält hier mal und hält da mal an. Allerdings ist es furchtbar kalt - mir zumindest ist furchtbar kalt… Über dem Land gehen kräftige Schauer nieder und wir erwarten, dass wir die letzten Kilometer nachher auch im Regen werden fahren dürfen.
Immer wieder müssen wir kleine Fähren nutzen, um Fjorde zu überwinden
Als wir aber Langesund erreichen, ist es trocken. Nur noch wenige Kilometer Strecke (allerdings gespickt mit zwei ruppigen Anstiegen) trennen uns vom Campingplatz. Unterwegs wartet irgendwann einmal Toni am Straßenrand auf mich, um mir einen kleinen Wasserfall an der Felswand zu zeigen. Es ist toll für die Kinder, die Landschaft mit ihren kleinen Eigenheiten zu entdecken, vieles hier ist ja wirklich neu für sie, die sie in ihrem Leben vor allem Dünenlandschaften und Deiche kennen lernten… Da ist eine bergige Landschaft schon echt etwas Besonderes…
Auf den letzten Metern beklagt Toni Knieprobleme, Johanna gibt Kopfschmerzen an. Gut, dass wir dann um halb sieben unser Tagesziel erreichen.
Der Platz ist toll, eigentlich ist es nichts weiter, als eine kleine Wiese an der Straße, auf der kaum noch Autos unterwegs sind. Das Wetter wird noch mal richtig schön, die Sonne kommt raus und am Abend haben wir blauen Himmel! Wir futtern Curryreis - draußen! - und freuen uns des Lebens. Die nette Dame, bei der ich eincheckte, äußerte, das Wetter solle auch morgen wieder schön werden. Na denn!
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Samstag, 16.07.2011
Der heutige Tag wird uns 48 weitere Kilometer auf den Tacho bringen, dabei wird das Navigationsgerät 634 Höhenmeter zählen - Rekord in diesem Sommer. Teilweise fahren wir das auf rumpeligen Pfaden und sehr steilen Abschnitten; es dürfte somit auch die physisch anstrengendste Etappe dieser Reise werden - und doch wird sie uns als eine der schönsten, wenn nicht die schönste Tagesreise in diesem Jahr in Erinnerung bleiben…
Dazu trägt sicher auch nicht unwesentlich das Wetter bei: schon am Morgen strahlt die Sonne, wir freuen uns auf einen weiteren Sommertag.
Optimale Verpackung für den Radreisenden
Uns ist dank unserer guten norwegischen Karten im Vorfeld klar, dass dies ein anspruchsvoller Tag werden würden, haben mit den Kindern Alternativen diskutiert und uns dann gemeinsam für die (relativ weite) knapp 50 km-Variante entschieden.
Es geht direkt in den Wald, der Untergrund ist lose, wir fahren oft auf Schotter und das Profil ist überaus wellig. Ganz oft helfen wir uns gegenseitig die Berge hinauf - ich fahre immer hoch, Johanna meistens, Claudia und Toni manchmal… aber auch schiebend kommt man immer oben an!
Ich staune heute mehr als einmal über unsere Kinder, sie fahren unglaublich, nicht ein einziges Mal ist Klagen oder Gejammer zu hören. Ich frage mich schon manchmal, wie es angehen kann, dass diese tollen Kinder Spaß daran haben, ein voll beladenes Fahrrad in der Mittagssonne einen steilen, schotterigen Waldweg hinaufzuschieben! Das ist weiß Gott nicht jedermanns / jederkinds Sache…
Es ist schön warm, doch dank eines leichten Windes nicht zu heiß, einfach in jeder Hinsicht optimal. Der Weg führt uns zwischendurch an die Küste. Im kleinen Ort Valle, einer quirligen, touristischen Marina, können wir einen Einkauf erledigen und ein Eis essen, bevor es direkt am Ortsausgang "an den Berg geht"! Unsere Karte hatte uns gewarnt, eine kleine grüne Hundert neben der Straße kündigte uns die bevorstehende Höhendifferenz schon an - übrigens Rekordhöhe in diesem Jahr! Kurz vorm Ortsschild wird es steil, einen beachtlichen Teil der Höhenmeter machen wir dann ziemlich direkt… und bald sind wir am höchsten Punkt angelangt.
Unterwegs in Norwegen
Flotte Abfahrt!
Waldiger Abschnitt
Der norwegische Abschnitt des NSCR überzeugt nicht nur durch große spektakuläre Landschaftsbilder. Auch die Wegführung ist sehr oft ausgezeichnet gewählt. Zumeist geht es über autofreie oder zumindest verkehrsarme Strecken
Man kann sagen, wir haben Glück mit dem Wetter...
Kurze Pause am Wegesrand
Am Abzweig nach Kragerø treffen wir eine andere vierköpfige Familie mit zwei relativ kleinen Kindern, die auch auf dem Nordseeküstenradweg unterwegs sind - Johanna und Antonia amüsieren sich köstlich, dass diese Radler über uns bescheid wissen, wissen wie alt die Kinder sind und was wir so vorhaben… Klar, die Belgierin, die ich vor einigen Tagen traf, hatte geplaudert!
Wir unterhalten uns ein Weilchen am Wegesrand und müssen feststellen, dass unser NSCR-Projekt doch konsequenter realisiert wird. Die Familie, übrigens Hamburger, berichten, dass sie in lockerer Folge einzelne Abschnitte radeln, einige niederländische und dänische Etappen sind sie gefahren, Schweden ließen sie auch teilweise aus, fahren mal mit und mal gegen den Uhrzeigersinn… Macht ja nichts, aber meins wäre das nicht. Ich finde ja, dass gerade der Umstand, dass man mit vielen kleinen Reisen irgendwann einmal eine große realisiert hat, besonders reizvoll. Und das geht in meinen Augen eigentlich nur, indem man auf der Karte eine virtuelle durchgezogene Linie entstehen lässt (…muss sagen, dass ich bei der gestrigen Langangs-Fjord-Abkürzung schon etwas Bauchschmerzen hatte…). Das soll jetzt nicht abwertend klingen, ich finde es ja immer toll, wenn Menschen mit dem Fahrrad verreisen, und dann auch noch mit relativ kleinen Kindern, ich sage lediglich, es ist nicht mein Stil!
Bevor sich unsere Wege trennen, geben sie uns noch den Tipp mit auf den Weg, dass in wenigen Kilometern ein wunderschöner Pausenplatz auf uns wartet…
Ja, das finden wir dann bestätigt! Ein Picknickplatz direkt an einem blauen Bergsee, mitten im Wald - ein Traum! Wir futtern Brote und Kuchen, dann springen zunächst die Mädels und bald auch ich in das kühle Wasser. Ein schwimmender Sprungturm ist eine kleine Attraktion am Rande…
Wir schießen ungefähr fünfzig Spring-Fotos - die Mädels lieben das… und lassen uns viel Zeit, genießen diesen grandiosen Ort.
Dieser Bergsee bei Kragerø lädt zum Verweilen ein. Es gibt Kuchen und anschließend ein kühles Bad
Landschaft bei Kragerø
Bis Kragerø geht es wellig weiter. Der Campingplatz liegt etwas außerhalb des Orts an einer Bucht, die uns nun direkt gegenüberliegt. Wir sehen schon das Ziel, haben aber noch gute eineinhalb Stunden zu radeln bis dorthin… Fjordeffekt!
Unterwegs in Norwegen
Der Platz ist sehr teuer, aber ganz hübsch gelegen. Wir bauen unsere Zelte neben dem Wohnwagen eines Norwegers auf, mit dem wir ins Gespräch kommen, während wir auf den Isomatten sitzend Speck anbraten und Nudeln kochen. Er schimpft auf den Euro, hatte er doch gerade heute erst gelesen, dass sich in Deutschland Unmut regt über die immer größeren Bürden, welche dem Steuerzahler zugemutet werden, um die Eurozone stabil zu halten. Er sei froh, dass sich Norwegen einst dagegen entschied und prognostizierte, dass auch Deutschland in nicht ferner Zukunft wieder zur D-Mark zurückkehren wird… Na, wenn er meint. (Ich persönlich bin ja sehr pro-europäisch eingestellt, betrachte diesen friedlichen Staatenbund eher als sensationelle Errungenschaft nach Jahrhunderten der Kriege und Konflikte…)
Am Ende schenkt er uns noch ein Häufchen kleiner Konserven (er arbeitet für eine Firma, welche die norwegische Armee mit Lebensmitteln versorgt), unter anderem sehr leckere Makrelen-in-Tomatensoße-Döschen.
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Sonntag, 17.07.2011
Regen prasselt aufs Dach, wir schlafen lange, stehen erst um zehn Uhr auf und gehen dann zum Frühstücken in den geräumigen Aufenthalts- und Kochraum. Anschließend spielen wir stundenlang Phase 10, hoffen immer noch, dass sich das Wetter bessert. Der Blick hinaus ist trotz des Regens ausgesprochen schön, jedenfalls finde ich das: wolkenverhangen zeigen sich die Berge, alles sieht recht verwegen aus.
Es ergibt sich allerdings keine Änderung zum Guten, eher nimmt der Regen und auch der Wind an Intensität zu. Unser eigentlicher Plan für den Tag sieht eine kurze Etappe vor. Nun ja, wir streben nun also an, die frühere 14:45 Fähre zu nehmen, es regnet ohne Unterbrechung wie aus Eimern…
In Kragerø erledigen wir noch einen Einkauf, holen Geld und frieren. Die Fähre kommt pünktlich, die Überfahrt dauert nur eine Viertelstunde, kaum Zeit, das wilde Wasser und die raue Aussicht zu genießen. Am andern Ufer entscheiden wir uns eingedenk der anhaltend ungemütlichen Wetterlage dafür, den nur drei Kilometer entfernten Campingplatz anzusteuern.
Trotz der allgemeinen Tristesse kann ich der Landschaft etwas abgewinnen, laut rauscht das Wasser die Hänge hinab, flutet die Drainagegräben am Straßenrand oder ergießt sich über Felsvorsprünge.
Schnell ist der Campingplatz erreicht und man glaubt es kaum, bald ist es sogar trocken und am Abend lässt sich auch noch die Sonne blicken! Erst einmal tut allerdings eine warme Dusche gut…
Die Kinder futtern Milchreis, Claudia und ich Instant-Stroganoff-Geschnetzeltes.
Ja, irgendwie ist eine Reise in dieser Form auch ein Sozialexperiment. Zwei etwas spezielle Erwachsene mit ihren Launen und Macken verreisen mit zwei präpubertären Mädchen. Drei Wochen im Radsattel unter bisweilen widrigen Umständen auf sehr engem Raum miteinander, während man sich im stramm durchgetakteten Alltag daheim an manchen Tagen nur mal kurz im Vorbeigehen oder beim Abendessen sieht. Das ist eine echte Herausforderung! Wie einfach könnte man es doch haben, zwei Wochen Club med auf Malle mit Rundumdieuhr-Bespaßung für die lieben Kleinen und drei Mal am Tag Buffet - alles palletti!
Kann das überhaupt gut gehen? Ich denke, die Antwort ist in unserem Fall ganz klar "ja", auch wenn an einigen Tagen auch schon mal kurzzeitig die Nerven blank liegen.
Die Mädels betreffend denke ich manchmal, dass ein wenig soziale Abwechslung ihnen hin und wieder ganz gut täte. Das war noch etwas anderes, als wir in den Niederlanden, in Deutschland und zum Teil auch in Dänemark unterwegs waren, als es auf jedem Campingplatz direkt auch Kontakte außerhalb der Familiencrew gab. Das ist hier deutlich anders, was vor allem an der Sprache liegt, denke ich. Außerdem verlassen sie so ganz allmählich das Alter, in welchem Spielplätze interessant sind…
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Montag, 18.07.2011
Wir kommen erst gegen Mittag los, lassen uns Zeit nach dem Frühstück, gehen noch an den Strand hinunter, wo die Kinder eine Weile auf den Felsen klettern.
Die Sonne scheint, fast alle unsere Sachen sind wieder trocken. Mal wieder kräftige Kontraste, mit denen uns dieses Norwegen begegnet. Gestern Weltuntergangsstimmung, heute wieder friedliches, sommerliches Radreiseidyll…
Die Strecke ist verkehrsarm, landschaftlich wunderschön, der Asphalt super - und wieder ziemlich hügelig. Über 550 Höhenmeter ringen wir dem Terrain ab.
Vom winzigen Øysang nach Risør bringt uns eine kleine Fähre. Die kommt uns irgendwie bekannt vor; ziemlich schnell komme ich drauf, dass genau dieser Kahn auf dem Deckblatt unseres Landkartensets abgebildet ist…
Risør kommt recht adrett und ein bisschen nobel daher, viele saubere, weiße Holzhäuser, ein großer Yachthafen, pulsierendes Leben in den Gassen. Für uns Gelegenheit, unsere Vorräte aufzufüllen und für die Mädels die Möglichkeit, nach Postkarten zu suchen und ein wenig umherzuspazieren. Ich suche mir ein schattiges Plätzchen und lese im Reiseführer…
Am frühen Abend erreichen wir den seltsamen Zeltplatz von Gjeving, mehr Bootshafen als Campingplatz. Keine Rezeption, alles komisch. Und furchtbar viele Ameisen, die uns überall hinkrabbeln, so dass wir schließlich zur Essensvorbereitung ins Zelt fliehen.
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Dienstag, 19.07.2011
Es ist bedeckt, aber trocken und wegen der (…natürlich…) auch heute Morgen noch bestehenden Ameisenplage nehmen wir das Frühstück lieber nicht im Freien ein.
Um elf starten wir in eine abwechslungsreiche, ganz schöne Etappe mit vielen Steigungen: an die sechshundert Höhenmeter erwarten uns. Toni fährt guter Dinge mit Claudia vor, während ich die meiste Zeit mit Johanna eher hinten bin. Zunächst fahren wir längere Zeit entlang einiger Seen, später folgt die Straße dem Verlauf der Küste.
Eine erste längere Pause legen wir in Tvedestrand ein, einem kleinen, am Hang gebauten Ort am Meer. Geldautomat, etwas Sightseeing (die Mädels suchen die Straßen ab, angeblich steht hier das schmalste Haus Norwegens, was sie aber nicht entdecken), Postkartensuchen. Während sie durch die Gassen schlendern, entdeckt Claudia im Schaufenster eines Immobilienmaklers, dass in der Nähe des Ortes für gut 200.000 Euro ein Campingplatz zu verkaufen ist - wäre das nicht eine Gelegenheit?! Wir blödeln herum und spielen durch, wie es wohl wäre, einen Campingplatz zu betreiben und welche Konzepte man fahren könnte… Schöner Traum.
Später, in dem kleinen Ort Kilsund, pausieren wir abermals, diesmal an einem Supermarkt und ich finde es durchaus bemerkenswert, dass sich unmittelbar neben dem Laden ein Bootsteg befindet, an welchem die Kunden ihre Kähne anbinden können, wenn sie von ihrer kleinen Insel hier her zum Einkaufen kommen.
Und tatsächlich, während der guten Stunde, die wir dort verweilen, um Besorgungen zu machen und einen Teil derselben unmittelbar im Anschluss direkt zu verzehren, sehen wir so manches Boot an- und ablegen… Lustig!
Später fällt etwas Regen, den wir in einem Bushäuschen abwettern wollen. Als er nicht aufhört, fahren wir trotzdem einfach los - und siehe da, nach wenigen Kilometern ist es schon wieder trocken und wir können die Regenjacken wieder einpacken.
Ich quassele viel mit Johanna, sie fragt mich, wann wir denn wohl mit dem NSCR fertig sind; ich erwidere: "Voraussichtlich 2015". Sie: "…dann mache ich 2016 mit Toni allein eine Radtour!".
Es entwickelt sich die Idee, dass sie nach dem Abi eine längere Fahrt unternehmen möchte. Ein wenig interessiert zeigt sie sich auch an Erzählungen aus meiner Zeit nach dem Abitur und den Reisen, welche ich unternahm.
Unterwegs in Norwegen
Unterwegs in Norwegen
Wir lassen Arendal hinter uns und erreichen am Abend nach 55 Kilometern den Zielcampingplatz auf Hisøy. Es ist ungemütlich, schlammig und laut. Nicht gut für einen als Option ins Auge gefassten Ruhetag.
Wir gesellen unsere Rohloffs und unser grünes Wechsel Intrepid III zu zwei anderen Rohloffs und einem beigefahrbenen Wechsel Intrepid III (...deren Zelt steht faltenfrei wie eine eins, ich denke, verdammte Kiste, wie kriegen die das bloß hin?!). Bald kommen wir natürlich mit unseren Nachbarn ins Gespräch, einem älteren Ehepaar aus Hamburg, die auch einen NSCR-Teilabschnitt radeln. Ist ja immer ganz interessant, andere Radreisende und deren Equipment zu beäugen. Sie führen zum Beispiel Klapphocker und einen kleinen Tisch mit, worüber wir ja auch schon so manches Mal nachgedacht haben. Eine weitere durchaus nachahmenswerte Idee ist: eine einfache, aus zwei Segmenten bestehende gut einen Meter messende Zeltstange, die zum Spannen einer Wäscheleine geeignet ist - dürfte kaum etwas wiegen und nimmt kaum Platz weg.
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Mittwoch, 20.07.2011
Ich bin schon um halb sieben wach, während alle anderen noch schlafen. Ich hänge die klamme Wäsche auf und gehe dann in die kleine Küche am Sanitärgebäude, wo ich schon mal Tee koche und nebenbei ein paar Postkarten schreibe.
Lange dauert es nicht, dann sind auch die Mädels wach und wir frühstücken gemeinsam. Kurz nach zehn (also echt früh für unsere Verhältnisse!) sitzen wir auf den Rädern und setzen unsere Reise fort. Wetter: weiterhin sommerlich.
Wir diskutieren zwei Optionen für die Gestaltung des heutigen Tages: Variante 1: 40 Kilometer bis Lillesand, um dort dann morgen einen kompletten Ruhetag einzulegen oder Variante 2: sehr kurze Etappe (12 Kilometer) bis zu dem Campingplatz Moysand kurz vor Grimstad, um dort dann einen halben Ruhetag (also heute Nachmittag) einzulegen und dann auch morgen eine relativ kurze Etappe bis Lillesand zu fahren.
Nach wenigen Kilometern machen wir Halt an einem Supermarkt, wo wir dann die Entscheidung für Variante 2 treffen. Die Mädels erledigen den Einkauf, während ich wie üblich bei den Rädern bleibe und das Treiben auf dem Parkplatz beobachte (total spannend…).
Meinem Wunsch, Obst und Jogurt mitzubringen wird im Überfluss entsprochen und schon kurze Zeit später finden wir uns vor den Zelten auf einem tollen Campingplatz vor Bergen von Obst wieder: es gibt Melonen, Birnen, Äpfel, Bananen, Himbeeren, Pflaumen. Herrlich.
Nach der heutigen Etappe belohnen wir uns mit einer üppigen Obstmahlzeit.
Was für ein Luxus im teuren Norwegen!
Der Platz "Familiecamping Moysand" ist erstklassig und familienfreundlich ausgestattet, geräumige, saubere Sanitäranlagen mit Extratrakt für Kleinkinder und Babys, Spielplatz, Trampolin, Aufenthaltsraum, Küche (mit Induktionsherd - so etwas habe ich noch nie erlebt, man stellt den Topf drauf und ungelogen Sekunden später kocht das Wasser! Unglaublich).
Das ganze befindet sich in einer felsigen Bucht, die ich, wenn man mir nur ein Foto davon gezeigt hätte, am ehesten an der Côte d'Azur verortet hätte, ein Eindruck, welcher sicher noch durch das hochsommerliche Wetter unterstrichen wird.
Kleine Bucht bei Grimstad; könnte doch auch an der Côte d'Azur sein, oder?
Mit obstgefüllten Bäuchen klettern wir auf die Felsen, genießen die Aussicht, trinken Tee und knabbern Kekse. Die Kinder lassen es sich nicht nehmen, direkt mal ins Wasser zu springen. Ich folge später auch und amüsiere mich mit dem Mädels eine ganze Weile am Sprungturm, der ein kleines Stück vom Strand entfernt in der Bucht dümpelt. Irgendwann schlottere ich vor Kälte und verlasse das Meer - versuche dabei, keine der Feuerquallen zu berühren, die man von der erhabenen Perspektive des Sprungturmes entdecken konnte…
Die Dusche schafft es nicht, mich vollends wieder zu erwärmen, trotz der sommerlichen Verhältnisse friere ich noch eine ganze Zeitlang nach…
Wir kochen Nudeln und Reis und setzen uns nach dem Abendessen lange in den Aufenthaltsraum, der uns mit seinen Steckdosen anlockt - da können iPod und Co. mal wieder Strom tanken. Außerdem stellt der Campingplatz kostenloses (wenn auch unglaublich langsames) WLan zur Verfügung, Gelegenheit, mal die Mails zu checken und einen Blick bei Facebook reinzuwerfen. Die meiste Zeit allerdings spielen wir wie üblich Phase 10.
Als es dunkel ist und die Kinder in ihrem Zelt liegen, drehe ich mit Claudia noch eine Runde über den Platz und stelle fest, dass nicht nur der Eindruck, den ich am Tage von der Bucht gewann von mediterranem Gepräge ist, auch das Leben selbst hier erinnert an das in südlichen Gefilden: auch um Mitternacht sitzen noch viele Menschen bei Kerzenlicht draußen vor ihren Wohnwagen oder Zelten (…in T-Shirts…) und genießen ein Glas Wein. Vielleicht geht es alles etwas leiser und gedämpfter zu, als zweitausend Kilometer weiter südlich…
Vorm Schlafengehen noch ein letzter Blick auf das Meer, welches nun fast spiegelglatt daliegt und blass funkelnd den Schein des Mondes reflektiert. Was für ein Anblick!
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Donnerstag, 21.07.2011
Ein Nachbarkind macht lautstark auf sich aufmerksam, so dass unser Tag bereits um halb acht beginnt. Noch immer keine Wolke am Himmel, herrlich.
Wir wissen, wir haben auch heute mit knapp dreißig Kilometern eine relativ kurze Etappe vor uns, so dass wir es gemütlich angehen lassen und nach dem Frühstück noch eine Weile auf den Isomatten "chillen" bzw. letzte Postkarten schreiben oder noch mal ausnutzen, dass man hier ins WLan kommt. Die Mädels unternehmen noch eine Klettertour auf die angrenzenden Felsen - irgendwann sieht man Johanna ganz weit oben stehen und winken!
Es wird wieder richtig heiß, als wir dann aber auf den Rädern sitzen, spüren wir einen leichten Wind, der es absolut angenehm macht.
Auf den Radler-Hinweisschildern taucht nun auch schon Kristiansand auf, was leider auch vom nahenden Ende dieser Reise kündet… Bald kommen wir an einen Abzweig, an dem uns der Weg von der Straße in den Wald führt. Auf acht Kilometern ist der NSCR nun auf der Trasse einer alten Poststraße zwischen Oslo und Kristiansand geführt, unser Reiseführer (Schweden Norwegen - Nordseeküstenradweg, Barelds, Konrad Stein Verlag) sagt, "dieser Schotterweg (…) darf sich als einer der beschwerlichsten Abschnitte des gesamten NR rühmen."
Das ist nicht übertrieben - zumindest bezogen auf die 2989 Kilometer, die wir bis hier seit Hoek van Holland radelten, können wir das bestätigen. Dennoch bereuen wir zu keinem Zeitpunkt, uns nicht nach einer alternativen Route umgesehen zu haben. Landschaftlich traumhaft schön, ohne Autoverkehr - aber eben auch echt knackig. Das erste Mal wird es so steil, dass selbst ich einige Passagen nicht mehr fahrend bewältigen kann. Und auch Hochschieben gelingt wegen des losen Untergrunds nur zu zweit. So werden die acht Kilometer echte Teamwork.
Unterwegs in Norwegen
Unterwegs in Norwegen
Unterwegs in Norwegen
Immer mal wieder findet sich die Gelegenheit, am Wegesrand Beeren zu sammeln. Man beachte: zwischen all den Himbeeren liegt auch eine Walderdbeere!
Unterwegs finden wir wieder Himbeeren und Walderdbeeren, eine willkommene Zwischenmahlzeit… Die Strecke führt durch den Wald, immer wieder tauchen Felsen auf, von Moos bewachsen und von großem Farn flankiert.
Kurz vor Lillesand treffen wir auf neu gebaute Abschnitte der E18, einer Autobahntrasse durch die hügelige Küstenlandschaft. Weder unsere Hjulgleder-Karten noch mein GPS kennen diese Abschnitte. Wir finden uns aber dennoch gut zurecht. Ein paar Kilometer noch rollen wir an surreal türkisfarbenen Buchten vorbei, dann erreichen wir kurz nach drei am Nachmittag unseren Zielcampingplatz.
Die Sonne scheint immer noch, es ist schön warm und während Toni und ich die Zelte aufbauen, machen sich Claudia und Joe auf den Weg in den Ort, um ein wenig einzukaufen. Wir futtern dann Kuchen und vergammeln den Rest des Tages entweder auf den Isomatten am Zelt oder am Strand. Die Kinder und Claudia lassen es sich auch nicht nehmen, noch einmal in die Fluten zu steigen und bis zu einer nahen kleinen Insel zu waten. Ich ziehe es vor, an Land zu bleiben…
Gegen Abend ziehen Wolken auf. Wir spielen lange und viel und gönnen uns Pommes, die es an der Campingplatzrezeption gibt.
Gesundheitlich bin ich noch immer latent angeschlagen, die Nase ist etwas dicht, und vor allem an den Vormittagen verspüre ich oft einen Anflug von Halsweh und Frösteln. Wie lange geht das jetzt schon so - echt nervtötend.
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Freitag, 22.07.2011
In der Nacht beginnt es zu regnen. Wir frühstücken also in der Apsis und hoffen, dass es bald aufhört, damit wir unsere Reise fortsetzen können. Es bleibt aber grau und regnerisch, also ziehen wir dann erst einmal um in den Aufenthaltsraum des Campingplatzes, welcher direkt an den Rezeptionskiosk grenzt, so dass es in diesem Raum ganz furchtbar nach Fritierfett stinkt. Na ja, immerhin kann man am Tisch sitzen, hat es trocken und halbwegs warm. Und so spielen wir eine Runde Phase 10 nach der anderen, immer in der Hoffnung, dass sich das Wetter ändert. Am frühen Nachmittag sieht es noch immer trostlos aus, so dass wir beschließen, heute nicht mehr weiter zu radeln, sondern diesen Tag hier als Ruhetag zu verleben.
Auch verwerfen wir die Idee, eventuell morgen schon nach Kristiansand zu radeln, um eine Fähre nach Hirtshals zu nehmen. Das hätte bedeutet, dass wir noch eine Nacht in Dänemark campieren würden und uns das frühe Aufstehen am Sonntag erspart bliebe. Ob das buchungstechnisch überhaupt möglich gewesen wäre, ist eine ganz andere Frage, immerhin haben wir Reservierungen für Sonntag und es wird sich zeigen, dass die Fähre bis auf den letzten Platz ausgebucht ist. Egal.
Im Aufenthaltsraum hängt ein großer Fernseher, auf dem wir nebenbei halbherzig die Tour de France-Etappe auf den Galibier verfolgen (mal wieder Anlass, sich darüber zu ärgern, wir verkommen dieser Sport ist, es hat doch eigentlich immer so viel Spaß gemacht, das Rennen zu verfolgen…), bis zwei Jungs hereinkommen, denen eine Ice Age-DVD eingelegt wird. Keine unwillkommene Abwechslung an diesem Regentag und auch wenn die Version natürlich auf Englisch ist, so können wir doch gut folgen. Die Mädels kannten den Film auch schon.
Während wir dann später wieder den Tour-Protagonisten folgen, kommt plötzlich ein Ehepaar herein und bittet darum, mal auf den Nachrichtenkanal schalten zu dürfen, es hätte in Oslo Bombenanschläge gegeben.
Wir verstehen natürlich nicht, was da los war und ist, natürlich denkt man erst einmal an einen islamistischen Hintergrund. Als später Bilder von einem Rettungseinsatz an einer verregneten Felsenküste gezeigt werden, denken wir uns, dass es zeitgleich ein Bootsunglück auf einem Fjord gegeben haben muss.
Erst Tage später werden wir erfahren, dass hier ein Wahnsinniger am Werk war, ein Norweger, der von aberwitzigen rechtsradikalen Ideen geleitet ist und zunächst mit seinen Bomben in Oslo acht Menschen tötete, um dann kurze Zeit später auf der Insel Utøya ein furchtbares Massaker anzurichten, dem 69 Jugendliche zum Opfer fielen, die dort an einem sozialistischen Jugendlager teilnahmen. Gruselig.
Auch am Abend regnet es noch. Wir kochen in der Apsis, es gibt Nudeln für die Kinder und Reis für die Großen…
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Samstag, 23.07.2011
Noch immer Regen, noch immer grauer Himmel - ein etwas unrühmlicher Ausklang der Reise… Wir lassen uns Zeit, frühstücken im Fettgeruch des Aufenthaltsraums und hoffen immer noch, dass sich die Lage vielleicht bessern könnte. Und noch eine Runde Phase 10 und noch eine. Irgendwann müssen wir einsehen, dass es sich wohl nicht mehr ändern wird, also beginnen wir unser Tagewerk und bauen die Zelte im Regen ab. Zwischenzeitig lässt die Intensität des Niederschlags etwas nach, selbst ganz kurze Trockenintervalle gibt es, dann allerdings auch wieder richtige Güsse.
Um halb eins rollen wir vom Platz, der Wind steht gut, es ist relativ warm, die Landschaft wunderschön, wenig Autoverkehr, die Höhenmeter machen sich wie von selbst. So ist es tatsächlich eine Etappe, die wir wirklich genießen können. In dem kleinen Ort Birkeland, durch den wir radeln, holen wir ein letztes Mal Geld und erledigen einen Einkauf - Toni verlässt mit leichten Kreislaufproblemen vorzeitig den Supermarkt, nachdem sie auf den Zeitungen die blutigen Bilder aus Oslo und von Utøya ansehen musste.
Die Fahrt wird (trotz nach wie vor starkem Regen) noch mal richtig nett, auf einer quasi autofreien welligen Straße folgen wir einem schmalen Gewässer, rechts und links bewaldete, zum Teil felsige Berge, in denen sich die Wolkenfetzen fangen - ein wunderschönes Bild. Auch und vor allem die Kinder sind hin und weg, können sich wirklich begeistern, was diesen Anblick betrifft. Auch nach dem Urlaub wird noch öfter von dieser Etappe als einer der schönsten gesprochen.
Weil die Verhältnisse aber nicht unbedingt zu einer längeren Wir-setzen-uns-irgendwo-hin-Pause einladen, nehmen wir irgendwann am Straßenrand stehend den Kuchen zu uns, den die Mädels in Birkeland mit in die Packtaschen geladen hatten.
Ein Bild mit Seltenheitswert: Regen in Norwegen...
Irgendwann, keiner hätte damit noch gerechnet, hört es sogar auf zu regnen! Kleines Highlight noch, bevor wir unseren Zielort erreichen: in einer lang gezogenen Kurve entdecken Toni und ich mitten auf der Straße eine ziemlich große lebende Schlange, die wir uns eine ganze Weile ansehen. Toll!
Der Campingplatz, der etwa zehn Kilometer vor Kristiansand und liegt, ist ziemlich seltsam. Alles wirkt etwas heruntergekommen, lieblos angelegt, verwahrlost. Das Areal ist groß, unübersichtlich, die Sanitäranlagen grottig. Und dann ist es auch noch einer der teuersten Plätze, die wir auf unserer Reise besuchten…
Gerade, als wie eintreffen, ist eine große Hundeveranstaltung mitten im Gange, Gekläffe aus hundert Kehlen… Was da genau passiert, erschließt sich uns nicht, interessiert uns aber auch nicht besonders.
Am Abend kommt sogar die Sonne noch einmal raus, ich kann also in Ruhe an meinem Fahrrad einen Schlauchwechsel vornehmen, ein winzig kleines Loch hatte auf den letzten paar Kilometer für einen schleichenden Druckverlust im Hinterreifen geführt. Ich erkundige mich per SMS bei Werner, wo er sich so rumtreibt - er antwortet, dass er seit 16:00 in Hirtshals ist und Geocaches sucht…
Morgen früh wird er uns dort in Empfang nehmen und freundlicherweise heim nach Kiel chauffieren.
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Sonntag, 24.07.2011
Die Nacht ist kurz - um 4:05 klingelt der Wecker. Es regnet nicht, das ist ja schon mal schön, zumal in der Nacht offensichtlich ordentlich was runterkam…
Ich werfe direkt den Kocher an, will mir Tee bereiten, das ist ja lebenswichtig! Dann heißt es auch schon: Kinder wecken! Ich war etwa skeptisch, welches Gemuffel uns da nun entgegenschlägt, aber nein, das klappt super, flott, gut gelaunt und leise pellen sie sich aus ihren Schlafsäcken. Sie hatten, um schneller fertig zu sein, ohne Isomatten geschlafen - verrückt. Wie geplant verlassen wir um 4:55 den Campingplatz und fahren teils extrem steile Hügel hinauf durch stille Wohngebiete. Zwölf Kilometer trennen uns vom Fährhafen. Die Kinder fahren rasant, sind hellwach und topfit, Claudia ist noch ziemlich müde (…und legt keinen Wert auf ein munteres Pläuschchen am Berg…). Bald erreichen wir die große Hängebrücke, die wir schon seit gestern vom Campingplatz aus sehen konnten, der Verkehr nimmt in der Stadt an Intensität zu, problemlos finden wir die Fähre. Wir begegnen einem Schweizer Radlerpärchen, mit denen wir später noch kurz ins Gespräch kommen. Vom Equipment her hätte man auch annehmen können, sie befänden sich auf einer Zweijahrestour - hatten aber auch nur knapp drei Wochen hinter sich. Kurz plaudern wir über Island im Allgemeinen und die Kjölur im Speziellen, nachdem sich herausstellt, dass sie dort auch schon per Rad unterwegs waren…
Einchecken flott und unproblematisch - man quetscht Autos, Motorräder und Fahrräder in jeden hinterletzten Winkel der engen Parkdecks, nur mit Verrenkungen gelangt man zu den Treppenhausschächten…
Das Aufenthaltsdeck ist gefüllt mit Menschen, es herrscht wuseliges Treiben. Wir sind froh, dass wir vier Sitze nebeneinander ergattern können und frühstücken erst einmal. Erste müdigkeitsbedingte Reizbarkeitszustände treten bei einigen Teammitgliedern zu Tage…
Bald können wir dann das Auslaufen der Highspeedfähre beobachten - Auf Wiedersehen Norwegen, in einem Jahr sind wir wieder da!
Ich verfolge auf dem GPS, wie das Teil Fahrt aufnimmt, schließlich auf über 60 km/h beschleunigt und dabei mit seinen Turbinen eine beeindruckende Welle aufwirbelt - Gischt mischt sich mit schwarzen Abgasschwaden. Umwelttechnisch gesehen eine echte Sauerei.
In Kristiansand endet die diesjähre Etappe. Mit diesem Monstrum gelangen wir in recht kurzer Zeit nach Dänemark, wo wir abgeholt werden
Im dänischen Hirtshals rollen wir von Bord der Highspeed-Dreckschleuder
Die Überfahrt geht dann schnell, bald ist Dänemark in Sicht und schon rollen wir auch aus dem Schiff heraus, erblicken sogleich Werner, den wir erfreut begrüßen. Flugs wird alles in den Anhänger verladen - da haben wir ja inzwischen Übung - und dann beginnt die Heimfahrt durch das verregnete Jütland.
Es wird eine der allerletzten Fahrten sein, die Werners Opel Astra macht; der Motor zickt und wir müssen oft anhalten, damit er sich für die Weiterreise erholen kann. Zwischenzeitig stellt Werner fluchend in Frage, ob wir es überhaupt noch bis Deutschland schaffen werden…
Hat zum Glück geklappt, aber am nächsten Tag in der Werkstatt kann nur noch ein Totalschaden diagnostiziert werden. Und so kommt Werner dann einige Wochen später zu einem neuen Zafira.
In Kiel empfängt uns "Katzenmutti" Rabea, wir trinken Kaffee, essen Kuchen und kümmern uns später um die Nachbereitung der Tour.
Am nächsten Tag, also Montag, bringe ich die Kinder nach Sylt, bleibe auch bis zum Abend da, das mache ich ja immer gerne. Und am Dienstag erwartet man mich in der Klinik zum Spätdienst. Nun heißt es also wieder: elf, zwölf Monate warten, bis wir uns wieder auf den Weg nach Hirtshals machen werden, um dann den zweiten und letzen norwegischen Abschnitt des NSCR zu radeln, nämlich die gut 600 Kilometer von Kristiansand nach Bergen!
Hier geht es zum Bericht des Folgejahres (2012)
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