Spanien - Von Bilbao nach Salamanca



Spanien - Titelbild


Vorbemerkungen

Karte Gesamtübersicht

Seit Ende Juli bin ich bereits unterwegs - habe gemeinsam mit meiner Schwester und zwei Freundinnen aus Süddeutschland einige Wochen im Radsattel in Island verbracht. Nun bin ich mit meinem alten Schulfreund Andreas in Nordspanien verabredet. Wir haben drei Wochen Zeit und wollen ein wenig gemeinsam radeln. Treffpunkt ist die baskische Stadt Bilbao.




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Freitag, 08.09.1995


Es ist ein kurzer, aber herzlicher Aufenthalt in Hamburg, rasch ist die Stunde des Abschieds gekommen. Vor allem der von Birgit ist schmerzlich, haben wir nun doch exakt sieben Wochen seit Lübeck miteinander verlebt und uns dabei wieder einmal sehr gut vertragen.
In sommerlich warmer Sonne tapse ich zur nahen S-Bahn-Station, der Airport-Part verläuft wieder planmäßig und routiniert. Potenzielle Herzinfarktpatienten mit Handys am Ohr schießen zuhauf vorbei, immer geschäftig, immer wichtig…
Ich kaufe mir dann ein Sandwich, eine Coke und schon sitze ich im Flieger, welcher mich katapultartig in einen völlig anderen Film schießt. Traumartig und bizarr, für meinen Geschmack eine Ecke zu krass. 30°C in Barcelona, Palmen, Blick auf das Mittelmeer. Immer suspekter wird mir diese Form des Sich-Fortbewegens. Bin ich nicht tags zuvor noch durch Lava geradelt?

Bilbao. Niedlich der Flughafen, überraschenderweise empfängt mich ein käseweißer Andreas in Shorts bereits hier und nicht erst wie verabredet an der Pension "La Fuente" im Stadtzentrum. Gepäck komplett, Fahrrad okay. Und seltsam, den Andreas zu sehen, hier, an so fernem Ort! Die Freude ist groß und gemeinsam begeben wir uns per Bilbobus ins Stadtzentrum.
Nach Einräumen des Gepäckberges nebst Fahrrad in die Pension gehen wir etwas essen, richten eine Gemeinschaftskasse ein, brüten planend über der Karte. Andreas findet meinen Vorschlag gut und annehmbar, über der 1600er, den "San Glorio" in Richtung Salamanca zu fahren.
Obwohl es absolut vorhersehbar und sonnenklar ist, ich komme nicht umhin, mich darüber zu wundern, dass ein Bier bloß 2,-DM kostet. Wir ziehen durch verschiedene Bars und genehmigen uns so manch eines dieser günstigen Getränke. Lautes Treiben am Wochenende in den engen Gassen der Altstadt, so ungekannt südländisch!



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Samstag, 09.09.1995

Karte Tagesetappe


Obgleich es spät war gestern Abend und wir nächtens noch auf dem Zimmer an den Rädern bastelten, lassen wir uns zeitig wecken, um noch einiges an Besorgungen zu tätigen: Geldtausch (schwierig, da Samstag, gelingt schließlich in der Tiefgarage des Kaufhauses Corte Inglés), Einkauf von Lebensmitteln und Gaskartuschen. Letzteres ist echt ein Problem und nur dank der unglaublichen Hilfsbereitschaft eines Sportgeschäftsbesitzers zu regeln: dieser telefoniert für uns herum und schickt seine Angestellte schließlich los, uns den Weg in der verwinkelten Altstadt zu betreffendem Ausrüsterladen zu weisen. So können wir noch kurz vor Ladenschluss die begehrten Gasbehälter in den Händen halten.
Noch ein Kaffee, bald dann Beladen der Räder, obligatorische Fotos vor dem Haus und los geht es, ins spanische Abenteuer. Heiß brennt die Sonne, wir schwitzen arg und befinden uns noch eine Weile auf der stark frequentierten Ausfallstraße nach Süden.

Spanien, Bilbao

In Bilbao treffe ich meinen Freund Andreas, wir werden
drei Wochen den Norden Spaniens mit dem Rad bereisen.




Spanien, Bilbao

Aufbruch in die erste Etappe - westwärts werden wir Bilbao verlassen




Spanien, Bilbao

Bilbao




Spanien, westlich von Bilbao

Westlich von Bilbao wird die Landschaft grün.




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Unterwegs im Norden Spaniens


Pausieren in einer Kleinstadt. Weiterfahrt. Und dann folgende Schrecksituation: Andreas, noch unsicher mit Rad, Gepäck und Klickpedalen, stürzt bei langsamer Fahrt auf die Fahrbahn. Ein von hinten kommendes Auto kann ihm nur um wenige Zentimeter ausweichen, ich sah ihn schon in Gedanken zerquetscht auf dem Asphalt... Es läuft glimpflich ab, er trägt lediglich Schürfwunden und an der linken Hand eine Prellung davon, die ich mit einem stabilisierenden Verband versorge. Ich sah für einen Moment die Spanientour ja schon am ersten Tag platzen...
Nach etwa fünfzig Kilometern erreichen wir den Stausee Embalse de Ordunte. Schwierig ist es zunächst, einen Platz für das Zelt zu finden, noch einmal sind einige Kilometer nötig, bis wir dann die geeignete Stelle für das Nachtlager finden. Ungekanntes Spanien! Einsames Bergseeidyll, Mondaufgang. Viel Tee, leckeres Kocheressen und unheimliche Geräusche aus der Finsternis des Waldes hinter uns. Vollmond und das Wissen um Wölfe in dieser Gegend der Welt! Lange noch quatschen wir, blicken auf das spiegelglatte Wasser vor uns...



Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Unterwegs im Norden Spaniens




Spanien, Embalse de Ordunte

Wir erreichen den Stausee Embalse de Ordunte,
an dessen Ufer wir ein wildes Lager suchen.




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Sonntag, 10.09.1995

Karte Tagesetappe


In diesem Land fühle ich mich noch fremd, eigentlich wenig verwunderlich, nach all den wohligen Wochen im geliebten Island. Nun, in der Fremde, wo die Kaffistation Bar heißt, auf den Klodeckeln nicht lfö sondern Roca steht, beim Verlassen eines Geschäftes kein "Bless bless" ertönt, sondern ein genuscheltes "Hasta luego" (Atalogo), trete ich stumm in die Pedale, lasse die Gedanken kreisen, denke an Ulrike, an Silke, an Birgit, an Island und die Nordlichter, frage mich gelegentlich, was ich hier eigentlich will und ob es nicht schlau wäre, in Zukunft von solch konträren, unmittelbar aneinander anschließenden Reisen Abstand zu nehmen. Denke an meine Anlage daheim, an meine CDs, den Start auf der Intensivstation etc. Kann aber auch leise schleichend Freude fühlen beim Blick auf die ferne, beharrlich näher rückende Bergkette.

Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Unterwegs im Norden Spaniens


Der erste, bescheidene Pass von 740 Metern Höhe liegt vor uns. Finstere, blauschwarze Wolken zaubern eine bizarre Stimmung, klar ist, es wird in Kürze ein kräftiges Gewitter losbrechen. So geschieht, und zwar exakt in der Minute, da wir die Passhöhe erreichen. Ein sehr glücklicher Zufall will es, dass ebendort eine offene Garage steht, in welcher wir Zuflucht finden und für die Dauer des Unwetters bei Tee und Brot pausieren.

Spanien, unterwegs im Norden des Landes


Unterwegs im Norden Spaniens: 740 Höhenmeter arbeiten wir uns diesen Pass hinauf... Oben angekommen bricht ein Gewitter los!




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Wir suchen Zuflucht in dieser alten Garage und kochen Tee.
Abwarten, bis sich die Lage bessert.


Weiter geht es nach Espinosa und schon heute fällt die ausgesprochene Radlerfreundlichkeit der Spanier auf: vorsichtige Fahrweise der Autos, Hupen, Winken, Sympathiebekundungen kommen oft vor - ein großer Vorzug, im Land des Miguel Indurain zu radeln!
In Espinosa ist Stadtfest, wir beschließen, zu bleiben, finden aber den Campingplatz geschlossen vor, campieren also in einem nahen Waldstück, von wo aus wir nach ausgiebigem Abendessen nach Einbruch der Dunkelheit noch auf ein paar Gläser Bier in die Stadt fahren.



Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Nach dem Regen.




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Unterwegs in Nordspanien




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Montag, 11.09.1995

Karte Tagesetappe


Viel Grün, Wald, Felder. Es bleibt trocken heute und wir kommen ein gutes Stück voran. Machen diverse Pausen, trinken Kaffee, schreiben ein wenig. Meine Schaltung macht Probleme, am Hebel selber hat sich eine Schraube gelöst, der Rückholmechanismus streikt. Ich bekomme es mit der Angst zu tun, schließlich liegen die Picos noch vor uns. Es ist denn aber so, dass sich die Gänge trotz des kleinen Defekts durchaus noch schalten lassen, Glück gehabt. Zweiter Schaden heute: Wie bereits einmal am Anfang des Jahres auf meiner Tour durch Deutschland hatte sich eine Verbindung im Halteapparat der hinteren Packtasche gelöst, ist aber auch reparabel.
Wir zelten am Embalse del Ebro, ein weiterer der zahllosen Stauseen in dieser Gegend auf einer Wiese, deren Kuhscheißbelag uns schon ein wenig stutzen lässt. Etwas mulmig finden wir es, als später die dazugehörige Herde auf die Weiden getrieben wird. Glockengeläut und Gemuhe in Zeltnähe und auch wenn sich schon einmal eines dieser Tiere in Zeltnähe verirrt, so bleibt doch alles friedlich.



Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Die eine oder andere "Bodenwelle" gilt es zu überwinden...




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Wir zelten am Embalse del Ebro, ein weiterer der
in dieser Gegend zahlreichen Stauseen.




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Dienstag, 12.09.1995

Karte Tagesetappe


Heute ein neuer persönlicher Passrekord! Doch dazu später. Beim Verlassen der Wiese versuchen wir, den Kühen nicht zu nahe zu kommen und natürlich gelingt es uns, das Areal unversehrt zu verlassen.
Erste Hundeattacken verlaufen glimpflich, da wir den Rat einer anderen Radlerin beherzigen und nicht schneller, sondern langsamer fahren, wenn die Viecher kläffend auf uns zustürzen.

Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Das Wetter ist weiterhin wechselhaft.


Aus dem See ragen keine Häuser oder Kirchturmspitzen heraus, wie es uns der Reiseführer eigentlich ankündigte, wir machen seinen Ufern folgend unseren Weg nach Reinosa durch sehr ländliche Gegenden mit Pferden und Kuhherden, die auf weiten, nicht umzäunten Wiesen grasen und sich oftmals auf die Straße verirren. Die Verkehrsdichte hat schon seit längerem auf ein sehr angenehmes Maß abgenommen, kaum ein Auto begegnet uns. So sollte es tatsächlich, mit wenigen Ausnahmen, bis Salamanca bleiben!
In Reinosa werden Postkarten geschrieben, wir essen einen dieser fiesen "Platos combinados" und warten im Trockenen einen fetten Regenschauer ab, bevor es also an den Pass geht. Wie schon gesagt: neuer Rekord mit 1260 Metern!

Spanien, Puerto de Palombera

Puerto de Palombera auf 1260m. Neuer Passhöhenrekord!




Spanien, Puerto de Palombera

Oder sind es doch nur 60m?


Beharrlich schrauben wir uns hinauf, überwinden knapp fünfhundert Höhenmeter und sehen bald die Hochebene als Tiefebene unter uns. Obwohl es nur etwa fünf oder sechs Kilometer hinauf geht und die Anstrengung sich wahrlich in Grenzen hält, so ist doch der Triumph groß, als wir den Stein mit der Passangabe erreichen, ganz nach der Devise "Wir haben es geschafft!!!". Öde ist es, die Vegetationsgrenze hatten wir unter uns gelassen, dann Stativphotos, Handschlag und Zigarette, bevor es bald (kühl ist es, also kein langer Aufenthalt) fast zwanzig Kilometer konsequent bergab geht. Ein Hochgenuss! Dies im besonderen, als dass es schon bald durch dichten Eichenwald geht, ja, da staunt mein an Lavawüsten gewöhntes Auge! Die Gegend der Wölfe und Braunbären...

Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Spanien, unterwegs im Norden des Landes




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Unterwegs in Nordspanien


Zeltplatzsuche problematisch, also erliegen wir der Versuchung und quartieren uns im winzigen Dorf El Tojo in einer sehr deplatziert edel anmutenden Pension ein. Draußen hackt der tracheotomierte Hausherr Holz, der Sohn begutachtet neugierig die Fahrräder und die Mutti weist uns stolz auf die supernoble Einbauküche hin, deren Nutzung uns gestattet ist. Im funkelnagelneuen Badezimmer genießen nach fünf Tagen mal wieder eine geniale heiße Dusche. Später Nudeln, Vino, Talk und Tagebuch...



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Mittwoch, 13.09.1995

Karte Tagesetappe


Aufbruch am Mittag. Die Karte verrät es vorab, drei recht anständige Pässe sollen auf der geplanten Route liegen, doch zunächst noch Schonfrist, denn der Tag beginnt mit einer herrlichen Zehn-Kilometer-Abfahrt. Dann von fast Meeresniveau hinauf auf 611 Meter, dort grandiose Aussicht auf die noch fernen Picos de Europa. Schokolade, Erdnüsse, Fotos. Dann hinab auf 140 Meter, Kaffee und Coke in einem kleinen Dorf, wieder hinauf auf 560 Meter. Nur wenige Wolken am Himmel gestatten der Sonne, uns ordentlich zu braten, die Bergfahrten geraten zu schweißtreibender Arbeit. Wir picknicken zu fortgeschrittener Nachmittagsstunde auf der Höhe des zweiten Passes und überlegen, ob wir bleiben sollen oder fortradeln zum dritten im Bunde. Die Entscheidung trifft letztere Option, was weitere acht Kilometer bergan bedeutet, Treten bis an die Schmerzgrenze auf gelegentlich recht hochprozentigen Steilabschnitten. Oben fällt es leicht, eine geeignete Schlafstätte zu finden mit Blick auf die jetzt schon ziemlich nahen und ziemlich gewaltigen Berge, über denen sich ein wildes Wetterspiel darbietet.

Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Spätsommer in Nordspanien




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Spätsommer in Nordspanien




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Ein weiterer kleiner Pass in der Kantabrischen Kordillere.




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

In den Bergen Nordspaniens




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Kleines Dorf am Wegesrand




Spanien, unterwegs im Norden des Landes

Ein weiteres wildes Lager in den Bergen Nordspaniens.


Ich bin sehr k.o., Andreas übernimmt heute die Kocherei. Nahes Läuten von Kuhglocken stellt eine vertraute Geräuschkulisse dar. Regen erst am Abend, die Temperaturen auch recht niedrig, Indiz für die Höhenlage und die fortgeschrittene Jahreszeit - aber das bin ich ja schon gewohnt...



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Donnerstag, 14.09.1995

Karte Tagesetappe


Nach dem Frühstück Bauern in Sicht, die auf "unserem" Acker Rasen mähen. Ein freundlicher Gruß, als wir davon sausen, 12 Kilometer rasante Talfahrt durch kleine Uraltdörfer vor der Kulisse schroffen Gebirges. Unten treffen wir im Ort La Hermida auf die Hauptstraße, ohne uns bislang angestrengt zu haben. Ausgiebig pausieren wir dennoch bei Kaffee, Magdalenas und Zigaretten. Das erste Mal überkommt mich ein Flash, die Tour wirklich zu genießen. Relaxte Café-Atmosphäre, dem gemächlichen Treiben zuschauend und dabei ein paar Postkarten schreibend, unter anderem an Sue (eine Langzeitradlerin, mit der ich im Frühjahr auf Kreta eine Woche gemeinsam reiste), die da gerade im fernen Asien in die Pedale tritt. Viele Monate später erfahre ich, dass sie meine Post im November in Kasachstan erhielt.
Die nur knapp zwanzig Kilometer bis Potes überwinden wir zügig auf sehr gutem Asphalt. Die Straße windet sich durch eine zerklüftete Schlucht, folgt einem kleinen Fluss und man fragt sich: wie haben die hier wohl so eine große, breite Straße reingekriegt?! Insgesamt wenig Steigung für uns, ich fühlte Kraft in mir und gibt ordentlich Gas.
Potes ist ein Touristennest, erinnert an Südtirol oder Garmisch. Auch hier eine Fiesta, die die Straßen mit Leben füllte. Unser Ziel: ein ca. drei Kilometer außerhalb gelegener Campingplatz. Dort lassen wir den Tag entspannt weitergehen, genießen ein mäßiges "Menu del dia" mit drei Gängen in der Bar. Ich schreibe anschließend bei einem Fläschchen Vino Tagebuch.

Andreas hält indes Siesta, bzw. lernt Spanisch. Ganz allmählich habe auch ich fünkchenweise die Motivation wiedergefunden, meine rudimentären Kenntnisse dieser Sprache zur Anwendung zu bringen, wenngleich noch die Power, der notwendige Bezug zum Land fehlte, mich wirklich wieder ernsthaft damit auseinanderzusetzen, also zu lernen oder im Wörterbuch nachzuschlagen. Andreas indes findet große Freude daran, sodass ich diesbezüglich auch nicht unter Druck stehe.

Abendlicher Gang in die Stadt: es findet irgendeine mehrtägige Fiesta statt, viele betrunkene Gestalten sind unterwegs, man hat einen primitiven Jahrmarkt errichtet. Wir genehmigen uns in der einen oder anderen Bar das eine oder andere Bier, vertilgen Hamburguesas und schauen dem Treiben in den Gassen zu.
Erst in der Nacht sind wir wieder am Campingplatz.



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Freitag, 15.09.1995

Karte Tagesetappe


Regenwetter, Touristenprogramm: Die eigentlich als Radtour geplante Fahrt nach Fuente Dé (von 300m auf 1100m) unternehmen wir per Bus, weil, da kommen ja noch genug Berge in den nächsten Tagen! Von dort gelangen wir per Seilbahn auf 1800m. Dauerregen lässt am Sinn der obendrein relativ teuren Aktion zweifeln. Doch da wir recht viel Zeit mitbringen, überlegt es sich das Wetter noch einmal, so dass wir schließlich, nach der Brotzeit, doch noch Sonne und damit eine recht eindrucksvolle Aussicht haben!

Spanien, unterwegs im Norden des Landes, Fuente Dé

Wir unternehmen einen Tagesausflug nach Fuente Dé




Spanien, unterwegs im Norden des Landes, Fuente Dé

Erosion ist nicht nur in Island ein Thema...




Spanien, unterwegs im Norden des Landes, Fuente Dé

Fuente Dé




Spanien, unterwegs im Norden des Landes, Fuente Dé

Fuente Dé


Wir spazieren auf der Höhe umher, sehen stellenweise sogar noch Schneereste in sonnengeschützten Ecken, schauen auf die kleinen roten Seilbahngondeln, die da hinauf- und hinabsausen oder stehen auf der Gitterrostplattform, welche über den tiefen Abhang ragt. Je später der Nachmittag, umso voller wird es dort oben. Zeit für uns, den Bus für die Heimfahrt zu erwischen. Außerdem steht der nächste Punkt auf unserem Touristenprogramm an: Stierkampf!
Zumindest denken wir das... Den Plakat-Hinweisen folgend finden wir uns pünktlich um 19 Uhr in der Arena ein - als die einzigen Besucher... Volksfront von Judaä! Das irritiert uns eingangs ein wenig, sorgt aber auch für unsere außerordentliche Belustigung. Lange dauert es dann aber nicht, da füllen sich die Ränge mit allerlei Volk, und das große Spektakel beginnt. Es wird dann aber nicht wie erwartet, ein Kampf im klassischen Sinne, nein, vielmehr ein "dörfliches Derivat": junge und alte Männer des Dorfes dürfen das Tier in der Arena mit der Capa reizen und dann versuchen, sich möglichst rechtzeitig hinter die Bande zu retten. Lange dauert es nicht, da wird der erste mit dem Krankenwagen hinfort gebracht... Insgesamt zwar teils spannend, aber eigentlich doch eher niedlich…
Später: kurze Stippvisite beim Holzhackwettbewerb, noch ein Bier und zum Abendessen einer dieser fiesen "Platos combinados". Letzteren mache ich dafür verantwortlich, dass ich nächtens schlecht schlafe und später mit massiver Kotzerei und bösem Dünnschiss auf den Toiletten mich aufzuhalten habe.
Im wahrsten Sinne des Wortes: beschissen. Das nervt und zehrt an den Kräften.



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Samstag, 16.09.1995

Karte Tagesetappe


Dementsprechend bin ich am Morgen total gerädert und ohne Appetit, doch auch ohne fortdauernden Brechreiz oder Diarrhoe.
Also traue ich mir zu, den anstehenden Pass zu bewältigen und so brechen wir am Mittag während eines Trockenintervalls an diesem bislang verregneten Tag auf. Von Potes fahren wir 26 Kilometer bergauf, vom 300er Level auf 1609m. Wir benötigen dafür ziemlich genau vier Stunden und da mir nicht im Ansatz nach Essen zumute ist, ist es eine recht zehrende Angelegenheit. Dass wir recht bald durch satten Dauerregen fahren und auf weiten Strecken von Fliegenschwärmen belästigt werden, stört mich wenig. Andreas ist stets weit voraus und ich fechte meinen Kampf mit dem Berg alleine aus.

Ich durchlebe eine kleine Krise, habe das Gefühl, die Luft sei raus, was diese Tour angeht, fluche vor mich hin, warum ich mir das denn eigentlich antue. Die Erschöpfung geht soweit, dass ich eine ganze Weile schieben muss, dies, weil in der Höhe auch noch eine böser Wind von frontal bläst. Und es ist kalt und nass...
Endlich geschafft und oben am Berg doch wenig Befriedigung. Andreas ist ebenfalls völlig genervt, allerdings von Wind und Regen, nicht von der Steigung. Vor allem jedoch von einer Hundeattacke, die ihn kurz vor Erreichen des Ziels stürzen lässt, da er wieder einmal nicht rechtzeitig aus seinen Klickpedalen rauskommt. Ja, und das Wetter setzt ihm arg zu. Ich bin das gewohnt, kann es mit stoischer Gelassenheit hinnehmen, versorge seine Schürfwunden, bevor es talwärts geht: bei Eiseskälte (ich spürte meine Finger nicht mehr) und Regen auf der Suche nach einem Café.
Die Abfahrt ist keine Belohnung, der Gegenwind zu heftig, die Temperaturen zu niedrig. Nach zu vielen kalten Kilometern erreichen wir schließlich durchgefroren die ersehnte Bar. Dort Aufwärmen bei Kaffee, dann die letzten zwanzig Kilometer bis Riaño, ein gerade mal acht Jahre alter, synthetischer Neubauort, dessen "Original" im angrenzenden Stausee versenkt liegt. Weiterhin kein Appetit und völlige Zerschlagenheit nach dieser 65km-Etappe, aber: schon wieder Passhöhenrekord!!!
Wir suchen mühsam eine halbwegs preiswerte Pension, finden ein Zimmer bei einer neurotischen Alten, die es kaum erträgt, dass wir unser angeblich patsch-triefend-nasses (tatsächlich jedoch bloß normal feuchtes) Gepäck mit auf das Zimmer nehmen, sie daher den Raum eigens mit Tüchern auslegt... Selbst wenn die Sachen nass gewesen wären, dem versiegelten Parkett hätte es wahrscheinlich nicht allzu viel ausgemacht.
Dafür finden wir aber besten Schlaf im großen Doppelbett unter dem schrill bunten Jesus-Poster.



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Sonntag, 17.09.1995

Karte Tagesetappe


Verlassen des Ortes am fortgeschrittenen Vormittag, Gegenwind verdirbt uns auch diesmal die Fortsetzung der Abfahrt, welche uns in die Kastilische Hochebene hinabführt. Pause in Cistierna. Mit dem Moment, da wir das Gebirge endgültig hinter uns lassen, ist uns mit einem Mal der Wind gnädig, weht unerklärlicherweise von Nord, also in unseren Rücken; die Sonne scheint und der Asphalt der Hauptstraße ist hervorragend. Nur wenig Verkehr, so dass wir davon absehen, kleine, parallel laufende Nebenstrecken zu benutzen. Ein Hochgenuss, mal so richtig Gas zu geben, wir legen in zwei Stunden auf der Straße etwa fünfzig Kilometer zurück, die Pneus heulen und warmer Wind weht. Mein Gesundheitszustand ist zwar noch leicht angeschlagen, doch eindeutig auf dem Wege der Besserung.

Spanien, auf dem Weg nach Süden

Nachdem wir knapp 500 Kilometer durch die Berge fuhren,
haben wir nun eine weite Ebene vor uns. Wir rollen auf León zu.


Ich bin froh, endlich mal nicht durch die Berge zu fahren, sondern mal wieder richtig "Kilometer zu fressen". Kurz vor dem Zielort León stoßen wir auf die Route des Jakobsweges, vereinzelt überholen wir Pilger. Nach 105 Kilometern (Rekorddistanz bisher) erreichen wir das Zentrum der Stadt und begeben uns auf Unterkunftssuche. Kein besonderes Problem, bei einer alten Dame quartieren wir uns in einer Pension direkt im Zentrum ein.
Ein erster Bummel durch die Gassen der Altstadt lässt bereits heute Abend erkennen, dass wir an einem ausgesprochen schönen und angenehmen Ort gelandet sind, so dass wir uns direkt dafür entscheiden, hier eine weitere Nacht zu verbringen, um morgen den Tag für eine Stadterkundung zu nutzen. Ich wähne mich nun tatsächlich in Spanien, was zum einen daran liegen mag, dass ich mittlerweile lange genug im Land bin und der nötige Eingewöhnungseffekt eingetreten ist; zum anderen aber auch daran, dass die Landschaft ringsum und das Bild, welches die Stadt León bietet, doch viel besser zu der Vorstellung zu passen scheint, die ich bislang von dem Land hatte. Der Norden, den wir zuvor durchradelten, ist natürlich auch Spanien, erinnerte er mich aber doch eher an Mitteleuropa, so rein gar nicht an die Iberische Halbinsel.

Spanien, León

In León




Spanien, León

In León


Mir gefällt das, ein kleiner Hauch von Exotik beginnt zu wehen mit jedem Kilometer, den wir weiter in Richtung Süden unterwegs sind.



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Montag, 18.09.1995


Wir klären mit unserer kleinen, runzeligen, etwas schroff und ebenfalls leicht neurotisch erscheinenden Vermieterin ab, dass wir noch eine weitere Nacht bleiben wollen. Nur widerwillig rückt sie die Pässe raus, die wir benötigten, um Geld zu holen und dann die Zimmer zu bezahlen. Wir müssen versprechen, schnell zurück zu sein, um unsere Schuld zu begleichen, was wir auch tun.
Wir erkunden bald die Altstadt, suchen eine Wäscherei, wo Andreas einen Haufen Wäsche reinigen lässt, stöbern in verschiedenen Touristenshops, nehmen ein gutes, preiswertes Mittagessen mit Wein in einer abgelegenen Gasse ein, besichtigen die Kathedrale.
Den Abend verbringen wir zunächst am Fluss mit einem Fläschchen Wein, später auf dem Balkon unserer Pension, mit noch einer Flasche Wein, wobei wir viel und lange über die "alten Zeiten" plauschten, Abitur-Tage und die gemeinsame Zivi-Zeit. Ein wenig Nostalgie.



Spanien, León

In León




Spanien, León

In León




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Dienstag, 19.09.1995

Karte Tagesetappe


Am späten Vormittag verlassen wir bei mäßigem Wind und sporadischen Schauern León in südlicher Richtung. Das Land ist flach, der Blick schweift über unendlich erscheinende, verdorrte Felder, die erst am Horizont enden. Ortschaften, welche auf unserer Route liegen, sind schon aus gut zehn Kilometern Entfernung deutlich zu erkennen und man glaubt stets, man müsse doch endlich mal dort sein, doch immer sind es noch einige Kilometer. Der Entfernungssinn ist getäuscht.

Spanien, auf dem Weg nach Süden

Gut dreihundert Kilometer trennen uns nun noch vom Zielort Salamanca.




Spanien, auf dem Weg nach Süden

Die Landschaft ändert sich: das Bild ist nun karg und trocken...




Spanien, auf dem Weg nach Süden

...und wir freuen uns, dass wir kaum mit Autoverkehr zu tun haben.


Der aride Charakter der Landschaft passt zu den diversen kleinen Lehmdörfern, durch die unser Weg uns führt. Bisweilen wähnt ich mich in einer mexikanischen Westernlandschaft; die Ortschaften sind wie leer gefegt, Hunde kläffen in verwinkelten Gassen, der Wind treibt Staub und verlorene Zeitungsseiten über die obligate Plaza. Im Schatten von Hauseingängen oder vor der Bar (falls vorhanden) hier und da ein alter Mann, rauchend.
Es regnet gerade einmal wieder, als wir in den etwas größeren und recht hässlichen Ort Valencia de Don Juan einrollen. Es ist Zeit für eine Pause, für Brote und einen Tee und so nehmen wir auf einer feuchten Bank Platz. Bis auf ein wenige Meter entfernt wartendes Taxi (wartend worauf?) herrscht auch hier Stille und Leere. Die Fensterscheibe heruntergekurbelt setzt der Fahrer des Wagens vor und beginnt ein Gespräch, in welchem sich recht bald herausstellte, dass er lange in Deutschland lebte und so weiter und, ja, dass seine Mutter hier eine der beiden Bars an der Plaza betreibt. Dort kehren wir dann wenig später auf seine Empfehlung hin ein und werden auf Kosten des Hauses mit Kaffee und Brandy versorgt. Bis auf einen redseligen Trunkenbold und ein wunderschönes junges Mädchen, welches abwechselnd mit dem Besen den Steinboden kehrte und dann wieder rauchend Geld in einen Spielautomaten wirft, sind wir die einzigen Gäste und damit bald zentrales Gesprächsthema. Man interessiert sich für unsere Route, für die Fahrräder und gibt uns Straßentipps für die Weiterfahrt bis Salamanca, die natürlich unbrauchbar sind, da sie von Hirnen ersonnen sind, die als Autofahrer denken.
Irgendwann setzen wir die Fahrt fort, weiter durch die endlose Ebene, beinahe ohne Vegetation. So ist es schließlich gar nicht so ganz einfach, einen halbwegs blickgeschützten Schlafplatz zu finden, den wir trotz des kaum vorhandenen Verkehrs für wünschenswert erachten. Es ist letztlich eine kleine Gruppe hoher Bäume, vielleicht zweihundert Meter abseits der Straße. Steine gibt es nicht, so schlagen wir die Zeltheringe mit Holzstücken mühsam in den knochentrockenen, unebenen Boden.

Spanien, auf dem Weg nach Süden

Ein paar Bäume etwas abseits der
Straße sind unser Versteck für diese Nacht.




Spanien

Dramatisches Licht- und Wolkenspiel.


Bei unzähligen Tassen Tee verbringen wir einen langen Abend bei guter Konversation. Sonne und Wolken zaubern vor Einbruch der Dunkelheit noch ein grandioses Schauspiel an den Himmel, bevor die Gegend in Finsternis gehüllt ist.




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Mittwoch, 20.09.1995

Karte Tagesetappe


Landschaft und Siedlungen behalten auch heute ihren kargen, fremden Charakter, die Ebene bleibt eben und der Wind halbwegs wohlgesonnen, Regen bleibt aus. Nach vielleicht fünf gefahrenen Kilometern kehren wir in Villanueva del Campo in eine Bar ein und nehmen mit einem Haufen alter Herren unseren Morgenbrandy ein. Eingelullt geht es weiter, die Sonne schafft es in diesem späten September noch, beachtlich warm zu werden.

Spanien

Weiter geht es Kurs Süd.




Spanien

Ein Dorf im Nirgendwo; Menschen sind um die Mittagszeit keine anzutreffen.




Spanien

Wie ausgestorben erscheinen uns die Gassen.


Einige Kilometer vor Toro erleidet mein Vorderrad einen Platten, den ich am Wegesrand behebe, während Andreas einen Tee aufsetzte. Ich stelle dabei fest, dass meine Hinterbremse nach all den strapaziösen Bergabfahrten nicht nur völlig abgenutzt ist, sondern dass auch die Halteschraube kurz davor ist, ihr Gewinde zu verlassen, so locker sitzt sie! So hatte die Panne wenigstens ein Gutes, ich kann den Defekt auch gleich beheben, bevor ich mich vermutlich sehr bald sehr ernst auf die Nase gelegt hätte. Ja, die gerechte Strafe für eine vernachlässigte Wartung meines Vehikels!
Toro. Recht groß, mit einer ganz gemütlich erscheinenden Altstadt. Wir sind reichlich k.o., als wir eintreffen. Ich kann Andreas aber dennoch nicht zum bleiben bewegen, also verlassen wir nach Einkäufen für das Abendessen die Stadt. Bedingt durch die Flussnähe gibt sich die Landschaft indes sehr fruchtbar und begrünt, was in direkter Wechselwirkung steht mit der Tatsache, dass sie dementsprechend dicht mit landwirtschaftlichen Betrieben besiedelt ist. So haben wir noch einmal gut zehn Kilometer zurückzulegen, bis wir einen geeigneten Lagerplatz finden.



Spanien

Wilder Lagerplatz in einem kleinen Waldstück abseits der Straße.




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Donnerstag, 21.09.1995 - Sonntag, 24.09.1995

Karte Tagesetappe


Venimos, Salamanca!!! Wir legen das letzte Teilstück auf unserem Weg nach Süden zurück - die quirlige Studentenstadt Salamanca ist unser Ziel. Unweit des Zentrums schlagen wir unser Zelt am Rio Tormes auf - es wird für fünf Tage unser Basislager sein für Ausflüge in die Stadt. Wir entdecken den historischen Stadtkern, die Kathedrale, den Klostergarten und all die anderen Sehenswürdigkeiten.
Und wir lassen uns treiben im latent lethargischen Südland-Leben mit seinen langen Nächten: jeden Abend ziehen wir durch die Bars und Diskotheken, genießen das leichte, laue Leben...



Spanien

Ein Kaffee und ein Brandy in der warmen Morgensonne...




Spanien, Salamanca, Plaza Mayor

Salamanca ist erreicht, Pause auf der berühmten Plaza Mayor.




Spanien, Salamanca, Plaza Mayor

Salamanca, Plaza Mayor.




Spanien, Salamanca

Vier Tage verweilen wir in Salamanca. Am Tage erkunden wir die Stadt, nachts sürzen wir uns ins Partyleben.




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Montag, 25.09.1995 - Freitag, 29.09.1995

Karte Tagesetappe


Schließlich verlassen wir per Bus Salamance, um wieder nach Norden an die Atlantikküste zu gelangen. Über Bilbao reisen wir in den kleinen Hafenort Lekeitio, wo wir die Tour träge ausklingen lassen.
Für mich geht es dann nach Hamburg, Andreas wird nach Düsseldorf fliegen.



Spanien, Lekeitio

Per Bus reisen wir dann an die Atlantikküste,
namentlich ins baskische Lekeitio.




Spanien, Lekeitio

Lekeitio




Spanien, Lekeitio

Lekeitio




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