Von Barcelona nach Basel
Spätsommerliche Fahrt in die Berge
Vorbemerkungen
Ich muss sagen, dass ich im Vorwege nicht sonderlich motiviert bin, was diese Tour betrifft. Es ist so viel am Haus zu erledigen und nun neigt sich der Sommer schon wieder seinem Ende entgegen. Unerledigtes wird zunächst unerledigt bleiben…
Ich stellte ja schon im vergangenen Jahr einmal fest, dass mein Outdoor-Drang ein wenig abnimmt. Auf der anderen Seite verspüre ich verstärkt den Wunsch, mich "um Haus und Hof zu kümmern".
Von den Haus-Geschichten mal abgesehen ist mir auch klar, dass das, was da vor mir liegt, kein Spaziergang wird. Ich kenne die Distanz, ich kenne die Höhenprofile, ich kenne die Anzahl der mir zur Verfügung stehenden Reisetage. Es ist keine höhere Mathematik, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass es, wenn ich die Fahrt denn vollende, eine sportliche Unternehmung werden wird. Natürlich kann ich jederzeit ein Teilstück mit der Bahn überbrücken. Doch ich kenne mich doch: vor meinem inneren Auge erscheint schon auf meiner GoogleEarth-Karte eine durchgezogene rote Linie zwischen Barcelona und Basel…
Geplant habe ich die komplette Strecke übrigens mit bikemap.net: habe mir die Mühe gemacht, unter Berücksichtigung von Verkehrsintensität (gecheckt mittels Google StreetView) und gegebenenfalls vorhandenen Campingplätzen eine schöne Route zu basteln, um diese dann in gpx zu konvertieren und auf mein Garmin zu laden. Zu den einzelnen Etappen habe ich mir die Karten und Höhenprofile als Screenshots gespeichert und ausgedruckt, was mir unterwegs ab und zu eine Hilfe werden würde. Ich werde immer ziemlich genau wissen, was auf mich zukommen wird!
Die Tour wird mir als strapaziös in Erinnerung bleiben, mehr als einmal habe ich Mühe, mich zur Weiterfahrt zu motivieren, immer mal wieder drängt sich die Frage auf: warum mache ich das eigentlich? Unterwegs bin ich mir sehr sicher, dass dies die letzte Tour dieser Art sein wird - womit das unglückliche Zeit-Strecke-Verhältnis gemeint ist. Und überhaupt glaube ich zwischenzeitig, dass in der nächsten Zeit erst einmal auch eine Radreisepause okay wäre.
Es dauert nach meiner Heimkehr nach Kiel keine zwei Tage, da juckt es schon wieder, da spüre ich bereits wieder den Drang, mich auf mein Rad zu setzen. Ja, und was die Art der Tour angeht, so glaube ich weiterhin, dass es vielleicht sinnvoll sein könnte, kürzere Etappen zu planen. Vielleicht.
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Mittwoch, 09. September 2015
Heute soll es also losgehen. Einen Flug nach Barcelona zu bekommen ist leicht. Das Angebot im Netz lässt dem Reisenden die Wahl zwischen allen erdenklichen Abflugzeiten und ist darüber hinaus sehr günstig. Ich entscheide mich für einen Flieger um 11:00 ab Hamburg (165,- Euro plus 50,- Euro für den Radtransport), so dass ich bequem nach Hamburg komme und trotzdem am Nachmittag noch genügend Zeit habe, mich ein wenig in Barcelona umzuschauen. Gestern bin ich aus dem Nachtdienst gekommen und habe am Abend mein Gepäck reisefertig gemacht.
Um sechs klingelt der Wecker, so dass ich um sieben aufbrechen kann: Claudia bringt mich nach Fuhlsbüttel und düst dann gleich zurück nach Kiel, da sie ja heute ein regulärer Arbeitstag erwartet.
Ich bin schnell mein Gepäck los, kaufe mir dann einen Spiegel und noch etwas Proviant, bevor ich schließlich den Sicherheitsbereich betrete. Ziemlich pünktlich ist der Flieger in der Luft und bald kann ich aus der Vogelperspektive schon einmal schauen, wo ich demnächst entlangradeln werde: gut auszumachen ist das Tal der Rhône und schließlich die Südküste, deren Verlauf ich folgen werde. Nach nicht einmal zwei Stunden beginnt der Landeanflug, so dass ich wie geplant um kurz nach 13:00 Barcelona erreiche.
Der Empfang des Gepäcks verläuft ohne Probleme, den Karton mit meinem Fahrrad erhalte ich in einer abgelegenen, menschenleeren Nebenhalle. Dort liegt neben dem Gepäckband bereits ein alter Fahrradkarton, so dass ich mich dazu verleiten lasse, meinen auch einfach dort zu lassen und nur mein Rad mit hinauszunehmen. Im Bereich des Haupteingangs finde ich eine ruhige, geschützte Nische, die sich gut für die Montage eignet. Routiniert mache ich das Rad startklar und bereits um 14:20 rolle ich hinaus in den warmen Nachmittag.
Ich habe für die komplette Tour GPS-Routen entworfen, so auch für den
17 Kilometer langen Weg vom Flughafen BCN zu meiner Pension im Stadtzentrum. Für die einzelnen Teilstücke habe ich mir jeweils auch einen Ausdruck angefertigt.
Mein GPS zeigt mir keine Kartendaten, sondern nur die Route an (aus einem mir nicht erklärlichen Grund misslang der Upload der Barcelona-OSM-Kartendaten-Kachel), was mir aber dennoch eine problemlose Navigation ermöglicht. Natürlich hatte ich im Vorwege auch eine Route vom Flughafen zur Pension erstellt. Ach ja, die Pension. Auch die hatte ich lange im Voraus gebucht - wichtig war mir dabei deren zentrale Lage und dass ich mein Fahrrad mit ins Zimmer nehmen darf. Dies hatte ich mir telefonisch versichern lassen.
Nach wenigen Kilometern führt mich das Navigationsgerät auf das gigantische Gelände eines Frucht- und Gemüsegroßhandels. Rechts und links riesige Hallen, LKW werden be- und entladen, ich bin umschwirrt von Gabelstaplern, die Paletten mit Ware transportieren. Das ist ja spannend! Es dauert nicht lange, da werde ich eskortiert von einem Fahrzeug des Sicherheitsdienstes, man signalisiert mir, ich möge stoppen. Ein junger Mann in Uniform steigt aus, spricht natürlich nur Spanisch, und erkundigt sich nach meinem Ansinnen. Nun, mit meinen in Fragmenten vorhandenen Kenntnissen der Sprache plus Gestik gelingt es mir schnell, ihn davon zu überzeugen, dass ich nichts Böses im Schilde führe und eigentlich nur auf der "Durchreise" bin. Bueno. Er geleitet mich mit seinem Fahrzeug an den östlichen Ausgang des Areals (übrigens exakt die Route, die mir auch mein Navi nennt) und verabschiedet mich mit einem freundlichen Winken.
Leicht finde ich schließlich die Pension, werde von einem Herrn mittleren Alters empfangen. Das Zimmer ist finster, da das einzige Fenster nur zu einem innenhofartigen Schacht führt, in welchen kaum Licht dringt. Ich kann ohne weitere Kosten ein ganz passables Wlan nutzen.
Etwas lustlos mache ich mich bald auf den Weg in die Stadt. Kaufe mir Chips und Cola, schlendere entlang der Kathedrale zum Hafen hinunter, sitze eine Weile auf der Kaimauer und beobachte das Treiben. Ungewohnt ist es, dass ich mich in ziemlich warmen, mediterranen Gefilden befinde, kommt mir noch etwas surreal vor. Ich mache ein paar Bilder, schicke via WhatsApp Fotos an die Kinder, für die der Anblick von Palmen ja noch immer etwas Magisches hat. Am Stadtstrand herrscht reges Treiben - seltsam, so mitten in der Großstadt einen Badestrand zu sehen…
Ich möchte während meines kurzen Besuchs in Barcelona gern auch die berühmte Gaudi-Basilika Sagrada Familia sehen, also stiefele ich hin. Mich überrascht unterwegs, dass ich auf einer großen Hauptstraße einen bestens ausgebauten Radweg entdecke. Die Gaudi-Kirche ist teilweise von einem Baugerüst umgeben, ich schaue mich kurz um, mache ein, zwei Touristenbilder und spaziere dann weiter, lasse mich durch die Gassen treiben. Eigentlich ganz schön, dieses Mittelmeerleben, welches ich in meiner Jugend so oft genossen habe, wenn auch eher in Griechenland und weniger in Spanien.
Ich habe knapp zwei Tage Zeit, um mich ein wenig in Barcelona umzuschauen. Sommerliche Wärme, Palmen und Luxusyachten im Hafen.
Mediterranes Strandleben inmitten der Großstadt.
Der Torre Agbar, Verwaltungssitz der örtlichen Wasserwerke, erinnert mich sehr an "The Gherkin", jenen ähnlich geformten Turm im Finanzdistrikt von London.
Das hätte ich nicht erwartet: breite Radwege inmitten der Großstadt!
Im Moment vermischen sich in meinem Kopf jedoch die aktuellen Bilder eher mit denen aus London. Gerade einmal fünf Wochen ist es her, dass ich die Metropole an der Themse mit den Mädels erkundet habe. Somit hat sich Barcelona dem ständigen Vergleich zu stellen und ich muss sagen, es kommt dabei ziemlich schlecht weg. Dies ist sicher dadurch begründet, dass ich den Aufenthalt in London als etwas ausgesprochen Tolles in Erinnerung hatte, es stimmte einfach alles: das Wetter war toll, das Hotel hat uns gut gefallen, das Sightseeing-Programm mit LondonEye, Themsefahrt nach Greenwich, Besuch auf "The Shard" etc. war super, die Mädels hatten ihren Spaß und zudem auch mittlerweile das Alter, in dem sie selbstständig in der Stadt unterwegs sein konnten.
Ja, diese Tage in London waren etwas Besonderes! Nun stehe ich an der Plaça Catalunya und sehe vor meinem inneren Auge den Trafalgar Square. Touristen, Tauben, beleuchtete Springbrunnen…
Besonders spät bin ich nicht wieder in meinem Zimmer, mache mir einen Topf Müsli mit frischem Obst, surfe noch etwas im Internet und gehe dann schlafen.
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Donnerstag, 10. September 2015
Ich habe eigentlich vor, halbwegs zeitig aufzustehen, kann mich dann aber doch nicht überwinden, das bequeme Bett zu verlassen, als um halb neun der Wecker klingelt. Schließlich wird es zehn Uhr, als ich mir dann mein Frühstück bereite. Gegen Mittag verlasse ich die Pension, muss mir schließlich noch irgendwo Gaskartuschen besorgen. Um herauszufinden, wo das möglich ist, steuere ich zunächst die Tourist-Info an der nahen Plaça Catalunya an. Diese befindet sich unter dem Platz und ist brechend voll. Nach entsprechend langer Wartezeit erhalte ich von einer ziemlich unmotivierten Mitarbeiterin den vagen Hinweis, dass ich eventuell im Sportgeschäft Decathlon Erfolg haben könnte. Gerade, als ich dann wieder die Treppen ans Tageslicht hinaufsteigen will, bricht draußen ein Gewitterregen los, der mich dazu veranlasst, noch eine Weile in der Information Schutz vor dem Wetter zu suchen.
Es will aber nicht aufhören, zu regnen, so dass ich mich dann irgendwann trotz des kräftigen Gusses aufmache, um die Kartuschen einzukaufen. Mir bleibt dann nichts Anderes übrig, als mich erst einmal wieder auf mein Zimmer zu verziehen, wenn ich nicht pitschnass werden möchte.
Erst am Nachmittag bessert sich das Wetter, so dass ich einen weiteren ausgedehnten Erkundungsgang durch die Stadt unternehme, diesmal in westliche Richtung. Das Viertel Reval, die ebenso berühmte wie gleichermaßen langweilige Straße Ramblas sind zunächst mein Ziel, bevor mich dann zum Stadthügel Montjuiz treiben lasse, welchen ich auch erklimme. Von oben habe ich einen netten Überblick über den Hafen und die Stadt.
Während des Rückwegs setzt die Abenddämmerung ein, ich gehe durch zahllose Gassen, überall ist viel Volk auf den Beinen. Das Abendessen ist ein Döner, später setze ich mich mit einer kalten Cola auf die Treppe der Kathedrale und blicke auf den belebten Platz.
Besonders spät bin ich nicht im Bett, denn morgen soll ich wirklich zeitig aufstehen, noch mal im Bett umdrehen gilt dann nicht!
Die Plaça Catalunya - ein großer, zentral gelegener Platz. Auch hier komme ich nicht umhin, den Vergleich mit London anzustellen: es erinnert mich sehr an Trafalgar Square, wo ich noch vor kurzem mit meiner Familie weilte.
Plaça Catalunya
Plaça Catalunya
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Freitag, 11. September 2015
Um halb sieben stehe ich auf und bereite mir einen großen Pott Müsli, packe meinen Kram zusammen und verlasse um viertel nach acht die Pension.
Der Eingang des Hauses liegt in einer Einkaufs-Fußgängerzone und während hier gestern noch das Leben tobte, herrscht nun am Morgen gähnende Leere. Ich schieße ein, zwei Start-Fotos und rolle dann hinaus in eine lange Etappe. Ich habe ja mit vollen Straßen, Berufsverkehr und Autolärm gerechnet, doch nicht nur meine Einkaufsstraße ist wie ausgestorben, auch der Rest der Stadt scheint sich Zeit zu lassen mit dem Erwachen - und dabei ist heute doch ein normaler Wochentag! Na ja, mir soll es recht sein. Es fallen ein paar Regentropfen, doch damit ist bald Schluss und für den Rest des Tages habe ich trockene Verhältnisse. Die Temperaturen sind sehr angenehm, um die 25°C sind es bisweilen.
Ich residiere sehr zentral in unmittelbarer Nähe zur Kathedrale in einer freundlichen Pension. Dass ich das Fahrrad mit in mein Zimmer nehmen darf, habe ich im mir im Vorwege telefonisch versichern lassen.
Freitag Morgen, kurz nach acht Uhr: die Straßen sind leer, als ich in eine lange Etappe aufbreche.
Dank Navigationsgerät finde ich leicht hinaus aus der Stadt und erwartungsgemäß dauert es auch nicht lange, bis die ersten Anstiege beginnen. Am Ende des Tages werde ich auf 110 Kilometern gut 1800 Höhenmeter bewältigt haben. Zunächst fällt es mir leicht, mich langsam aber beständig die Hügel und Berge hinaufzukurbeln. Mit Blick auf die vor mir liegenden Pyrenäen habe ich sogar mal mein Gepäck bewusst etwas abgespeckt und einige Dinge daheim gelassen, die ich ansonsten als essentiell betrachte, meine Thermoskanne beispielsweise…
Gerade in der Gegend nördlich von Barcelona sind noch sehr viele Rennradfahrer unterwegs, welche stets freundlich grüßen und mir aufmunternde Worte mit auf den Weg geben - vor allem, wenn sie mich an Anstiegen überholen. Manchmal kommt es auch vor, dass sie ein Stück neben mir fahren und wir eine kurze Unterhaltung führen - soweit mein Spanisch dies erlaubt.
Coll d'Estenalles auf 870 Metern ist der Name des ersten kleinen Passes, den ich erklimme. Oben gibt es eine Touristeninformation, wo ich mich nach einer Möglichkeit erkundige, meine Wasservorräte aufzufüllen. Die Dame dort ist sehr nett, sie hat selber Radreiseerfahrung und zeigt sich sehr interessiert an meinem Vorhaben. Wir plaudern ein Weilchen, bevor ich meine Fahrt fortsetze.
Nach fünfeinhalb Stunden - bei Kilometer 60 - lege ich die erste Pause ein, mittlerweile befinde ich mich in einer ziemlich spektakulären Berglandschaft - so etwas bin ich ja nicht wirklich gewohnt, umso mehr genieße ich es.
Es folgt dann eine lange, schöne Abfahrt und wenig später verspüre ich, was mich wirklich nervt, ein höchst unangenehmes Zwicken im linken Sprunggelenk. Was soll das denn jetzt? Das fühlt sich nicht gut an und ist mir völlig schleierhaft. Ich hatte ja in den Jahren zuvor schon alle möglichen Zipperlein. Knie, Achillessehne. Aber das Sprunggelenk? Das bringt mich bereits am heutigen Tage dazu, anzuzweifeln, ob ich es bis Basel schaffen kann, schließlich liegen die echten Berge erst noch vor mir und ich soll bis zum Ziel jeden Tag deutlich über hundert Kilometer zurücklegen.
Um für etwas Entlastung zu sorgen, fahre ich fortan mit einer "Stückeltaktik", d.h. ich radele 45 Minuten und mache dann 15 Minuten Pause. Ich hoffe, auf diese Weise das Gelenk zu schonen. Ob es hilft, keine Ahnung.
Am Ende des Tages geht es noch einmal hoch von 260 auf 700 Meter, wo ich dann meinen Zielcampingplatz erreiche. Dieser ist mit 7,82 Euro günstig, allerdings ist die Dusche auch nicht wirklich ein Vergnügen. Ansonsten habe ich aber eine ruhige, abgelegene Ecke, in der sich mein kleines Hilleberg-Zelt gut aufstellen lässt.
Wie üblich schreibe ich am Abend einige SMS: Aktuelle Information an Claudia und an die Eltern.
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Samstag, 12. September 2015
Ach ich liebe mein Zelt! Eine gute Nacht verbringe ich, möchte am Morgen gar nicht aufstehen. Dass sich auch gleich die Schmerzen wieder melden, lässt für den Tag nichts Gutes erwarten. Ich begleiche an der Rezeption meine Rechnung, kaufe noch Brot, Kekse und Bananen und starte dann um zehn Uhr in die Etappe.
Heute geht es richtig in die Berge und ich lege direkt wieder mit der 45/15-Stückeltaktik los. Ob ich auf diese Weise wirklich Basel erreichen kann? Naja, noch will ich den Plan nicht aufgeben. Um weniger Bewegung auf das Fußgelenk zu bringen, stelle ich den Sattel etwa einen Zentimeter tiefer, so kann ich die Kraft mit dem Unterschenkel direkter auf das Pedal bringen. Erfreulicherweise klappt das ziemlich gut.
Die Landschaft ist toll und auch meine Routenplanung erweist sich bislang weitgehend als gelungen. Ich bewege mich fast ausschließlich auf wenig befahrenen Straßen - manchmal allerdings sind die Pisten fast ein wenig zu "rustikal", nämlich dann, wenn ich auf unbefestigte Abschnitte gelange, die zudem dann auch noch mal sehr steil sein können.
Gleich am ersten Etappentag steuere ich in die Pyrenäen und sammele fleißig Höhenmeter...
Pyrenäenlandschaft
Pyrenäenlandschaft
Immer wieder kann ich mich an schönen Abfahrten erfreuen, das Wetter spielt prima mit.
Dennoch ist meine Grundstimmung nicht entspannt, die Unberechenbarkeit meiner Wehwehchen plagt mich.
Als ich 55 Kilometer geradelt bin, gelange ich an einen Campingplatz. Es ist erst 16:00 und so widerstehe ich der Versuchung, dort einzuchecken. Allerdings bitte ich um Erlaubnis, dort meine Wasservorräte auffüllen zu dürfen, was mir selbstverständlich gestattet wird.
Es folgt ein gut 800 Höhenmeter langer Anstieg, auf welchem ich die (für mich) magische Marke von 1609m überwinde: das war bislang mein höchster geradelter Pass und zwar der San Glorio in Nordspanien vor (fast auf den Tag genau) 20 Jahren!
Mein erster Passhöhenrekord: ich klettere auf über 1660 Meter. Der bisher höchste von mir geradelte Pass war der San Glorio in Nordspanien (1995) mit 1609 Metern.
Auf dem GPS habe ich stets einen sehr zuverlässigen Überblick über meine aktuelle Höhe.
Pyrenäenlandschaft
Heute darf ich mich auf 1650 Meter hinaufarbeiten. Oben angekommen weht ein kräftiger Wind, ich bin allein. Es gibt einen kleinen Parkplatz, auf welchem ich anhalte und für einige Minuten über die weiten, bewaldeten Bergketten blicke. Es geht auf 19:00 zu, so dass ich mich dann bald die einsame Serpentinenstraße hinabstürze und dabei die Augen offenhalte, um einen Schlafplatz zu finden. Nach wie vor ist es mein Bestreben, möglichst unsichtbar zu bleiben, auch wenn mein Instinkt mir sagt, dass dies eine sehr sichere Gegend ist. Schließlich finde ich einen kleinen Wald am Rande einer Spitzkehre, in welchem ich einigermaßen sichtgeschützt mein Zelt aufstellen kann.
Durch die Bäume hindurch blicke ich auf eine in der Ferne liegende Bergkette. Als es dunkel ist, kann ich beobachten, wie hinter dieser offenbar ein Gewitter niedergeht - Blitze zucken in der Nacht. Interessanterweise bekomme ich davon nichts ab, der Himmel über meinem Lagerplatz bleibt wolkenlos und somit sternenklar.
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Sonntag, 13. September 2015
Es ist ein guter Morgen. Um halb acht beginne ich mein Tagewerk, bereite mir Müsli, koche Tee, schreibe SMS, aktualisiere meine Tagebuchnotizen. Die Sonne geht auf, ich bin sehr motiviert und freue mich auf den Tag.
Ganz in meiner Nähe, hinter einigen Bäumen, parken inzwischen einige Autos, es sind Pilzesammler, die von hier aus in den Wald aufbrechen. Einer von ihnen will wohl seine Notdurft verrichten und kommt in die Nähe meines Zelts - er nimmt es nicht einmal wahr, als er drei Meter danebensteht. Ich begrüße ihn mit einem freundlichen "Buenos dias", was ihm einen kleinen Schreck einjagt. Er grüßt zurück und sieht sich dazu veranlasst, sich einen anderen Busch zu suchen…
Etappenstart am Morgen: in dem kleinen Waldstück habe ich die Nacht verbracht, nun darf ich mich für viele Kilometer hinabstürzen...
...ein 34er Schnitt - wow! Es dauert im Verlauf des Tages dann allerdings nicht lange, bis ich diesen gründlich kaputtfahre...
Herrliches Spätsommerwetter: die Temperaturen bewegen sich um die 25°C und es ist annähernd windstill. An diesem netten Fleck genieße ich eine kleine Pause.
Pyrenäenlandschaft
Typisches Dorf in diesem Teil der Pyrenäen.
Und mal wieder ist ein Pass erklommen!
Hinab geht es nach La Seu d'Urgell, dem letzten spanischen Ort vor der Grenze zu Andorra. In der Ferne kann ich die Stadt schon ausmachen.
Um zehn Uhr beginne ich eine rasante Abfahrt in diesen wunderbaren Spätsommertag. Natürlich folgt umgehend ein langer Anstieg (Coll de la Trava, 1480m) und dann wiederum die 17km-Abfahrt in den Ort La Seu d'Urgell. Ich freue mich, dass ich trotz der Tatsache, dass heute Sonntag ist, einen geöffneten kleinen Laden finde, in welchem ich meine Vorräte auffüllen kann.
Mir ist bekannt, dass es nun nur noch wenige Kilometer bis zur Grenze nach Andorra sein werden, so dass ich hier noch schnell die letzten Postkarten schreibe, die ich bereits in Barcelona mit - spanischen - Briefmarken versehen hatte.
Was ich leider völlig vergesse: ich wollte doch eigentlich auch in Spanien einen Geocache finden. Da ich das bereits in Barcelona verpennt habe, wäre hier die letzte Gelegenheit gewesen, das nachzuholen. Tja, muss ich wohl noch einmal wiederkommen…
Von meinem aktuellen Standort in La Seu d'Urgell bis auf die Passhöhe des Coll d'Envalira (2409m) sind es ziemlich genau fünfzig Kilometer, die Höhendifferenz beträgt 1700m. Ich habe mir vorgenommen, von diesen 1700 Metern heute wenigstens noch die Hälfte, also mindestens 850m zu bewältigen.
Der Weg, welcher mich dorthin führt, ist allerdings kein besonders vergnüglicher. Es ist eine große, vierspurige Schnellstraße, die nach Andorra hinaufführt. Immerhin ist der Seitenstreifen breit genug, so dass ich mich sicher fühlen kann - ein Spaß ist es aber wirklich nicht. Bald erreiche ich die Grenze und schon befinde ich mich in der Betonwüste Andorra. Eine gefühlte Ewigkeit fahre ich durch bebautes Gebiet, bis sich irgendwann die schmucklosen Orte der Skiindustrie anschließen.
Das ist in meiner Wahrnehmung ein sehr repräsentatives Bild für Andorra: Beton, Beton und nochmals Beton... Ich bewege mich sehr langsam auf der Hauptstraße und ringe ihr die Höhenmeter ab, während eine endlose Auto- und LKW-Kolonne mich mit Lärm und Abgasen belästigt.
Bislang bin ich auch heute wieder mit der 45/ 15-Schontaktik gefahren, nun ändere ich meine Vorgehensweise. Am Straßenrand stehen seit einiger Zeit Schilder, die dem Radler verraten, wie hoch er gerade ist, welche Resthöhe bis zum Pass zu überwinden ist und mit welcher Steigung auf den kommenden 1000 Metern zu rechnen ist. Ich hangele mich nun einfach von Schild zu Schild, mache also nach jedem Kilometer eine kurze Pause.
In den Skiorten entdecke ich sogar zwei Campingplätze, was mich mal wieder kurz zu dem Gedanken bringt, dort vielleicht zu übernachten. Doch nein, trotz der bislang sehr schlechten Wildzeltoptionen entscheide ich mich für die Weiterfahrt, will einfach meine "Pflichthöhenmeter" schaffen.
Das gelingt mir dann schließlich auch. Ich muss aufgrund der dichten Bebauung allerdings dann doch noch weiter fahren, als ich es mir eigentlich vorgestellt habe. Auf 1900 Metern finde ich bei einsetzender Dämmerung einen mittelprächtigen Platz unterhalb der Hauptstraße. Na ja, immerhin gut was geschafft!
Im letzten Licht koche ich mir eine Fertigmahlzeit (noch ein Geburtstagsgeschenk von Claudia), mache Tee und futtere zum Nachtisch Kekse, während sich über mir ein atemberaubender Sternenhimmel zeigt. Fast jeden Abend blicke ich vorm Einschlafen noch lange in den Himmel, heute ist das ein besonderes Vergnügen.
Von 700 Höhenmetern in La Seu d'Urgell arbeite ich mich auf 1900er Niveau hinauf - soweit muss ich fahren, um den letzten grottigen Ski-Ort hinter mir zu lassen. Das Zelt steht halbwegs sichtgeschützt unterhalb der Straße.
Die beiden Elche, die mich seit vielen Jahren begleiten, dürfen auch mal die Aussicht genießen.
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Montag, 14. September 2015
Am Morgen nimmt der Verkehr auf der Straße oberhalb meines Lagerplatzes erwartungsgemäß deutlich zu, ich werde vom Autolärm geweckt. Aber es ist ja auch an der Zeit, aufzustehen. Gut 500 Höhenmeter trennen mich vom Gipfel, nicht mehr viel. Es ist interessant, wie sehr sich die Wahrnehmung verändert, was das Bergfahren angeht. Wenn ich daran denke, dass etwa auf dem Nordseeküstenradweg vergleichsweise kleine Hügel als "Berge" empfunden wurden, so relativiert sich das auf meiner aktuellen Fahrt. Und einmal mehr zeigt sich, dass so ein Berg zu einem beachtlichen Teil "mit dem Kopf" gefahren wird. Was sind schon 500 Höhenmeter! Lächerlich!
Bei frischen 3°C bereite ich mir mein Frühstück zu, kühl ist es in den Bergen! Doch die Sonne scheint und schon bei meiner Abfahrt um halb zehn kann ich 7°C auf meinem Thermometer ablesen. Eigentlich ist ja auch das noch eine nicht unbedingt sommerliche Temperatur und dennoch lege ich bald meine Jacke ab und radele nur noch im Trikot - das Bergauffahren macht warm!
Zubereitung des Frühstücks
Am Morgen breche ich zeitig auf, es sind 3°C. Etwa 500 Höhenmeter trennen mich von der Passhöhe, dem Port d'Envalira, der höchsten Straße Europas. Alle 1000 Meter informiert mich ein Schild über die Ausprägung der bevorstehenden Steigung und die verbleibende Distanz.
Ich verfolge die gleiche Taktik, wie am Vortag und hangele mich in 1000-Meter-Abschnitten von Schild zu Schild. Autos und Motorräder rollen an mir vorbei, aber auch so mancher Rennradfahrer ist unterwegs zum Gipfel.
Ich passiere eine Unfallstelle: ein ziemlich zerbeultes Auto wird gerade auf ein Abschleppfahrzeug gezogen, daneben liegen zwei tote Kühe auf der Fahrbahn, Blut ist auf der Straße, muss mächtig gekracht haben. Die Fahrzeuginsassen sind offensichtlich bereits abtransportiert worden. Sollte man die Schilder also durchaus ernst nehmen, die vor Vieh warnen… Auch auf meinen Abfahrten werde ich noch das eine oder andere Mal an diese Begebenheit denken müssen - würde mir als Radler sicher auch nicht so gut bekommen, mit fünfzig Sachen mit einem Rindviech zu kollidieren.
Schließlich erreiche ich die Passhöhe - und bin enttäuscht. Ich hatte irgendwie gehofft, ein schönes Café vorzufinden, wo ich einkehren könnte. Nein, es gibt lediglich eine Tankstelle und einige recht schmucklose Gebäude.
Bevor ich mir dann einen alternativen Platz für meine Mittagspause suche, will hier oben noch ein Andorra-Cache entdeckt werden. Das gelingt mir problemlos.
Übrigens habe ich soeben die höchste asphaltierte und ganzjährig befahrbare Passstraße Europas erklommen - das war mir bei meiner Streckenplanung am Computer gar nicht bewusst gewesen.
Ich hocke mich auf eine Wiese mit einer eher mittelprächtigen Aussicht (im Tal ein hässlicher Ski-Ort, die kargen Hänge gespickt mit Skilift-Gerippen), koche Tee, futtere Kekse, mache einige Aufnahmen mit Selbstauslöser, setze mich und mein Rad an diesem ja dennoch denkwürdigen Ort in Szene.
Pyrenäenlandschaft in Andorra
Mittags um 12 Uhr erreiche ich die Passhöhe bei 2408 Metern!
Port d'Envalira - geschafft!
Zeit für eine Tasse Tee und eine große Ladung Chocolate Chip Cookies...
Mir stehen 35 Kilometer Abfahrt bevor, dabei werde ich auch durch diesen grottigen Ort Pas de la Casa rollen.
Vor mir liegt nun eine 35-Kilometer-Abfahrt ins französiche Ax-les-Thermes (auf 700m). Ich ziehe mir eine lange Hose und meine Jacke an, wenig später kommt noch die Regenjacke drüber, denn es ist lausig kalt, wenn man sich lange nicht bewegt und bei 40 bis 50 km/ h im Fahrtwind steht… Ich nehme das Abfahren auch als anstrengend wahr. Die Konzentration und das verkrampfte Bremsen. Macht mir sowieso nicht mehr so viel Spaß, wie früher, als ich völlig schmerzfrei die Hänge runtergeschossen bin. Mit dem Alter werde ich vorsichtiger. Zwischendurch freue ich mich richtig auf das "waagerecht fahren", in den Bergen geht es entweder bergauf oder bergab, niemals irgendetwas dazwischen…
In Ax-les-Thermes muss ich unbedingt einkaufen, rolle also durch den kleinen, quirligen Ort und finde bald auch einen Spar-Supermarkt. Dass dieser jedoch geschlossen hat - Mittagspause - fällt mir erst auf, als ich mein Rad schon abgeschlossen habe. Na gut. Wieder aufschließen und weitersuchen…
Schließlich finde ich noch einen kleinen Laden, in dem ich sogar meine Wasserflaschen auffüllen kann. Neben den drei 0,7l-Radflaschen habe ich noch eine 1l- sowie eine 1,5l-Siggflasche an Bord, kann insgesamt also 4,6l Wasser bunkern.
Auf 700 Metern über dem Meer liegt Ax-les-Thermes. Dort fülle ich meine Vorräte auf, bevor es gleich an den nächsten Berg bis auf ca. 1600m geht.
Auf wunderbar einsamen, allerdings teilweise extrem steilen Straßen setze ich meinen Weg nach Norden fort.
In den französischen Pyrenäen.
In den französischen Pyrenäen.
Eine kleine, kaum befahrene Passstraße führt mich am Nachmittag aus dem Ort hinaus - schöne Strecke, die allerdings irgendwann wirklich bösartig steil wird und mich so manches Mal aus dem Sattel zwingt - damit ich Luft holen kann… Die Wolken hängen so tief, dass ich irgendwann hoch genug bin, um in diese hineinzufahren. Nun wird es nass, denn Regen setzt ein. Beim Bergauffahren ist mir trotz der relativ ungemütlichen 8°C noch halbwegs warm, Menschen habe ich schon lange nicht mehr getroffen, es ist sehr einsam. Ernsthaft ungemütlich wird es, als ich bei über 1600hm die Passhöhe erreiche und es an die Abfahrt geht. Ich bin nass und schlottere vor Kälte und was als leichter Niesel begonnen hat, ist nun in handfesten Regen übergegangen. Somit ist gerät die über zehn Kilometer lange Abfahrt auch gänzlich spaßfrei. Während die klammen, tauben Finger sich in die Bremsen krallen und mir das Wasser von der Straße entgegenspritzt verliere ich an Höhe. Die Landschaft indes ist atemberaubend, ich sause durch endlose Wälder. Das Licht im engen Tal ist gedämpft, ich fühle mich klein und einsam in dieser gewaltigen und scheinbar endlosen Wildnis. Der Blick findet keine Weite, das macht die Atmosphäre beklemmend. Ich ziehe für einen Moment in Betracht, einfach mein Zelt aufzustellen, um mich dem Regen und der Kälte zu entziehen. Das Gras auf der kleinen Lichtung, welche ich inspiziere, ist mit Wasser getränkt, kein guter Platz. Außerdem, und das habe ich wirklich selten, finde ich diesen entlegenen, finsteren Winkel der nördlichen Pyrenäen fast ein wenig unheimlich. Weit und breit keine menschliche Ansiedelung - müsste ich hier vielleicht sogar mit Wölfen oder Bären rechnen? Ich entschließe mich zur Weiterfahrt, gelange bald in ein kleines Dorf (Mérial), welches sich in mittelalterlicher Anmutung in das enge Tal presst. Kann leider keine Fotos machen, da alles nass ist und ich bei diesen Bedingungen ungern meine Spiegelreflexkamera auspacken mag. Und die wasserdichte Ricoh habe ich aus Gründen der Gewichtsersparnis daheim gelassen. Ich halte dennoch kurz am Straßenrand an, futtere ein paar Kekse setze frierend meinen Weg fort.
Bis auf Niveau von gut 800 Metern geht die Talfahrt und immerhin lässt dann auch der Regen nach und hört schließlich ganz auf. Wie gewohnt folgt dem Gefälle eine Steigung, wobei ich jetzt tatsächlich dankbar bin, denn so kann ich mich wieder warm fahren. Es ist sehr schön anzusehen, wie sich die Wolkenfetzen in den Berghängen ringsum fangen. Zwei, dreihundert Höhenmeter überwinde ich noch und finde dann einen ausgesprochen schönen Platz für mein Nachtlager oberhalb eines kleinen, unbefestigten Wirtschaftsweges. Ein Bauer kommt noch vorbei, er sieht mich aber nicht.
Die Küche bleibt kalt, ich esse Baguette, trinke Tee. Es ist windstill, ein ganz feiner Nieselregen fällt, eine wunderbare Stille liegt über der Landschaft, es ist wunderschön.
Ein sehr schöner Platz für mein Hilleberg Soulo.
Ich halte wie üblich SMS-Kontakt mit der Heimat, erfahre, dass Claudia heute planmäßig die Eltern nach einem Sizilien-Ausflug in Hamburg am Flughafen abgeholt hat.
Meine Schwester Birgit und ihre Freundin Nadine sind in diesen Tagen auf einer dreiwöchigen Kanu-Tour. In Prag starteten sie mit ihrem Faltboot, wollen, wenn alles gut läuft, bis an Berlin heran paddeln.
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Dienstag, 15. September 2015
Ich bin zeitig wach, muss noch an einen wirren Traum denken und versuche, die verrückten Bilder zu erinnern. Ich erlebe es nicht zum ersten Mal, dass ich verrücktes Zeug träume, wenn ich auf Reisen bin. Ich kenne das schon von früher, es ist, als würde die Abwesenheit des vereinnahmenden Alltags den Gedanken und Träumen mehr Raum zur Entfaltung geben… Was dabei herauskommt, ist allerdings schon so manches Mal ziemlich skurril.
Nach dem Frühstück aktualisiere ich meine Tagebuchnotizen, bevor ich mich dann bereits um zwanzig vor neun auf den rumpeligen Weg begebe und sehr langsam abwärtsrolle und nach etwa zwei Kilometern das Dorf Espezel erreiche. Es sind bereits Menschen in den Gassen, die Luft ist noch kühl, es riecht nach Kaminrauch. Die Atmosphäre ist sehr heimelig und ich genieße es, dass ich nach fast 500 Kilometern nun endlich mal ein Stück waagerechte (!!!) Straße fahren darf. Meine Stimmung ist euphorisch, ich habe nun also wirklich die Pyrenäen bezwungen! Ich blicke noch einmal zurück, sehe in der Ferne die wirklich hohen Berge. I did it! Nun liegen sie hinter mir, auf zu neuen Abenteuern!
Am Morgen geht es auf holprigen Wegen weiter.
Eine waagerechte Straße! Das hatte ich sehr lange nicht mehr, entweder es ging bergauf oder bergab. Ich genieße das sehr und bin darüber hinaus auch durchaus begeistert, dass ich wirklich die Pyrenäen bezwungen habe!
Es geht jetzt in die Weingegenden des Languedoc, mediterran anmutender Harzduft umweht mich.
Auf den 125 Kilometern der heutigen Etappe werde ich über 1000m an Höhe verlieren und quasi Meeresniveau erreichen. Erwartungsgemäß kommen auf diesem Weg aber auch noch kleinere "Bodenwellen", die erste misst etwa 300hm. Es ist zu dieser recht frühen Stunde noch immer recht frisch, bei 12°C habe ich es auch heute wieder vorgezogen, mit langer Hose und Socken loszufahren. Mir weht bald ein recht kräftiger Wind entgegen, welcher mich selbst auf seichten Gefälleabschnitten zum Treten zwingt.
Mit dem Landschaftsbild ändern sich nun auch die Gerüche. Plötzlich radele ich durch Weinfelder, welche von Zypressen gesäumt sind, in der Luft liegt ein mediterran-harziger Duft, welcher mir Erinnerungen an meine Jugendzeit in Griechenland ins Hirn zaubert.
Am frühen Mittag mache ich für ein Stündchen Pause, setze mich in eine Weinplantage, koche mir Tee und nage mein Baguette. 15 Kilometer trennen mich noch von Carcassonne, der Stadt mit der bekannten, sehr imposanten mittelalterlichen Burganlage. Meine GPS-Route führt mich dicht heran an das weitläufige Gemäuer, ich finde einige Gelegenheiten, um Fotos zu machen. Der Tourismustrubel ist gigantisch: wirklich riesige Flächen wurden asphaltiert, um Parkfläche für hunderte, wenn nicht tausende Autos und Wohnmobile zu schaffen, kein besonders schönes Bild.
Die Stadt Carcassonne mit ihrer beeindruckenden Burganlage.
Carcassonne
Für mich folgt nun ein autobahnartiger Streckenabschnitt. Ich lege zur Sicherheit meine Leuchtweste (jene vom Prudential Ride aus London) an, was möglicherweise zu meinem Überleben der betreffenden Kilometer beiträgt. Schließlich gelange ich an den Canal du Midi, jener fast 350 Jahre alten künstlichen Wasserstraße, welche das Mittelmeer mit dem tief im Landesinneren gelegenen Toulouse verbindet. An dessen Ufer soll ich nun eine ganze Weile autofrei vorankommen. Mir gefällt das ziemlich gut. Der Tag schreitet voran und ich muss mir wieder Gedanken machen, woher ich Trinkwasser bekomme. Die Gelegenheit findet sich, als ich in der Nähe des Kanals auf einem Bauernhof eine Melone kaufe, dort ist die Dame auch so freundlich, mir meine Flaschen aufzufüllen.
Wenig später lege ich am Ufer des Kanals eine Pause ein - welch ein Genuss ist die süße, saftige Melone! Ich muss unweigerlich an "Schrödi" denken, einen Radler aus Mecklenburg, welcher seit April dieses Jahres auf dem Weg nach Peking ist und jeden Tag einen Bericht nebst Fotos auf Facebook postet. Ich verfolge mit großem Interesse seine Tour und kann in seinen Texten lesen, dass er auf seinem weiten Weg auch fast täglich Melonen isst… Gerade bei warmen Wetterverhältnissen ein herrlicher Durstlöscher.
Am Canal du Midi
Canal du Midi
An einem kleinen Obstand hatte ich die Gelegenheit, diese köstliche Melone zu erwerben. Pause am Canal du Midi.
Es nähern sich mit ihren Rädern zwei Damen, Engländerinnen, wie sich im Gespräch herausstellen wird. Eine von den beiden hat einen schleichenden Platten und bittet mich um Unterstützung im Sinne von Luftpumpennutzung. Wir plaudern eine kleine Weile, dann setzen die beiden ihren Ausflug am Kanalufer fort.
Auch für mich geht es bald weiter. Und so schön der Weg am Wasser auch eigentlich ist, um halbwegs flott voranzukommen eignet er sich aufgrund seiner sehr unebenen Beschaffenheit nicht. Irgendwann bin ich etwas genervt von dem Geholper und weiche ich auf eine mehr oder weniger parallel verlaufende Straße aus. Passenderweise komme ich noch an einem kleinen Supermarkt vorbei, wo ich einen Einkauf erledige, bevor ich mich dann allmählich auf die Schlafplatzsuche begebe. Das gestaltet sich heute Abend nicht ganz so leicht, da die allgemein niedrig gewachsene Vegetation wenig Sichtschutz bietet und weil der Untergrund oft hart und uneben ist. Zudem ist er teils von dornigem Gestrüpp bedeckt.
Schließlich fahre ich in eine Weinplantage hinein, wo ich den Einbruch der Dämmerung abwarte, bis ich mein Zelt aufstelle.
Ich rechne heute aus, dass ich, wenn ich es bis Chalon sur Saône schaffen will, an jedem der kommenden sechs Tage 113 Kilometer werde fahren müssen. Dieser Gedanke stresst mich durchaus etwas, auch wenn 113 Kilometer ja nun nicht soo besonders viel sind, dass ich das fahren muss, das ist eher das Problem. Andrerseits weiß ich aber auch jetzt schon, dass ich mich nach meiner Rückkehr sehr über die durchgezogene Linie in GoogleEarth freuen werde.
Während meiner abendlichen SMS-Kommunikation fällt vorübergehend etwas Regen.
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Mittwoch, 16. September 2015
Ich habe mir den Wecker meiner Armbanduhr auf 06:30 gestellt, wache jedoch bereits um 06:00 von alleine auf. Aus purer Gewohnheit ziehe ich mir nach dem Verlassen des Schlafsacks meinen Fleecepullover an - und dann gleich wieder aus. Viel zu warm! Der Blick auf das Thermometer zeigt mir, dass es tatsächlich schon 20°C sind, dazu weht ein ekliger "dicker" Wind.
Es ist noch dunkel und so frühstücke ich im Licht meiner Stirnlampe etwas altes Baguette.
Sonnenaufgang im Weinfeld, wo ich die Nacht verbracht habe.
Das Tolle am Frühaufstehen ist, dass man auch sehr zeitig im Sattel sitzt. Es ist noch nicht einmal acht Uhr, als ich in die heutige Etappe starte - und dabei weder ahne, dass ich am Abend fast 160 Kilometer gefahren sein werde, noch, dass dies ein Tag voller kleiner Katastrophen werden wird.
Es beginnt damit, dass ich auf den ersten 60 Kilometern den Wind kräftig von vorne habe. Ich bin genervt davon, auch wenn es eigentlich noch früh am Tag ist, immerhin gerade erst 12:00 am Mittag. Und doch taucht schon jetzt immer mal wieder die Frage auf, wie ich mich denn heute und noch an acht weiteren Tagen zum Radeln motivieren soll. Der Wind ist wirklich die Pest; es ist nicht nur der erhöhte Widerstand beim Fahren, es ist auch das permanente laute Rauschen in den Ohren, was am meinen Nerven zehrt. Auch mein Fußgelenk macht immer noch Zicken und inzwischen tut mir sogar das Hinterteil weh, habe mir mehrere wunde Stellen im Bereich der Sitzfläche eingehandelt, so dass ich manchmal nicht mehr weiß, welche Position ich noch einnehmen kann. Hatte ich so auch noch nicht…
Schließlich gelange ich in die Nähe der Mittelmeerküste. Der Wind streift rauschend durch vertrocknetes Schilfgras, Staub liegt auf der Landschaft. Ein verlassener Campingplatz reiht sich an den nächsten, der ganze Landstrich scheint mir entvölkert zu sein, nachdem die Sommertouristenmassen fortgereist sind. Schilder, die sich losgerissen haben, klappern im Wind, ein gigantischer Vergnügungspark wird gerade winterfest gemacht. Tristesse regiert. Und der Wind - oder sollte ich besser sagen: der Sturm?! Mit Macht pustet er vom Meer herüber. Später werde ich von Susi erfahren, dass in diesen Tagen sturmbedingt im Süden Frankreichs mehrere Todesopfer zu beklagen sind.
Bei einem Obsthändler am Straßenrand kaufe ich frische Vorräte und fülle meine Wasserflaschen auf, bevor ich dann auf den knapp 15 Kilometer langen Dünendamm rolle, welcher mich nach Sète führen wird. Dieser Abschnitt kommt der Fahrt durch einen Sandsturm gleich - überall hin pustet der Wind den feinen Sand, welchen er vom Strand über Radweg und Straße trägt. Das ist ja was für mich…
Der Küstenort Sète. Das Bild lässt ein wenig erahnen, mit welchem Wind ich es zu tun habe...
Irgendwie hatte ich mich ja auch ein wenig darauf gefreut, das Meer zu erreichen, am Ufer zu stehen, hinauszublicken. Wird nix. Ich fahre kurz rechts ab in einen kleinen Weg, welcher in die Dünen führt, sehe tosend und rauschend die Wellen am Ufer brechen, werde dabei aber dermaßen gesandstrahlt, dass ich umgehend Kehrt mache und zusehe, dass ich diesen Abschnitt schnellstmöglich hinter mir lasse.
Ich bin echt richtig genervt, es ist zum Kotzen, Spaß macht mir das hier gerade nicht. Nach der großen Stadt Sète folgen weitere kleine Orte und lange Dämme (allerdings diesmal ohne Sandstrahler) und permanent rauscht mir dieser fiese, dicke, klebrige Wind in den Ohren. Mir begegnet ein junger Radler, der von Deutschland kommend auf dem Weg nach Santiago de Compostela ist. Wir plaudern eine kleine Weile, was meine Stimmung und die allgemeine Motivationslage vorübergehend wieder etwas anhebt.
Wasser dominiert die Ortschaften an diesem Abschnitt der Küste.
Lagunenlandschaft an der Südküste Frankreichs.
Als ich am Nachmittag in der Gegend südlich von Montpellier die 130km-Marke erreiche, denke ich, dass es allmählich Zeit wird, einen Campingplatz zu finden. Bin den ganzen Tag immer wieder mal an welchen vorbeigefahren, sollte doch hier auch kein Problem sein. Wildes Zelten möchte ich auf diesem dicht besiedelten Abschnitt gerne vermeiden. Es passt aber nur zu gut in das Gesamtbild des Tages, dass ich nun weit und breit keinen Platz entdecke. Rauschender Wind, Autolärm, endlose Häuserreihen. In einem öffentlichen WC-Gebäude fülle ich sicherheitshalber schon mal wieder meine Wasservorräte auf, wer weiß, wofür das heute noch gut sein wird.
In einem kleinen Park entdecke ich einen Stadt- bzw. Umgebungsplan, den ich mir mal näher ansehe - und tatsächlich ist in einigen Kilometern Entfernung, auf der anderen Seite eines kanalartigen Gewässers im Ort Le Grau-du-Roi ein Campingplatz verzeichnet, na klasse!
Ich gleiche die Position mit meinem GPS ab und mache mich auf den Weg, wird doch noch alles gut… Ich steuere auf die kleine Brücke zu, welche mich über das Wasser bringen soll. Schon in Sichtweite derselben hält mich ein Polizeibeamter an, um mir freundlich aber bestimmt mitzuteilen "Pardon monsieur, maintenant la route est barée…". Wenige Meter hinter ihm sehe ich, wie ein hohes Metallgitter als Sperre eingezogen wird.
Das darf alles nicht wahr sein. Es stellt sich heraus, dass in diesem Kaff in diesen Minuten irgendeine Stier-Fiesta beginnen wird und die Brücke für den Rest des Tages nicht mehr passierbar sein wird. Während ich noch an der Straßenecke stehe und mir Gedanken darüber mache, wie ich nun weiter verfahre, taucht ein andrer Soloradler auf (ebenfalls hochwertig ausgestattet mit SON-Lichtanlage, Rohloff, Garmin & Co. und somit sofort als Deutscher zu erkennen). Ich weiß nicht genau, ob er schon zu lange alleine unterwegs ist, auf jeden Fall hat er ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis - anders gesagt: er kaut mir echt ein Ohr ab, innerhalb kürzester Zeit weiß ich, dass er von Saarbrücken kommend auf dem Weg nach Barcelona ist und so weiter und so fort… Und auch wenn ich ansonsten ja ausgesprochen gerne mal ein Pläuschchen unter Radlern halte, im Moment bin ich einfach nur genervt und möchte meine Ruhe haben.
Ich entfliehe der Konversation und verlasse den Ort nach Norden, wie es scheint, werde ich mir ein wildes Schlafplätzchen suchen müssen und das heute, wo ich mich nach dem Sandsturm ausnahmsweise wirklich mal auf eine Dusche gefreut hätte…
Über mir schwebt im Zeitlupentempo ein Flamingogeschwader, kämpft sich gegen den Wind voran, ein großartiger Anblick, den ich in meiner dezent demoralisierten Gesamtverfassung nur bedingt zu würdigen weiß. Ich radele nicht besonders weit, das entdecke ich zu meiner linken doch tatsächlich einen Campingplatz! Yess! Sofort biege ich ab, immerhin habe ich inzwischen 155km zurückgelegt und checke ein. Etwas entsetzt bin ich, als ich höre, dass ich auf diesem 5-Sterne-Platz über 20 Euro für die Übernachtung bezahlen soll. Unverschämtheit, aber was soll's.
Ich bin jetzt in der Camargue - und wenn mir noch eines von meinem letzten Besuch in dieser Gegend in Erinnerung ist, dann die Tatsache, dass das hier das Eldorado der Moskitos ist. Daran hat sich auch nichts geändert: während der wenigen Minuten, die ich benötige, mein Hilleberg in der windgeschützten, überdimensionierten Parzelle aufzustellen, zerfleischen sie mich förmlich, die Mistviecher. Genau das hat mir heute noch gefehlt.
Ich flitze zum Sanitärgebäude, um zu duschen. Bedarf es noch der Erwähnung, dass das Wasser nicht einmal heiß ist? Scheiß auf die fünf Sterne…
An Kochen ist auch nicht zu denken, wegen der Mückenplage ist es nicht einmal möglich, den Zeltreißverschluss auch nur kurz zu öffnen. Somit hocke ich im heißen, stickigen Zelt, trinke lauwarmes Wasser und nage an altem Baguette. Und als ob das alles nicht genug wäre, muss ich feststellen, dass ich irgendwo auf den letzten 155 Kilometern meine aufgesetzte Mini-Ortlieb-Tasche verloren habe, in welcher sich mein komplettes Werkzeug befindet. Ich könnte echt spucken. Der Verlust in materieller Hinsicht relevant, in praktischer sowieso aber auch in ideeller: es beinhaltet auch die Gripzange, welche ich vor vielen Jahren im isländischen Varmahlíð erworben habe und die somit auch ein Erinnerungsstück ist…
Meine Stimmung ist am Tiefpunkt angelangt. Ich bin mir sicher, dass ich solch eine Tour mit so viel Strecke in so wenig Zeit nicht so schnell wiederholen werde…
Immerhin habe ich mit der langen Distanz heute einen kleinen Puffer herausgefahren, ich muss jetzt nur noch täglich 106 und nicht mehr 113 Kilometer fahren, um pünktlich bei Susi zu sein.
Ich schreibe Frust-Simsen an Claudia und erkundige mich bei meiner Kollegin Cindy per SMS, ob am heutigen letzten Prüfungstag an der Krankenpflegeschule alle unsere Intensiv-Schützlinge durchgekommen sind (leider nicht, eine Schülerin hat die mündliche Prüfung nicht gepackt).
Morgen kann es nur wieder besser werden.
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Donnerstag, 17. September 2015
Als am Morgen Regen auf das Zeltdach prasselt, denke ich oha, geht der Scheiß jetzt also so weiter… Also drehe ich mich erst noch mal um, kann dann aber doch nicht mehr schlafen, so dass ich gegen 08:00 im Zelt frühstücke. Die Margarine hat sich vollständig verflüssigt - ok, es geht so weiter, wie gestern.
Entgegen meines aus Energiespargründen gehegten Vorsatzes das WLAN nicht zu nutzen, erliege ich der Versuchung, es doch zu tun. In der WhatsApp-Familiengruppe sehe ich Bilder von meiner Tochter und ihren Mädels aus Venedig, es ist toll, dass sie so viel Spaß hat! Meine Wetter-App prophezeit mir Gegenwind und später am Tag Sonne, na immerhin.
Und in der Tat, es hört schon bald auf, zu regnen. Der Zeltabbau vollzieht sich wieder unter massiven Moskitoattacken und ist alles andere, als ein Vergnügen. Die Camargue habe ich echt gefressen.
Natürlich gibt es einen kleinen Supermarkt auf dem weitläufigen Campingplatzgelände, Gelegenheit für einen Einkauf: Baguette, Apfelkuchen, Honig und Tomatensoße. Meine Kinder hätten sich hier (von der Insektenwelt vielleicht einmal abgesehen) sicher pudelwohl gefühlt, es gibt eine große Poolanlage mit Palmen…
Um zehn Uhr rolle ich hinaus in die Feuchtwiesen und Schilfgebiete. Ich verlasse nun schon wieder die Mittelmeerküste - bin darüber überhaupt nicht traurig - und orientiere mich grob nordwärts in Richtung Rhônetal. Für ein paar Kilometer habe ich tatsächlich mal Rückenwind und genieße die Stille. Das Licht ist heute klarer, die Luft wirkt wie gereinigt, der "dicke klebrige" Wind ist Vergangenheit. Immerhin. Mir kommt der Tag gestern vor, wie ein furchtbar langer, seltsamer Tunnel - den ich nun verlassen habe.
Mückenverseuchte Feuchtgebiete der Camargue.
Eine ganze Weile fahre ich auf einer etwas größeren Straße, es rollt ein Wohnmobil nach dem anderen an mir vorbei. Was wollen die alle hier? Ich leide ein bisschen vor mich hin, weiß nicht, wie ich sitzen soll, so sehr tut mir das Hinterteil weh. Und zu den Beschwerden im Sprunggelenk kommen nun auf der anderen Seite auch noch Zipperlein der Achillessehne. Man, bin ich ein Wrack… ein alter Mann geht auf Reisen. Inzwischen pustet mir der Wind von vorne ins Gesicht. Es lässt sich ganz passabel fahren, ist aber doch auf die Dauer etwas nervig. Gute Nachricht: heute werde ich die Hälfte der Urlaubszeit aber deutlich über die Hälfte der Gesamtreisedistanz erreichen. Bald kommt tatsächlich die Sonne hervor, möchte gerne eine Teepause einlegen, habe ja schließlich am Morgen nur drei Tage altes Brot (noch aus Ax-les-Thermes) gegessen und Wasser getrunken.
Ich steuere von der Straße weg auf eine Wiese - schilfgesäumt - und es dauert keine Minute, da fallen schon wieder blutrünstige Insekten über mich her. Also keine Pause, schade eigentlich. Der nächste Ort, den ich (bei Kilometer 45) erreiche, ist St. Gilles, wo ich mir frisches Baguette kaufe, welches ich am Straßenrand mit Honig vertilge. Tarascon folgt als größere Stadt, wo ich erfolgreich ein Fahrradgeschäft suche. Die haben zwar gerade Mittagspause, so dass ich ein halbes Stündchen warten muss (futtere in der Zeit eine Packung Prinzenrolle auf), kann dann aber immerhin Reifenheber und ein solides neues Multitool erwerben. Das ist beruhigend.
Die Rhône ist erreicht; dem Lauf des Flusses werde ich nun einige hundert Kilometer nach Norden folgen.
Das Radl an der Rhône.
Von Tarascon aus geht nun ziemlich lange entlang der Rhône, mal auf der linken Seite, mal auf der rechten. Ich fahre an Avignon vorbei, nehme mir aber nicht die Zeit, um mir die Stadt anzuschauen. Auch den Campingplatz am Wegesrand lasse ich links (eigentlich rechts) liegen, da ich erst etwa 100 Kilometer gefahren bin und es noch relativ früh am Tage ist. Ich komme durch die eine oder andere kleine Ortschaft, in Roquemaure kaufe ich mir einer bezaubernden jungen Boulangerie-Verkäuferin Flan und Pizza und bitte sie darum, meine Wasserflaschen aufzufüllen. Kurze Zeit später finde ich einen tollen Pausenplatz am Deich, wo ich die Köstlichkeiten genieße. Leider gibt es wenig Sichtschutz, sonst wäre das auch ein toller Fleck zum Übernachten gewesen.
Die Schlafplatzsuche im weiteren Verlauf gestaltet sich nicht ganz so einfach, schließlich entscheide ich mich für ein rumpeliges Stück Wiese, welches zur Straße hin sichtgeschützt ist durch Pflanzen. In die andere Richtung blicke ich auf ein Dorf, welches keine 500m entfernt ist, dazwischen wächst nur niedriger Wein. Ich warte also noch bis zum Anbruch der Dämmerung, bis ich mein Zelt aufstelle und vertreibe mir die Zeit mit dem Schreiben von Simsen. Auch bei Susi, einer alten Freundin aus Jugendtagen, melde ich mich. Uns verbindet unter anderem gemeinsames Reisen in der Türkei 1989. Susi ist schon vor vielen Jahren nach Frankreich ausgewandert, wo sie als Schauspielerin und Musikerin ein bescheidenes aber offenbar recht zufriedenes Leben lebt. Sie bietet mir an, mich ggf. auch irgendwo mit ihrem Bus einzusammeln.
Lange bleibe ich nicht mehr auf, schon um 20:30 schlafe ich.
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Freitag, 18. September 2015
Ich schlafe bis 08:00 - aber das ist ok, habe jetzt genug Puffer herausgefahren, so dass ich fortan nur noch 100 Kilometer täglich zurücklegen muss, um es am Montag bis nach Chalon zu Susi zu schaffen. Das Wetter ist herrlich, ein wolkenloser Himmel begrüßt mich, als ich das Zelt öffne. Der frische Wind vertreibt die Mücken (hatte nachts mit Moskitonetz geschlafen), meine Stimmung ist richtig gut, habe Lust zu radeln, bin hochmotiviert. Ein Gefühl von Gelassenheit und Freude kommt auf - ja, so soll das doch eigentlich sein! Schon jetzt bin ich froh, in den letzten Tagen durchgehalten und nicht aufgegeben zu haben, freue mich schon jetzt auf den Moment - vermutlich am nächsten Samstag nach meiner Rückkehr - wenn ich den Track in GoogleEarth eintragen werde. Albern, was?
Mein Soulo im Grünzeug...
Während ich Müsli und ein, zwei Tassen Tee genieße, wechsele ich bei meiner Nikon-Spiegelreflexkamera den Akku und stelle mit Bedauern fest, dass das Reserveteil leider leer ist. Na ja, ein wenig Restsaft hat der alte noch, vielleicht reicht es ja bis zur nächsten Steckdose.
Um kurz vor zehn rolle ich hinaus aus meinem Versteck, hinein in den Wind, der mir aber zunächst nicht meine gute Laune nimmt. Nach wenigen Kilometern komme ich an einer riesigen Hochsicherheitsanlage vorbei, Zäune, Kameras, Warnschilder, Fotografierverbot - was mag das wohl sein? Selbst in GoogleEarth finde ich das Areal später verpixelt vor…
Das Tal der Rhône ist flach, ich fahre zumeist auf kleinen, verkehrsarmen Straßen, denn ich folge dem offiziellen Radweg, der ViaRhôna (hatte ich bei der Planung meiner GPS-Route schon berücksichtigt). Landschaftlich ist es unspektakulär, es geht durch Weiden und Felder und immer mal wieder an den Fluss heran. Das wird auch letztendlich meine Gesamteinschätzung des Radweges sein: ganz nett, kann man mal gefahren sein, allerdings wäre es auch nicht schlimm, das nicht erlebt zu haben.
Im Rhônetal auf dem Weg nach Norden.
Im Rhônetal auf dem Weg nach Norden.
Die Rhône ist auf dem unteren Abschnitt nicht von Schiffen befahren, vermutlich deshalb, weil in recht engen Abständen Sperrwerke zur Energiegewinnung die Möglichkeit der Durchfahrt verhindern.
Meine Vorräte müssen dringend aufgefüllt werden, so dass ich in der Mittagszeit im mittelgroßen Ort Donzère einige Runden drehe, um eine Einkaufsgelegenheit zu finden - Fehlanzeige, alles geschlossen, also weiter. Einige Kilometer weiter auf der anderen Seite der Rhône liegt Viviers, ein etwas erhöht gelegener, mittelalterlich anmutender Ort - auch hier finde ich keine Möglichkeit zum Einkaufen. Mal wieder bedauere ich, dass ich nicht mehr Zeit habe, dies wäre sicher ein Dorf, welches man sich mal etwas ausgiebiger ansehen könnte.
Ich habe schon fast aufgegeben, beginne, mich damit abzufinden, dass ich gleich irgendwo am Straßenrand meine letzten Nudeln kochen werde, denn ich bin wirklich hungrig. Dann aber, im nächsten Kaff (Châteauneuf-du-Rhône), finde ich eine tollen, bestens sortierten Supermarkt. Der Einkauf macht mein Rad mindestens drei, vier Kilo schwerer, ich kaufe viel Obst einschließlich Melone, Kuchen, Brot etc. Auch habe ich Gelegenheit, meine Trinkflaschen aufzufüllen. Super. Wenig später kann ich also eine ausgiebige Mittagspause einlegen.
Pausenverpflegung
Das Finden eines Lagerplatzes gestaltet sich nicht so einfach, da ich zu dicht an die große Stadt Valence heranrolle. Die Gegend ist intensiv landwirtschaftlich genutzt und relativ dicht besiedelt. Schließlich entdecke ich am Rande eines Maisfeldes einen Weg, dem ich folgen kann. Zwischen Bäumen und Feld stelle ich mein Zelt auf, bin aber irgendwie unglücklich mit dem Flecken. Die Straßen sind nicht weit weg, der riesige Mais, der sich als schwarze Silhouette vor meiner Nase aufrichtet, kommt mir im Dämmerlicht vor, wie eine surreale Heuschreckenarmee.
Ich verzichte darauf, mir etwas zu kochen und mache mir stattdessen eine Obstmahlzeit, während ich einige SMS an die üblichen Empfänger versende. Und in zunehmendem Maße beschäftigt mich die Frage, ob ich denn (spätestens übermorgen) Lyon - die Riesenstadt an der Rhône - umfahren soll oder mich doch am Flussufer durch sie hindurch wagen soll. Eine GPS-Route habe ich nur für die Umgehung erstellt, diese führt westlich der Stadt noch mal ganz ordentlich in die Berge. Allerdings würde ich mir auf diese Weise den Stadtverkehr ersparen. Aber ohne Karte und ohne GPS nach Lyon hineinwagen? Naja, ich muss mich ja noch nicht heute entscheiden.
Heute Abend bleibt die Küche kalt, es gibt Obst.
Lagerplatz am Maisfeld, südlich von Valence.
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Samstag, 19. September 2015
Ich bin wieder früh wach, ein wolkenloser Himmel begrüßt mich. Das Thermometer zeigt 8°C an, es wird also merklich frischer, meine Fahrt in den Norden ist auch Reise durch die Jahreszeiten: vom spanischen Spätsommer in den deutschen Herbst. Während ich Müsli und Tee genieße und schließlich an meinem Tagebuch arbeite, fallen ganz in der Nähe Schüsse - sind also Jäger unterwegs. Ich fühle mich dabei nicht wohl und beschließe, aufzubrechen, packe also meinen Kram zusammen und verlasse das Zelt nur mit meiner Leuchtweste, möchte nicht für ein Tier gehalten werde…
Für einen kleinen Moment habe ich die Hoffnung, dass der Wind gedreht hat, was sich jedoch schnell als Irrtum erweist, wie schade.
Nach wenigen Kilometern fahre ich durch die südlichen Ausläufer von Valence, eine Stadt, welche sich ziemlich weit entlang des Flusses zieht. Somit war es gut, dass ich gestern Abend noch meinen Platz am Maisfeld gefunden habe, ansonsten hätte ich wirklich noch eine ganze Weile radeln müssen.
Die Streckenführung insgesamt ist auch heute wieder angenehm. Einen Abschnitt gibt es, da verläuft meine Straße östlich abseits der Rhône und ich muss mich auf 300 Höhenmeter hinaufarbeiten. Aber das ist ja vor dem bisherigen Erfahrungshorizont dieser Fahrt eher niedlich… Oben angekommen, ich habe etwa 50 Kilometer zurückgelegt, lege ich eine Teepause ein. Ich kann beobachten, wie sich der bisher sehr freundliche Himmel verfinstert. Es ziehen vom Wind getrieben Wolken über die hügelige Landschaft mit ihren Weinbergen. In nicht allzu weiter Ferne sind kräftige Regengüsse auszumachen, wie graue Fäden hängen sie im Himmel. Mir bleibt es allerdings bis auf weiteres erspart, nass zu werden, denn ich habe Glück und die Schauer ziehen immer an mir vorbei. Die Temperaturen von eingangs 22°C fühlen sich bei dem Wind deutlich frischer an und es erfolgt im Verlauf auch ein Absinken auf nur noch 16°C.
Später, als ich wieder am Fluss entlangfahre, erwischt es mich doch noch mit dem Regen. Glücklicherweise ist eine Brücke nicht weit, welche vorübergehenden Schutz bietet. Es dauert nicht lange, bis sich eine ganze Gruppe von Radlern dort versammelt.
Die Zwangspause gerät kurzweilig, schnell bin ich mit einer jüngeren allein reisenden Finnin im Gespräch, welche - genau wie ich - ihren neunten Reisetag zu fassen hat. Sie ist von Amsterdam gestartet und nun auf dem Weg nach Venedig, wo sie ihren Mann treffen wird, welcher es vorzieht, dorthin auf die schnelle Weise mit dem Flieger anzureisen. Wie sie berichtet, hat sie bislang viel Regen und Gegenwind erlebt, so dass dies heute ihr erster wärmerer Tag mit Rückenwind ist… Ja, wie unterschiedlich so ein Tag wahrgenommen wird! Bald ist es wieder trocken und ein jeder fährt seines Weges.
In irgendeinem Nest steuere ich mal wieder eine Boulangerie an und versorge mich mit Kuchen und Pizza, die Verkäuferin ist schon wieder unglaublich attraktiv… Ist das in französischen Bäckereien ein Einstellungskriterium?
Wenig später führt mich mein Weg in ein Naturschutzgebiet, wo ich mir auf einer Steinmauer einen schönen Platz mit Blick auf das ruhige Wasser des Flusses werfen kann. Während ich die köstliche Pizza verspeise, kommt eine Gruppe von Kindern vorbei, welche unter der Anleitung eines Vogelkundlers mit Ferngläsern die Tiere beobachtet.
Ich muss zugeben, ich hoffe ein wenig, einen Campingplatz zu finden; die Tageszeit ist deutlich vorangeschritten, ich habe nicht mehr lange Tageslicht und die Besiedlung in dieser Gegend südlich von Lyon verdichtet sich merklich, was bekanntermaßen die Lagerplatzsuche nicht unbedingt begünstigt.
Die Tatsache, dass ich bis zu dem Ort Givors keinen Campingplatz finde, nimmt mir die Entscheidung ab, ob ich nun meiner GPS-geplanten Route (westliche Lyon-Umgehung) folge oder mich in die große Stadt wage, also am Fluss bleibe. Zum jetzigen Zeitpunkt in Richtung der Großstadt zu radeln, erscheint mir zu riskant, also biege ich in Givors links ab. Die Dämmerung kündigt sich an, der Ort ist wenig sympathisch, viele Jugendliche sind mir ihren aufgemotzten Autos unterwegs, Bässe wummern, Motoren heulen auf. Viel Trubel und Leben auf den Straßen. Bald lasse ich den Stadtkern hinter mir und schon die Fahrt durch die peripheren Wohngebiete geht teilweise steil bergauf. Ich habe keine Zeit zum Trödeln oder Pausieren, möchte wirklich gerne vor der völligen Dunkelheit wissen, wohin ich das Zelt stelle. Und das ist heute Abend wirklich eine schwierige Angelegenheit; überall sind Zäune oder das Gestrüpp ist so biestig, dass es dem Hilleberg nicht guttäte. Letztlich stelle ich mich gute Hundert Meter von der Hauptstraße entfernt mitten auf eine Koppel (welche ausnahmsweise nicht eingezäunt ist), wo immerhin ein paar Sträucher stehen. Wirklichen Sichtschutz bieten diese allerdings auch nicht, so dass ich noch den Zeitpunkt der fast völligen Dunkelheit abwarte (müde und frierend), bis ich das Zelt aufstelle. Das subjektive Gefühl an diesem Flecken ist dennoch besser als gestern an diesem seltsamen Maisfeld. Gekocht wird nicht mehr, ich belasse es bei einem Tee und ein paar Schokokeksen.
Ich höre die ganze Zeit Hundegebell, welches aber seine Position nicht verändert - keine Bedrohung also - und schlafe schnell ein.
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Sonntag, 20. September 2015
Schon um sieben Uhr bin ich wieder wach, ziehe wie jeden Morgen den Reißverschluss des Zelts auf und blicke in den Himmel, ein schöner Sonnenaufgang bahnt sich an. Lange bleibe ich nicht mehr liegen - beginne meine Tagesroutine mit der Zubereitung von Tee und Müsli sowie mit dem Führen von SMS-Korrespondenz.
Ich habe das Rhônetal verlassen, um die Großstadt Lyon zu umgehen. Die Gegend ist dicht besiedelt und es war nicht einfach, einen Lagerplatz zu finden.
Am Morgen kann ich diesen wunderbaren Sonnenaufgang genießen.
Soulo auf der weiten Koppel.
Ich fahre ganz entspannt in diesen Sonntagmorgen hinein, inzwischen weiß ich, dass ich genug Zeit habe, nur noch gut 180 Kilometer trennen mich von Chalon-sur-Saône, wo ich morgen Abend Susi treffen möchte. Für den heutigen Tag erwarte ich zwar noch um die 1000 Höhenmeter (mit einem 700er Peak), was mich allerdings überhaupt nicht stresst. Es ist mit 12°C noch recht frisch, die Sonne scheint, die Stimmung ist gut.
In den Bergen westlich von Lyon.
In den Bergen westlich von Lyon.
Bald geht es an den Anstieg, wo ich von zahlreichen Rennradfahrern überholt werde. Zumeist sind es ältere Herren, stets werde ich freundlich gegrüßt. Von den Hügeln aus lässt sich in der Ferne Lyon im Rhônetal erkennen. Eine kleine Stadt folgt, mehrere Dörfer werden durchfahren, ich bewege mich derzeit auf keiner "offiziellen" Radroute, sondern auf einem selbst geplanten Abschnitt: schöne kleine Straßen, die allerdings manchmal brutal steil sind. Schließlich soll ich, so möchte es mein Navigationsgerät, in einen Wald hineinfahren, um den zu erwartenden 700er zu erklimmen. Auch hier geht es wieder böse bergan, was aber nicht das Hauptproblem ist. Vielmehr ist der Untergrund nicht befestigt: loses Geröll und große Steine machen die Piste wohl eher für den Fußgänger oder den Landrover-Fahrer passierbar. Ich beschließe, dass ich mir das nicht antun werde, zumal ich überhaupt nicht abschätzen kann, über wie weite Strecken das so bleiben würde. Ich prüfe mittels Garmin, ob es eine halbwegs vernünftige Alternativroute gibt und entscheide mich dann für diese. Da nehme ich dann zwar in Kauf, teilweise an etwas befahrenen Straßen unterwegs zu sein, erspare mir aber den Kampf mit Relief und Geröll. Der beständige Gegenwind nervt mich dennoch zwischendurch mal, er macht es halt irgendwie unentspannt.
Bei Etappenkilometer 60 erreiche ich die Saône. Ich bin hungrig und suche mir einen Pausenplatz am Fluss. Leider war auf der vorangegangenen Strecke keine Boulangerie zu finden, wo ich mich mit Kuchen hätte versorgen können, also muss mal wieder altes Brot herhalten. Bedauerlicherweise muss ich feststellen, dass meine Salami schlecht geworden ist. Na ja, hilft ja nichts.
Nach dieser Rast folgt der Weg für den verbleibenden Etappenabschnitt dauerhaft dem Fluss, was sehr schön ist, auch wenn die Oberflächenbeschaffenheit reichlich bescheiden daherkommt. Kurz nach dem Passieren der 80-Kilometer-Marke, findet sich ein Campingplatz zu meiner Rechten. Und obschon es noch nicht besonders spät ist und ich auch von der Form her gut noch hätte weiterfahren können, biege ich ab und checke ein. Es ist nicht ganz typisch für mich, aber ich freue mich richtig, heute mal ohne abendliche Schlafplatzsuche mit Versteckspiel in der "Wildnis" auszukommen. Es gibt Wasser und die Möglichkeit, zu duschen. Luxus!
Das Abendessen: Nudeln und Tee und zum Nachtisch Billigkekse, die nicht besonders lecker sind. Später verbringe ich eine Weile im Sanitärgebäude, wo Gelegenheit besteht, das Smartphone aufzuladen, während ich das WLAN nutze. WhatsApp, Facebook, neuste Nachrichten vom Chinaradler…
Es sind nun nur noch knapp hundert Kilometer, bis Chalon, wo ich morgen mit ziemlicher Sicherheit eintreffen werde, um verabredetermaßen bei Susi zu sein. Bin neugierig, was das Date angeht, immerhin haben wir uns seit ich glaube 13 Jahren nicht mehr gesehen und auch ansonsten kaum Kontakt gehabt.
Ich gehe jedoch davon aus, dass es morgen ein sehr netter Abend wird.
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Montag, 21. September 2015
Der Morgen ist sonnig und kühl, ich habe mir schon in der Nacht Socken und Fleecepullover angezogen. Der Blick aus dem Zelt zeigt, dass es gefroren hat: Reif liegt auf den Halmen der Wiese. Das Licht ist leuchtend und klar, wunderbar, was mich an die Herbstfahrt von München nach Kiel vor einigen Jahren oder auch an die Reise von Basel nach Berchtesgaden erinnert.
In Montmerle-sur-Saône erlebe ich den ersten Nachtfrost.
Hochmotiviert rolle ich los, halte dann an einem Wasserhahn noch kurz an. Dabei komme ich mit einem Wohnwagenmenschen ins Gespräch, der sich für mich und meine Tour interessiert und mich dann quasi in seinen Wohnwagen zerrt, wo er mir voller Stolz sein Highend-Rennrad präsentiert. Ach ja, dann hat er noch etwas für mich… Aus einem Schrank kramt er Powerbar-Brausetabletten als Zusatz für das Wasser in den Trinkflaschen hervor und besteht darauf, dass ich mir diese direkt in alle meine drei Flaschen werfe. Sehr nett gemeint von ihm - aber wie soll ich denn damit nun Tee kochen? Aus Höflichkeit lasse ich ihn gewähren, fülle dann aber zusätzlich (nachdem ich um die nächste Ecke gefahren bin) noch mal meine Siggs mit normalem Wasser auf.
Nach einem knappen Kilometer finde ich im Ort Montmerle-sur-Saône einen Supermarkt, wo ich mir Proviant für den Tag besorge, Obst, Tomaten, Kräuterfrischkäse, Salami, Baguette, Kuchen, Kekse… das Übliche.
Sofort führt mich der Weg wieder an den Fluss, auf unbefestigten Pfaden geht es autofrei nordwärts. Ich bin berauscht und begeistert an diesem wunderbaren Morgen. Allzu lange dauert es dann aber leider nicht, bis die Beschaffenheit des Weges jener einer isländischen Hochlandpiste in nichts nachsteht - sie ist somit eine Prüfung für Mensch und Material. Geschwindigkeit unter 10 km/ h, super. Das müsste doch jetzt auch nicht sein, oder? Nach knapp dreißig Kilometern, in Mâcon, wird es deutlich besser, ich radele nun auf einem zumeist asphaltierten Weg durch die Wiesen am Ufer der Saône. Allgemein kann ich an dieser Stelle ein paar Worte zur Infrastruktur für Radreisende sagen: kurzgefasst: sie ist grottenschlecht. Die ViaRhona war zwar ganz passabel, was die Streckenführung anbelangt, allerdings gab es zu keinem Zeitpunkt überdachte Pausenplätze oder Bänke oder so etwas. Nun, an der Saône ist das immerhin schon mal etwas besser, jedoch kein Vergleich zur Situation an Flussradwegen in Deutschland.
Was für ein Morgen! Leichter Rückenwind, Sonne und nicht einmal der Ansatz eines Berges - darauf habe ich lange gewartet! Das Bild zeigt die Stadt Mâcon sur Saône.
Radweg an der Saône.
Meine Freude über den aktuellen Weg ist groß, es ist wirklich ein gechilltes Stück und sogar der Wind pustet heute endlich mal von hinten, großartig. Nachmittags lege ich eine ausgiebige, einstündige Pause ein. Etwa 25 Kilometer vor meinem Ziel wird der Weg noch mal wieder übel, ich kämpfe mich über schlammige Wiesen, während ich von Mückenscharen belästigt werde. Irgendwann verlasse ich genervt den Uferweg und weiche auf die Straße aus. Da habe ich dann zwar Autoverkehr, komme aber wenigstens voran…
Am frühen Abend erreiche ich das Gebäude in welchem Susi wohnt (kein Problem dank Navi, welches ich bereits zu Hause so programmiert hatte, dass es mich zielsicher dorthin bringen wird), entdecke jedoch keine Klingel. Über eine SMS gelingt es mir, Kontakt aufzunehmen mit meiner alten Freundin und kann dann eintreten - es fühlt sich ungewohnt und vertraut zugleich an. Wir gelangen in einen kleinen Hinterhof, an dessen Rückseite sich ein weiteres Gebäude befindet. Dort im Erdgeschoss bewohnt sie alleine eine Wohnung mit einem Zimmer und einer Küche. Ich möchte erst einmal duschen, dann gibt es Tee. Susi hat eingekauft und macht Fisch (holt dafür immer wieder frische Kräuter aus ihrem Garten), Salat, dazu gibt es ein ziemlich leckeres Brot. Wir quatschen bis tief in die Nacht, Langeweile oder Befremden kommt nicht auf, ich hätte mir sogar gut vorstellen können, noch einen weiteren Tag zu bleiben, doch, wie gesagt, das erlaubt mein Zeitkontingent leider nicht.
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Dienstag, 22. September 2015
Um 08:40 klingelt Wecker, viel Schlaf war das nicht in dieser Nacht… Susi hat einen alten Bus, der heute Vormittag in die Werkstatt muss und auch ich habe ja eine Aufgabe für den Tag. Das Frühstück und der baldige Abschied geraten dann etwas hektisch! Schade, das ging jetzt viel zu schnell.
Das Wetter ist durchwachsen, also bedeckt und eher kühl. Von dem angekündigten Regen ist zunächst nichts zu spüren, dafür kann ich heute einen kräftigen Rückenwind genießen, ich komme erstaunlich flott voran. Die GPS-Route, welcher ich folge, sagt, es sind 140 Kilometer bis Besançon. Wäre klasse, wenn ich die heute schaffen würde, dann hätte ich abermals einen schönen Puffer herausgefahren… Die Landschaft ist platt und unspektakulär, bis ich später an den Fluss Doubs gelange und mich auf dem hervorragend beschilderten Eurovelo 6, welcher übrigens von der französischen Atlantikküste bis ans Schwarze Meer führt, bewege. Sehr schöner Abschnitt, auf einer weitgehend autofreien Trasse windet sich der Weg am Gewässer entlang und es gibt sogar richtige Pausenplätze! Ich bin so begeistert von dem Abschnitt, dass ich mich am späten Nachmittag verleiten lasse, meine geplante Route zu verlassen und auf dem Eurovelo zu bleiben, auch wenn mir klar ist, dass ich mir dadurch einen Umweg einhandele.
Auf dem Eurovelo 6 steuere ich durch unspektakuläre Landschaft auf Besançon zu.
Kleine Kanäle mit vorzüglichem Radweg bestimmen die Etappe.
Leider setzt dann doch noch Regen ein, zunächst nur wenig, dann aber sehr schnell sehr viel. Es gießt wirklich wie aus Eimern, ein waschechter Starkregen ist das. Meine insuffiziente Regenkleidung ist nach wenigen Minuten nutzlos und ich bin bald patschnass bis auf den letzten Fetzen Stoff, den ich am Leibe trage, ich triefe förmlich. Zwanzig Kilometer lege ich unter diesen nur so mittelmäßig erfreulichen Bedingungen zurück. Immerhin bin ich inzwischen wieder auf meiner GPS-Route, so dass die Navigation durch die quirlige Stadt Besançon kein Problem ist. Die Dämmerung bricht herein, ein Vergnügen ist das heute Abend nicht. Der Campingplatz liegt noch ein ganzes Stück östlich des Ortes an einer Schnellstraße in unmittelbarer Nähe zu einem riesigen Einkaufszentrum. Ich setze dann gefühlt die halbe Rezeption unter Wasser, als ich nach 153 geradelten Kilometern einchecke… Der Herr dort ist allerdings sehr freundlich und hat scheinbar etwas Mitgefühl mit dem triefenden Radler, der da vor ihm steht. Er weist mir einen Stellplatz in unmittelbarer Nähe zu einer überdachten Sitzbank-Tisch-Kombi, so dass ich dort etwas Schutz vor dem noch immer unglaublich kräftigen Regen finden kann.
Ich habe mächtig Kohldampf, so dass ich mich erst einmal nass wie ich bin unter den Unterstand flüchte und mir einen Riesentopf Müsli und einen heißen Tee bereite. Gesellschaft habe ich von einem jungen Paar aus Belgien. Die beiden waren mit dem Auto in Italien um dort wandern zu gehen. Wir kommen natürlich ins Gespräch, ich kann berichten, dass ich auch gerade vor wenigen Wochen in Belgien geradelt bin - sie amüsieren sich: "…ach, an der schönen belgischen Küste!" und meinen damit auf sehr ironische Art die mit Hochhäusern zugebaute Küstenlinie ihres Landes…
Schließlich baue ich im strömenden Regen mein kleines Hilleberg auf, gehe duschen und freue mich schon jetzt darauf, morgen früh in die pitschnasse Wäsche zu steigen. Es ist nicht leicht, bei den beengten Verhältnissen im Einpersonenzelt eine Trennung von nasser Wäsche und Trockenem zu gewährleisten.
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Mittwoch, 23. September 2015
Basel ist nun schon ganz schön dicht dran! Somit weiß ich, dass ich es heute gechillt angehen lassen kann, da macht es auch nichts, dass ich erst um 08:00 wach bin. Es hat in der Nacht weitgehend aufgehört zu regnen, es nieselt nur ganz leicht und ist dabei recht frisch. Ich habe quasi nichts mehr zu essen, also gehe zu Fuß (barfuß in nassen Schuhen) zum Einkaufszentrum rüber, hänge allerdings vorher noch meine Wäsche auf - diese fühlt sich an, als hätte sie jemand in einen Wassereimer getaucht… das Anziehen wird ein Spaß nachher.
Besançon erreiche ich am Abend triefend nass. Dieser Unterstand bot mir bei meiner Spätmahlzeit Schutz vor dem Regen.
Ich hasse große Einkaufszentren. Wenn man dann aber auch noch nur drei, vier Artikel erwerben möchte und auf der Suche nach diesen mit einem furchtbar überdimensionierten Einkaufswagen durch endlose Regalreihen irrt, dann nervt das noch mal extra! Die Klimaanlage kühlt den Laden auf gefühlte 5°C runter, so dass ich heilfroh bin, als ich schließlich alles beisammenhabe und den Konsumtempel wieder verlassen kann.
Ich freue mich über den überdachten Tisch und mache es mir dort fürs Frühstück gemütlich. Wenig später entdecke ich zufällig, wirklich zufällig, in einem Nebenraum im Sanitärgebäude einen Wäschetrockner - wie geil!!! Ich hole mir an der Rezeption für 2,50 Euro (…hätte auch 25 Euro gezahlt…) eine Münze für das Gerät und eine Dreiviertelstunde später kann ich in trockene und warme (!) Wäsche steigen. Herrlich! Die beste Investition dieser kleinen Reise.
Um 12:00 beginnt meine Etappe, erfreulicherweise ist es inzwischen wieder trocken, sieht aber nach Regen aus. Bald bin ich wieder auf diesem fantastischen Eurovelo 6 und habe interessanterweise schon wieder richtig Lust, zu radeln.
Auf großartigem Asphalt geht es wieder immer am Fluss entlang, sehr schön. Bald bricht ein Regenschauer los und da ich nach dem gestrigen Tag erst einmal die Nase voll habe vom Nasswerden, flüchte ich mich unter ein Schleusenwärterhaus, welches quasi auf "Stelzen" steht, gerade hoch genug, dass ich mich darunter kauern kann. Ich plane für heute Abend eine wilde Übernachtung, da möchte ich wirklich nicht durchnässt sein.
Es dauert und dauert… Erst nach einer Dreiviertelstunde kann ich meine Fahrt fortsetzen. Das Wetter zaubert dramatische Lichtwechsel und ich bedauere, dass ich quasi keine Bilder gemacht habe. Die Nikon muss trocken bleiben, ich kann sie nicht um den Hals hängen, wie ich es sonst mit der Ricoh mache. Schöne Felsen, kleine Dörfer, Kirchlein und dann dieser nette kleine Fluss, welcher sich in vielen Windungen durch die Landschaft schlängelt.
Einen weiteren Regenschauer warte ich unter einer Brücke ab, dauert diesmal nicht ganz so lange, reicht aber, um etwas Baguette mit Wurst zu essen. Beim nächsten Mal stehe bzw. sitze ich eine gute Stunde unter einer Autobahnbrücke und koche Tee, während kräftiger Niederschlag auf den Fluss prasselt.
Mein Weg nach Norden führt mich in den Herbst...
Unter der Autobahnbrücke warte ich einen kräftigen Regenguss ab.
Bei 12°C-14°C und bestem Wind setze ich meine Fahrt fort und kann mich freuen, dass am späteren Nachmittag das Wetter umschlägt. Es ist jetzt sonnig und ich mache noch einmal ordentlich Strecke.
Exakt bei Kilometer 100 finde ich einen tollen Lagerplatz: direkt neben dem Radweg, welcher allerdings dank eines dichten Knicks nicht einsehbar ist, kann ich mein Zelt am Rande einer weiten Wiese aufstellen.
Es gibt Nudeln mit einer ziemlich leckeren Oliven-Fertigsoße - und natürlich wie immer Tee und Schokokekse.
Noch eine ganze Weile blicke ich in den Nachthimmel - ich liebe das!
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Donnerstag, 24. September 2015
Zwischenzeitig - ich habe es angedeutet - hatte ich nur noch sehr eingeschränkt Lust auf das Wildzelten. Hier hat es mal wieder richtig Spaß gemacht. Vögel am Himmel, Rehe auf der Wiese, aus dem Zelt heraus in die Weite schauen, gut abgeschirmt gegen Blicke Fremder.
Lagerplatz am Rande einer großen Wiese.
Während ich leckeres Müsli mit frischer Milch frühstücke, höre ich hinter den Büschen die ersten Radler des Tages, die Sonne scheint, das Licht ist herbstlich. Es ist ein guter Morgen und ein versöhnlicher Ausklang dieser Fahrt, die mir doch die eine oder andere emotionale Turbulenz und so manche Strapaze bescherte. Heute nur noch 67 Kilometer vorm Bug, das ist extrem chillig.
Über weite Strecken ist die Etappe charakterisiert von zahllosen Schleusen, welche den Rhône-Rhein-Kanal schiffbar machen - der extremste Abschnitt weist zwölf Schleusen in einem Abstand von jeweils nur 200m auf. Am Ufer dieses Kanals orientiert sich der Eurovelo 6 und für kurze Zeit bin ich geneigt, der Wegführung über Mühlhausen bis an den Rhein zu folgen. Da das aber doch ein zu großer Umweg wäre, entscheide ich mich doch dafür, auf meiner geplanten GPS-Route zu bleiben und "rechts ab" in Richtung Basel zu fahren. Möchte schließlich auch nicht zu spät am Zielort sein, da ich plane, noch auf schweizerischem Territorium einen Cache zu suchen und es ist mein Ansinnen, für die Kinder noch ein Mitbringsel einzukaufen.
Nach dem Verlassen des Kanals wird es erwartungsgemäß noch mal etwas hügelig, Peanuts! - ich muss mich vom 300m-Niveau auf 450m hinaufarbeiten. Nun ist das Elsass erreicht - habe ich doch so manche französische Gegend durchquert bzw. tangiert: Languedoc, Camargue, Provence, Rhônetal, Bourgogne, Alsace. Nicht schlecht!
Das Wetter bleibt herrlich, so kann ich nach dem Erklimmen des letzten Hügels auf einer Wiese eine sonnige Pause genießen. Unten im Tal liegt Basel - Yes! Habe ich es also geschafft!
Leuchtender Morgen am Rhein-Rhône-Kanal.
Leuchtender Morgen am Rhein-Rhône-Kanal.
Mein Ziel ist so gut wie erreicht: unten im Tal kann ich Basel erblicken!
Auf der kleinen Straße kommen aus der Gegenrichtung schiebend zwei junge Radreisende herangekeucht - genauer gesagt: nur er ist fix und fertig, seine Begleiterin hält sich tapfer und ist auch noch recht gut gelaunt. Er stellt die schräge Frage, ob die Straße denn so bleiben würde. Ich kann ihm nur entgegnen, dass es zwar erst einmal bergab gehen wird, dann aber durchaus noch etwas hügelig sein wird. Während er schimpft über das Relief, versucht sie, ihn verbal etwas "einzufangen"… Ich staune, als sie etwas davon murmeln, nach Barcelona zu wollen! Wüsste gerne mal, ob sie es geschafft haben - oder ob sie sich noch am heutigen Tag verkracht und ihre Reise abgebrochen haben… Oder ob ihre Baumarkt-Fahrräder zusammengebrochen sind…
Für mich geht es nun 150 Meter hinab, bevor ich schließlich problemlos zum Campingplatz in Saint-Louis (grenzt direkt an Basel) navigiere. Dieser gefällt mir nicht besonders, die Umgebung ist etwas Gaarden-mäßig und auch der Platz macht keinen besonders sympathischen Eindruck. Da die Alternative aber Lörrach wäre (noch mal ein ganzes Stück entfernt und auch noch am Berg), entscheide ich mich doch zum Bleiben. Ich stelle das Zelt auf, schmeiße meine Taschen rein, nehme noch schnell eine Dusche (die ist okay) und mache mich dann gegen 16:00 auf den Weg in die Stadt.
Das Cachen gestaltet sich Muggle-bedingt etwas schwierig, aber schließlich werde ich doch noch fündig - gut so! Ich möchte ja daran arbeiten, in möglichst vielen Ländern Caches zu haben, auch wenn es dort jeweils nur einer ist. Und nachdem ich es in Spanien schon verbockt habe, so will ich doch wenigstens die Gelegenheit nutzen, nun, da ich schon einmal in der Schweiz bin.
Die Stadt ist eigentlich sehr schön, allerdings bin ich etwas genervt von der Unübersichtlichkeit der Grenzen - wobei das auch eher ein "Anwenderfehler" ist, wenn ich ehrlich bin. Ich hatte es nämlich so in Erinnerung, dass die Nordseite des Rheins bereits deutsch ist, dass z.B. auch der Bahnhof Bad Basel auf heimischem Territorium liegt. Nein, die Schweiz ragt an dieser Stelle bis an die Grenze zu Lörrach und Weil am Rhein nach Deutschland herein. In einem kleinen Supermarkt kaufe ich für die Mädels eine Zusammenstellung verschiedener Ovomaltine-Produkte. Ist einerseits nicht besonders einfallsreich, andrerseits weiß ich aber schon, dass sie sich darüber freuen werden.
Schließlich bleibe ich auf der Nordseite des Flusses und radele ins nahe Weil am Rhein, wo ich noch einkaufen gehe und mich schließlich in einem türkischen Restaurant im Außenbereich einfinde und mir den Bauch mit Kebap und Ayran vollschlage. Später am Zelt gibt es noch Tee und Kuchen, bin dann ganz schön vollgefutter. Trotz lauten Industrielärms in der nahen Umgebung kann ich erstaunlich gut schlafen.
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Freitag, 25. September 2015
So, jetzt ist er da, der erste Ruhetag! Freue mich auf die Bahnfahrt, vielleicht kann ich schon mal beginnen, meine Tagebuchnotizen auszuformulieren, freue mich, mal wieder mit dem Zug den Rhein hinaufzufahren. Freue mich auf die Mädels.
Ich sitze im herbstlichen Morgenlicht beim Tee im Zelt und schreibe und denke dabei aber auch, dass ich durchaus Lust hätte, die weitere Heimreise mit dem Rad zu bewältigen. Bin gespannt, was die nächste Tour wird!
Pflege der Reisestatistik.
Aufbruch - ich werde gleich in die Stadt radeln, am Mittag trete ich die lange Heimreise mit der Bahn an.
Um zehn Uhr verlasse ich den Campingplatz, rolle über die nahe Fußgängerbrücke zum Nordufer, da ich in Weil am Rhein noch Reiseproviant kaufen möchte. Auf der Brücke werden von der Bundespolizei Personenkontrollen durchführt. Vor allem südländisch aussehende Menschen sind betroffen, ich bleibe unbehelligt. Es ist das Jahr, in dem die sogenannte Flüchtlingskrise begonnen hat…
Ich kaufe nicht nur Verpflegung, sondern auch Schreibblock und einen neuen Stift sowie einen Spiegel, damit ich auf der langen Fahrt auch etwas zum Lesen habe.
Flott bin ich dann in Basel und habe dort genügend Zeit, noch einmal an jene Rheinbrücke zu fahren, an welcher ich einst das BoKö-Startfoto mit Birgit machte (16.09.2007). Heute ist es ein Abschlussfoto.
Der Rhein in Basel.
Ziel erreicht! Bin ich also wirklich von Barcelona nach Basel geradelt. Prima.
Um 12:30 beginnt die Heimreise in einem bis Hamburg durchgehenden Zug, in welchem ich sowohl für mich wie auch für mein Rad einen Platz reserviert habe. Leider wird die Fahrt alles andere als ein Vergnügen - der Zug ist brechend voll, es ist unruhig und somit ist an konzentriertes Schreiben überhaupt nicht zu denken. Bin froh über meine Zeitschrift, so dass ich mich etwas beschäftigen kann.
Gegen elf Uhr bin ich zuhause, kann freudig die Kinder begrüßen. Geschlafen wird erst um halb zwei. Wird eine kurze Nacht, denn um fünf soll ich schon wieder zum Frühdienst aufstehen…
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