Dänemark
Von Haderslev in die Inselwelt
Freitag, 10. Juni 2011
Wie verabredet, trifft um 12:15 mein Schwiegervater ein, der sich freundlicherweise dazu bereit erklärt hat, uns zu dem von uns ausgewählten Startort Haderslev zu bringen.
Ich lade mein Gepäck ein, dann fahren wir zum Kieler Hauptbahnhof, wo pünktlich um 12:35 meine Schwester Birgit aus Berlin eintrifft. Wegen des starken Verkehrs braucht es eine Weile, bis wir aus der Stadt herauskommen, um als nächstes Ziel Sundsacker an der Schlei anzusteuern. Dort hatte ich schon vor Wochen zwei Kajaks reserviert. Diese sind ruckzuck aufs Dach geschnallt und schon setzen wir die Fahrt fort, bis wir um kurz nach 16 Uhr Haderslev erreichen. Dank GoogleEarth und StreetView konnten wir schon im Vorfeld einen idealen Ort zum Einsetzen der Boote auswählen - Schwiegervater und ich hatten da unabhängig voneinander die gleiche Wahl getroffen…
Die Stelle erweist sich erfreulicherweise auch in natura als ideal und während Birgit und ich uns daran machen, all unser Gepäck in Säcken ins Boot zu verfrachten, stiefelt Werner los, um ein paar Geocaches in der Gegend zu suchen (und zu finden…).
Um 17:00 sind wir fertig, bedanken wir uns bei ihm für den Transfer, verabschieden uns und verlassen ostwärts den Ort.
Es geht vorbei an einem kleinen Hafen, es folgt noch etwas Bebauung, doch schon bald ist der Haderslev-Fjord von Schilfgürteln oder Wald gesäumt, das Hinterland weist flache Hügel auf. Die Sonne scheint, wir haben leichten Rückenwind, hin und wieder kommt ein Segler vorbei. Um meine gesundheitliche Verfassung ist es weiterhin eher mittelprächtig bestellt, fühle mich ein bisschen so, als sei ein Infekt im Anmarsch (wohl der Stress der letzten Wochen und Monate…), es geht aber.
Die Fahrt ist schön, ich habe keine Probleme mit dem Handling des Bootes, es ist ein vertrautes Gefühl. Der Kanu-Reiseführer beschreibt einen Biwakplatz am Nordufer des Fjords, dort, wo er sich zum Meer hin etwas weitet - dieser soll unser Ziel sein. Wir suchen den Schilfsaum ab, halten an kleinen Stränden, können den Ort aber nicht finden. Als Alternative findet sich aber eine Wiese, die uns geeignet für das Nachtlager erscheint, wenngleich sie von einem Haus aus einsehbar ist. Etwa ein- oder zweihundert Meter müssen wir das Gepäck und die Boote durchs Gras ziehen. Schnell steht das Wechsel Intrepid von Birgit (sie ärgert sich, weil sie die Zeltunterlage vergessen hat…) und wir kochen uns Nudeln zu der Hacksoße, die sie aus Berlin mitgebracht hat.
Bevor ich mich in den Schlafsack begebe, werden natürlich noch die aktuellen Positionskoordinaten an Werner gesimst, der auf diese Weise wie üblich unsere Tour verfolgen kann…
Ich stelle meinen Wecker auf 01:00, da für diese Zeit Nordlichter angekündigt sind, was ja nun reichlich ungewöhnlich ist für diese Gegend - und pelle mich denn auch wacker aus dem Zelt, kann am Himmel aber nichts Ungewöhnliches erblicken. Aber wäre ja schön gewesen…
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Samstag, 11. Juni 2011
Um acht Uhr stehen wir auf, ein Fuchs huscht über die Wiese, kühler Wind weht von Osten heran.
Osten, das ist die Richtung, in die wir heute paddeln werden…
Frühstück, Zelt abbauen, Säcke stopfen, Boote durchs Gras ziehen. Irgendwo auf diesem Weg verlieren wir das Säckchen mit den Zeltheringen, die nur durch puren Zufall im Gras liegend finde - den Verlust hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal bemerkt. Das hätte am Abend eine böse Überraschung gegeben.
Trotz des Windes machen wir mit ca. 4,5km/h ganz gute Fahrt, queren den Årøsund und erreichen auf diese Weise nach einer guten Stunde die kleine Insel Årø. Am Hafen des gleichnamigen Ortes gehen wir an Land, da wir auf der Suche nach einer Einkaufsmöglichkeit sind. Es findet gerade ein kleines Hafenfest statt, Musik wird gespielt, etwas Volk ist auf den Beinen.
Wir stiefeln durch die Gassen, aber schnell zeigt sich, dass es weder eine Bank mit einem Geldautomaten noch irgendein Geschäft gibt. Der Ort ist einfach zu klein.
Also geht es zurück zum Hafen, wir wollen unsere Reise fortsetzen. Beim Abfahren schiebe ich mein Boot hinaus und es gleitet davon - Anfängerfehler, darf man gar keinem erzählen… Ich muss Birgit bitten, den Kahn wieder einzufangen. Peinlich!
Der Wind dreht auf Süd (…wie passend…) und erzeugt mit geschätzten 4 bis 5 Beaufort eine kräftige Welle, die von der Seite heran läuft. Birgit reagiert mit Nervosität, während ich sehr gut zurecht komme, obschon mir der Prijon Touryak (…und dann auch noch dieses hässliche Grün…!) so gar nicht gefällt. Doch es gab bei dem Verleiher nur einen Seayak und den darf Birgit fahren.
Wir kämpfen uns um die Südspitze der kleinen Insel und legen dann eine weitere Pause ein. Birgit ist nach ihrem Ausstiegsmanöver patschnass.
Wir futtern Salzstangen und Äpfel und treten dann die Weiterfahrt an. Unser nächstes Ziel ist die etwa drei Kilometer entfernte, ebenfalls recht kleine Insel Bågø. Der Wind dreht auf West und flaut ab, so dass es wider Erwarten völlig entspannte drei Kilometer werden. Unterwegs lugt hin und wieder ein Seehund aus den Wogen, die Wolkendecke verdichtet sich, Regen setzt ein.
Im Kajak vor der dänischen Insel Bågø mit ihrem kleinen Leuchtturm
Bald erreichen wir den beschaulichen Hafen der Insel und gehen an einem angrenzenden Sandstreifen an Land. Kurz vor uns legten zwei weiter Kanuten an, die nun am Strand sitzen: ältere Herren, Pfeife rauchend, mit älteren Booten ohne Steueranlage, die sich offenbar für etwas besseres halten und sich zu schade sind, unseren Gruß zu erwidern… Komische Käuze.
Birgits Wunsch ist es, hier zu bleiben, so dass wir nach 15,5 Kilometern die Tagesetappe für beendet erklären und am sympathischen nahen Campingplatz einchecken.
Ich koche mir eine Kanne Tee, es gibt Schokolade und eine heiße Dusche. Bald hört es sogar auf zu regnen, so dass wir uns noch einmal aus dem Zelt heraus wagen und für eineinhalb Stunden spazieren gehen - und dabei einen beachtlichen Teil der Insel erschließen. Alles geht hier recht beschaulich zu; die Uhren scheinen etwas langsamer zu gehen. Einheimische begegnen sich auf der Straße, halten Klönschnack, ab und zu kommt ein Trecker vorbei… Dänisches Inselidyll.
Nach der kleinen Wanderung sind wir hungrig und da man beim Paddeln ja nicht so aufs Gewicht schauen muss, hatte ich einige Konservendosen gekauft. So können wir heute Rinderrouladen genießen. Ich muss feststellen, dass die gar nicht soo schlecht schmecken…
Und - wer hätte das gedacht - am Abend scheint noch mal richtig schön die Sonne!
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Sonntag, 12. Juni 2011
Was für eine herrliche Jahreszeit… bei der nächtlichen Pinkelpause ist festzustellen, dass es kaum wirklich dunkel wird - am Horizont ist auch mitten in der Nacht ein heller Lichtstreif auszumachen… Das gefällt mir gut!
Birgit holt am Morgen ein vorbestelltes Brot von der Hafenrezeption, wir frühstücken draußen am Tisch und haben das Gefühl, dass die Bank sich sanft hin und her bewegt - dabei sind wir doch eigentlich noch gar nicht so lange unterwegs…
Zum Transport unserer Kajaks an Land hatte ich bereits im Vorfeld der Reise im erweiterten Bekanntenkreis zwei kleine Bootswagen geliehen, da ich wusste, dass unser Verleiher in Sundsacker keine zur Verfügung würde stellen können. Etwas tüffelig von mir war es, die Reifen des einen nicht aufgepumpt zu haben… So bugsieren wir nun die beladenen Kajaks, eins nach dem anderen, mit einem der beiden Wagen hinab zum Strand. Ziemlich wackelige Angelegenheit.
Bei relativ ruhigen Verhältnissen verlassen wir die kleine Insel Bågø und treten die gut fünf Kilometer messende Überfahrt zu dem Ort Assens an der Westküste Fyns an. Dort setzen wir die Kähne im Yachthafen auf einen kleinen Strand, um in der kleinen Stadt endlich einen Geldautomaten zu suchen. Nach ein, zwei Kilometern Fußmarsch werden wir fündig, können uns nun also im Supermarkt (…welcher erfreulicherweise auch am Sonntag geöffnet hat…) verproviantieren. Ich freue mich über ein paar Bananen und natürlich decken wir uns mit viel Naschkram ein, unter anderem einer Packung fürchterlich süßer Kekse.
Bevor wir dann unsere Reise fortsetzen, picknicken wir ein Weilchen am Strand bei unseren Booten, während nebenan ein etwas hyperaktiver Hund Sandladungen in die offenen Bootsluken schaufelt… Super.
Weiter geht die Fahrt in südöstlicher Richtung, wir folgen dem Küstenverlauf und nähern uns irgendwann der Insel Helnæs. Eine richtige Wasserwanderkarte haben wir nicht im Gepäck, vielmehr dient uns eine Fahrradkarte (neben dem GPS) der Orientierung. Diese gibt keinen Aufschluss darüber, ob die vor uns liegende Straßenverbindung von Fyn nach Helnæs nun eine Brücke oder ein Damm ist und somit bleibt es bis zuletzt unklar, ob wir umtragen müssen oder nicht.
Birgit ist mittlerweile etwas k.o., als wir die fragliche Stelle erreichen und feststellen, was wir bereits ahnten: es ist ein Damm. Also wuppen wir die die schweren Kähne in den Sand, zerren sie hinauf über Algen und durch Gras, um sie dann ein Stück entlang der Straße zu schleifen und dann auf der anderen Seite wieder zu Wasser zu lassen. Etwas beschwerlich, aber machbar.
Östlich des Damms ist das Wasser flach, wir gleiten nur wenige Zentimeter über den Grund, glatt liegt die See, wir können Quallen und deren Schatten auf dem Grund beobachten, Helnæs sieht irgendwie irisch aus: sanft geschwungene grüne Hügel. Alles in allem ein überaus friedliches, liebliches Bild, welches sich uns bietet.
Problemlos finden wir den von uns angesteuerten Biwakplatz der dänischen Organisation "Overnatning i det fri". Für umgerechnet etwas mehr als fünf Euro dürfen wir an dem herrlichen Flecken unser Zelt aufstellen und die oben auf der Steilküste bei einer Mühle gelegenen Sanitäranlangen nutzen. Auf einer Wiese dort oben campiert eine größere Gruppe mit vielen Kindern, unten am Strand haben wir nur ein, zwei kleine Zelte in der Nachbarschaft. Einer der Gäste schenkt uns am Abend eine Schale frisch gefangener Krabben, die unseren Speiseplan ergänzen. Ruhig liegt die See da, der Himmel ist wolkenlos. Wunderbar!
Nach dem Essen unternehmen wir noch einen kurzen Spaziergang, hinauf zur Mühle, ein Stück entlang der kleinen Straße und wieder zurück.
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Montag, 13. Juni 2011
Bereits um sieben Uhr am Morgen sind wir auf den Beinen, es weht ein recht kräftiger Wind; wenige Schaumkronen sind auszumachen, mögen es vielleicht vier Beaufort sein.
Kurz vor zehn sind die Boote klar und wir starten in den Tag. Unsere Route folgt für etwa fünf Kilometer in südöstlicher Richtung der Küste, welche uns Windschutz bietet. Dann erreichen wir Helnæs Strand, so heißt der äußerste Zipfel der Insel. Nun sollen wir hinaus aufs Meer: gut drei Kilometer trennen uns von Böjden (Hafenort an der Westküste von Fyn; von dort aus gibt es auch eine Fährverbindung ans dänische Festland bzw. genauer gesagt nach Als). Der Wind kommt direkt von vorne, somit sind die Verhältnisse sehr berechenbar, auch wenn die Wellen sich zum Teil schon zu beachtlicher Höhe auftürmen…
Nach Erreichen der Steilküste legen wir zwischen dem Hafen und einem angrenzenden militärischen Sperrgebiet eine Kekspause ein, bevor die Fahrt weitergeht.
Wir folgen der recht wilden und somit ziemlich schönen Küste, erreichen den Südzipfel der Halbinsel Horneland, wo wir abermals pausieren. So ganz geheuer ist uns die bevorstehende Vier-Kilometer-Überfahrt nach Lyø nicht. Laut krachen die Wellen an den steinigen Strand, der Wind pfeift. Es ist etwas unheimlich und so zögern wir die Abfahrt noch ein Stück hinaus.
Should I stay or should I go now?! …so klingt die Melodie des alten Clash-Titels in meinen Ohren…
Die Zeit des Haderns findet ein Ende, wir geben uns einen Ruck und paddeln los, Kurs Südwest. Schnell finden wir heraus, dass unsere Sorgen völlig unbegründet waren, es fährt sich super, die Welle kommt regelmäßig, ich empfinde keine Spur von Unbehagen, als wir mit vier Stundenkilometern dahingleiten. Ganz im Gegenteil: die See glitzert, es bereitet mir Freude, dabei zuzusehen, wie Birgits Kajak durch die Wellen pflügt. Es ist ein Hochgenuss!
Lyø rückt schnell näher und bald erreichen wir den kleinen Hafen, der uns beiden noch in (…wenn auch schwacher…) Erinnerung ist von unserer Segelfahrt mit der Pippilotta im Jahr 2004. Wir suchen uns einen Platz, wo wir die Boote aus dem Wasser ziehen können und begeben uns auf einen kleinen Spaziergang in den Ort, wo wir einen wirklich winzigen Einkaufsladen finden. Das Sortiment ist begrenzt, wir füllen unsere Vorräte unter anderem mit Hotdog-Würsten, Gurkenscheiben und Schokolade auf.
Wieder am Hafen kommen wir eine ganze Weile mit einer Seglerin aus Baden-Württemberg ins Gespräch, die sich für unsere Kajaks interessiert und allerlei Fragen stellt. Wir erfahren, dass es zurzeit in BaWü und auch in Bayern zweiwöchige Pfingstferien gibt, was unter anderem erklärt, wieso es möglich ist, dass Ingrid morgen mit ihrem Sohn Maxi nach Island fliegen wird…
Gute sechs Kilometer trennen uns noch von Avernakø. Der Wind flaut ab und so gerät die Überfahrt, die wir antreten, obschon wir beide schon ein wenig müde sind, zu einer ganz gemütlichen Angelegenheit. Das GPS spinnt unterwegs, ohne dass ich dafür eine Erklärung habe, fängt sich aber zum Glück auch irgendwann wieder.
Am Hafen von Avernakø gibt es einen Fähranleger, eine kleine Marina mit Sanitäranlagen, Terrasse mit Sitzbank und einen Kassenautomaten, an welchem die Gäste ein Ticket lösen können: zum Beispiel für ihre Yacht, aber auch für ein Zelt. Eine sehr kostengünstige und ausgesprochen nette Möglichkeit für uns, zu übernachten. Wir bleiben die einzigen Campinggäste.
Und überhaupt gefällt mir diese Insel besonders gut; ich mache mir noch ein Bild von ihr, indem ich am Abend eine knapp fünfzehn Kilometer lange Laufeinheit (Teil meines Trainingsprogramms für bevorstehende Triathlon-Wettkämpfe in den nächsten Wochen) einlege und dabei das Eiland von West nach Ost (…und wieder zurück…) durchmesse. Ruhig, hügelig, voll blühender Blumen, kleine Höfe am Wegesrand, ein nettes Kirchlein und von fast jedem Ort aus kann man irgendwo auf das Meer blicken. Wie nett ist es doch in Dänemark!
Um halb zehn bin ich wieder am Zelt. Birgit hatte schon gegessen und ich koche mir jetzt meine Portion Nudeln, während Regen einsetzt und der Wind deutlich an Intensität zunimmt. Also die Ohropax tief in den Schädel gedrückt - und schon ist Ruhe im Karton.
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Dienstag, 14. Juni 2011
Der Morgen kommt, der Wind ist noch immer da, er pustet aus eher westlicher Richtung. Die Sonne scheint, die Luft ist frisch, ich genieße das skandinavische Sommeridyll.
Und langsam fahre ich auch etwas runter, lasse den Alltagsstress hinter mir. Langsam…
Wir frühstücken auf der Bank im Windschatten der hölzernen Sanitärgebäude. Anschließend macht Birgit sich auf den Weg zum Einkaufsladen, so dass ich Gelegenheit finde, noch meine Reisenotizen zu aktualisieren. Ich nippe an einer Tasse Tee, atme, ja inhaliere voller Genuss den Meeresduft, höre das Rauschen der Wellen, das Zwitschern der Vögel. Lebensfreude blitzt auf!
Bald kommt die Schwester wieder, hat nicht viel einkaufen können, da der Laden ähnlich spartanisch bestückt war, wie jener auf Lyø am Vortag. Immerhin aber konnte sie auf diese Weise auch noch einen kleinen landseitigen Eindruck von Avernakø gewinnen.
Um elf Uhr stechen wir in See, der kräftige Wind pustet uns gut voran. Auch wenn die Wellen regelmäßig und somit berechenbar sind, so ist es doch seltsam, da man sie nicht kommen sieht, sondern nur fühlt. Die Reaktion darauf folgt also ausschließlich dem Gespür, manchmal werden unsere Kähne dabei ganz schön durchgeschaukelt und vom Wasser überspült. Echt abenteuerlich…
Sechs, sieben Kilometer sind es, bis wir das östliche Ende der Insel erreichen. Wir genießen die Fahrt, freuen uns über die Landschaft, also auch über unsere Entscheidung, diese Ecke unseres Planeten für unsere Sommertour gewählt zu haben. All die kleinen netten Inseln, das klare Wasser - härrrlich!
Am Avernakø-Ostzipfel legen wir eine ausgiebige Pause ein, bevor wir uns an die Überfahrt nach Drejø wagen, etwa vier Kilometer über See. Dort erfolgt abermals ein langer Halt in der Nachmittagssonne. Es gibt Tee, Kaffee, Brötchen, Kekse und Schokolade, während wir uns mit der Frage auseinandersetzen, ob wir hier bleiben sollen oder noch ein Inselchen weiter, namentlich nach Birkholm, paddeln sollen. Birgit ist unsicher, was die Fünf-Kilometer-Strecke angeht.
Letztendlich ist es abermals so, dass wir dann doch losfahren. Es wird ein arges Geschaukel, phasenweise recht aufregend. Kräftig pustet der Wind, es pfeift in den Ohren. Wenn man ein Ziel vor Augen hat, welches fünf Kilometer entfernt ist, so sieht es am Anfang echt weit aus, man meint, es nähert sich überhaupt nicht - immerhin das GPS gibt mir die Gewissheit, dass doch eine Annäherung erfolgt… Das Mantra, welches ich immer wiederhole, lenkt mich von meiner Nervosität ab: "…bloß das rote Dach fixieren, paddeln, nicht aufhören, nicht umdrehen, nicht zur Seite blicken, immer das rote Dach fixieren, paddeln, nicht aufhören…". Und ich gebe mich dem Instinkt hin, mit dem ich die Paddelschläge auf die Wellen setze.
Offenbar ist dieser inzwischen gut genug ausgeprägt, denn irgendwann kommen wir heil und trocken auf der kleinen Zielinsel an. Birgit äußert hinterher die Einschätzung, dass wir wohl noch nie auf dieser und auf anderen Touren solch hohe Wellen hatten, wie draußen auf dieser Überfahrt…
Mal wieder setzen wir erleichtert und auch ein wenig erschöpft die Kähne in den Sand neben einem kleinen Hafen, welcher unser Ziel war. Just in dem Moment kommt auch der Hafenmeister vorbei, wie praktisch, so können wir direkt unsere Anmeldung vornehmen. Erfreut nehmen wir zur Kenntnis, dass uns die Übernachtung lediglich 15 Dänische Kronen, also etwa zwei Euro kosten soll. Das ist echt günstig.
Noch während wir unser Zelt aufbauen, taucht von einem der wenigen Segelboote im Hafen ein schmieriger Kerl auf, Typ Säufer, und baut seinen Grill direkt neben uns am Tisch auf. Komischer Kerl.
Als wir nach einem etwa einstündigen Spaziergang über die Insel hungrig wiederkommen und am Tisch Platz nehmen, um unser Essen zu bereiten, da taucht er wieder auf und pflanzt sich völlig distanzlos daneben und glotzt. Seltsamer Vertreter. So nervig, dass wir uns in die Apsis verkriechen, um uns seinen Blicken zu entziehen. Echt schräg. Ein paar junge Erwachsene nebenan grillen und wundern sich auch ein wenig über den komischen Vogel. Birgit schlabbert eine Linsensuppe, ich sättige mich abermals mit Nudeln.
Zum Nachtisch gibt es Pistazien-Schokoladen-Pralinchen und ich koche mir einen Jogi-Tee. Dieser schmeckt allerdings entsetzlich - nun ja, ist wohl doch nur Salzwasser, was aus der einzigen Leitung hier am Hafen fließt… Muss ich mir einen neuen kochen.
Erinnert mich spontan an einen Tee, den ich mir mal am Mývatn mit Schwefelwasser kochte…
Am Abend SMS-Chat mit Claudia; Wettervorhersage: Wind schwach aus Südost… na hoffentlich!
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Mittwoch, 15. Juni 2011
Trotz der aufregenden Passagen am gestrigen Tag habe ich heute bereits wieder richtig Lust, zu paddeln. Der Wind hat deutlich nachgelassen und so gelangen wir ohne Probleme auf Südsüdwest-Kurs nach Ærøskøbing. Gestern hatte ich ja schon kurzzeitig die Sorge, wir könnten auf Birkholm festsitzen, falls der Wind nicht abflaut oder sogar zunimmt. Eine Fähre wäre nicht gefahren, das hätten wir nur aussitzen können…
Nun ja, wie gesagt, heute sind die Verhältnisse ganz friedlich. Unterwegs sorgt nur einmal kurz ein großes knallgelbes Kunststoffteil für Aufregung, welches wir ein paar Hundert Meter entfernt im Wasser treiben sehen - Birgit will nicht ausschließen, dass es sich dabei um ein Kajak handeln könnte - und war da vorhin, als wir Birkholm verließen, nicht auch ein Boot der dänischen Küstenwache unterwegs und hat uns mit dem Fernglas beobachtet - suchten die vielleicht einen gekenterten "Kollegen"?
Wir weichen also von unserem Kurs ab, halten auf das vermeintlich gekenterte Boot zu (…was, wen da jetzt wirklich eine Leiche drinhängt?), um dann aber bald Entwarnung geben zu können: es handelt sich lediglich um ein losgerissenes Seezeichen. Gut.
Ærøskøbing ist ein sehr netter Ort mit vielen historischen Häuschen, alle adrett restauriert und in Schuss gehalten, macht Spaß, sich dort ein wenig umzusehen.
Nun sind wir also schon auf der Insel Ærø, das bedeutet, dass wir uns nun langsam Gedanken machen müssen, wie wir hier wieder wegkommen - immerhin zwölf Kilometer misst die kürzeste Übersee-Verbindung ans Festland (bzw. nach Als, was ja quasi Festland ist). Wir sind noch unentschlossen, ob wir das wirklich paddeln möchten, erkundigen uns also sicherheitshalber schon einmal nach konkreten Fährverbindungen (dass es überhaupt welche gibt, das hatte ich schon im Vorfeld der Reise herausgefunden). Die Nutzung einer Fähre würde das Vorhandensein von zwei Bootswagen erforderlich machen, also ist es an der Zeit, sich darum zu kümmern, dass irgendwie Luft in den platten Reifen unseres zweiten Wagens kommt. Zu diesem Zwecke suchen wir ein Fahrradgeschäft auf. Sind wir nun also für alle Eventualitäten vorbereitet. Schon vor einigen Tagen allerdings hatte Birgit die Option ins Spiel gebracht, dass man bei halbwegs vernünftigen Verhältnissen auch würde paddeln können. Mich hat das gefreut, ich hätte bei der Fährvariante immer ein wenig das Gefühl gehabt, wir hätten geschummelt oder anders gesagt, die Linie, mit welcher ich auf einer Karte unsere Fahrt beschreibe, hätte eine hässliche Unterbrechung bekommen… Wir wollen das morgen früh entscheiden, wenn es wirklich soweit ist.
Nachdem also die Geschichte mit dem Bootswagen erledigt ist, gehen wir in einen fürchterlich kalten Netto-Markt, um unsere Vorräte wieder aufzufüllen - man, was habe ich gefroren! Anschließend ein Picknick am Hafen, bevor die Fahrt weitergeht. Auf einer Landzunge stehen aufgereiht kleine bunte Ferienhäuschen - Katalog-Idylle!
Es herrscht nun absolute Flaute, still gleiten unsere Boote über die bleierne See, den vielen Seglern auf dem Wasser, die wir in der Ferne ausmachen, wird das nicht gefallen… Auf dem Weg nach Søby, einem Ort an der Nordküste der Insel, legen wir eine weitere Pause ein. Søby ist ein schmuckloser Werft- und Hafenort. Von hier könnten wir auch nach Als übersetzen und hier gibt es auch einen "Primitiv-Campingplads", den wir als Übernachtungsort in betracht ziehen. Die Inspektion vor Ort ergibt, dass er vierhundert Meter bergauf an einer Straße liegt, das würde das Erreichen mit dem Kajak recht beschwerlich werden lassen, so dass wir uns gegen eine Übernachtung an diesem Ort entscheiden.
Bald darauf sitzen wir wieder in unseren Booten, paddeln nach Nordwesten und scannen die steinige Steilküste westlich von Søby nach einem geeigneten Lagerplatz ab. Wegen der vielen Steine und dem relativ steil abfallenden und dazu noch oft schmalen Strand ist die Situation eher suboptimal, doch irgendwann entscheiden wir uns für einen Platz. Vom Aufstellen des Zelts sehen wir ab, hoffen vielmehr auf stabiles Wetter und planen, die Nacht unter freiem Himmel zu verbringen.
Doch erst einmal müssen die knurrenden Mägen bedient werden! Eigentlich hatten wir ja vor, heute Abend mal zu grillen, doch im Supermarkt gab es nur Riesenportionen Fleisch und Grillwurst, so dass wir davon absehen. Nun kochen wir uns Kartoffeln und braten uns dazu Geflügelfilets an.
Schon jetzt fallen uns die kleinen "Springtiere" auf, die in Scharen diesen Strand bevölkern - bevorzugt unter Steinen; Schalentiere etwa so groß, wie eine Stubenfliege, mit der erstaunlichen Eigenschaft, bestimmt einen halben Meter weit springen zu können. Das macht sie ziemlich lästig, denn sie kennen keinerlei Scheu, auch uns anzuhüpfen und dann überall herumzukrabbeln.
Insbesondere, als wir uns zur Nachtruhe begeben, wird das etwas nervig! Still liegt die See, ein Kuckuck ruft ohne Unterbrechung seinen Ruf, Mücken kommen. Ich schwitze, wälze mich hin und her, versuche es mit dem Moskitonetz, finde kaum Schlaf. Ich blicke immer wieder auf das Meer, welch herrlicher Anblick! Zumal stets ein matter heller Streifen über der Horizontlinie schimmert. Ich staune, wie friedlich es da liegt, denke am frühen Morgen, mag es vier Uhr sein, dass man eigentlich jetzt losfahren müsste; nur wenige Kilometer trennen uns noch von der nordwestlichen Spitze der Insel, jener Stelle, an welcher zu entscheiden gilt: wagen wir die Überfahrt oder nicht?! Zu dieser frühen, noch nächtlichen Stunde wäre das ein leichtes gewesen.
Ein Jäger schleicht oben auf der Kante der Steilküste vorbei - entweder er hat uns nicht gesehen, was unwahrscheinlich ist, oder er ignoriert uns schlicht und ergreifend…
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Donnerstag, 16. Juni 2011
Wegen des Schlafmangels bin ich am Morgen etwas gerädert. Birgit wacht um sieben auf, hat immerhin einigermaßen geschlafen. Ich stelle fest, dass über Nacht der Wasserspiegel deutlich gestiegen ist - lagen die Kajaks am Abend noch weit weg vom Meer, so trennen sie jetzt nur noch Zentimeter von den kleinen Wellen. Der Wind hat mittlerweile ein wenig zugelegt, wir frühstücken und beschäftigen uns mit der Frage, ob wir nun zurück zum Fährhafen oder aber zur Landzunge im Nordwesten fahren…
Die Wahl fällt auf die zweitgenannte Option, wir möchten dann vor Ort entscheiden. Als wir die Boote klarmachen, stellen wir fest, dass die Luken bevölkert sind von hunderten der Springtiere. Es ist auch mit dem Schwamm nicht möglich, sie wirklich alle zu entfernen. So muss ich damit leben, dass mir bis zum Ende dieser Reise unter der Spritzdecke diese Viecher an die Beine hüpfen - ohne dass ich würde kratzen oder sie verjagen können… na immerhin stechen oder beißen sie nicht!
Wir legen dann die etwa dreieinhalb Kilometer bis zu besagter Landspitze zurück. Der Himmel ist bedeckt, der Wind scheint nicht schlecht zu stehen, Schaumkronen sind noch keine auszumachen, das GPS sagt, es sind genau 11,8 Kilometer Luftlinie bis nach Mommark. Am Strand liegt ein kleiner, toter Wal. Noch mal Pipi.
Birgit fasst zusammen und bringt damit im Prinzip auch meine Wahrnehmung auf den Punkt: erstens, so meint sie, habe sie keine Lust, nun 3,5 Kilometer gegen den Wind nach Søby zurückzufahren, zweitens steht ihr der Sinn nicht nach dem Nervkram an der Fähre und drittens hat sie aber auch keine wirkliche Lust, sich an die Überfahrt zu wagen. Das Ufer von Als ist sehr weit weg, man kann es gerade einmal als schmalen Streifen erahnen, Strukturen sind kaum zu differenzieren. Ist es gut, da jetzt rüberzupaddeln? In was für eine Sch… reiten wir uns da möglicherweise rein?
Okay, eine Lösung muss her, also fackeln wir nicht lange. Die Kähne über die Steine wieder ins Meer, Spritzdecke zu. Ist das Paddel gut verknotet? Alles klar. Wir versuchen, in der fernen Uferlinie am Horizont einen Peilpunkt auszumachen und fahren los. 09:15. Ein ganz klein wenig mulmig ist mir schon.
Beherzt setzen wir Schlag um Schlag in die See, konzentriert geht es voran. Birgit möchte alle tausend Meter eine Ansage, die bekommt sie im Zehnminutentakt - wir machen etwa sechs Km/h. Erst bei Kilometer fünf legt sich meine Nervosität etwas, als ich erkenne, dass es wohl nicht mehr schlimmer wird. Allerdings müssen wir feststellen, dass der vermeintliche Ostwind ein Südwind ist und beharrlich an Intensität zunimmt. Das bedeutet für uns, dass wir nicht von hinten angeschoben werden, sondern dass die Wellen von Backbord heranlaufen, Schaumkronen schlagen und eine wirklich beachtliche Höhe erreichen. Es kommt vor, dass, wenn wir nebeneinander fahren und ein jeder in einem Wellental liegt, man den anderen für einen kurzen Moment nicht mehr sieht…
Ein gutes Gefühl ist es, als wir Kilometer sechs erreichen und somit das verbleibende Etappenstück kürzer wird, als die Strecke, die wir schon bewältigt haben. Mit der Mantra-Taktik kann ich ein wenig meine Nervosität mildern - und wieder hilft der Instinkt dabei, das Boot ohne Kenterung über die Wellen zu hieven…
Der kräftige Südwind sorgt noch für etwas Versatz (was sehr deutlich am Track abzulesen ist, siehe Karte…), bevor wir nach ziemlich genau zwei Stunden das sichere Ufer von Als erreichen. We did it!!!
Dort hinten am Horizont ist Ærø, da kommen wir her!
Erst einmal Pipi und Schokolade. Es ist frisch, wir sind ziemlich nass geworden und so halten wir uns gar nicht besonders lange auf, sondern fahren dann gleich das kurze Stück bis in den Hafen von Mommark. In der kleinen Cafeteria gönnen wir uns einen Hotdog (enttäuschend) und eine Kaffee (auch enttäuschend) und beschließen dann, hier auf dem angrenzenden Campingplatz zu bleiben und den Tag nach dem aufregenden Abenteuer gemütlich ausklingen zu lassen.
Birgit wäscht Wäsche, wir essen Weihnachtskuchen, ich koche mir eine Kanne Tee. Die Sonne scheint, ich döse etwas auf der Isomatte vorm Zelt.
Später unternehmen wir einen kleinen Spaziergang zum Hafen und zum Ort, der nicht wirklich einer ist. Und immer wieder geht der Blick hinaus aufs Meer, am Horizont die Insel Ærø. Kommen wir da wirklich her oder war das ein verrückter Traum?
Regen setzt ein, wir verbringen den Abend lesend, ich schicke mal wieder, wie jeden Abend, ein paar Simsen in die Welt: Koordinaten für Werner, ausformulierte Standortmeldungen an Claudia und die Eltern…
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Freitag, 17. Juni 2011
Ohne Wecker pendelt sich die Aufwachzeit bei sieben Uhr ein. Das ist gut! Der Wind pustet immer noch ziemlich kräftig, wir schätzen es aber zunächst so ein, dass er etwas zu unseren Gunsten gedreht hat. Dies wird sich bald als Irrtum entpuppen, denn wir haben es mit einem ziemlich kräftigen Westwind zu tun, der uns heute noch das Leben schwer machen wird. Zusätzlich werden uns kräftige Böen zusetzen... Hinzu kommt, dass immer wieder Regenschauer niedergehen, so dass das Gesamtbild, welches sich an diesem Morgen bietet, ein recht ungemütliches ist. Erstmals auf dieser kleinen Reise packe ich meinen Südwester aus, was sich als gute Idee erweisen sollte…
Zunächst paddeln wir südwärts für sechs Kilometer unter Land, was kein Problem ist. Dann beginnt die harte Arbeit, je weiter sich unser Kurs in Richtung Westen einpendelt - die Richtung, aus der uns der Wind kräftig entgegenpustet… Immerhin kommt bald die Sonne heraus, so dass wir nicht frieren müssen.
Die Windmühlen auf der Steilküste rotieren hektisch im Wind, wir kämpfen uns voran, fahren die kleine Bucht etwas weiter aus, wenden viel Kraft und Ausdauer auf, um mit den Verhältnissen zurechtzukommen. Dann zieht urplötzlich ein Schauer auf mit Windböen, wie ich sie auf dem Wasser noch nicht erlebt habe, das ist wirklich beängstigend. Sodom und Gomorra. Der Regen ist so heftig, dass er schmerzt und so dicht, dass er die Sicht einschränkt, der Sturm droht mir das Paddel zu entreißen - Bedingungen, denen ich nicht lange würde trotzen können. Wir ändern umgehend den Kurs, fahren direkt auf die Küste zu, um das Sicherheit verheißende Ufer zu erreichen. Nach einigen Minuten jedoch ist der unheimliche Spuk jedoch schon wieder vorüber - er ging so schnell und unversehens, wie er kam…
Verrückt. Wir malen uns aus, wie es wohl gewesen wäre, wenn uns gestern mitten auf unserer weiten Überfahrt ein solches Phänomen heimgesucht hätte… Wäre kein Spaß gewesen!
Wir gehen an Land, gönnen uns eine Pause. Ich ermittle mit dem GPS, dass es noch 18 Luftlinienkilometer bis Søndeborg sind, ein ordentliches Stück Arbeit liegt da noch vor uns.
Noch ein paar Kilometer, dann müssen wir die Boote umtragen. Strand rauf, hoch auf den Damm, dann über die Straße, Strand runter und auf der anderen Seite schließlich ins flache Wasser einer weiten Bucht, die an dieser Stelle von Kitesurfern bevölkert ist.
Mit etwa drei Stundenkilometern geht es voran, kräftezehrend und mental fordernd. Ich ringe mit mir, versuche, einfach die Langsamkeit zu akzeptieren, sie als gegeben anzunehmen. Es nützt ja nichts, da müssen wir durch.
Zwei weitere Pausen legen wir ein, bevor wir am Abend schließlich unser Ziel erreichen. Der Campingplatz ist noch derselbe, wie jener, den ich vor zehn Jahren auf meiner ersten Seekajakfahrt ansteuerte. Wir finden die Rezeption gerade noch geöffnet vor, können dort glücklicherweise auch noch etwas zu Essen einkaufen. Wir sind beide hungrig und müde, aber was müssen wir auch ausgerechnet bei solchen Bedingungen die deutlich längste Etappe dieser Reise fahren!
Die Dusche tut gut, das Abendessen auch!
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Samstag, 18. Juni 2011
Kräftiger Regen prasselt auf das Dach. Beide sind wir mit einem Motivationsproblem konfrontiert was das Verlassen des Schlafsacks betrifft…
Wir frühstücken in der Apsis, alles macht einen etwas finsteren Eindruck; verstärkt wird das sicher auch durch den Zeltplatz an sich: ringsum stehen Bäume, die das Licht nehmen und alles noch etwas deprimierender aussehen lassen.
Wie schön, das es aber bald trocken ist! Wir unternehmen einen kleinen Spaziergang in den Ort, um einen Einkauf zu erledigen. Außerdem hatte ich Hafen und Innenstadt in ganz schöner Erinnerung, denke, das ist sicher auch für Birgit von Interesse. Weiß auch nicht, wie das sein konnte, heute finde ich, sieht alles etwas heruntergekommen und wetterbedingt noch besonders trostlos aus. Am Hafen wird überdies heute eine Auto-Rallye stattfinden, überall finden sich die Zelte der Rennteams, prollige Schüsseln dröhnen durch die Gassen. Super.
Auf dem Rückweg zum Zelt setzt wieder Regen ein, wir packen dennoch alles zusammen, wuppen die Kähne zum Hafen hinab, etwa vierhundert Meter über Land.
Der Wind scheint nicht mehr ganz so kräftig zu pusten, wie gestern. Wir treten die Querung des Gewässers nach Broager Land an, halten dabei die Augen offen, denn es ist sehr viel Seglerverkehr unterwegs. Das mit dem Wind war mal wieder eine Fehleinschätzung, mit Kraft treibt er Wolken vor sich her, die immer mal wieder ihre Schauer abwerfen. Das Wetter ist turbulent, oft sieht man auf einigen Abschnitten das Land nicht mehr. Wir folgen ein Stück der Küste, haben arge Mühe mit den Böen, die uns auch heute wieder mit Macht das Leben schwer machen.
Eigentlich wollten wir noch ein Stück weiter nach Westen paddeln, um die Flensburger Förde an einer schmaleren Stelle zu queren. Der Kampf gegen den Wind ist allerdings derart zehrend, dass wir uns nach einer wenig heimeligen Pause am Steinstrand dafür entscheiden, schon vorzeitig auf Südostkurs zu gehen und Habernis auf deutscher Seite ansteuern, ziemlich genau fünf Kilometer entfernt.
Auch unterwegs ereilen uns wieder unheimliche Böen bis sieben Beaufort. Und überhaupt: wir stellen fest, dass hier in der Flensburger Förde das Wasser völlig anders ist. Die Welle geht kurz, die See ist eher kabbelig. Ein deutlicher Unterschied zu den Verhältnissen auf offenerem Meer. Technisch ist das aber problemlos zu meistern.
Mit dem Erreichen der deutschen Küste ist abermals eine Pause fällig, es gibt Kekse. Ein bisschen habe ich plötzlich so ein "Heimkommen-Gefühl", weiß ich doch nun, dass jetzt nicht mehr wirklich etwas schief gehen kann auf dieser Fahrt. Zu Beginn der kleinen Reise gab es viele Unwägbarkeiten und potenzielle Gefahren, so manche Überfahrt, die uns Unbehagen bereitete, so mancher Wind, welcher uns das Leben schwer machte. Nicht einmal die Route stand zu hundert Prozent fest, es war unklar, wie wir von Ærø fortkommen würden. Nun sind all diese offenen Fragen beantwortet, wir werden uns nicht mehr weit von der Küste entfernen müssen. Schon wieder ein bisschen "We dit it-Stimmung"…
Sieben Kilometer sind es noch bis Wackerballig, auf dem Weg dorthin werden wir noch mal ordentlich durchgeschüttelt - wenige Hundert Meter vor dem Zielhafen toben ein letztes Mal Böen über uns hinweg. Später am Abend werden wir von Gästen des Campingplatzes angesprochen "…ach sie waren das da draußen vorhin, das sah ja abenteuerlich aus…!" Wurden wir also beobachtet!
Der Empfang auf dem Campingplatz ist freundlich, wir bekommen einen windgeschützten Platz zugewiesen, ich bin ziemlich k.o., nehme an, dass mir die lange Etappe des Vortages noch in den Knochen steckt…
Ich versuche, hier in Wackerballig etwas wieder zu erkennen, nachdem unser letzter Aufenthalt bei der Anreise nach Island (28. Juli 1994) nun fast siebzehn Jahre her ist. Es fällt schwer, doch meine ich, mich noch an die Sanitäranlagen erinnern zu können. Die Wiese, auf der wir einst campierten und ein kräftiges Gewitter über der Bucht erlebten, ist heute mit einigen Häusern bebaut.
Eigentlich wollte ich heute Abend mal wieder laufen gehen, das verwerfe ich aber eingedenk des Umstandes, dass ich echt ein bisschen erschöpft vom Paddeln bin. Also werfen wir direkt den Kocher an, brutzeln Bratwürste, schlagen uns die Bäuche voll und unternehmen später noch einen kleinen Verdauungsspaziergang zum Hafen. Dann geht es früh zu Bett.
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Sonntag, 19. Juni 2011
Der Wind hat gedreht, sehr kräftig pustet er nun von Süd. Zunächst gefällt uns das, müssen wir doch erst einmal nach Nordosten paddeln, um den Geltinger Birk zu umrunden. Mit gut sieben Stundenkilometern kommen wir flott voran, es ist ein Spaziergang.
Ja, aber dann, nach dem Erreichen der Landspitze drehen wir ziemlich direkt in den Wind, es ist kühl, regnet viel, der Himmel ist oft finster - und das Vorankommen mal wieder ausgesprochen anstrengend. Im Verlauf werden die Verhältnisse immer ungemütlicher, mit gut drei Km/h ringen wir dem Meer Meter um Meter ab. Bei Kilometer 14 ist eine Pause fällig, wir wähnen an der Stelle ein Restaurant oder Café, werden aber enttäuscht. Oberhalb der flachen Steilküste findet sich nichts weiter als ein Parkplatz. Wir schlottern vor Kälte, hätten uns gerne mal zwischendurch etwas aufgewärmt, das wird also nichts. Die Alternative sieht so aus, dass wir zwei Strandkörbe durch den nassen Sand zusammenschieben und in deren Windschatten unser dringend notwendiges Picknick abhalten. Lange halten wir das nicht aus, es ist einfach zu ungemütlich.
Also klappernd wieder rein in die Boote, ich helfe Birgit beim Start in die Wellen, damit sie möglichst trocken wieder auf Kurs kommt. Langsam wird mir wieder warm und da der Küstenverlauf sich ändert, stehen wir bald etwas besser im Wind, das heißt, wir kommen wieder etwas besser voran, Schleimünde rückt näher. Sehen kann man die Hafeneinfahrt allerdings lange Zeit nicht, da sie sich hinter der Landzunge des Naturschutzgebiets verbirgt. Aus der Kieler Bucht rollt eine tolle Welle heran, es macht plötzlich wieder richtig Spaß, zu paddeln!
Ein unerklärliches Phänomen ist es, dass mit dem Passieren des Leuchtturms von Schleimünde sich auf einmal kein Lüftchen mehr regt, das Wasser bleiern vor uns liegt und die Sonne scheint. Sehr seltsam.
Die Rezeption des angesteuerten Campingplatzes ist geschlossen, wir erledigen die Anmeldung telefonisch, bauen unser Zelt auf der altbekannten Wiese auf - 2006 waren wir hier schon einmal zu Gast.
Es gibt eine herrliche Dusche, später Nudeln, Birgit treibt ein Erdinger-Alkoholfrei für mich auf, sie selbst gönnt sich ein Flensburger-Alkoholhaltig.
Wieder geht es früh zu Bett, bereits vor zehn liegen wir in der Falle und finden bald Schlaf.
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Montag, 20. Juni 2011
Um halb acht pellen wir uns aus den Schlafsäcken, so richtig eilig haben wir es ja nicht, Sönke, ein Kollege von mir, kann sich frühestens ab 12:00 von Kiel aus auf den Weg machen, um uns in Sundsacker einzusammeln, also können wir es wie üblich gemütlich angehen lassen.
Wir frühstücken, packen, fegen das Zelt gründlich aus, lassen es heute auch mal in der Sonne richtig trocken werden - für weniger Dreck und Nässe in der Berliner Stadtwohnung…
Die Rezeption des Campingplatzes öffnet erst um zehn, wir sind eher fertig - ich kläre telefonisch, dass ich die Rechnung im nahen Hotel Olpenitz begleichen kann. Dann stechen wir ein letztes Mal in See, ein leuchtender Morgen, frische Seeluft, eine Atmosphäre von skandinavischer Reinheit.
Ein kurzes Stück genießen wir noch den Windschatten einer kleinen Landzunge, während uns dann für einige Kilometer ein durchaus respektabler Westwind das Vorankommen erschwert. Ich bin völlig entspannt - vielleicht liegt es daran, dass ich weiß, dass diese Anstrengung heute nur wenige Kilometer währen wird - genieße richtig, wie mir der Wind um die Ohren pustet, das Wasser der Wellen ins Gesicht spritzt; zu der Freude mischt sich ein Hauch Melancholie, dass diese schöne Tour nun bereits wieder ihr Ende findet. So atme ich tief ein und sauge die Schönheit des Morgens in mich hinein. Hinzu kommt, dass ich scheinbar die Anstrengung der letzten drei Tage inzwischen weggesteckt habe, mir nichts mehr "in den Knochen sitzt", ich kraftvoll meine Paddelschläge platzieren kann.
Birgit ist leider nicht ganz so fit heute Morgen, dementsprechend kann sie dem Gegenwind auch relativ wenig abgewinnen. Freude für uns beide ist der Anblick der auslaufenden Pippilotta - jener alte Großsegler, auf dem wir 2004 mit Katja nach Lyø fuhren. Nun haben wir eine Variation dieser Fahrt mit dem Kajak hinter uns!
Nach einiger Arbeit erreichen wir also den bewaldeten Zipfel, an welchem die Schlei in Richtung Kappeln nach Süden wegknickt, so dass wir es nun nur noch mit einem kräftigen Seitenwind zu tun haben, dessen Effekt wir noch mildern, indem wir uns unter Land halten.
In der Stadt eine kurze Pause, es gibt Banane, Apfel und Schokoriegel und dann folgen die wirklich letzten Meter unserer Reise.
Um dreizehn Uhr erreichen wir Sundsacker, ich telefoniere mit Sönke, der eine gute Stunde später eintrifft und uns bei kräftigem Regen heimfährt.
Ich freue mich, die Kinder wieder zu sehen, wobei ich zunächst nur Joe antreffe, da Toni noch auf einem Geburtstagsfest weilt.
Wir nehmen eine Brotzeit, essen Kuchen, trinken Kaffee, ich kopiere die Bilder von Birgit und für Birgit.
Und nachdem ich sie schließlich zum Bahnhof gebracht habe, lege ich mich noch mal ein Stündchen hin - in der vergeblichen Hoffnung, noch etwas Schlaf zu finden, bevor ich zum Nachtdienst muss…
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