Flugreise ins winterliche Island
     Mývatn-Gebiet, Reykjavík, Akureyri,
     Golden Circle (Geysir, Gullfoss, Thingvellir)


Island Winter - Titelbild


Vorbemerkungen

Karte Gesamtübersicht

Nachdem ich in den Jahren 1994 und 1995 jeweils eine längere Sommer-Radtour in Island unternahm, ist es mir nun ein Wunsch, das faszinierende Land auch einmal im Winter zu bereisen. Das Fahrrad allerdings soll daheim bleiben, wir werden uns im Land per Bus, Flugzeug oder Mietwagen fortbewegen.
Die Landschaften, welche ich nun im Winter besuche, habe ich - mit Ausnahme der Blauen Lagune - alle schon einmal sommertags gesehen. Es gefällt mir gut, die bekannten Orte nun noch einmal in einem völlig anderen Licht zu sehen, sie quasi aufs Neue zu entdecken.
Zwei Wochen werde ich im Land verweilen, die Anreise erfolgt per Flieger aus Hamburg, begleitet werde ich von meiner Freundin, für die es die erste Begegnung mit Island sein wird.
Der erste Teil der Fahrt ist relativ ausführlich dokumentiert. Für die letzten Tage des Unternehmens versäumte ich es dereinst leider, einen Bericht zu verfassen, so dass dieser Abschnitt sich auch hier nur als Skizze findet.




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Dienstag, 11. Februar 1997


Eine Freundin fährt uns nach Fuhlsbüttel, Routine am Flughafen, sofort können wir das Gepäck loswerden und bis zum Abflug der Icelandair-Maschine um 17:30 noch auf der Cafeteria-Ebene des lichtdurchfluteten Terminal 4 ein Getränk nehmen.
Die Zeit in der Luft - dreieinhalb Stunden - vergeht zügig, z.B. mit dem Warten auf das eher mäßige Essen (was noch ein Euphemismus ist). Irgendwann, wir fliegen bereits über Südisland, schaue ich aus dem Fenster, um vielleicht im rabenschwarzen Nichts unter uns doch ein paar Lichter oder ähnliches zu entdecken, erblicke ich ein grünliches Schimmern. Schnell kann ich die Ahnung verwerfen, es könne sich um Reflexionen in der Doppelverglasung des Fensters handeln, nein, es ist definitiv das Phänomen "Aurora borealis", das gemeine Nordlicht! Meine Begeisterung ist riesig, was für eine "Heimkehr"! Es soll ein gutes Vorzeichen sein, so vom geliebten Island begrüßt zu werden.
Bald dann sind Lichter in der Tiefe auszumachen, vermutlich ist es Heimaey. Und schon geht es hinab, Wolkenfetzen rasen vorbei und bald setzt das Flugzeug auf in einer unwirklich scheinenden, weißen Wüste mit unzähligen weißen, blauen, roten und gelben Lichtern am Rollfeld und in der Umgebung. Da sind wir also, Island hat mich wieder!
Nur kurze Zeit später, um 23:00 Ortszeit, startet der Shuttlebus nach Reykjavík. Geld tausche ich noch schnell vorher, sind wir also liquide und können den Transfer bezahlen. Vorab in Deutschland hatte ich davon abgesehen, Isländische Kronen zu kaufen, da der Wechselverlust dabei horrend gewesen wäre. Sicherheitshalber hatte ich aber auch in Frankfurt bei der Icelandair telefonisch die Zusicherung eingeholt, dass wir zu so später Stunde am Flughafen noch würden tauschen können, hatten schließlich keine Lust, in Keflavík zu übernachten...
Die schwarze Lava auf Reykjanes ist heute nicht schwarz, sondern weiß und hin und wieder fahren wir durch dichtes Schneetreiben, bizarr. Fast alle Fahrgäste des Busses steigen an der Haltestelle des Hotels Loftleiðir am Flugplatz aus, so dass wir schließlich als einzige verbleiben und vom Fahrer direkt vor der Jugendherberge am Sundlaugarvegur abgesetzt werden. Auch dass wir hier zu so später Stunde noch Einlaß finden würden, hatte ich bereits von zu Hause aus telefonisch zusichern lassen, so ist es denn auch. Eine sehr freundliche junge Dame öffnet uns die Tür, nachdem wir durch Klopfen an ihrer Scheibe auf uns aufmerksam gemacht haben. Nach kurzer Erledigung der Formalitäten wird uns Zimmer 1 im ersten Stock zugewiesen. Es handelt sich um einen Raum mit vier Doppelstockbetten, welchen wir ganz für uns alleine haben.
Still liegt draußen die Straße im Licht der Laternen, viel frischer Schnee bedeckt die Gehwege und die parkenden Autos, auch die Straße ist von einer fast unberührten, weißen Schicht bedeckt.
Nachdem wir unser Gepäck im Zimmer verteilt haben, schnappen wir uns unsere Langlaufski und drehen eine kleine nächtliche Runde in der nahen Umgebung der Jugendherberge.

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Mittwoch, 12. Februar 1997


Natürlich ist es schon hell, als wir -ich glaube so gegen elf- aufwachen. Ja, es ist nicht nur hell, es scheint leuchtend die Sonne, ein blauer Himmel und eine gestochen klare Sicht bietet sich uns dar. Hummeln im Arsch, obwohl die Schlafdosis, die hinter mir liegt, sicher unzureichend ist, nun muss ich raus! Sogar auf das Frühstück wird verzichtet, man weiß ja nie, wie lange es so schön bleibt…
Auf dem vertrauten Weg geht es in die Stadt, welcher sich zu Fuß ganz schön in die Länge zieht. Es weht ein kurzer Schneeschauer über uns hinweg, für ein Weilchen färbt sich der Himmel fast schwarz, doch fortan soll uns an diesem Tag - wie noch an so vielen - die Sonne beglücken. Schweinekalt ist es, und wir wärmen uns erst einmal im Café Paris auf.

Island, Reykjavík

Auf dem Sundlaugavegur - zu Fuß unterwegs
von der Jugendherberge in die Innenstadt.




Island, Reykjavík, Hallgrímskirkja

Blick von der Hallgrímskirkja auf die Innenstadt von Reykjavík.




Island, Reykjavík, Perlan

Perlan - "Die Perle" - der futuristisch gestaltete und 1991 errichtete Warmwasserspeicher der Stadt.




Island, Reykjavík

Blick über Reykjavík.




Island, Esja-Berge

Die Esja-Berge nordöstlich der Stadt.




Island, Reykjavík

In den Straßen von Reykjavík.




Island, Fähre Akraborg

Da liegt sie noch im Hafen, die Fähre Akraborg. Bald wird der Straßentunnel fertiggestellt sein, dann gehört die Linie Reykjavík-Akranes der Vergangenheit an...




Island, Blick auf Esja

Blick auf Esja.




Island, Hallgrimskirche

Hallgrimskirche.


Anschließend stapfen wir hinauf zur Hallgrimskirche, von wo aus wir eine grandiose Sicht genießen konnten. Auf der Plattform oben gibt es heißen Tee aus der Thermoskanne, ich mache viele Bilder, bin hin und weg von den sanft geschwungenen Bergrücken der Esja, welche weiß bedeckt in der Sonne daliegen.
Nächstes Ziel ist die Skulptur des Wikingerschiffes (Sólfar) an der Uferpromenade. Mächtig verschneit steht sie da, matt metallin glänzend, Kühle vermittelnd - und damit dem übrigen Bild der Landschaft um nichts nachstehend. Wieder fesselt mich der Blick auf die verschneiten Berge, sie machen mich tief zufrieden und schon jetzt bin ich mir sicher, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, diesen Februarurlaub hier in Island zu verleben. Meine Begeisterung ist so groß für dieses klare Licht, die leuchtenden Farben, den tief blauen Himmel, das Meer, das Eis und den Schnee, diese Reinheit.

Das nun folgende Ziel ist die Touristeninformation. Diese ist nicht mehr, wie ich es erinnere, im Gebäude der Morgunbladid untergebracht, sondern nun am Beginn der Austurstræti. Da unser Ziel für die nächsten Tage der Mývatn sein soll, benötigen wir Informationen wiewowaswann etc. Die Dame dort erscheint etwas wirr und auch nicht gerade sonderlich motiviert, dennoch haben wir schließlich Bus- und Flugpläne nebst Preisen beisammen, welche wir daraufhin in einem Café am Laugarvegur sichten und uns letztlich für die Variante "Flug nach Akureyri" entschieden. Wir machen uns sodenn auf, noch heute Tickets für den kommenden Tag zu erwerben, was allerdings daran scheitert, dass just mit unserem Eintreffen am Icelandair-Büro eben jenes seine Pforten schließt. Naja, hat das eben morgen Vormittag zu geschehen.
Bevor wir den Rückweg zur Jugendherberge antreten, decken wir uns im Supermarkt noch mit allerlei isländischen Köstlichkeiten ein - darauf habe ich mich schon lange gefreut! Gekauft wird alles von Pripps über Flatkökur und Lachssalat bis hin zu Schokolade, Salami, Honning und Sulta, es sollte uns an nichts fehlen und ich möchte mich mit dem Essen auch an Erinnerungen laben...

Zwei Erkenntnisse der allgemeinen Art werden uns heute zu Teil. Erstens: wir stellen fest, dass es nicht nur für gerade mal fünf Stunden ab 11 Uhr vormittags hell ist hier, sondern von neun bis abends um sieben, was ja schon mal toll ist. Zweitens wird bewußt, dass der Niederschlag bei -5°C ja nicht in Form von Regen, sondern als Schnee niedergeht (was für eine Erkenntnis!). Somit kann ich meine als schlimmsten anzunehmenden Fall gehegte Befürchtung bereits am ersten Tag verwerfen, dass wir womöglich zwei Wochen Regen haben könnten. Auch dann hätten wir es uns sicher recht nett machen können, doch wünschenswert wäre es ja auch nicht unbedingt gewesen.

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Donnerstag, 13. Februar 1997


Nun wollen die Geschäfte des Tages erledigt sein, ich telefoniere mit der Fluggesellschaft und bald darauf erstehen wir im Hotel Esja die Tickets (für etwa 250,- DM das Stück) für einen Flug am frühen Nachmittag, den wir nach ein wenig Rucksack-Pack-Hektik auch rechtzeitig erreichen. Der Bus Nummer 5 bringt uns direkt von der Jugendherberge zum Airport, man hat trotz durchwachsener Wetterlage einen hervorragenden Blick auf die Stadt, welche da verschneit vor den Bergen liegt.

Island, Flug nach Akureyri

Wir entschließen uns, nach Akureyri im Norden des Landes zu fliegen, um von dort ins Mývatn-Gebiet zu gelangen. Mich interessiert, wie die Landschaften, welche ich im Sommer bereiste, nun im Winter aussehen.


Der Flug mit der kleinen Turboprop-Fokker gerät ganz schön turbulent, was mich aber überhaupt nicht stört. Ich bin außerdem viel zu sehr damit beschäftigt, hin und wieder durch kleine Wolkenlöcher ein Foto zu schießen und zu versuchen, das eine oder andere wiederzuerkennen. So zum Beispiel die Fjorde nördlich von Reykjavík in Richtung Snæfellsnes oder das weite Tal der Blanda, welches wir auf unserer Fahrt durch die Kjölur durchradelten, schließlich der Hausfjord von Akureyri...
Der dortige Flugvöllur ist erwartungsgemäß niedlich - doch dass es nicht einmal eine Busanbindung an die City gibt, damit haben wir nicht gerechnet. Ein Taxi uns zu leisten sind wir nicht gewillt, also treten wir den Weg zu Fuß an, etwa drei Kilometer bis in die Innenstadt. Mit all dem Gepäck ist das zwar keine sonderliche Freude, die Skier sind unhandlich und einige Lebensmittel erschweren zusätzlich unsere Last.

Island, Akureyri

Akureyri.




Island, Akureyri

Akureyri.


Der Weg zieht sich in die Länge, ich erkenne einiges von der Stadt und vom Landschaftsbild wieder, finde es recht hübsch und mache auch gleich ein, zwei Bilder. Irgendwann erreichen wir dann doch die Touristeninformation, an deren Lokalisation ich mich auch noch erinnere. Wir erfahren, wo die Jugendherberge sich befindet und mit welchem Bus wir dorthin gelangen können. Ein kleines, überaus behagliches und sauberes Doppelzimmer im Erdgeschoß wird uns zugewiesen und von uns flugs in behaglich-wohnliches Chaos verwandelt.
Es ist dann schon später Nachmittag bzw. früher Abend, als wir in die Stadt gehen und alle Geschäfte geschlossen sowie die Einkaufsstraße verlassen vorfinden. So ist es weder möglich, das in Reykjavík vergessene Teenetz durch ein neues zu ersetzen, noch für die mich begleitende Dame einen neuen Schal zu kaufen, da sie ihren leider verloren hatte.
Im Café Carolinna nehmen wir ein "günstiges" Bier, plaudern ein wenig, stapfen dann die 98 Treppen hinauf zu der wunderschönen Kirche und wieder hinunter. Viel gibt die dunkle Stadt dann auch an Sehenswürdigkeiten nicht her (was mir bekannt war) und so sind wir nicht allzu spät wieder an der Herberge, lümmeln uns bei diversen Pripps auf die Matratze und erledigen einen kleinen Haufen Postkarten.

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Freitag, 14. Februar 1997

Karte Tagesetappe

Karte Tagesetappe


Um sieben reißt uns der Wecker aus dem Schlaf, viel zu früh. Obwohl wir eigentlich mal genug geschlafen haben, sind wir beide reichlich zerknautscht. Naja, hilft nix, um zehn soll unser Bus zum Mývatn starten. Und da der nächste erste wieder am Montag fahren würde, stehen wir unter Zugzwang, müssen also raus. Ich dusche und frühstücke nicht, bald stehen wir bei eisigem Südwind an der Straße, während ganz, ganz langsam das einsetzende Tageslicht wieder den Blick auf die Bergketten zulässt, welche den Eyarfjörður begrenzen. Unsere Planung ist großzügig, so dass wir noch eine Stunde am Busbahnhof verbringen, welcher gleichzeitig das Touristenbüro darstellt. Im ausliegenden Gästebuch suche ich nach bekannten Namen aus den Jahren 1994 und 1995, finde jedoch einzig einen Eintrag von Joseph. Ich mache mit frierenden Fingern in der zusehends lichter werdenden Dämmerung einige Aufnahmen von dem winterlichen Szenario. Es gefällt mir außerordentlich, die Lichter der Straßenlaternen, der Häuser und der Fahrzeuge vor der in gedämpft diffusem Licht sich darbietenden Schneekulisse zu betrachten und zu fotografieren.
Gestern noch erkundigte ich mich, ob es wohl nötig sei, für den Bus eine Reservierung vorzunehmen, skeptisch nahm ich das "no" der Dame zur Kenntnis. Heute finde ich ihre Gelassenheit als berechtigt bestätigt; neben uns ist nur noch eine weitere Frau als Fahrgast in dem kleinen Mercedes-Bus, die auch noch auf halber Strecke aussteigen wird…
Trotz leichter müdigkeitsbedingter Umnebelung ist es eine große Freude, die bekannte Strecke nach nunmehr zweieinhalb Jahren in entgegengesetzter Richtung noch einmal zu fahren, wenn auch mit dem Bus. Und da ist es wieder so, als wäre es gestern gewesen. An so viele Details, ja sogar Stimmungen der einstigen Radeletappe vermag ich mich zu erinnern. Und das, obwohl die in ein weißes Schneekleid gehüllte Landschaft heute eher das Bild einer wilden Öde bietet, als denn jenes von fruchtbarem, sommerlichem Grün, also kaum etwas mit der einstigen Physiognomie zu tun hat.
Akureyri liegt bald fernab auf der anderen Seite des Fjordes, es folgt der Pass, dann ein weites Tal, Überquerung des vereisten Flusses, türkis schimmernd in der weißen Landschaft der Goðafoss. Von fern schon erkenne ich schließlich mit großer Begeisterung den Hverfell - wir sind am Mývatn! Skutustaðir, die Pseudokrater, Dimmuborgir und schließlich Reykjahlið. Ich bitte den Busfahrer, uns am "Blauen Salon" (so haben wir einst das am Abzweig nach Egilstadir gelegene kleine Fastfood-Restaurant "Hverinn" seiner Farbe wegen immer genannt) aussteigen zu lassen, so geschieht.
Im Hause "Bjarg", direkt am See (und Campingplatz) finden wir ein mit 1000 ISK (ca. 25,- DM p.P.) sehr günstiges Quartier. Behagliches Zweibettzimmer in einem Privatheim, direkt gegenüber des Flurs ist eine Küche, deren Benutzung uns gestattet ist. Hell ist es und ein Blick aus dem Fenster zeigt den Ort und den dominierenden Krater Hverfell. Wir sind müde und legen erst einmal ein kleines Mittagsschläfchen ein.
Dann packen wir uns sehr, sehr warm ein; bei unserem Gang zuvor durch Reykjalið stellen wir fest, mit welch eisiger Macht der Wind von Osten her über die Berge des Namafall bläst. Fleecepullover, Fleecejacke, Daunenjacke, Goretex-Jacke.
Mit Tee und Keksen im Gepäck spazieren wir dann durch die weiße Landschaft in Richtung Namaskarð. Der Wind bläst heftig, es ist laut und wir reden kaum, ein jeder hängt seinen Gedanken nach. Der blaue See am Kieselgur-Werk scheint von eigentümlicher Leuchtkraft, obgleich eine geschlossene Wolkendecke über der Landschaft liegt und ein diffuses Licht erzeugt. Diesen Effekt hatte ich schon damals am Jökulsárlón bestaunt, als die Eisberge trotz trüber Umgebung wirklich zu leuchten schienen.
Die vielen verschneiten Flächen reflektieren das Licht und zaubern eine ganz unwirkliche, bisweilen befremdliche aber doch friedliche Stimmung. Mal mehr, mal weniger gestatten tief hängende Wolken den Blick auf die harmonisch geschwungenen Hänge des Hverfell.

Island, Geothermalgebiet Namaskarð

Wanderung von Reykjahlið am Mývatn zum nahen Geothermalgebiet Namaskarð.




Island, Reykjahlið am Mývatn

Landschaft östlich von Reykjahlið.


Eine besonders innige Freude ist es, den kleinen Pass zu erreichen, womit die weite Ebene der Mývatnsoræfi ins Gesichtsfeld tritt. Auf der nach Osten verschwindenden Straße fährt nur selten ein Auto und bald erreichen wir die Schlammtöpfe und Fumarolen (ja, sie wurden am Ende der Hauptsaison nicht abgeschaltet!). Ich muss mich wiederholen, denn zu schnell gehen mir die Adjektive aus, um das Gesehene zu charakterisieren; unwirklich ist es! Eine weite, weiße Wüste. Deutlich sind in der Landschaft die Flecken geothermaler Aktivität zu sehen, Wundmalen gleich stehen einige aus der Erdkruste gebrochene Pickel da, speien lautstark ihren Dampf aus, welcher vom Wind fortgezerrt wird. Oder aber sie zeigen sich einfach nur als bräunliche Flecken an den Hängen der Berge. Und mitten drin wir mit einer Tasse Tee in der Hand, auf der Suche nach einem Pfad durch das brüchige Terrain. Eindrucksvolle Momente in dieser einsamen Umgebung. Bald kommt die Dämmerung mit Macht und wir begeben uns auf den Heimweg. Einmal hält ein fürsorglicher Autofahrer, fragt, ob alles okay sei, schließlich hätten wir ja nicht Juni - yes, absolutely!
Zappenduster ist es, als wir schließlich in unserem Heim wieder eintreffen und flugs ein Tütenessen mit Reis "zaubern". Es gibt dann Tee mit Rum in unserem Zimmer, während ich meine Reisenotizen pflege.

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Samstag, 15. Februar 1997

Karte Tagesetappe


Tags zuvor auf der Wanderung zum Namaskarð stellte ich noch fest, wie schön es doch wäre, auch mal für vielleicht nur ein paar Stunden diese Landschaft strahlend und sonnenbeschienen zu erleben. Ich wollte grundsätzlich natürlich zufrieden sein, dass es nicht schneit oder doch noch regnet, wir hatten ja gestern eine recht gute Sicht. Doch toll wäre das schon!
Und dann, als wäre mein Wunsch von den isländischen Wettertrollen erhört worden, scheint an diesem Morgen gleißende Sonne an einem wolkenlosen Himmel! Wir sind von den Socken, sehen zu, schnell aus den Betten zu kommen, frühstücken zügig und begeben uns auf eine wunderbare Wanderung zum Hverfell, auf welche ich mich besonders gefreut habe.
Die Straße wandern wir südwärts aus Reykjalið hinaus und haben dabei stets unser Ziel vor Augen, den schwarz-weißen Krater inmitten einer Landschaft, in welcher grelles Licht regiert und die vereisten Flächen glänzen lässt. Später ziehen dünne Wolken auf, welche dem ganzen Erscheinungsbild einen recht verwegenen Charakter verleihen. Vorerst jedoch genießen wir klares Licht. Das Winterfell der Islandpferde, welche wir auf verschiedenen Koppeln treffen, schimmert in den behaglichsten Tönen und es ist eine Freude, die Tiere zu berühren oder sie zu fotografieren, wie sie dastehen oder auch mal etwas abseits durch die raue, verschneite Lava stapfen.
Bevor wir uns an den Aufstieg zum Kraterrand machen, gibt es Tee und Brot. Oben weht ein eisiger Wind und wir spazieren einmal um den Berg herum. Der Krater hat einen Durchmesser von immerhin einem Kilometer.

Island, Reykjahlið am Mývatn

Am Campingplatz von Reykjahlið am Mývatn.




Island, Reykjahlið am Mývatn

Reykjahlið am Mývatn.




Island, Reykjahlið am Mývatn

Reykjahlið am Mývatn.




Island, Islandpferde am Mývatn, im Hintergrund der Vindbelgur

Islandpferde am Mývatn, im Hintergrund der Vindbelgur.




Island, Hverfell am Mývatn

Der Vulkankrater Hverfell am Mývatn.




Island, Mývatn

Am Mývatn.




Island, Hverfell am Mývatn

Am Hverfell ist alles vereist.




Island, Hverfell am Mývatn

Der Krater des Hverfell am Mývatn. Dieser hat einen Durchmesser von einem Kilometer.




Island, am Mývatn

Kalt ist's...


Nach fast sechs Stunden an der herrlichen frischen Luft erreichen wir wieder unser Bjargi, finden im Zimmer zwei Muffins vor, welche die alte Dame des Hauses für uns hingestellt hat, welch liebenswürdige, kleine Geste!
Ich bin ziemlich k.o. heute, brauche erst einmal ein Schläfchen. Nach dem anschließenden Abendessen rauche ich vor der Tür eine Zigarette. Dabei blickte ich diesmal wieder, wie so oft sonst auch, auf den kleinen Ort, die Häuser, die Berge, den Schnee, atme tief und werde mir meiner Liebe zu diesem Land einmal mehr auf das Kraftvollste gewahr. Gedanken kommen mir dann zugeflogen, die davon träumen, doch noch einmal für eine längere Zeit in diesem Land zu leben, vielleicht eine Saison als Rezeptionsmensch am Campingplatz oder so etwas in der Art. Mir ist natürlich bewußt, dass das sehr unrealistisch ist, und ich kenne so etwas ja auch nur zu gut; sitze ich bei Amstel auf dem Filoupapou, an der Plateia Exarchia oder in Mirthios, so kreisen die Gedanken um Griechenland; an der Plaza Mayor in Salamanca das Treiben beobachtend muß es ein mehrmonatiger Sprachkurs vor Ort sein...
Nun ja, vielleicht ist das mit Island doch noch etwas anderes, auch sonst kann ich friedlich und ruhigen Gewissens sagen, das dies das Land ist, welches mir am meisten zu geben vermag, in welchem ich einen großen Teil sehr, sehr intensiver und wichtiger Naturerfahrungen (und auch ein wenig Erfahrung meiner Selbst) erlebte - und gerade wieder erlebe!

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Sonntag, 16. Februar 1997

Karte Tagesetappe


Nach einem Frühstück mit Tee, Dickmilch und Müsli brechen wir auf, verlassen den Ort in nördliche Richtung. Am Abzweig nach Husavík pausieren wir im kalten, sehr kräftigen Wind und trennen uns dann. Meine Begleiterin fühlte sich von der Straße in Richtung Vindbelgarfjall magisch angezogen, ich hingegen möchte schauen, ob ich es bis zu der Nothütte schaffen kann, in welcher ich einst einen Gästebucheintrag vornahm. Vielleicht drei oder vier Autos begegnen mir in den Stunden, die ich durch die schwarz-weiße Öde spaziere, einsam. Bald ist der Hverfell hinter mir nur noch sehr klein auszumachen, ich überwinde einen kleinen Hügel und finde mich dann in der Wüste wieder, vor mir erstreckt sich in der Ferne in stetem Auf und Ab das Band der Straße, eisiger Wind drückt mir in den Rücken. Ich genieße die Atmosphäre, die verwegenen Wolkenspiele, das finstere Blau am Himmel, die Strukturen in den Schneewehen, welche vom Sturm bisweilen meterhoch aufgetürmt wurden. Die Hütte kommt allerdings nicht einmal in Sichtweite, so dass ich mich irgendwann entschließe, umzukehren, um wenigstens halbwegs im Hellen wieder im Ort zu sein. Vorher allerdings pausiere ich, ich habe noch Tee und Kekse in meinem Rucksack.
Der Wind macht den Heimweg ein wenig beschwerlich, fast die ganze Zeit muss ich meine Kapuze zuhalten, damit es nicht zu arg hinein weht. Fast hat dann die Dunkelheit von der Gegend Besitz ergriffen, als ich recht k.o. wieder Reykjalið erreiche, auf dem Weg noch von der Tankstelle aus daheim bei meinen Eltern anrufe, um mich wohlauf zu melden. Meine Schwester Birgit, mit welcher ich bereits zwei Mal ausgiebig Island bereist habe, hätte ich auch gerne gesprochen, um ihr schon einmal komprimiert von den verschneiten Impressionen dieser Reise zu berichten, doch kann ich mich leider nur mit ihrem Anrufbeantworter unterhalten.

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Montag, 17. Februar 1997


Bisher war im Haus stets nur die alte Dame zugegen, mit der ja die Verständigung aufgrund ihres nicht ganz so prächtigen Englisch nur deutlich eingeschränkt möglich ist. Heute Mittag taucht dann ihre etwa vierzigjährige Tochter auf, um ihr bei der einen oder anderen Tätigkeit im Haushalt zur Hand zu gehen. Ich erkundige mich bei ihr nach Reitmöglichkeiten am Ort, welche leider nicht vorhanden sind. Schnell kommen wir dann in ein längeres Gespräch, ich finde es bannig interessant, auf diesem Wege etwas über das Leben der Menschen hier zu erfahren. Und ich frage, ob oder wie es möglich sei, zum Dettifoss zu fahren, muss aber auch hier eine Enttäuschung zur Kenntnis nehmen (die ich allerdings bereits erwartet hatte). Die Straße sei hoffnungslos verschneit, man könne wohl probieren, eine Jeep-Tour zu buchen. Als sie ihre Vermutungen den Preis betreffend ausspricht, winke ich dankend ab, das hätte den Rahmen wirklich gesprengt und schließlich wollen wir von Reykjavík aus in der nächsten Woche ja auch noch kostspielige Aktivitäten unternehmen. So sehr es mich gereizt hätte, gerade den "Old Detti" im Winter zu sehen, man kann eben nicht alles haben und so hält sich meine Enttäuschung auch echt in Grenzen. Ich berichte von meinem Ansinnen, im nahenden Sommer mit dem Rad die Hochlandstrecke von der Askja zum Kverkfjöll und weiter in den Sprengisandur zu radeln, erkundige mich bei ihr nach dem Zustand der Strecke, frage, wie sie die Machbarkeit einen solchen Unternehmens beurteile. Ich erfahre, dass wohl das Hauptproblem die mögliche Versumpfung der Gegend sei, je nach Menge des vom Vatnajökull abschmelzenden Wassers. Aufgrund dieser und anderer Gefahren wird beispielsweise Geländewagenfahrern dringend angeraten, im kleinen Konvoi die Route zu fahren, niemals allein. Aber sie habe auch von einer "Expedition" im Vorsommer gehört, es hieß, die Strecke sei so ziemlich das schönste und eindrucksvollste, was man sich in Island anschauen kann. Das motiviert!
Ich denke, Birgit und ich werden uns im Juli bis zur Askja durchschlagen und dann von den Wardens an der Dreki-Hütte mit aktuellen Informationen versorgen lassen, wovon wir dann abhängig machen können, ob wir die Piste fahren oder doch besser nicht.

Den Nachmittag verbringe ich im Schwimmbad von Reykjahlið, dümpele als einziger Gast im herrlich warmen Wasser vor mich hin, während am Rand des Beckens Schnee liegt. Wunderbar! Nach dem Abendessen habe ich dann mal wieder das große Vergnügen, ein fadenförmiges, grünes Nordlicht am Firmament tanzen zu sehen. Grandios.

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Dienstag, 18. Februar 1997

Karte Tagesetappe


Nach dem eher faulen Vortag steht heute wieder eine lange Wanderung auf dem Plan. Ein denkwürdiger Tag, an dem ich vielleicht nur um ein Haar meinem Tode entging...
Die Sonne scheint weiterhin ungetrübt, es bläst ein eisiger Wind und unser Ansinnen ist es, zur Krafla zu spazieren. Wir haben uns gut verproviantiert mit den obligatorischen Keksen, dem Tee und Äpfeln und wandern blödelnd aus dem Ort, nachdem die alte Dame des Hauses es sich nicht nehmen lässt, von uns beiden Exoten noch schnell ein Erinnerungsfoto zu schießen.
Erstes Ziel ist natürlich noch einmal das Solfatarenfeld von Namaskarð. Die Sicht ist heute besser, als bei unserem ersten Besuch hier. Und da durch die Sonne einiges von dem Schnee abgeschmolzen ist, lässt sich auch ein Weg durch das brüchige Gebiet leichter finden. Bald sind unsere Stiefel gelb von dem Schlick des weichen Bodens. Wir bleiben die einzigen Touristen, keine Menschenseele ist weit und breit zu sehen.
Die Straße in Richtung Krafla zieht sich schon auf dem Hinweg in die Länge. Kalt drückt der Wind von hinten in die Kniekehlen, Schneestaub tanzt auf dem Asphalt, die Sicht ist gestochen klar. Ich fragte mich bisweilen, ob wir uns da nicht ein bisschen viel zumuten. Meine allgemeine Kondition scheint zwar nicht schlecht zu sein, auch die Knie spielen überraschend gut mit, doch meldet sich meine rechte Ferse mit zunehmend deutlicherem Schmerz. Dieser körperlichen Schwäche allerdings steht der energische Wille entgegen, unbedingt das Zielgebiet erreichen zu wollen. Ich bin sehr neugierig, nun auch diesen aus Sommertagen bekannten Flecken Erde mal vereist und mit Schnee bedeckt zu Gesicht zu bekommen. Ein vorzeitiger Abbruch der Wanderung wäre somit also nur im absoluten Notfall in Frage gekommen.

Island, am Mývatn

Am Mývatn.




Island, Kieselgurwerk Reykjahlið

Kieselgurwerk Reykjahlið.




Island, Krafla-Gebiet

Wir unternehmen eine Tageswanderung von Reykjahlið ins Krafla-Gebiet.




Island, Krafla

Auf dem Weg zur Krafla.




Island, Krafla

Das Geothermalkraftwerk unweit der 818 Meter hohen Krafla.




Island, Krafla

Wir sind weit und breit die einzigen Touristen, denen in diesem arktischen Ambiente ein eisiger Wind um die Nase weht.


Das Bächlein, welches sich am rechten Wegesrand entlang schlängelt (sommertags durch eine satte grüne Wiese, auf welcher sich Schafe gütlich tun, wie ich erinnere), hat sich stellenweise einen metertiefen Canyon in die Schneeverwehungen gefressen und bietet für seine eigentlich geringe Größe ein recht beeindruckendes Bild. Wir kraxelen ein wenig abseits der Straße auf vereistem Boden, fotografieren uns und geben acht, nicht vom Wind hinfort geweht zu werden.
Als deplatziert wirkender, einsamer, scheinbar letzter Posten der Zivilisation in dieser Eiswüste tritt irgendwann das Geothermalkraftwerk in unser Gesichtsfeld. Es kostet gewisse Mühe, ein einigermaßen windgeschütztes Fleckchen für eine Rast zu finden. Ein Platz, an dem man für länger als fünf Minuten verweilen kann, ohne hoffnungslos durchgefroren zu sein. Hinter dem Kraftwerk, ein wenig fern der Straße findt sich im Schnee allerlei Schrott und Gerümpel, wo wir hoffen, etwas zu finden. Eine abgewrackte Hütte erweist sich als unzugängig und allzu verfallen; vorsichtig gehen wir weiter über den eisverkrusteten, teilweise recht tiefen Schnee, bis wir schließlich fündig werden. Da kauern wir nun hinter einem kleinen Bretterverschlag und nagen Kekse. Man hat acht zu geben, dass der Tee beim Einschenken nicht schon auf seinem Weg von Teekannenöffnung bis zur Tasse hinfort geweht wird. Trotz Thermobecher ist er auch binnen Minuten zu einem kühlen Erfrischungsgetränk mutiert.
Alles in allem ein bizarres Ambiente. Wir sitzen da inmitten von allerlei Schrott, fernab der Menschheit (so scheint es zumindest), bloß der zischende Dampf aus dem Kraftwerk lässt uns der Nähe von modernster Hightech bewußt werden. Die gleißend grelle Sonne lässt den Schnee funkeln, besorgt, dass dessen Oberfläche antaut und gleich wieder gefriert...
Besonders lange Zeit währt unser Picknick dann auch nicht, der Wind gebietet uns, aufzubrechen. Bis hierhin haben wir es noch mit einer gut auszumachenden, geräumten Straße zu tun. Fortan allerdings ist deren Verlauf bloß noch anhand von hier und da auftauchenden Asphaltfetzen auszumachen, wir kraxeln über Eis. Ein steiler Abschnitt ist zu bewältigen, bevor wir die Anhöhe erreichen, von wo aus man "normalerweise" (also sommertags) zu dem Lavafeld Leirhnjúkur gelangt, jenem weiten, schwarzen Areal, welches Zeugnis ablegt von einer der jüngsten großen Eruptionen der isländischen Vulkangeschichte, nämlich dem Spaltenausbruch von 1984. Das weite, schwarze Areal ist dieser Tage allerdings ein weites, weißes. Schnell müssen wir den Plan eines Besuches dort verwerfen, zu unsicher erscheinen uns die Schneeverwehungen, welche uns von den angefrorenen Kratern in einigen Hundert Metern Entfernung trennen. Zudem bin ich mehr als unsicher, wie die auf dem Weg dorthin befindlichen Solfataren in Hinblick auf Trittsicherheit einzuschätzen sind.
Aber es gibt ja noch den Vití. Der Blick auf die Uhr sagt uns, dass wir noch ausreichend Zeit zur Verfügung haben, um auf jeden Fall bei Tageslicht zurück zur sicheren Piste am Kraftwerk sein zu können. Also weiter in die menschenleere Öde! Der Verlauf der Straße ist nur vage zu erahnen, meistens treten wir auf hartes Eis, als denn auf sicheren Belag. Nicht leicht zu finden ist er, der Krater. Die wegweisenden Schilder, die dem Julitouristen zeigen, wo er sein Wohnmobil parken kann, stehen einsam da, ragen irgendwo aus der geschlossenen weißen Decke. In der Ferne wird der Blick frei auf die Pseudokrater von Skutustaðir, so sehr haben wir mittlerweile an Höhe gewonnen. Wilde Wolkenspiele am Himmel, das Licht dämpft sich, kündigt sacht den späten Nachmittag und den frühen Abend an. Doch wo ist Vití? Jede Erhebung konnte es sein! Wir dürfen uns ja auch nicht mit der Zeit verzetteln. Nach ein, zwei Hügeln, die mir fälschlich in den Verdacht gerieten, der Zielkrater zu sein, kommt dann eine Erhebung in unseren Blick, welche unzweifelhaft der Vití ist! Schräg in den Wind gelegt erreichen wir schließlich den Rand des beängstigend steil in die Tiefe abfallenden Vulkanes - grandios!
Und nun ereignet sich der bereits eingangs angedeutete dramatische Zwischenfall. Ich bin wohl zu sehr von meinem Enthusiasmus in Besitz genommen, stürme auf die höchste Stelle am Kraterrand, um von dort aus eine Aufnahme zu machen. Dabei schenke ich wohl dem unsicheren Terrain unter meinen Füßen zu wenig Beachtung. Dieses besteht an jener Stelle aus einer fast geschlossenen Eiskruste, die nur noch an einer Stelle durch griffigen Schotter unterbrochen war. Recht steil fällt der Krater auch an seiner Außenseite ab, es ging vielleicht siebzig oder hundert Meter in die Tiefe, unten befindet sich ein teils eisbedecktes, krustiges, kleines Solfatarengebiet. Nun, ich stolpere, rutsche aus und finde mich umgehend auf einer rasanten, talwärts gerichteten Rutschfahrt. Ich erschrecke, wie schnell ich schnell werde! Einem instinktiven Impuls folgend, drehe ich mich in die Bauchlage, um auf dem einzigen kleinen Schotterstück zum Halten zu gelangen. Ich sehe die Tiefe unter mir, weiß, wenn es hier nicht gelingt, zu stoppen, dann werde ich wohl im heißen Schlamm versinken oder mir da unten die Knochen brechen.
Das Manöver gelingt. Ich stehe auf, sehe das entsetzte Gesicht meiner Begleiterin und erst dann bekomme ich weiche Knie (...die Sekundenbruchteile bis zur systemischen Verteilung meiner endogenen Katecholamine?). Dann erst wird mir in Gänze die Dramatik der Situation bewußt, dämmert mir, wie großes Glück ich da soeben hatte.
Eine ganze Weile reden wir auf dem Heimweg noch über das Ereignis. In dem Moment und noch heute macht am meisten Eindruck auf mich, wie schnell ich auf diesem kurzen Stück wurde. Ich sehe den Dreck und den aufgerubblten Fleecestoff an meinen Handschuhen - bin froh diese angehabt zu haben. Meine Begleiterin erzählt, ihr wäre schon der Gedanke gekommen, wie sie es wohl meinen Eltern sagen sollte. Ich finde allerdings, es wäre sicher ein Tod gewesen, wie ich ihn mir wünschen könnte. Schnell, in Island, an einem Flecken Erde, den ich liebe...
Wir spielen noch verschiedene Szenarien durch; wie wäre es gewesen, wenn ich das Ereignis überlebt hätte? Wie lange hätte Claudia bis zum Kraftwerk gebraucht? Wieviel Zeit wäre dann noch einmal vergangen, bis der Hubschrauber der Bergwacht eingetroffen wäre?

Nachdem der Schreck ganz allmählich aus den Gliedern gewichen ist, beginnt sich allmählich wieder die langsam einsetzende körperliche Erschöpfung (wir sind schließlich schon viele Stunden auf den Beinen und haben nur eine kurze Pause eingelegt) in den Vordergrund zu bewegen. Gedämpftes Grau am Himmel, doch die Sonne lugt noch oft durch, verheißt ihren nahenden Untergang. Wir passieren das Kraftwerk und wünschen uns insgeheim, einen Lift zu bekommen. Doch, wo kein Auto, da auch kein Lift. Denken wir.
Ich wandere einige Meter vor meiner Begleiterin und nehme zunächst in Anbetracht des ohrenbetäubenden Windes von vorne gar nicht wahr, dass ihr ein Geländewagenfahrer von sich aus die Gelegenheit zur Mitfahrt anbietet. Es ist ein Ingenieur des Kraftwerks, welcher uns nach kurzer Zeit am Ortseingang in Reykjalið absetzt. Der kam uns wirklich gerade recht!
Im Hause Bjarg haben wir sturmfreie Bude, die Hausdame ist für zwei Tage nach Husavík gefahren und hat uns ihr Haus anvertraut. Bei Tee und Rum wird es natürlich auch an diesem Abend bei langen Gesprächen wieder sehr spät. Einmal muss ich ans Telefon gehen, um dem besorgten Sohn unserer Vermieterin deren Aufenthaltsort mitzuteilen. Schon mehrfach hatte er zuvor versucht, durchzuklingeln, was wir allerdings ignorierten...

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Mittwoch, 19. Februar 1997

Karte Tagesetappe


Heute endet unser Aufenthalt am Mývatn. Mit dem Bus gelangen wir wieder nach Akureyri. Der Fahrer ist so freundlich, uns Wintertouristen zuliebe am Godafoss anzuhalten, damit wir Gelegenheit haben, diesen in vereistem Zustand zu bestaunen und zu fotografieren. Eine Nacht verbringen wir dann in der "Hauptstadt des Nordens", bevor uns der Flieger zurück nach Reykjavík bringen wird.

Island, auf der Ringstrasse zwischen Mývatn und Godafoss

Auf der Fahrt nach Akureyri sind wir einzigen Fahrgäste - der Busfahrer ist so nett, am Godafoss für uns anzuhalten, damit wir ein paar Fotos schießen können.




Island, Godafoss

Der vereiste Godafoss.




Island, Akureyri

Wieder in Akureyri.




Island, Akureyri, Blick nach Süden in den Eyjafjördur

In Akureyri, Blick nach Süden in den Eyjafjördur.




Island, Akureyri

Akureyri, am Hafen.




Island, Schneetreiben in Akureyri

Schneetreiben in Akureyri.




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Donnerstag, 20. Februar 1997


Rückflug nach Reykjavík.

Island, Reykjavík

Ein kleiner Flieger bringt uns dann wieder zurück nach Reykjavík.




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Freitag, 21. Februar 1997


Aufenthalt in Reykjavík.

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Samstag, 22. Februar 1997

Karte Tagesetappe


Den Abschluß dieser kleinen Island-Fahrt stellt ein Ausflug im Auto dar: mit einem Mietwagen besuchen wir die Touri-Highlights des "Golden Circle", namentlich Gullfoss, Geysir und Thingvellir. Als am späten Nachmittag noch Zeit ist, entschließen wir uns spontan zu einem Abstecher nach Reykjanes, um uns ein Bad im warmen Wasser der Blauen Lagune zu gönnen.

Island

Wir mieten uns ein Auto und begeben uns auf den "Gullni hringurinn", den Golden Circle, einer Ausflugstour zu den klassischen Sehenswürdigkeiten in der Nähe von Reykjavík...




Island, auf dem Weg nach Thingvellir

Auf dem Weg nach Thingvellir.




Island, Thingvellir

Die ehemalige Thing-Stätte Thingvellir im gleichnamigen Nationalpark.




Island, Almannagjá

Auch die Almannagjá, die "Allmännerschlucht" zeigt sich heute im Schneekleid.




Island, Piste auf dem Weg zum Gullfoss

Vereiste Piste auf dem Weg zum Gullfoss.




Island, Gullfoss im Winter

Spektakulär schön: der vereiste Gullfoss.




Island, Gullfoss im Winter

Vereister Gullfoss im Winter.




Island, Gullfoss

Am Gullfoss.




Island, Gullfoss

Am Gullfoss.




Island, am winterlichen Geysir

...und natürlich darf auch ein Besuch am winterlichen Geysir nicht fehlen! Um das Touri-Programm wirklich zu vervollständigen geht es dann am Abend noch in die Blaue Lagune.




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Sonntag, 23. Februar 1997 - Dienstag, 25. Februar 1997


Die letzten Tage verbringen wir bei weiterhin grandiosem Wetter in der isländischen Hauptstadt. Spaziergänge in der Stadt, Kaffee im Café, Einkaufen von Souvenirs...
Am Dienstag bringt uns dann der Flieger wieder zurück nach Hamburg, wo mich bald darauf der Arbeitsalltag auf der Intensivstation wieder hat. Reicher bin ich um die wunderbare Erfahrung, all diese winterlichen isländischen Landschaften gesehen zu haben.
Ich erinnere mich heute noch (2014, da ich diesen Bericht für die Veröffentlichung im www vorbereite), dass ich schon damals zwischendurch feststellte, dass doch auch eine Beradelung des Landes im Winter möglich sein müsste. Während wir unterwegs waren, habe ich durchaus den Straßenzustand mit Blick auf eine solche Möglichkeit hin betrachtet. Nun, viele Jahre später sollte ich dann ja eine solche Tour auch noch realisieren.
Zunächst aber steht in wenigen Monaten eine weitere Sommer-1997-Radreise mit meiner Schwester auf dem Programm...

Island, Rathaus in Reykjavík

Der kleine See Tjörnin und das Rathaus in Reykjavík.




Island, Reykjavík, Café Paris

Auch Pflichtprogramm: Kaffee und Karottenkuchen im Café Paris.




Island, Skulptur Sólfar in Reykjavík

Die Skulptur Sólfar ("Sonnenfahrt") in Reykjavík.




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